Jerry Cotton Sonder-Edition 245 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 245 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Selbst die Unterwelt wusste nicht, wer sich hinter dem Decknamen Junior verbarg. Dieser Gangster brachte die schöne Liza Franklin in seine Gewalt. So wollte er ihren Freund, einen gewissen Raft, dazu zwingen, für ihn eine Riesenladung Rohopium auf dem Luftweg in die USA zu schmuggeln. Bevor Raft das Diktat des Gangsters ausführen konnte, wurde er in den Straßen New Yorks erstochen. Um Liza zu retten, übernahm ich die Rolle des toten Rafts. Es wurde ein langes, heißes Abenteuer. Und es endete mit einem Schreckensflug zu Dora 44 - dem Schnittpunkt des Todes ...

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Der Schreckensflug

1

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Vorschau

Impressum

Der Schreckensflug

Selbst die Unterwelt wusste nicht, wer sich hinter dem Decknamen Junior verbarg. Dieser Gangster brachte die schöne Liza Franklin in seine Gewalt. So wollte er ihren Freund, einen gewissen Raft, dazu zwingen, für ihn eine Riesenladung Rohopium auf dem Luftweg in die USA zu schmuggeln. Bevor Raft das Diktat des Gangsters ausführen konnte, wurde er in den Straßen New Yorks erstochen. Um Liza zu retten, übernahm ich die Rolle des toten Rafts. Es wurde ein langes, heißes Abenteuer. Und es endete mit einem Schreckensflug zu Dora 44 – dem Schnittpunkt des Todes ...

1

»Dein Geld, Mann! Schnell!«

Die Klinge war zwei Handspannen lang, an beiden Seiten geschliffen bis in die Spitze. Rasiermesserscharf schlitzte sie das Hemd des Mannes bei der leisen Berührung.

»Du verdammter Straßenräuber!«

Er schlug die Messerhand zur Seite und riss das rechte Knie hoch. Nahkampf hatte er in seiner Dienstzeit im Marinekorps gelernt. Er traf.

Der Junge heulte auf und krümmte sich.

Er wollte ihm noch einen Fausthieb versetzen. Aber er verfehlte das dunkle Gesicht mit dem krausen schwarzen Haar. Schlug ins Leere und wurde von der Wucht der eigenen Bewegung nach vorne gerissen.

Leicht, als wäre Gewalt nicht im Spiel, drang das Messer in seinen Körper ein, verursachte noch keinen Schmerz, nur die erschreckende Erkenntnis, dass der andere getroffen hatte.

Er nahm den Oberkörper zurück, fing die Messerhand am Gelenk ab und drückte den Arm des Jungen nach unten weg. Wieder schlug er verzweifelt mit der Faust nach dem Gesicht, das er seit zehn Sekunden kannte und nie zuvor gesehen hatte. Diesmal traf er.

Er fühlte, dass er um sein Leben kämpfte.

Der Junge wich zurück, und er wusste, dass er gewinnen würde.

Trotz des Messerstichs, von dem er noch nicht mehr spürte als ein zähes, ziehendes Gefühl tief unter der Haut.

Dann sah er die dunkle kompakte Gestalt des zweiten Straßenräubers. Viel kleiner als der Junge, der ihn gestoppt hatte. Breitschultrig, mit langem strähnigen Haar.

O nein, dachte er, Liza, ich will nicht ohne dich sein. Es ist nicht wahr. Ich träume ... Ich werde aufwachen.

Der zweite Messerstich, den sein Körper empfing, drang tief in seinen Rücken ein. Der Gangster mit dem langen Haar benutzte ein breites Jagdmesser.

Er erstarrte. Seine Faust öffnete sich. Der Griff um das Handgelenk erschlaffte.

Er brach in die Knie.

War es der vierte, der fünfte Stich, der ihn tötete?

Das Fallschirmmesser oder die dünne Stilettklinge?

Er fiel nach vorne. Sein Gesicht schlug auf das Pflaster.

Das Pflaster einer Straße in New York.

»Jerry!«, schrie Phil.

Ich rammte den Fuß auf die Bremse.

Die blockierten Reifen kreischten.

Bevor der Jaguar richtig stand, war Phil schon draußen.

Wie Hyänen, die die Köpfe von der geschlagenen Beute heben, richteten sich zwei Gestalten auf, zögerten und wollten nicht von ihrem Opfer lassen.

Ich sprang aus dem Wagen.

Jetzt da sie zwei Männer sahen, rannten sie. Der eine nach links, der andere nach rechts. Ihre Schatten wischten über die Fabrikmauer, an der sie entlangpreschten.

Phil wählte den Mann, der nach rechts floh, schnitt ihm den Weg ab. Ich hörte den überkippenden Schrei einer kreischenden Stimme: »Lass mich in Ruhe, Mann!«

Ich raste dem anderen nach. Er war eher klein, mit breitem Rücken und kurzen Beinen. Er rannte wie ein Läufer im Endspurt, den Kopf in den Nacken gelegt, die Arme angewinkelt. Die Gummisohlen seiner Tennisschuhe schlugen einen klatschenden Trommelwirbel auf den Asphalt. Ich konnte ihn nicht einholen, nicht solange er unter Aufbietung aller Kräfte lief.

Er flitzte um eine Mauerecke, drosselte das Tempo und sah sich um, ob ich noch hinter ihm war.

Ja, ich war da. Ich hielt sein Tempo mit.

Mach dir keine Hoffnung, Boy! Mich wirst du nicht mehr los! Schlag Haken, so viele du willst! Umkreise den Block meinetwegen dreimal. Immer wenn du den Kopf über die Schulter drehst, wirst du mich hinter dir sehen.

Er wurde langsamer. Seine Kondition hatte nicht lange gereicht.

Na, komm schon! Bleib stehen! Gib auf!

Er blieb stehen. Abrupt. Beine gegrätscht. Rechte Hand weit vorgestreckt.

Ein Messer! Natürlich, diese Typen arbeiteten immer mit irgendeiner Sorte Stecheisen.

Sein Atem pfiff und rasselte.

Ich ließ ihm keine Zeit zur Erholung und fintierte links.

Er stieß zu. Ich drehte mich gerade so weit aus der Stoßrichtung, dass sein Messer um eine Handbreit ins Leere fuhr. Der wilde Angriff brachte Kopf und Oberkörper in die Reichweite meiner rechten Faust.

Ich erwischte ihn. Der Schlag war nicht besonders hart. Aber ich hatte ihn wohl auf den Punkt getroffen.

Denn er ließ sich aufs Pflaster fallen und blieb auf dem Rücken liegen.

Ich hob das Messer auf.

Eine breite Klinge, die sich nass anfühlte, als ich sie berührte. Ich hielt meine Hand so, dass das Laternenlicht darauf fiel.

Meine Finger waren blutig.

Ich bückte mich über den Mann.

Ein Zwanzigjähriger. Graugelbliche Hautfarbe. Langes, strähniges Haar und die Uniform der West-Side-Slums: Tennisschuhe, Jeans, T-Shirt, abgewetzte Lederjacke.

Ich stellte ihn auf die Füße und schüttelte ihn. Seine Lider flatterten, öffneten sich. Schwarze Pupillen in trüb brauner Iris. Er kam schnell wieder zu sich.

»Geh vorwärts!«

Er lief den Weg zurück, stumm, mit hängendem Kopf. Seine linke Schulter zuckte nervös.

Sein Kumpan lag auf dem Gesicht, Arme und Beine gespreizt. Breitbeinig stand Phil neben ihm, den 38er in der Hand.

»Ein Messerstecher!«, sagte er. »Hat mich damit angegriffen!«

Er stieß mit dem Fuß gegen ein langes, schmales Stilett.

»Runter!«, befahl ich meinem Gefangenen.

Er ging auf die Knie, ließ sich neben seinen Kumpan fallen.

»Ihr Opfer liegt dicht an der Mauer«, sagte Phil. »Bis jetzt keine Bewegung.«

Jenseits des Lichtkreises der nächsten Laterne zeichneten sich die Umrisse eines Menschen ab. Ich erkannte zunächst nur ein dunkles, regloses Kleiderbündel.

Ich trat hinüber.

Der Mann lag in einer großer Blutlache.

Ich beugte mich über ihn, richtete den Strahl der Taschenlampe in sein Gesicht.

Weit aufgerissene blaue Augen starrten mich blicklos an.

Ein junger Mann, nicht älter als dreißig. Teuer angezogen mit einem blauen Anzug, Seidenkrawatte, schwarzen, gesteppten Schuhen.

Sie hatten ihn schon geplündert. Die Uhr lag neben seinen Füßen, ein Manschettenknopf fehlte. Eine prall gefüllte Herrenhandtasche hatten sie fallen lassen.

Ich hob sie auf. Weiches Saffianleder mit goldfarbenen Reißverschlüssen.

Die Tasche in der Hand begab ich mich zum Jaguar, klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr und drückte den Rufknopf.

»Streifenzentrale City Police.«

»Cotton vom FBI. Wir wurden Augenzeugen eines Straßenraubs. Mit Mord. Unterrichten Sie das Homicide Department. Wir sind ...«

Wo waren wir? Ich hatte nicht auf die Straße geachtet. Seit zwei Wochen kreisten Phil und ich Nacht für Nacht durch die Höllenküche der Bronx und suchten Ray Cherryl, der einen G-man getötet hatte.

»Melrose-Bezirk. Nähe der Third Avenue. Eine Straße mit einer alten Fabrikmauer.«

Ich hängte ein, öffnete ein Fach der Handtasche.

Flugtickets. New York-Paris-Athen. Abflugdatum, der 14. Also morgen. Erste-Klasse-Sitz. Ausgestellt für Gerald Raft.

Nächstes Fach. Ein Bild. Foto einer lächelnden Frau. Auf der Rückseite eine Widmung.

Du schaffst es, und ich liebe dich! Liza.

Dasselbe Fach enthielt den Führerschein.

Gerald Raft, geboren in New York. Foto des toten Mannes. Auf dem Foto lächelte er.

Ich kehrte zu Phil zurück.

»Er heißt Gerald Raft. Wollte morgen nach Europa fliegen.«

Der Straßengangster, den Phil gefasst hatte, jammerte: »Lasst mich doch gehen!«

Phil biss die Zähne aufeinander, dass sich die Wangenmuskeln unter der Haut abzeichneten.

»Hast du den Koffer gesehen?«, fragte er. »Er liegt auf der Fahrbahn.«

Der Koffer war mittelgroß, aus schwarzem Krokodilleder. Ich hob ihn an.

Schwer, als wäre er mit Blei gefüllt.

Eine Sirene heulte.

»Endlich.« Phil rückte den Hut aus der Stirn. »Ich bin heilfroh, wenn die Cops die Typen übernehmen.«

Ich hantierte an den Schlössern, löste die Riemen und klappte den Deckel hoch.

Kein Blei im Koffer. Nur Papier.

Nur Papier? Dass ich nicht lache!

Dieser Koffer war bis an den Rand gefüllt mit gebündeltem Geld.

Ein Wagen schoss heran. Die Scheinwerfer blendeten auf. Warnlicht flackerte.

Die Cops!

Als Liza Franklin die Wohnungstür aufschloss, merkte sie, dass die Verrieglung nicht eingerastet war.

Gerald ist gekommen, dachte sie, wie wundervoll!

Sie hantierte am Schloss. Es klemmte.

»He, Gerald, mach auf!«, rief sie.

In derselben Sekunde gab das Schloss nach. Liza stieß die Tür auf. In der Diele brannte kein Licht. Nirgendwo brannte Licht. Sie tastete nach dem Lichtschalter. Bevor sie ihn berührte, wurde sie an beiden Armen gepackt und in die Diele gerissen. Die Tür schrammte ins Schloss.

Eine schwere Hand verschloss Lizas Mund. Sie fühlte sich hochgehoben. Durch die Diele wurde sie in den Wohnraum getragen.

Sie stieß mit den Füßen um sich und rang nach Luft.

»Alles okay?«, fragte eine Männerstimme.

»Ja, wir haben sie.«

»Macht Licht!«

Die Deckenbeleuchtung in Lizas Studios flammte auf.

Dicht vor ihr stand ein Mann, dessen Gesicht unter dem Gewebe der schwarzen Strumpfmaske eine konturenlose Fläche war.

»Verhalten Sie sich vernünftig«, sagte er. »Wenn Sie sich ruhig verhalten, geschieht Ihnen nichts.«

Der Mann war mit einem braunen, teuren Mantel bekleidet. Seine braunen Schuhe glänzten, und die Farbe der Handschuhe war sorgfältig zum Farbton des Mantels abgestimmt.

»Wir sind nicht gekommen, um Ihr Scheckbuch zu stehlen, Miss Franklin. Auch vor einer Vergewaltigung brauchen Sie sich nicht zu fürchten. Lass sie los, Chuck!«

Die Hand gab Lizas Mund frei. Sie wurde auf den Boden gestellt und losgelassen.

Noch zwei Männer waren im Raum, beide mit schwarzen Strumpfmasken über den Köpfen. Der Mann, der Liza hereingetragen hatte, war sehr groß.

»Es geht im Grunde nicht um Sie, sondern um Gerald Raft«, sagte der Mann im braunen Mantel. Er drehte sich um und nahm das gerahmte Foto Geralds vom Schreibtisch. »Für meine Liza«, las er die Widmung laut vor. »Frauen schaffen alles. Gerald und ich waren Freunde. Alle, die Gerald kannten, prophezeiten ihm eine große Karriere. Eine Karriere als Profigangster. Dann begegnet er Ihnen, und Sie drehen ihn um. Mit einem Lächeln und ein bisschen Sex machen Sie einen ehrlichen Menschen aus ihm, der von seiner Vergangenheit nichts mehr wissen will.«

Sie schwieg.

Mit einer nachlässigen Bewegung stellte er das Bild an seinen Platz. »Trotzdem hat die Vergangenheit Gerald eingeholt.«

Er kam so dicht an Liza heran, dass sie sein Rasierwasser roch und den Hauch von Zigarettenrauch, der in seinen Kleidern hing.

»Liebt Gerald Sie wirklich?«

»Ja«, antwortete Liza.

»Ich hoffe es, Miss Franklin, in Ihrem Interesse. Gerald ist mit fünf Millionen Dollar für mich unterwegs, und ich habe nur eine Möglichkeit, ihn daran zu hindern, dass er sich mit meinen fünf Millionen in irgendeinen Winkel der Welt absetzt.«

Er hob Lizas Kinn an. Irgendwo hinter dem schwarzen Gespinst sah sie das Glitzern seiner Augen.

»Sie, meine Süße, sind meine Kontrollmöglichkeit. Sie sind die Kette, an die ich Gerald lege, und ich hoffe, die Kette ist stark genug, um dem Gewicht und der Versuchung von fünf Millionen zu widerstehen.«

»Was wollen Sie von mir?«

»Ich kidnappe Sie. Gerald erfährt, dass Sie sich in meinen Händen befinden. Erledigt er seinen Auftrag, werde ich Sie freilassen und Sie entschädigen. Bestiehlt er mich oder versagt er, werde ich Sie töten. Das wäre sehr bedauerlich, Miss Franklin. – Gerald kennt mich. Er weiß, dass ich nie eine leere Drohung ausstoße.«

Sie presste die Lippen aufeinander.

Er schob den Mantelärmel zurück. Das Gold eines Uhrenbands glänzte.

»Wir müssen uns beeilen. In einer halben Stunde wird Gerald hier sein.« Er wies auf ein japanisches Diktiergerät, das neben Geralds Bild auf dem Schreibtisch lag. »Ich wünsche, dass Sie Ihrem Darling sagen, was sich ereignet hat und was sich ereignen wird.« Aus der Manteltasche zog er einen Bogen Papier. »Hier ist Ihr Text. Lesen Sie ab. Persönliche Zusätze – Küsschen oder Ähnliches – sind erlaubt.«

Liza las. Jede Zeile erfüllte sie mit stärkerem Entsetzen. Ihre Kehle schnürte sich zusammen. Sie hätte am liebsten geschrien. Stattdessen flüsterte sie: »Ich kann nicht.«

»Machen Sie keine Schwierigkeiten«, sagte der Mann mit veränderter Stimme. »Meine Befehle werden immer befolgt.« Er packte das Gerät, schaltete es ein und hielt es ihr vors Gesicht. »Sprechen Sie!«

Er nickte dem großen Mann zu, der Liza getragen hatte. Die mächtigen Hände umschlossen Lizas Arme wie Schraubstöcke. Schmerz kroch aus den Armen in Schulter und Rückgrat.

»Lieber Gerald«, flüsterte sie, »der Mann, der dir einen wichtigen Auftrag erteilt hat, nimmt mich mit. Von dir hängt es ab, ob wir ...«

Sie las den Text immer schneller, als könnte sie die Drohungen unwirklich machen, wenn sie sie leise und undeutlich aussprach.

Der Mann schaltete ab. »Ich bin zufrieden. Wir verlassen jetzt zusammen das Haus. Wenn Sie ohne Widerstand mitgehen, ersparen Sie sich den Abtransport unter Chloroform und die Übelkeit beim Aufwachen.«

Er fasste Lizas Arm und führte sie zur Tür. Liza wandte sich um.

Der Mann im braunen Mantel hatte das Diktiergerät vor Geralds Bild gestellt. Es verdeckte das halbe Gesicht.

2

Ein Straßenraub ist keine Arbeit fürs FBI.

Wenn wir uns trotzdem die Mugger vornahmen, die Gerald Raft erstochen hatten, dann war der Kofferinhalt der Hauptgrund.

Eine Geldsammlung? Tresorinhalt eines Devisenhändlers?

Der Grundstock bestand aus Dollarnoten, ausschließlich Hunderter. Außerdem Deutsche Mark in Tausender- und Fünfhunderterscheinen, riesige Schweizer Franken in Tausendern, englische Pfund, von denen ernst die Queen blickte, vermutlich weil sie sich Sorgen um ihre Währung machte. Und fremde Banknoten, die weder Phil noch ich je zuvor gesehen hatten, auf denen wir außer den Zahlen nicht einmal die Schrift lesen konnten. Unser Geldexperte lieferte die Erklärung.

»Griechische Drachmen und türkische Pfunde.«

»Alles echt?«, fragte Phil.

»Zweifellos.«

»Wie viel ist es in Dollar?«

Der Geldfachmann hantierte mit dem Taschenrechner. »Um fünf Millionen Dollar.«

Die Straßenräuber warteten im Vernehmungsraum. Identifiziert waren sie schon. Der Kraushaarige hieß Juan Delaforce, der andere Ramon Gonzales. Sie wohnten im selben Slumblock in Spanisch Harlem, waren jeder zweimal vorbestraft. Arbeit hatten sie nie gefunden. Sie lebten von Diebstählen, etwas Rauschgifthandel und Straßenraub.

»Habt ihr den Mann im fremden Auftrag erstochen?«, fragte ich.

»Es war Notwehr!«, sagte Gonzales. »Er griff uns an.«

Nach einer halben Stunde gab er die Notwehrstory auf.

»Wir brauchten ein paar Dollar und fragten ihn, ob er zwei oder drei Scheine für uns abzweigen kann. Er reagierte sofort mit Rundumschlägen. Wir sagten, er soll vernünftig sein. Aber er wurde richtig wild. Da zeigte ich ihm das Messer, um ihn zur Vernunft zu bringen. Er sprang mich an und ...«

Er zuckte mit den Schultern, sein Gesicht war stumpf und gleichgültig. Ich fuhr mir durchs Haar.

»He, G-man, rücken Sie 'ne Packung Zigaretten raus!«

Phil schippte eine Packung über den Tisch. »Ihr habt den Mann niemals vorher gesehen?«

»Nie! Es war so, G-man! Ramon und ich standen in einem Hausflur und waren pleite. Da rauschte ein großer Schlitten an, stoppte genau vor unserer Nase, und der Mann stieg aus.«

»Beschreib das Auto.«

»Kann ich nicht. Irgendeine teure Karre. Lincoln oder Cadillac.«

»Habt ihr die Insassen gesehen?«, fragte Phil weiter.

»Die Innenbeleuchtung schaltete sich nicht ein, als der Mann ausstieg. Er saß auf dem Beifahrerplatz. Der Koffer wurde ihm rausgereicht, der Wagen fuhr an und verschwand.«

»Was tat der Mann?«

»Nahm seinen Koffer und marschierte los. Ramon stieß mich an und sagte: ›Der Typ sieht nach Geld aus. Wir latschten ihm nach.‹ Vor der Fabrikmauer holten wir ihn ein und fragten nach 'ner kleinen Unterstützung.« Er rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander. »Wenn er sich von fünf oder sechs Dollar getrennt hätte, wäre nichts passiert, G-man.«

»Keine Ahnung, was er im Koffer transportiert hat?«

Eine wegwischende Handbewegung. »In Koffern ist selten etwas Vernünftiges. Meistens nur schmutzige Wäsche.« Ein zynisches Grinsen, das sein Gesicht zur nackten Grimasse machte. »Oder Bücher und irgendwelcher Aktenkram. Geld findet man nur in Brieftaschen.«

»Irrtum! Der Koffer enthielt Millionen.«

Die Mitteilung löste keine Regung bei ihm. Millionen konnte er sich nicht vorstellen. Die beiden waren auf zehn oder zwanzig Dollar scharf gewesen, und hundert Dollar hätten sie als einen riesigen Fischzug angesehen.

Mr High betrat den Vernehmungsraum. »Und?«

»Straßenraub«, antwortete ich. »Kein geplanter, organisierter Überfall.« Ich wies mit einer Kopfbewegung zu Gomez. »Sie hätten auch jeden anderen Mann, der zufällig vorbeigekommen wäre, angefallen.«

Auf Mr Highs Wink hin wurde der Mugger abgeführt. Sein Kumpan hatte uns die gleiche Story aufgetischt.

Unser Chef breitete Fernschreiben auf dem Tisch aus. »Gerald Raft, der Name stimmt. Ausbildung im Marinekorps. Unehrenhafte Entlassung aus der Armee wegen Körperverletzung und Kameradendiebstahl. Danach zweimal vor Gericht im Zusammenhang mit gewalttätiger Erpressung. Freispruch aus Beweismangel. Vor zwei Jahren Erfolg mit einer Bilderausstellung.«

»Er malte?«, fragte ich.

»Malte und zeichnete. Ein Naturtalent. Anscheinend wurde er von einer Modezeichnerin entdeckt, die seine Ausstellung organisierte und die Presse auf ihn aufmerksam machte.«

»Sir, ich nehme nicht an, dass er für seine Bilder fünf Millionen Dollar erhielt«, sagte Phil.

»Selbstverständlich nicht. Er verkaufte aber genug, um eine Ausbildung an der Akademie nachzuholen.«

»Kennen wir den Namen der Modezeichnerin, die ihn entdeckt hat. Heißt sie Liza?«

»Richtig, Jerry. Liza Franklin, die Frau, deren Bild er bei sich trug. 26 Christopher Street. Sie bewohnt ein kleines Haus in Greenwich Village. Ich habe anrufen lassen. Niemand meldet sich. Bitte fahren Sie hin.«

»In Ordnung, Sir. Wurde das Geld geraubt?«, fragte ich.

Mr High schüttelte den Kopf. »Bis jetzt hat sich niemand gemeldet, der fünf Millionen Dollar in sechs verschiedenen Währungen vermisst.«

Ein kleines Haus mit einem winzigen Vorgarten. Das gibt es noch im Village. Außen altmodisch und verschnörkelt, innen kühl, modern eingerichtet mit weißem Leder, schwarzen Glasplatten, blanken Chromregalen.

Das Foto des toten Mannes silbergerahmt auf dem Schreibtisch, daran gelehnt ein japanisches Diktiergerät.

Kein Zeichen von Gewalt, dennoch wussten wir, dass in dieser Wohnung Ungewöhnliches geschehen war. Denn der Schlüssel hatte von außen im Schloss gesteckt.

Vorsichtig fasste ich das Tonbandgerät an und drückte auf den Schalter, über dem Wiedergabe stand.

»Sprechen Sie!«, sagte eine Männerstimme.

Atmen eines Menschen, unterdrücktes Stöhnen. Dann eine unsichere Frauenstimme.

»Lieber Gerald, der Mann, der dir ...«

Ich stoppte, ließ zurücklaufen, schaltete ein.

»Sprechen Sie!« Eine herrische, brutal klingende Stimme.

Ich drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag.

»Lieber Gerald, der Mann, der dir einen wichtigen Auftrag erteilt hat, nimmt mich mit. Von dir hängt es ab, ob wir uns wiedersehen. Nur wenn er den Gegenwert für das Geld erhält, das er dir anvertraut hat, werde ich von ihm freigelassen. Im anderen Fall werde ich sterben. Bitte, lass mich nicht im Stich, Gerald. Tu, was der Mann verlangt. Ich bin mir sicher, dass er sein Wort hält. Du wirst mich doch nicht vergessen, Gerald! Bitte, komm zurück ...«

Die Manschette lief leer. Ich schaltete ab.

»Und jetzt?«, fragte Phil. Er sah mich nicht an, sondern starrte an mir vorbei auf das Foto.

»Da muss Mister High entscheiden«, sagte ich.

Ich war froh, dass nicht ich die Entscheidung über das Schicksal von Liza Franklin fällen musste.

»Ihr Gepäck hat neun Pfund Übergewicht, Mister Raft«, sagte die Abfertigungsstewardess der Hellenic Airlines.

»Okay, ich zahle«, antwortete ich und nahm den schwarzen Krokodillederkoffer von der Waage.

»Soll der Koffer nicht im Gepäckraum befördert werden, Sir?«

»Nein, ich werde ihn mit in die Kabine nehmen.«

»Für die Kabine ist er zu groß, Sir. Nur Handgepäck ist erlaubt. Ich fürchte, ich muss Sie bitten, den Koffer verladen zu lassen.«

Ich lächelte oder, anders ausgedrückt, ich zeigte ihr die Zähne.

»Darling, ich bin ein Erste-Klasse-Passagier, und wenn Sie mich hindern, den verdammten Koffer in die Maschine zu nehmen, buche ich sofort auf PanAm um.« Ich steigerte meine Stimme. »Ich habe nicht genug Zeit, um einen elfstündigen Flug mit Schlafen, Essen und dem Betrachten drittklassiger Filme zu vertrödeln. Ich muss arbeiten.« Ich klopfte auf den Koffer. »In Ihrem verdammten Flugzeug fälle ich die Entscheidung, welche Frau die Hauptrolle in einer gigantischen Hollywood-Produktion erhält, und ich werde die Frau aus tausend Fotos in diesem Koffer auswählen.«

War auf einer Geldsorte eine Frau abgebildet? O ja, die Queen auf ihren Pfunden.

Umschalten auf Charme, das Zähnezeigen zum echten Lächeln herabmildern.

»Darling, wenn Sie mir ein Foto von sich mit auf den Flug geben, ziehe ich Sie in die engere Wahl.«

Sie gab nach. »Wie Sie wünschen, Sir. Wenn der Chefsteward eine Meldung macht, wird meine Gesellschaft mir einen Verweis erteilen.«

»Sagen Sie's mir, sobald ich zurückkomme.«

Ich winkte einen Gepäckträger heran, wies auf den Koffer. Der Mann lud die lederumhüllten fünf Millionen auf seinen Wagen.

»Welches Gate, Sir?«

»16 A.«

Die erste winzige Hürde hatte ich genommen. Den Koffer im Stauraum des Flugzeugs befördern zu lassen, wäre zu riskant gewesen. Oft kommt Gepäck nicht dort an, wohin es bestimmt ist. Ich wollte nicht Gefahr laufen, den Koffer in Bombay suchen zu müssen. Außerdem verschwinden manchmal Gepäckstücke, die vielversprechend aussehen, zwischen Auslieferung und Verladung. Die großen Flughäfen haben ebenso ihre eigenen Verbrecherorganisationen wie die großen Städte. Ich weiß es, denn ich habe einmal versucht, einer Airportgang das Handwerk zu legen.*

Der Träger hievte den Koffer aufs Kontrollband. Ich sah zu, wie er die Anlage durchlief, und passierte selbst die Schranke.

Kein Warnsignal. Keine aufflackernde Lampe.

Auf Papier reagieren die Strahlen nicht, und den 38er hatte ich zu Hause gelassen.

Ich schleppte den Koffer in die Maschine.

Eine Stewardess nahm mich in Empfang. »Ihr Platz ist 4 A, Sir. Darf ich Ihren Koffer nehmen?«

»Ich trage ihn selbst. Ich möchte nicht, dass Sie zusammenbrechen.«

Die Maschine war ein Jumbo. Für alle Gesellschaften scheint es sich zu lohnen, New York mit Jumbos anzufliegen, gleichgültig aus welchem Land die Maschine kommt. Es leben so viele gebürtige Griechen, Deutsche, Iren, Chinesen, Japaner in New York, dass die Jumbos allein von Besuchsflügen der Verwandtschaft ausgelastet sind.

Trotzdem waren in der ersten Klasse noch Sitze frei. Ich blickte mich um.

Grauhaarige Männer blätterten gelangweilt in Zeitungen. Ein Kahlkopf mit einer Hornbrille studierte eine Zahlenliste und tippte lange Ziffernreihen auf seinem Taschenrechner. Zwei Gentlemen in den Sitzen auf der anderen Gangseite diskutierten in akzentbeladenem Englisch. Ich fing Wörter auf wie Tonnage, Frachtraten, Transportkontrakte. Flog ich in der Gesellschaft von lauter griechischen Reedern?

Die Stewardess beugte sich zu mir. »Würden Sie sich bitte anschnallen, Sir?«

Ich klinkte den Gurt ein.

»Darf ich Ihnen nach dem Start einen Drink servieren?«

»Ich bitte darum. Einen Whisky mit Soda und Eis.«

Zwanzig Minuten später lehnte ich entspannt im Sessel, den Drink in der Hand, blickte durch das Fenster in den samtschwarzen Himmel, in dem manchmal ein besonders heller Stern aufblinkte und so gemächlich durch mein Blickfeld wanderte, als bewegte sich der Jumbo nicht mit über fünfhundert Stundenmeilen, sondern im Tempo einer Postkutsche vorwärts.

Ich hatte nicht viel geschlafen in den zwanzig Stunden seit dem Zusammenprall mit den Straßengangstern.

Zuerst hatte es nach der Entdeckung des Diktiergeräts und der Entführerbotschaft an einen toten Mann eine kurze Diskussion im Chefbüro des Hauptquartiers gegeben.

Was würde geschehen, wenn wir der Presse mitteilten, dass Gerald Raft einem mörderischen Straßenraub zum Opfer gefallen war? Mit Bildern und allen Einzelheiten, damit sich Rafts Auftraggeber davon überzeugen konnten, dass kein Polizeitrick dahinterstand.

Mr High hatte kühl ausgesprochen, was wir alle fürchteten: