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Der Kampf stand auf Messers Schneide. Dann gelang mir der ersehnte Erfolg: Ich überwältigte den berüchtigten Mietkiller Buck Mason. Kaum war er hinter Gittern, da hingen sie mir im Nacken - der ganze unversöhnliche Clan der Mörder ...
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Clan der Mörder
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Vorschau
Impressum
Clan der Mörder
Der Kampf stand auf Messers Schneide. Dann gelang mir der ersehnte Erfolg: Ich überwältigte den berüchtigten Mietkiller Buck Mason. Doch kaum war er hinter Gittern, da hing er mir im Nacken – der ganze unversöhnliche Clan der Mörder ...
Als Harry Clarence das neue Spielcasino von Asbury im Staat New Jersey verließ, war er mächtig betrunken und mächtig gut gelaunt. Mit der rechten Hand knetete er unablässig die nackte, runde Schulter seiner Freundin Violet, während er mit der linken dem Casinoportier eine Zwanzigdollarnote zusteckte.
»Mann, wenn ich morgen wieder gewinne, musst du dir Sorgen um deinen Wochenlohn machen!«, schrie Clarence.
Der Portier riss die Mütze vom Kopf.
»Sie sind ein Glückspilz, Mister Clarence, Sir. Vielen Dank für den Zwanziger. Dort steht Ihr Wagen. Ich habe ihn sofort vom Parkplatz geholt, als eine Lücke frei wurde.«
»Bis morgen, mein Freund!« Clarence stieß dem Portier die Faust leicht vor die goldbetresste Brust. Auf die blonde, füllige Violet gestützt, schwankte er auf seinen Cadillac zu. Er sang laut und versuchte, die Hand von der Schulter in Violets Blusenausschnitt unterzubringen.
Violet kreischte und schlug ihn auf die Finger. »Später, Harry-Darling, später!«
Passanten, eine Gruppe junger Puerto-Ricaner, blieben stehen, grinsten und rissen Witze über sie
Clarence steuerte die Fahrertür an. Erst als er sie öffnete, stemmte sich Violet, gegen seine Einsteigversuche.
»Lass mich fahren, Harry. Du hast zu viel getrunken. Los, Harry, steig auf der anderen Seite ein.«
»Ich bin nicht betrunken!«, trompetete Clarence. »Denkst du, ein Mann, der fähig ist, achttausend Dollar zu gewinnen, könnte sein Auto nicht mehr fahren! Ich werde es dir zeigen!«
Violet gab nicht nach. Zwischen ihr und Clarence entspann sich ein Ringkampf um den Fahrerplatz. Harry machte eine Show daraus, versuchte, sie zu küssen und die Knöpfe ihrer Bluse zu öffnen. Die Puerto-Ricaner hatten ihren Spaß beim Zuschauen.
Erst nach fünf Minuten ließ sich Clarence schnaufend und lachend gegen die Karosserie fallen.
»Okay, Schätzchen, ich lass dich ans Steuer, aber du wirst dich wundern, was ich unterwegs mit den Händen machen werde, während du das Steuer hältst. Ich werde nicht zu bremsen sein.«
Immer noch lachend, ging er schwankend und unsicher an der Motorhaube des Cadillac entlang, vor dem Wagen her und auf der anderen Seite zurück.
Violet stieg ein. Sie drehte den Schlüssel, den der Portier im Zündschloss gelassen hatte. Nahezu lautlos sprang der Motor an.
Harry Clarence erreichte den Wagenschlag auf der Beifahrerseite. Er fasste den Griff, riss die Tür auf und schrie lachend: »Schätzchen, ich komme ...!«
Der Mann, der einen karierten grauen Anzug und einen weichen schwarzen Hut trug, war zum Fahrerplatz des Cadillac unterwegs gewesen, als es noch ausgesehen hatte, als würde Clarence den Wagen fahren.
Jetzt änderte er die Richtung, ging ohne Hast um das Heck des Cadillac herum, trat hinter Clarence in dem Augenblick, in dem er sich zum Einsteigen bückte, und erschoss ihn aus nächster Nähe mit einem kurzläufigen Revolver.
Neben mir schrie Tessie auf, als der kurze, harte Schlag des Revolverschusses durch den abendlichen Straßenlärm drang. Sie streckte den Arm aus.
»Dort, Jerry, dort auf der anderen Seite!«
Ich war auf der Suche nach einem Parkplatz gewesen und hatte nach einer Lücke in der Kette der abgestellten Fahrzeuge gespäht. Was am Cadillac geschah, war durch Zufall in mein Blickfeld geraten.
»Raus!«, brüllte ich, aber Tessie saß wie versteinert auf ihrem Platz.
Ich sah, wie der Mann im karierten Anzug den Fußgängersteig verließ, an einen feuerroten Firebird herantrat und die Fahrertür aufriss. Ein Firebird macht mühelos hundertfünfzig Stundenmeilen, und ich saß in einem abgeschlafften, jahrzehntealten Käfer, der es mit klappernden Ventilen und ausgeschlagenen Kolben kaum auf die Hälfte brachte. Wenn dem Mörder der Start gelang, würde er mich so mühelos abhängen, als säße ich auf einem Pferd.
Ich hieb den zweiten Gang ins Getriebe und trat den Gashebel durch.
»Runter!«, brüllte ich.
Tessie duckte sich.
Der Motor des Käfers klirrte wie eine gefüllte Geschirrspülmaschine während eines Erdbebens.
Ich ließ den Wagen auf den Firebird zuschießen, obwohl es für einen unbeteiligten Zuschauer ausgesehen haben mag, als wackelte mein Wagen im Tempo einer aufgescheuchten Ente die Straße hinunter.
Ich sah, wie der Mann einstieg und die Tür ins Schloss zog. Und ich glaubte, das Aufheulen des Firebird-Motors zu hören, was in Wirklichkeit beim Krach, den der Käfer machte, unmöglich war.
Doch ich kam rechtzeitig, bevor der Mörder sein Auto aus der Lücke steuern konnte. Ich riss den Käfer herum, ließ ihn einen Halbkreis über die ganze Fahrbahnbreite beschreiben, trat hart auf die Bremse und schlitterte dem Firebird vor den Bug. Es krachte und klirrte, als der Firebird seine Schnauze in das rostgeschwächte Blech des Käfers rammte. Die Frontscheibe zerkrümelte.
Ich stieß die Tür auf, schnellte aus meinem Wagen, sprang auf die Motorhaube des Firebird, ließ mich runtergleiten, packte den Griff der Fahrertür und zerrte daran. Die Tür schwang auf.
Der Mann saß hinter dem Steuer, den schwarzen Hut auf dem Kopf, den Mund halb offen. Er hatte noch nicht ganz erfasst, was ihm in die Quere gekommen war.
»FBI!«, brüllte ich.
Unsere Blicke trafen sich. Zum ersten Mal blickte ich in die eisgrauen Augen eines Mitglieds des Mason-Clans. Noch heute glaube ich, dass schon in dieser Sekunde eine Ahnung des Höllentanzes, den diese Begegnung zur Folge haben sollte, in mir aufkeimte.
»FBI!«, brüllte ich noch einmal. »Hände hoch! Keine Bewegung!«
Die eisigen Augen richteten sich auf meine Hände, die so leer waren wie die Stadtkasse von New York. Dann griff der Mann nach dem Handschuhfach, dessen Klappe nicht geschlossen war.
Das alles geschah viel schneller, als Sie es lesen können. Und sehr schnell setzte ich auch in einem wuchtigen, hochgerissenen Haken dem Mann die Faust aufs Kinn.
Sein Körper streckte sich. Die grauen Augen drehten sich nach oben weg, und der Mann kippte zur Seite um.
Jetzt verlor er auch seinen Hut.
Es geschah, was immer geschieht, wenn ein Verbrechen verübt worden ist. Eine Menge Leute rannten herbei, und eine Menge Leute rannten weg.
Alle, die etwas gesehen hatten, machten sich aus dem Staub, und alle, die in Sekundenschnelle dichte Kreise um den Cadillac und den Firebird bildeten, würden später bei der Polizei sagen: Tut mir leid, ich kam erst, als alles schon passiert war.
Ich nahm den Revolver aus dem Handschuhfach.
Ein kurzläufiger Colt Cobra 38, in dessen Trommel eine Kugel fehlte.
Der Mann, der ihn benutzt hatte, lag mit dem Oberkörper auf dem Beifahrersitz und schlief fest unter der Wirkung meines Hakens.
Ich räumte seine Taschen aus.
Ein Bündel Dollarnoten. Ein Feuerzeug, das schwer genug war, um aus echtem Gold zu sein. Eine Brieftasche aus Krokodilleder.
Der Führerschein lautete auf den Namen Burnett Mason.
Außerdem barg die Brieftasche das Farbfoto einer schlanken schwarzhaarigen Frau mit einer Widmung in steilen Buchstaben: Für Buck von seiner Juella.
Beim Anblick des Fotos fiel mir Tessie ein, obwohl Tessie blond war und viel weniger schwül aussah als die dunkle Schönheit aus der Brieftasche des Mörders.
Tessie kletterte gerade aus ihrem Käfer, der in Sekundenschnelle die Entwicklung von altersschwach zu schrottreif durchgemacht hatte. Kein Zweifel, dass Tessie ziemlich verstört aussah. Eine Frau, die mit einem friedlich aussehenden Mann zum Tanzen nach Asbury fährt, kann kaum damit rechnen, in eine Mörderjagd verwickelt zu werden. Selbst Tessies erstklassige Nerven schienen durch die Ereignisse überfordert worden zu sein.
»Geh in irgendeinen Laden, und ruf die Polizei an«, bat ich. »Sag ihnen, es handele sich um Mord.«
»Okay, okay«, sagte sie und rannte mit ihren langen Sprinterbeinen über die Straße auf einen Drugstore zu. Tessie ist Sportlehrerin am Columbia College, New York.
Ich wäre gerne zum Cadillac gegangen, um den sich eine noch dichtere Menschentraube gesammelt hatte als um den Firebird. Doch ich wollte den Mörder nicht aus den Augen lassen. Er würde bald zu sich kommen, denn seine Lider zitterten schon.
Ein Mann mit einer Kamera drängte mich heftig zur Seite und schoss zwei, drei Fotos von dem bewusstlosen Mörder. Ich packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück.
»Immer langsam.« Bevor er noch einmal den Auslöser drücken konnte, legte ich die Hand aufs Objektiv. »Ich beschlagnahme Ihren Film als Beweismaterial.«
»Beschlagnahme? Sind Sie ein Polizist?«
Tessie kehrte zurück. »Die Polizei war schon informiert. Streifenwagen sind unterwegs.«
Nur wenige Sekunden später tauchten zwei Streifenwagen sirenenheulend aus einer Querstraße auf, schoben sich durch die Menge und stoppten dicht neben dem Cadillac und uns. Ein bulliger Sergeant der Distrikt-Polizei stieg aus, die rechte Hand auf dem Griff des Revolvers.
»Lassen Sie die Kanone fallen, Mann!«, blaffte er.
Ich hielt den kurzläufigen Revolver des Mörders an der Mündung. »Das ist eine Tatwaffe, Sergeant, die ich nicht in den Dreck fallen lassen möchte. Geben Sie mir einen Beweismittelbeutel aus Ihrer Ausrüstung.«
Er musterte mich misstrauisch. »Wer sind Sie?«
»Agent Cotton, FBI.«
Von der Besatzung des zweiten Wagens, der neben dem Cadillac gehalten hatte, kam ein Beamter zu uns.
»Drüben liegt ein Mann tot auf dem Pflaster mit einer großen Wunde im Rücken, und im Wagen liegt eine bewusstlose Frau, Rod«, meldete er dem Sergeant. »Wir müssen die Homicide-Abteilung in Trenton benachrichtigen.« Sein Blick fiel auf den Revolver in meiner Hand. »He, Rod, warum nimmst du dem Burschen nicht die Kanone ab?«
»Er ist ein G-man«, brummte der Sergeant. »Hol 'nen Beutel.«
Der Sergeant hängte sich ans Sprechfunkgerät, informierte seine Zentrale und forderte Verstärkung an. Ich ließ den kurzläufigen Cobra-Revolver in einen Beweismittelbeutel fallen, den mir ein Cop hinhielt. Dann verschloss er ihn. Ich übergab ihm Brieftasche und Führerschein des Mörders.
»Burnett Mason«, las er. »Ausgestellt in Florida. Haben Sie gesehen, dass er den Mann am Cadillac getötet hat?«
Ich nickte.
»Staatsanwalt McLane wird sich über einen Zeugen Ihres Kalibers freuen, G-man.« Er löste ein Paar Handschellen vom Gürtel, beugte sich in den Wagen und legte sie dem Mörder an. »Er ist bei Bewusstsein, G-man. Komm raus, mein Junge!«
Er zog den Mörder aus dem Wagen, stieß ihn gegen die Karosserie und tastete ihn ab.
Mason ließ alles widerstandslos mit sich geschehen. Er sah mich kalt und prüfend an, doch ohne einen Ausdruck von Hass.
Der Sergeant gab den Hörer des Sprechfunkgeräts in den Wagen zurück.
»Okay, G-man, es ist alles organisiert. Asbury verfügt nicht über eine eigene Mordkommission, aber die Jungs in Trenton machen sich sofort auf den Weg. Distriktanwalt McLane wird mitkommen. Er ist ehrgeizig und hält sein Office auch am Sonntag besetzt. Wurde erst vor drei Monaten gewählt und will den Bürgern zeigen, dass sie mit ihm eine gute Wahl getroffen haben.«
Ich nickte.
Er schob die Mütze aus der Stirn.
»Wenn das FBI mitmischt, muss es sich um eine große Sache handeln«, sagte er und hängte ein Fragezeichen an den Satz.
»Irrtum, Sergeant. Ich kam nach Asbury, um eure berühmten Hummer zu probieren und anschließend ein paar Runden zu tanzen.«
Sein Blick streifte Tessie. »Ich fürchte, daraus wird nichts werden. Anwalt McLane wird Sie als Zeuge vereinnahmen. Und die junge Lady auch.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Du hörst, was der Sergeant sagt, Tessie. Tut mir wirklich leid.«
Die Cops verfrachteten den Mörder in einen Streifenwagen, und der Sergeant lud Tessie und mich ein, in seinem Fahrzeug Platz zu nehmen.
Erst jetzt fiel mir ein, dass der fotografierwütige Mann die Ablenkung durch die Streifenwagen genutzt hatte und verschwunden war.
Distriktanwalt Robert McLane war ein energiegeladener Vierzigjähriger. Er verbiss sich in den Mordfall wie ein Terrier in eine Ratte. Nicht die geringste Kleinigkeit ließ er außer Acht. Er vernahm Tessie und mich getrennt, ließ alle Spuren sichern und schaltete über Fernschreibleitung die FBI-Zentrale in Washington ein. Kein Wunder, dass Tessie und ich bis Mitternacht in den unfreundlichen Büros des Polizeihauptquartiers von Asbury herumsaßen.
Als Anwalt McLane zum vierten oder fünften Mal auftauchte, brachte er eine Flasche Bourbon mit.
»Mögen Sie einen Schluck, Miss Seal? Und Sie, G-man?«
Tessie und ich lehnten nicht ab. Der Staatsanwalt füllte Pappbecher.
»Das wird der sauberste Fall, den ich jemals in meiner Laufbahn vor die Geschworenen bringen konnte«, sagte er, und seine Augen funkelten. »Der Mann, der erschossen wurde, heißt Harry Clarence, ein zwielichtiger Geschäftemacher. Zweifellos handelt es sich um einen Auftragsmord. Aber das Motiv interessiert mich nur in zweiter Linie.«
Ich schwieg.
»Ich habe den Mörder und drei erstklassige Zeugen, Miss Seal, Sie, G-man, und Violet Burgess. Das ist Clarence' Freundin. Sie saß in nur wenigen Yards Abstand im Cadillac, als Mason den Mann erschoss. Ich werde erreichen, dass der Prozess gegen Mason in spätestens vier Wochen stattfindet, und ich garantiere Ihnen, dass die Geschworenen nach drei Tagen ihr Schuldig sprechen werden.« Er leerte seinen Pappbecher. »Seit Asbury eine Stadt mit erlaubtem Glücksspiel geworden ist, fürchten viele Bürger, dass die Gesetzlosigkeit überhand nehmen könnte. Sie werden sich meinen Namen als den eines Distriktsanwalts merken, der einen Mörder prompt zur Strecke gebracht hat.«
»Wie reagiert Mason?«
»Überhaupt nicht, Agent Cotton. Er schweigt. Nicht einmal einen Anwalt hat er verlangt. Anscheinend ist er nicht vorbestraft. Die FBI-Zentrale in Washington führt ihn nicht im Archiv.«
Er griff zur Flasche. Ich wehrte ab, und Tessie bedeckte ihren Pappbecher mit der Handfläche.
McLane lachte. »Ihre Zentrale, G-man, fragte zurück, ob ich Jack Mason meine. Denn über einen Berufskiller dieses Namens hätten sie eine dicke Akte. Aber Burnett Mason kannten sie nicht.«
»Brauchen Sie uns noch?«, fragte ich. »Wir möchten nach New York zurückfahren. Können Sie ein Taxi für uns auftreiben?«
»Ein Streifenwagen wird Sie fahren. Wir sehen uns in vier Wochen beim Prozess. Sie erhalten die offizielle Vorladung, sobald das Gericht ein Datum festgesetzt hat.« Er begleitete uns bis an den Streifenwagen. »Kommen Sie gelegentlich wieder. Die Asbury-Hummer sind die besten an der ganzen Küste.«
Die Villa lag mit der Rückseite am Hyazinth-Kanal, mit der Front an der Pine Road. Auf der Kanalseite schaukelte eine Hundertfünfzig-Registertonnen-Jacht am Anlegesteg, an der Pine Road stand ein weißer Cadillac Fleetwood in der Garagenauffahrt.
Im Swimmingpool, den ein zeltartiges Moskitonetz vor Floridas Mückenplage schützte, trieb Jack Mason auf einer Luftmatratze langsam dahin. Er hielt ein Glas mit eisgekühltem Ananassaft in der Hand und hatte eine massive Zigarre zwischen den Zähnen. Mason dachte nach, welche Attraktion er den Mitgliedern des Clans morgen bieten sollte. Als Gastgeber fühlte er sich verpflichtet, keine Langeweile aufkommen zu lassen.
Gestern hatten sie Schwertfische geangelt. Vorgestern waren sie auf einer superheißen Party in Miami so angeheizt worden, dass Mason allein tausendzweihundert Dollar für zerschlagene Möbel bezahlt hatte.
Jack Mason beschloss, den Clan morgen mit einem Trip zu den Bahamas zu überraschen.
Er schwamm zur Treppe und stieg aus dem klaren, künstlich kühl gehaltenen Wasser. Er war ein stämmiger, breiter Mann auf kurzen, muskulösen Beinen, am ganzen Körper dunkel behaart. Nur die Halbglatze und der vorgewölbte Bauch unter dem mächtigen Brustkasten waren Zeichen seines Alters. Aber noch immer bewegte sich Jack Mason mit jener Schnelligkeit, die ihn vor mehr als vierzig Jahren im Ring zu einem Mann gemacht hatte, der nur schwer zu treffen gewesen war.
Das Wasser floss von seinem Körper über die Marmorfliesen.
Aus dem Gang, der Swimmingpool und Wohnhaus miteinander verband, kam Barry Cheen, ein Halbchinese. Er diente Mason als Fahrer, Sekretär und manchmal als Sparringspartner. Er brachte einen Telefonapparat.
»Anruf aus New Jersey«, sagte er und stöpselte das Verbindungskabel in die Telefonbuchse.
Mason nahm den Hörer ans Ohr. Das Telefon war eine Sonderanfertigung mit goldüberzogenem Griff, die Gabel in Gestalt einer nackten Frau in lasziver Pose mit ausgestreckten Armen und Beinen. Mason gab viel Geld für verrückte Sachen aus.
»Hallo«, meldete er sich.
»Hier spricht Juella.« Die Stimme klang verzerrt. Mason konnte nicht unterscheiden, ob es an der schlechten Verbindung lag oder ob Juella ihre Nerven nicht unter Kontrolle hatte. Die nächsten Worte gaben ihm Gewissheit.
»Buck ist gefasst worden«, sagte sie.
Mason gab Cheen ein Zeichen. Der legte ihm einen Bademantel um und begann, ihn abzufrottieren.
»Gib mir Einzelheiten!«, verlangte Mason.
»Er erledigte den Job und stieg in seinen Wagen. Doch er kam nicht weg. Ein anderer Wagen blockte ihn, und ein Mann überwältigte Buck.«
»Ein Mann?«, fragte Mason gedehnt. »Nur ein Mann?«
»Ja. Ich glaube, in dem Auto, das er fuhr, saß noch eine Frau. Sie griff nicht ein. Dann gab es einen Menschenauflauf. Wenig später kam die Polizei.«
»Rufst du aus Asbury an?«
»Nein, ich bin nach Trenton gefahren.«
»Gut. Bleib in Trenton, bis ich dir neue Anweisungen gebe. Nimm ein Hotelzimmer, und gib uns die Adresse und die Telefonnummer durch. Um Buck werde ich mich kümmern. Mach dir keine Sorgen, Juella!«
Er drückte die Gabel in Gestalt der nackten Frau nieder, ließ sie hochschnellen und wählte die Nummer des Fernamts.
»New York, 656 – 4520. Falls nicht sofort geantwortet wird, lassen Sie die Verbindung bestehen, bis irgendwer den Hörer abhebt.«
»Ich versuche durchzukommen«, antwortete die Frau in der Telefonzentrale. »Bleiben Sie in der Leitung.«
Mason behielt den Hörer am Ohr und stieg in die Mokassins, die Barry Cheen ihm hingestellt hatte.
»New York für Sie, Sir.«
Mason hörte Stimmengewirr, Musik und dann die kalte, blechern klingende Stimme von James D. Frick. »Verdammt, ich will nicht gestört werden!«
»Hallo, James!«, sagte Mason. »Ich bin es. Jack.«
»Sind Sie in New York, Jack? Kommen Sie sofort rüber in mein Büro. Bei mir läuft eine hochkarätige Party. Die halbe Girltruppe des Five Stars Theatre sitzt auf meinen Schreibtischen. Ich habe für das Theater den Prozess gegen den Knight Verlag gewonnen. Wir bekommen zwei Millionen Dollar Schadenersatz, und das feiern wir gerade. Jack, Sie haben die freie Auswahl unter zwei Dutzend der hübschesten Mädchen von New York, wenn Sie sofort rüberkommen.«
»Ich rufe aus Florida an«, antwortete Mason trocken. »In Asbury ist mein Neffe Burnett Mason verhaftet worden. James, kümmern Sie sich um ihn. Bringen Sie in Erfahrung, was man ihm vorwirft, welche Zeugen der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehen und so weiter. Kann ich morgen Vormittag mit Ihrem Anruf rechnen?«
»Meine schöne Party!« Frick stöhnte. »Okay, Jack, bis ungefähr zehn Uhr werde ich mich bei Ihnen melden.«
»Ich schicke einen Fünftausend-Dollar-Scheck als Anzahlung.«
»Danke, Jack, aber Sie sind für jede Vorleistung gut.«
Mason legte auf. Von Barry Cheen begleitet, trat er in die Villa. An der Hausbar mixte er sich einen Manhattan als Schlaftrunk.
Bucks Pech oder möglicherweise seine Ungeschicklichkeit raubten Mason nicht die Ruhe.
Für solche Fälle hatte er den Clan gegründet. Er war sich sicher, dass sich die Organisation auch dieses Mal bewähren würde.
Er leerte sein Glas, ging ins Schlafzimmer und legte sich auf das Bett, das die Größe eines halben Tennisplatzes hatte. Nach wenigen Minuten schlief er ein.
Der Saal Heaven des Miami-Luxushotels Riverside Palace besaß schalldichte Doppeltüren. Davor stand Barry Cheen, um dafür zu sorgen, dass kein Kellner und kein Unbefugter den Saal betrat.
Hinter den Türen saßen die Mitglieder des Clans um einen runden Tisch.
Jack Mason eingerechnet, umfasste der Clan acht Mitglieder. Nur zwei von ihnen waren mit Mason verwandt. Rico Custov war mit Masons Schwester verheiratet gewesen. Und Bob Farth war sein Neffe wie Buck Mason, um dessen Schicksal es sich bei dieser Konferenz des Clans handelte.
Custov und Farth waren trotz ihrer Verwandtschaft zu Mason nicht die wichtigsten Mitglieder des Clans. Höher in der Rangfolge standen William Horrey, ein Schwarzer, dessen Haar erste graue Fäden zeigte, und Mario Sorrondo, der gute Beziehungen zur Cosa Nostra unterhielt, obwohl er wie alle anderen auf eigene Rechnung arbeitete.
Auch Randolph Whist, ein smarter, überaus elegant gekleideter Beau, dessen Arbeitsfeld San Francisco und die kalifornische Küste war, galt viel im Clan. Dagegen wurden Pit Barsky, der hauptsächlich in Detroit arbeitete, und Horace Lotinec zwar als erfolgreich respektiert, aber gleichzeitig wegen ihrer Unbeherrschtheit mit Misstrauen betrachtet.
Vor allem Horace Lotinec, ein hochgewachsener Brillenträger mit einem bleichen Gesicht, übte nach Masons Ansicht den Job nicht mit der notwendigen Kaltblütigkeit aus, besonders wenn Frauen im Spiel waren.
Jeder dieser Männer war ein Berufsmörder. Für Geld waren sie bereit, Menschen umzubringen. Jeder hatte mehrere, manche sogar viele Aufträge ausgeführt. Sie ließen sich von Gangsterbanden anheuern oder von Privatpersonen. Sie verübten Morde aus politischen, familiären, geschäftlichen Gründen. Die Motive der Verbrechen waren Hass, Gier oder kalte Berechnung. Doch ihr eigener Beweggrund für die Übernahme eines Auftrags war immer derselbe – Geld.
Jack Mason ergriff das Wort. »Für heute wollte ich euch zu einem Flug nach den Bahamas einladen. Leider hat Buck Pech gehabt, und wir müssen uns mit ihm beschäftigen.«
Er nahm ein langes Schreiben in die Hand.
»Ich habe James Frick als Anwalt eingeschaltet. Vor einer halben Stunde telegrafierte er mir alle Einzelheiten durch. Buck hatte den Auftrag, einen gewissen Harry Clarence flachzulegen. Er erledigte den Job makellos, als Clarence einen Spielklub in Asbury verließ und in seinen Wagen steigen wollte. Buck hatte den eigenen Wagen in kurzer Entfernung geparkt, gelangte ungehindert hinters Steuer, wurde aber von einem alten Käfer gerammt, als er abzischen wollte. Der Käfer gehört einer Sportstudentin aus New York. Ihr Name ist Tessie Seal. Am Steuer saß ein FBI Agent. Frick gibt seinen Namen mit Jerry Cotton an. Angeblich war er nur zufällig in der Nähe. Ich weiß nicht, ob wir das glauben sollen.«
Er sah von dem Papier auf. Niemand sagte ein Wort.
»Dieser FBI Agent machte Buck fertig und übergab ihn der Polizei. Buck sitzt im Distriktgefängnis von Trenton. Der Prozess soll in vier Wochen in Asbury stattfinden.«
»War es Masons erster Job?«, fragte William Horrey und strich mit der flachen Hand über die kurzen Locken. Er trug Ringe an allen Fingern mit Ausnahme des Daumens.
»Seine dritte Arbeit«, antwortete Mason. »Juella begleitete ihn. Von ihr erhielt ich die erste Nachricht.«
»Besteht Aussicht auf Freilassung gegen Kaution?«, wollte Sorrondo wissen.
»In diesem Punkt hat Frick keine Hoffnung.«
»Dann muss eine Menge Beweismaterial vorliegen.«
»Drei Zeugenaussagen und ein Sachbeweis.« Mason sprach so gelassen, als berichtete er über die Entwicklung von Börsenkursen. »Der G-man, die Sportlehrerin und Violet Burgess, die Freundin von Bucks ›Objekt‹, haben ihn als Mörder identifiziert. Ihre unterschriebenen Aussagen liegen beim Staatsanwalt. Aber ihr wisst, dass diese Protokolle nichts wert sind, wenn sie nicht vor Gericht durch persönliche Aussagen der Zeugen bestätigt werden.«
Er legte die breiten, kurzfingrigen Hände gegeneinander. Alle schauten ihn erwartungsvoll an.
»Wie ich schon sagte, wird die Verhandlung erst in vier Wochen sein.«
»Und der Sachbeweis?«, fragte Randolph Whist.
»Bucks Revolver. Der G-man ließ ihm keine Chance, die Waffe loszuwerden. Die Polizeitechniker fanden Bucks Fingerabdrücke am Griff und stellten eindeutig fest, dass Harry Clarence mit dieser Waffe getötet worden war. Ihr kennt die Bestimmung einer Tatwaffe durch die Riefenbildung am Projektil. Das ist inzwischen ein alter Hut. Die Gerichte erkennen solche technischen Befunde als Beweismaterial an.«
Eine Weile herrschte Schweigen in der Runde.
Dann sagte Pit Barsky in seiner groben, polternden Sprechweise: »Jack, ich finde, es steht verdammt beschissen um deinen Neffen!«
»Unsinn«, antwortete Mason. In seiner Stimme schwang Schärfe mit. »Der Revolver liegt im Aktenschrank der Staatsanwaltschaft in Trenton. Wenn er beim Prozess nicht vorgelegt werden kann, gilt er so wenig als Beweis wie ein Zeuge, der nicht erscheint.«
Horace Lotinec rückte an der schwarzen Hornbrille. »Jack, diese Organisation scheint zu einer Rettungsgesellschaft für deine Familienmitglieder zu verkommen. Vor drei Monaten musste ich deinen Schwager Rico von einer Freundin befreien, der er zu viel erzählt hatte. Jetzt sollen wir uns mit dem FBI anlegen, um deinen Neffen rauszupauken. Ich habe verdammt wenig Lust, schon wieder wegen eines Mason Kopf und Kragen zu riskieren.«
Jack Mason spürte, wie sein Gesicht rot wurde, als stünde es unter dem Druck einer kräftigen Pumpe.
»Vergiss nicht, dass vor zwei Jahren in Los Angeles ein Streifenwagen in die Luft gesprengt werden musste. Aus keinem anderen Grund, als zwei Cops auszuschalten, die dich auf den Stuhl hätten bringen können.« In seiner Stimme grollte ein unterirdisches Gewitter mit. »Der Clan wurde gegründet, damit jedes Mitglied einem anderen aus Schwierigkeiten heraushilft. Jeder von uns hat schon einmal die Dienste der anderen in Anspruch nehmen müssen. Ich denke, wir werden es in Bucks Fall genauso halten. Buck wird nicht verurteilt werden. Vor Gericht werden keine Zeugen gegen ihn auftreten und keine Beweismittel vorgelegt werden.«