Jerry Cotton Sonder-Edition 256 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 256 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Die Inselgruppe Tarrena, das jüngste UN-Mitglied, war ein tropisches Paradies. Doch dann wurde ihr Botschafter in New York von einem Gangster ermordet, und Gerüchte über seltsame Ereignisse auf Tarrena machten die Runde ... Die Lösung des Falls konnte nur auf den Inseln selbst zu finden sein. Mr High schickte Phil und mich dorthin - in eine Serie gefährlicher Abenteuer. Etwas Ungeheuerliches war auf Tarrena im Entstehen: die Republik der Mafia!

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Seitenzahl: 200

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Die Republik der Mafia

1

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Vorschau

Impressum

Die Republik der Mafia

Die Inselgruppe Tarrena, das jüngste UN-Mitglied, war ein tropisches Paradies. Doch dann wurde ihr Botschafter in New York von einem Gangster ermordet, und Gerüchte über seltsame Ereignisse auf Tarrena machten die Runde ... Die Lösung des Falls konnte nur auf den Inseln selbst zu finden sein. Mr High schickte Phil und mich dorthin – in eine Serie gefährlicher Abenteuer. Etwas Ungeheuerliches war auf Tarrena im Entstehen: die Republik der Mafia!

1

New York, ein Abend im September

Der UN-Botschafter der Inselrepublik Tarrena verließ das Restaurant Franco's Taverne, in dem er mit zwei Geschäftsleuten gegessen hatte, die geneigt schienen, Geld in wirtschaftliche Unternehmen auf Tarrena zu investieren. Der Botschafter hatte sich bemüht, die Neigung durch ein vorzügliches Essen und reichliche Getränke zu verstärken. Jetzt strebten die Gentlemen gut gelaunt ihren Wagen zu. Der Botschafter sprach noch einmal von den besonders niedrigen Steuersätzen auf Tarrena.

Unmittelbar vor den Wagen kreuzte ein Mann ihren Weg so dicht, dass sie stehen bleiben mussten.

Der Mann starrte dem Botschafter ins Gesicht, ging aber weiter. Nach zwei Schritten drehte er sich um, zog einen Revolver aus der Manteltasche und feuerte auf den Botschafter.

Der Botschafter fiel nach vorne gegen die Karosserie seines Autos. Er verlor den Hut, und sein Körper rutschte an dem Wagen nach unten.

New York, ein Nachmittag im Oktober

Der Journalist Ralph Forrest verließ die Maschine der Eastern Airlines, die ihn von Miami nach New York, LaGuardia Airport, gebracht hatte. Der Himmel war grau und regnerisch. Forrest hatte so viele Wochen im milden Klima des Südens verbracht, dass er fröstelte. Er bat den Taxifahrer, die Heizung einzuschalten.

Als sie Michael's Cemetery passierten, steuerte der Fahrer sein Taxi vom Astoria Expressway. »Um diese Stunde ist die Brücke immer verstopft. Ich versuche es durch den Tunnel.«

Wenig später hielt er neben einem geparkten Auto. Drei Männer wechselten aus dem Auto in das Taxi. Sie nahmen Forrest in die Mitte.

Der dritte Mann setzte sich neben den Fahrer und fragte: »Hast du auch sein Gepäck?«

Der Fahrer nickte.

»Was wollt ihr von mir?«, rief Forrest.

Der Mann rechts neben ihm schlug mit der Faust auf Forrest ein. Forrest verlor für Minuten das Bewusstsein.

Der Mann, der ihn geschlagen hätte, legte Forrest den Hut aufs Gesicht. Unter dem Hut rann das Blut über Hemd und Jacke.

Ralph Forrest erlangte noch einmal das Bewusstsein wieder, als er aus dem Taxi in ein Haus geschleift wurde.

New York, ein Vormittag Anfang November

Cate Hergan schrie den Beamten des Homicide Department an. »Warum suchen Sie nicht endlich in der richtigen Gegend nach Ralphs Mördern? Wollen Sie am Ende die Täter gar nicht finden?«

Der Beamte reagierte gekränkt. »Hüten Sie Ihre Zunge, Miss Hergan. Die Untersuchung wurde mit aller Sorgfalt durchgeführt. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Ralph Forrest einem Raubüberfall zum Opfer gefallen ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die Täter Rauschgiftsüchtige, die Geld für ihren Stoff brauchten.«

»Und wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie die Täter fassen?«

»Gering. Das wissen Sie so gut wie ich, Miss Hergan. Jeden Tag werden auf New Yorks Straßen einige Hundert Raubüberfälle verübt. Achtzig Prozent der Täter sind süchtig. Die Sucht bringt sie um den Verstand. Wer sich wehrt, riskiert sein Leben. Forrest muss sich gewehrt haben, oder er hatte einfach Pech.«

»Es war kein Raubüberfall. Ralph wurde aus anderen Gründen ermordet.«

»Wie nennen Sie es, wenn einem Mann Brieftasche, Uhr, Schuhe und der Anzug weggenommen werden?«

»Sie haben einen Teil des Kofferinhalts bei Ralphs ...«, Cate brachte es nicht fertig, das Wort Leiche auszusprechen, »bei ihm gefunden.«

»Ja, das stimmt. Es gibt Sachen, die auch für Süchtige ohne Wert sind, weil sie sich nicht verkaufen lassen. Für schmutzige Hemden und getragene Strümpfe gibt es keine Käufer. Der Koffer allerdings bringt ein paar Dollar.« Er wechselte den Tonfall. »Ich war am Tatort. Es sah ganz so aus, als hätten sie den Koffer ausgekippt und den Inhalt durchwühlt. Vielleicht haben sie ein paar Dinge, die ihnen wertvoll schienen, in den Koffer zurückgeworfen, zum Beispiel den Anzug, den er trug, und die Schuhe.«

»Hätten Sie Papier für wertvoll gehalten?«

»Papier?« Der Homicide-Mann war verwirrt. »Gewöhnliches Papier?«

»Beschriebenes Papier. Mit einer Schreibmaschine beschrieben, von Hand verbessert. Ein Manuskript!«

»O nein. Ich verstehe, was Sie meinen. Das hätte sie nicht interessiert. Wer so weit runtergerutscht ist, dass er wegen seiner Sucht Überfälle begeht und Menschen tötet, hat das Leben längst aufgegeben.«

»Dann sollten Sie sich fragen, warum Sie nicht ein einziges Blatt von Ralphs Manuskripten neben seiner Leiche gefunden haben.« Jetzt kam ihr das Wort Leiche glatt über die Lippen – das machte die Wut. Sie stand auf und fauchte den Beamten an. »Ralph wurde nicht wegen seiner Schuhe, seines Anzugs, seiner Kreditkarte oder der vierzig Dollar Bargeld in seinen Taschen ermordet. Sie haben ihn wegen seiner Manuskripte umgebracht. Wann werden Sie das endlich begreifen?«

Am selben Tag traf Cate Hergan den Chefredakteur einer großen New Yorker Zeitung.

Sie nahmen einen Drink an der Lounge Bar des Hilton Hotel.

Cate war noch immer über ihren ergebnislosen Besuch beim Homicide Department wütend.

»Sie beharren darauf, dass Ralph von ein paar Junkies totgeschlagen wurde. Der Commissioner lässt sich von mir nicht sprechen. Ich werde von einem untergeordneten Sergeant abgespeist. Paul, du hast doch Einfluss. Jeder kennt deinen Namen. Ruf den Commissioner an und bitte ihn, dass er mich empfängt, oder sage ihm, was hinter Ralphs Ermordung steckt.«

»Und was steckt hinter Ralphs Ermordung?«, fragte der Chefredakteur und saugte an dem Strohhalm seines Orange Whisky.

Cates Augen weiteten sich. »Das fragst du, Paul? Ralph hat dir bis ins Einzelne erzählt, auf welche heiße Fährte er gestoßen ist.«

»Er hat ein paar Andeutungen gemacht. Es konnte sich auch um Hirngespinste handeln.«

»Wegen der Hirngespinste hast du ihn nach Tarrena geschickt.«

»Ralph war freier Journalist. Ich habe ihn nicht geschickt. Er ist aus eigenem Entschluss gefahren.«

»Du hast ihm Spesen und einen Vorschuss bewilligt.«

»Das machen wir immer so. Auch wenn wir von der Sache, die recherchiert werden soll, nicht überzeugt sind.«

»Du warst überzeugt. Ich habe mit Ralph vor dem Abflug gesprochen. Er sagte, du seist Feuer und Flamme.«

»Ich fürchte, er hat meine Begeisterung überschätzt. Ich wollte ihn nicht enttäuschen. Immerhin arbeitete er seit zehn Jahren für uns, und er hat zweifellos einige Knüller gebracht.«

Sie versuchte, seinen Blick einzufangen. Aber der Chefredakteur konzentrierte sein Interesse auf den Drink, in dem er intensiv rührte.

»Paul, du hast Zwischenberichte von Ralph erhalten. Was steht darin?«

»Er hat keine Zwischenberichte geschickt.«

»Das würde seiner Arbeitsweise widersprechen. Ralph war drei Monate im Süden. Niemals hat er einen Auftraggeber so lange im Ungewissen gelassen.«

»In diesem Fall hat er es getan.«

Cate schwieg. Dann sagte sie: »Ich werde nach Tarrena gehen und Ralphs Arbeit fortsetzen. Bewilligst du mir einen Vorschuss auf das Honorar?«

Er zog den Strohhalm aus dem Drink und zerknickte ihn zwischen den Fingern. »Ich glaube nicht, dass Berichte über Tarrena die Leser interessieren. Es weiß ja kaum einer, wo Tarrena liegt. Wenn wir es den Leuten erklären, werden sie denken: Was kümmert mich eine Inselrepublik in der Karibischen See? Sie werden weiterblättern, ohne mehr als die Überschrift zu lesen. Nein, Cate, ich investiere kein Geld in ein Thema, das die Leser abschreckt. Tut mir leid.«

»Vor drei Monaten hat du anders darüber gedacht, Paul.«

Er zuckte mit den Schultern. »Jeder hat das Recht, seine Meinung zu ändern.«

Sie beugte sich so nahe zu ihm, dass sie flüstern konnte. »Setzen sie dich unter Druck, Paul?«

»Unsinn!«, antwortete er grob.

Sie glitt vom Hocker. »Ich werde auf eigene Kosten nach Tarrena gehen«, sagte sie eisig. »Ich werde Ralphs Recherchen aufnehmen und eine Zeitung finden, deren Chefredakteur den Mut hat, meinen Bericht zu veröffentlichen. Danke für den Drink, Paul!«

Sie ging. Den Drink hatte sie nicht angerührt.

Fünf Tage vor Weihnachten schnellten unsere Aussichten, Nico Vassaris endlich zu fassen, sprunghaft in die Höhe. Die City Police überspielte uns die Tonbandaufzeichnung des Anrufs einer unverkennbar wütenden Lady, die den Beamten in der Notrufzentrale angekreischt hatte: »Wenn ihr Nico, den Griechen, sucht, könnt ihr ihn in Mammy's Club finden. Ich hoffe, ihr erschießt den Bastard auf der Stelle!«

Bevor der Beamte ihr eine Frage stellen konnte, hatte sie die Verbindung unterbrochen.

Wir suchten Nico Vassaris als wahrscheinlichen Mörder eines UN-Diplomaten, der Anfang September auf dem Weg zwischen einem Restaurant und seinem Wagen erschossen worden war. Zwar vertrat er einen der kleinsten Staaten, die Inselrepublik Tarrena. Aber als Botschafter war er der ranghöchste UN-Vertreter, den es jemals auf New Yorker Pflaster erwischt hatte.

Nach wie vor betrachtete sich die Regierung der USA als Gastgeber der Weltorganisation. Ihr war es äußerst peinlich, wenn den Vertretern anderer Nationen von unseren einheimischen Ganoven die Brieftaschen geklaut, die Autos aufgebrochen oder gar ein Haar ihres diplomatisch immunen Körpers gekrümmt wurde. Auch Sie würden sich schämen, wenn Leute, die Sie zum Dinner eingeladen haben, in Ihrem Vorgarten überfallen würden.

In unserem Fall war etwas wirklich Böses passiert: ein Mord. Der Mann, an dem er verübt worden war, hieß James Cranch. Er vertrat sein Land bei der UN, seit die Tarrena-Inseln vor vier Jahren von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen worden waren.

Natürlich wurde zunächst ein politisch motiviertes Attentat vermutet. Dann stellte sich heraus, dass Botschafter Cranch mit Kugeln aus einem kurzläufigen Revolver erschossen worden war, mit dem im Juni dieses Jahres ein Killer den Gangster und Zuhälter Wesley Quart umgelegt hatte. Dass Nico Vassaris jener Killer gewesen war, stand nahezu zweifelsfrei fest. Als Motiv kam Konkurrenzneid infrage, denn Vassaris betrieb das gleiche schmutzige Geschäft wie sein Opfer.

Wer immer die Mikroaufnahmen der Riefenbildung sah, hielt es für einwandfrei bewiesen, dass die Waffe in beiden Fällen identisch war. Aber dann fasste er sich an den Kopf und stellte die Frage, welche Brücke zwischen dem Mord an einem Zuhälter und dem Mord an einem UN-Botschafter bestehen konnte.

Als erste Antwort fiel selbstverständlich allen ein, dass die Waffe in einer anderen Hand gelegen hatte. Doch auch in der Methode ihrer Anwendung, sozusagen im Stil, bestand kein Unterschied. Fünf Kugeln in den Rücken und die sechste in den Kopf.

Außerdem gab es Zeugen. Als wir ihnen Fotos zeigten, identifizierten sie Nico Vassaris als den Mann, der den UN-Diplomaten erschossen hatte.

Verbrechen gegen UN-Angehörige fielen in die Zuständigkeit des FBI. In allen Städten und Staaten New Yorks suchten G-men nach Nico Vassaris.

In New York suchten Phil und ich.

Von Manhattan zu Mammy's Club war es ein weiter Weg. Die Adresse lautete Mermaid Avenue, Coney Island.

Coney Island, ein begehrtes Ziel in New Yorks glühenden Sommertagen, wenn Millionen New Yorker die Strände überfluteten. Als Phil und ich vorfuhren, fiel dünner Schnee, und die Straßen waren menschenleer wie eine verlassene Siedlung in der Arktis. Immerhin parkten vor Mammy's Club ein knappes Dutzend Autos und nicht die ärmsten Schlitten. Auch die Neonreklame über dem Eingang flimmerte.

Wer in den Klub wollte, musste läuten und wurde durch ein Guckloch begutachtet. Uns öffnete kein breitschultriger Portier mit eingebeulten Schlägern, sondern eine rothaarige, großartig gewachsene und wenig verpackte junge Frau.

»Wir sind ein privater Klub, Sir«, erklärte sie. »Wenn Sie unsere Räume betreten wollen, müssen Sie sich in die Mitgliederliste eintragen. Die Aufnahmegebühr beträgt fünfzig Dollar.«

»Und die Gegenleistung?«, fragte Phil.

»Verbilligte Drinks von fünf Dollar an aufwärts.«

Die Klubmasche war ein Trick, um die Polizei herauszuhalten, denn eine Menge Sachen, die in der Öffentlichkeit nicht erlaubt waren, gingen niemand mehr etwas an, wenn sie im privaten Bereich getrieben wurden.

Wir trugen uns in die Liste ein und blätterten je fünfzig Spesendollar hin. Die rothaarige Frau geleitete uns zu einer Doppeltür. Sie betätigte einen Knopf. Die Türflügel schwangen auf.

Eine Wolke angenehm warmer, mit Parfümdüften, Rauch von Zigaretten und den Tönen eines Slow angereicherter Luft schlug uns entgegen. Gemessen an dem schneidenden Ostwind draußen, eine ausgesprochen erfreuliche Atmosphäre.

Der Klubraum war nicht besonders groß. Ein knappes Dutzend Tische gruppierte sich um eine runde Tanzfläche aus Glas, die von unten beleuchtet wurde. Eine verborgene Stereoanlage lieferte die Musik. Eine schmale Bartheke, ebenfalls von unten beleuchtet, riegelte den Raum ab. Die Tanzfläche und die Theke waren die einzigen Lichtquellen, abgesehen von flackernden Kerzen auf den Tischen.

Drei Paare bewegten sich auf der Tanzfläche. Zwei saßen gemeinsam an einem Tisch. Vier einsame Frauen standen an der Bar.

Aus der Tiefe des Raums kam Mammy. Ihr Auftritt war imponierend und einschüchternd zugleich. Sie tauchte aus der Dreivierteldunkelheit auf wie eine riesige Fledermaus. Aber was an ihr flatterte, waren nicht Flügel, sondern wehende Schleier ihres schwarzen Abendkleids.

Für eine Frau war sie ziemlich groß, außerdem war sie übergewichtig. In der breiten Fläche ihres Gesichts zeichneten sich die grell geschminkten wulstigen Lippen wie mit Blut gemalt ab. Ihre Augen lagen so tief in den Höhlen, dass ihre Farbe nicht zu erkennen war, auch nicht, als Mammy nah vor uns stand. Ein vielfach verschnörkelter, mächtiger Haaraufbau krönte ihre Erscheinung. Der Aufbau war so golden wie Engelhaar an einem Weihnachtsbaum und genauso wenig echt.

»Ich bin Mammy«, sagte sie mit einer Stimme so rau und tief, dass ein von ihr gesungenes Wiegenlied jedes Baby in Panik gestürzt hätte. »Über neue Gäste freue ich mich besonders. Wer hat euch empfohlen, Jungs?«

»Ein Partner aus Texas«, antwortete Phil mit Südstaatenslang. »Er war entzückt von Ihrem Klub, Mammy.«

»Freut mich!« Sie gab uns die Hand – eine harte, grobknochige Hand. »Sucht euch ein Mädchen aus. Nur die Drinks werden vom Klub berechnet. Eure privaten Abmachungen mit den Girls gehen mich nichts an.«

Sie klatschte in die Hände. Die vier Frauen lösten sich von der Bar.

Es waren hübsche junge Frauen. Das ließ sich trotz der Dunkelheit erkennen. Mammy stellte sie vor. »Elizah, Cynthia, Eve und Suzy.«

»Cynthia und ich sind mit den beiden Textilbossen von Sonntag verabredet. Sie haben versprochen, heute zu kommen«, sagte Elizah und machte damit die Wahl überflüssig.

Eve war eine große, schlanke Blondine, Suzy war zierlich, schwarzhaarig, mit schräg stehenden dunklen Augen. Sie führten uns an einen Tisch und holten Drinks für sich und uns.

Später tanzten wir mit ihnen. Sie klebten an uns, und natürlich versuchten sie, uns aufzuheizen. Es war ihr Job. Sie erhielten Prozente von den Drinks, die sie uns abschmeichelten. Also setzten sie ihre Anatomie ein, um uns den Kopf zu verdrehen, damit wir die Dollars schneller aus den Brieftaschen zögen.

Wir hüteten uns, sie sofort nach Nico Vassaris zu fragen. Sie hätten Verdacht geschöpft, und das Misstrauen hätte ihnen den hübschen Mund zugeschweißt. Wenn wir erfahren wollten, ob Vassaris tatsächlich in den Klub kam, mussten wir behutsam vorgehen. Natürlich hätten wir auch ein paar Nächte lang den Eingang beobachten können. Aber ich sagte schon, dass ein eisiger Ostwind durch die Straßen pfiff. Wir zogen es vor, im Warmen zu sitzen und Steuerdollars in Drinks für zwei attraktive Girls zu investieren.

Es geschah nicht viel in Mammy's Club. Keine Show, kein Strip.

Phil flüsterte mir zu: »Draußen stehen mehr Autos, als hier Gäste sitzen. Mammy's Club scheint über ein Hinterzimmer zu verfügen.«

Beim nächsten Slow versuchte ich, der blonden Eve das Geheimnis von Mammy's Club zu entlocken. »Welche Attraktion hat der Klub zu bieten?«

Sie hatte die Arme hinter meinem Nacken verschränkt. Ihre Augen irrlichterten dicht vor meinem Gesicht. Sie hatte wirklich schöne tiefblaue Augen.

»Die Attraktion bin ich«, hauchte sie. »Du brauchst nur drei Inch Reißverschluss nach unten zu ziehen.«

»Hier und jetzt?«

»Nicht hier, Dummkopf! Was hättest du davon?«

Sie ging noch dichter an mich heran und flüsterte mir das Geheimnis des Klubs ins Ohr.

Ich begriff. Im Sommer war Coney Island berühmt für das Strandleben an seinen Küsten. Manche Leute wollten auch im Winter nicht darauf verzichten. Mammy's Club deckte den Bedarf, allerdings nur für einen sehr kleinen Kreis.

Eves heißer Atem flüsterte mir unterdessen die Eintrittspreise ins Ohr. Ich rückte sie ein wenig auf Abstand.

»Ich habe keine Badehose bei mir«, sagte ich.

Sie schüttelte sich vor Lachen. »Eine Badehose ist das Letzte, was du brauchst.«

Als die Frauen in der nächsten Tanzpause sich und uns neue Drinks holten, verständigte ich mich mit Phil. Es war zwecklos, hier herumzusitzen, wenn der Klub andere Räume hatte, die wir nicht ohne Weiteres überprüfen konnten.

Wir zahlten die Drinks und versprachen den Frauen, bald wiederzukommen. Die Trinkgelder, die wir ihnen gaben, würde die Spesenabteilung als ruchlose Verschwendung ansehen und uns nie zurückerstatten.

Die Kälte der Winternacht blieb uns nicht erspart. Drei lange Stunden saßen wir im Jaguar und hielten den Eingang zu Mammy's Club im Auge. Von ein Uhr morgens ab verließen die ersten Gäste den Laden. Die Neonreklame über der Tür war hell genug, um jedes Gesicht zu erkennen.

Um drei Uhr morgens waren alle Autos bis auf einen alten dunkelroten Cadillac verschwunden. Vier Taxis erschienen auf der Bildfläche und holten die Frauen ab. Wir hatten achtzehn Gäste gezählt. Ein gutes Dutzend mehr, als wir im Klub gesehen hatten. In jedes Taxi stiegen vier Frauen. Mammys Turnriege bestand also aus sechzehn Girls.

Die Neonreklame erlosch. Wenig später verließ Mammy das Haus, verriegelte die Tür und packte ihre Pfunde hinter das Steuer des Cadillac. Der Wagen rauschte davon.

Phil gähnte. »Jetzt können auch wir uns ins Bett legen.«

2

Um neun Uhr abends bezogen wir unseren Beobachtungsposten in der Mermaid Avenue. Das Wetter hatte sich noch verschlechtert. Der Ostwind peitschte eiskalten Regen durch die Straße. Die Weihnachtsdekorationen über den Geschäften schaukelten wild. Auf der Verkehrsinsel an der Kreuzung schwankte ein großer Weihnachtsbaum unter den heftigen Windstößen.

Mammy war schon da. Ihr Cadillac parkte vor dem Eingang. Die Lichtreklame war eingeschaltet.

Die ersten Gäste kamen kurz vor zehn Uhr. Zwei Männer, die in einem blauen Buick Riviera vorfuhren. Danach lief das Geschäft an. Bis elf Uhr zählten wir vierzehn Männer in acht Fahrzeugen.

Damit schien Schluss zu sein. Kein Auto steuerte in der nächsten halben Stunde den Klub an.

Ich löste die Verriegelung der Rückenlehne und reichte das Fernglas an Phil weiter. »Unnötig, dass wir beide aufpassen.«

Ich zog mir den Hut über die Augen und versuchte, den versäumten Schlaf der letzten Nacht nachzuholen. Aber es war zu verdammt kalt im Wagen. Wir ließen nämlich, um keinen Verdacht zu erregen, den Motor nicht laufen.

Ich fiel schließlich in eine Art Halbschlaf, aus dem ein Tritt Phils mich aufscheuchte.

Mein Partner hielt das Glas an die Augen.

»Vassaris«, sagte er lakonisch.

Ich richtete mich auf und sah noch den Rücken eines Mannes, dem die Klubtür geöffnet wurde. Er trug einen blauen Mantel und einen Hut, von dessen Krempe das Wasser tropfte. Er trat in die Helligkeit des Klubraums. Bevor die Tür wieder geschlossen wurde, wandte er den Kopf und zeigte für eine Sekunde sein Profil.

Kein Zweifel. Nico Vassaris!

»Er ist in dem roten Thunderbird da«, erklärte Phil. »Wo holen wir ihn uns?«

»Es kann vier oder fünf Stunden dauern, bevor er wieder rauskommt. Willst du so lange warten?«

»Um keinen Preis. Er kennt uns nicht. Wir haben eine gute Chance, dicht genug an ihn heranzukommen und ihn zu überrumpeln.«

Ich startete den Jaguar, steuerte ihn auf die andere Straßenseite und zwängte ihn in eine Lücke zwischen Vassaris' Thunderbird und einen Mercury.

Die hübsche Rothaarige, die uns beim ersten Mal eingelassen hatte, öffnete. Sie erkannte uns.

»Nett, Sie wiederzusehen. Bitte tragen Sie sich in die Mitgliederliste ein, und zahlen Sie den Beitrag.«

Sie kassierte und begleitete uns zur Doppeltür.

Der Klub war nicht stärker bevölkert als gestern. Drei Paare auf der Tanzfläche. Drei Frauen an der Bar. Unbekannte Frauen. Weder Eve noch Suzy unter ihnen. Auch Nico Vassaris sahen wir nicht.

Mammys groteske Fledermausgestalt flatterte uns entgegen.

»Habt ihr Blut geleckt, Boys?«, fragte sie triumphierend. »Falls ihr Eve und Suzy wiedersehen wollt, müsst ihr ...«

»An uns werden Sie heute kein Geld verdienen, Mammy«, sagte ich ernst. »Vor fünf Minuten hat Nico Vassaris Ihr hübsches Unternehmen betreten, und Sie werden uns zeigen, wo wir ihn finden.«

Sie hielt die Luft an. Ihr gewaltiger Busen hörte auf zu wogen.

»Cops?«, fragte sie und zischte dabei wie ein undichter Dampfkessel.

»FBI.«

Das war ein schwerer Schlag für sie. Unter der Schminke wurde ihr Gesicht fahl. Der Turmbau ihrer Superperücke geriet ins Wanken.

Schließlich fasste sie sich. »Ich kenne keinen Nico Vassaris.«

»Dafür sprechen Sie seinen Namen aber sehr fließend aus«, sagte Phil lächelnd. »Niemand verlangt, dass Sie ihn kennen. Zeigen Sie uns, wo sich der letzte Gast befindet, der unmittelbar vor uns hereingekommen ist. Das genügt.«

Sie rollte die Augen und schaltete ihr Gehirn auf der Suche nach einem Ausweg auf Schnellgang.

»Mammy, wenn Sie auf unsere Wünsche nicht eingehen, rufen wir drei Dutzend Cops und veranstalten eine Razzia«, warnte ich. »Für Ihren Klub können Sie im Anschluss daran Konkurs anmelden. Sie selbst bekommen ein Verfahren wegen Behinderung der Behörden an den Hals. Und falls es nicht ohne Feuerwerk abgeht, wird es noch übler für Sie.«

Sie schluckte schwer an dem Brocken.

»Er ist unten«, flüsterte sie schließlich.

»Bringen Sie uns hin. Wir möchten nicht, dass Sie auf einen Alarmknopf drücken. Ich wette, dass es solche Spielereien bei Ihnen gibt.«

Wir nahmen sie in die Mitte.

Sie führte uns in den Vorraum zurück. Vorbei an der rothaarigen Empfangsdame stampfte sie zur Stirnwand und zog einen roten Samtvorhang zur Seite. Dahinter wurde die Tür eines Fahrstuhls sichtbar.

Mammy drückte eigenhändig den Rufknopf. Die Kabine kam nach oben. Die Tür rollte zurück.

»Er ist unten«, wiederholte Mammy.

»Das sagten Sie schon. Gehen Sie hinein«, verlangte ich.

Sie gehorchte, und wir zwängten uns zu ihr in die kleine Kabine.

Die Skala wies nur eine Taste für den Keller auf. Ich hob die Hand.

Mammy berührte meinen Arm.

»Er ist bewaffnet«, sagte sie leise. »Ich habe Angst. Er wird rücksichtslos schießen.«

»Sie scheinen seine Gewohnheiten gut zu kennen.«

»Einige Mädchen gehören ihm.«

Ich drückte den Schalter. Die Tür schloss sich. Die Kabine glitt nach unten und blieb stehen. Als sich die Kabinentür öffnete, sahen wir einen gekachelten, von roten Neonröhren in erdbeerfarbenes Licht getauchten Gang vor uns. Wir hörten eine Art Hula-Hula-Musik. Hawaiistimmung in New York und mitten im kalten Winter! Die Luft war warm und feucht.

Mammy mussten wir hart anfassen, damit sie mitkam. Sie wollte zurückbleiben. Nach zehn Schritten knickte der Gang scharf nach rechts, und Mammy sperrte sich endgültig.

»Ich habe Angst. Wenn er mich sieht, schöpft er Verdacht.«

»Rühren Sie sich nicht vom Fleck!«, sagte ich.

Wir ließen sie zurück und gingen weiter.

Die Musik wurde lauter, die Luft feuchter. Wir hörten Gelächter, spitze Frauenschreie und Gläserklirren.

Der Gang erweiterte sich zu einer Garderobe. Sie beherbergte nicht nur Mäntel, sondern alles, was der Mensch zur Bekleidung brauchte, von den Schuhen bis zur Krawatte.

Ein Vorhang aus Perlenschnüren trennte die Garderobe vom Duschraum. Ein Mittelgang und drei Duschnischen auf jeder Seite. Am Ende des Gangs wieder ein Perlenvorhang. Ich schlug ihn zurück. Wir sahen die Attraktion von Mammy's Club vor uns.

Bei uns nannte man ein Unternehmen, wie Mammy es betrieb, einen Frog Pond, einen Froschteich. Man brauchte dazu einen Swimmingpool, gut gewachsene Frauen, bequeme Liegen, eine fahrbare Bar und für die empfindlicheren Gemüter unter den Gästen ein paar Kabinen, in die sie sich zurückziehen können, selbstverständlich nicht allein.

Was man nicht brauchte, waren Badehosen, Bikinis, nicht einmal Tangas. Aber das hatte die blonde Eve mir schon gestern klargemacht. Übrigens saß sie am Rand des Swimmingpools, die Beine bis zu den Knien im Wasser, und ein Kerl, der vor ihr paddelte, hielt sich für einen Hai und biss ihr in die Waden. Es herrschte ein fröhlicher Betrieb, fast wie in einem Kinderplanschbecken, nur nicht ganz so harmlos.

Spaß beiseite. Zwei Männer in voller Bekleidung wirkten in dieser Umgebung befremdlich wie Astronauten auf einem Sommerfest. Und trotzdem waren wir nicht die einzigen. Auf der anderen Seite des Pools stand Nico Vassaris und unterhielt sich mit einer jungen Schwarzen. Er trug sogar seinen Mantel. Sie trug nichts außer einem Paar Badesandalen und einer goldenen Kette um die Hüften.

Eve sah uns. Sie hob einen Arm, winkte und rief: »He! Hallo!«