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Mitternacht in einem Spielcasino von Atlantic City. Im Schnittpunkt der Scheinwerfer stand eine blonde, perfekt gewachsene Frau. Sie war nackt. Nur ihre Brüste und ihr flacher Bauch waren mit großen Dollarnoten bedeckt. Sie war das Jackpot-Girl dieser Nacht. Das Spiel war die große Attraktion der Stadt. Dann tauchten Gangster auf, die dieses lukrative Casino in ihre Gewalt bringen wollten. Sie begannen, die Girls zu ermorden - Nacht für Nacht. Jeder andere hätte sich wohl dem Schrecken gebeugt. Aber nicht Gloria Race, die Besitzerin des Casinos. Als kein Girl mehr den Auftritt wagte, entschloss sich Gloria zu einem tollkühnen Schritt. Am nächsten Abend trat sie selbst auf - als Jackpot-Königin!
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Seitenzahl: 191
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Die Jackpot-Königin
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Vorschau
Impressum
Die Jackpot-Königin
Mitternacht in einem Spielcasino von Atlantic City. Im Schnittpunkt der Scheinwerfer stand eine blonde, perfekt gewachsene Frau. Sie war nackt. Nur ihre Brüste und ihr flacher Bauch waren mit großen Dollarnoten bedeckt. Sie war das Jackpot-Girl dieser Nacht. Das Spiel war die große Attraktion der Stadt. Dann tauchten Gangster auf, die dieses lukrative Casino in ihre Gewalt bringen wollten. Sie begannen, die Girls zu ermorden – Nacht für Nacht. Jeder andere hätte sich wohl dem Schrecken gebeugt. Aber nicht Gloria Race, die Besitzerin des Casinos. Als kein Girl mehr den Auftritt wagte, entschloss sich Gloria zu einem tollkühnen Schritt. Am nächsten Abend trat sie selbst auf – als Jackpot-Königin!
»Mach Schluss, Zatky!«
Phils Ruf hallte durch die Finsternis der Fabrikruine. In den glaslosen Fensteröffnungen flackerte das bunte Wetterleuchten des allnächtlichen Reklamegewitters über Manhattan, zu fern und zu schwach, um die Schwärze zwischen den Mauern zu verdrängen.
»Du hast keine Chance!«
Zatky war anderer Meinung. Er zog durch. Wie Blitzschläge erhellte das Mündungsfeuer für Sekundenbruchteile ein paar Dutzend Quadratyards und die bizarren Umrisse verrotteter Werkzeugmaschinen.
»Ich besorg's dir, Schnüffler!«, brüllte Zatky. »Ich schaff dich, Junge! Komm ran! Hol mich! Kennst du das Kaliber meiner Kanone? 45er und abgefeilt!«
»Mad« Zatky, der verrückte Zatky. Er trug seinen Spitznamen zu Recht. Verrückt war er immer gewesen. Aber jetzt machte das Kokain einen Tobsüchtigen aus ihm. Das Höllenzeug putschte ihn immer häufiger in einen Zustand der Raserei und richtete solche Verwüstungen in seinen Nerven an, dass er zeitweise jeden Wirklichkeitssinn verlor.
Als Dealer und Gangster taugte Zatky schon lange nicht mehr viel. Wir wunderten uns, dass Al Mahon, sein großer Boss, ihn am Leben ließ. Immerhin hatte Zatky harte Jobs in seinem Auftrag erledigt. Dinge, deren er sich rühmte. Und Mahon hatte nie lange gezögert, einem Schwätzer den Mund zu schließen.
Wieder wummerte Zatkys grobkalibrige Kanone. Ich sah das Mündungsfeuer zehn Fuß unter mir, denn ich kauerte in halber Mauerhöhe auf einer brüchigen Kranbühne, die bei jeder Bewegung knirschte und ächzte.
Phil erwiderte das Feuer nicht. Wir wollten Zatky lebend, denn wir konnten beweisen, dass er zwei Männer in Jersey getötet hatte. Wenn wir ihn zu der Aussage brachten, dass es eine Auftragsarbeit für Al Mahon gewesen war, konnten wir endlich ein Feuerchen unter Mahons lederbezogenem Mahagonisessel entzünden.
»Lass den Quatsch, Zatky!«, rief Phil. »Je öfter du auf den Abzug drückst, desto größer werden deine Schwierigkeiten.«
»Fahr zur Hölle, Bastard!«, brüllte Zatky und versuchte noch dreimal, Phil eine Fahrkarte aus Blei zu verkaufen.
Während unten die Meinungsverschiedenheiten zwischen Phil und Zatky tobten, arbeitete ich mich auf der schwankenden Kranbühne so weit vor, dass ich den Verrückten genau unter mir zu haben glaubte. Ich wartete, dass er noch einmal feuerte, um am Mündungsfeuer zu erkennen, wohin ich springen musste. Fünf Minuten lang beschränkte er sich darauf, eine Flut von Schimpfwörtern von sich zu geben.
Ich ertastete ein handgroßes Stück Stahl und schleuderte es weit in die Finsternis hinein. Klirrend schlug es irgendwo auf. Zatky reagierte wie gewünscht. Dreimal in schneller Folge drückte er auf den Abzug. Im Mündungsfeuer erahnte ich die Umrisse seiner Gestalt und sprang.
Mir zuckte der Gedanke durch den Kopf, dass es einen verdammt harten Aufprall geben würde, falls ich Zatky mit dem Gerüst einer Werkzeugmaschine verwechselt hatte.
Nein, es war Zatky. Mit dem vollen Körpergewicht und der Fallgeschwindigkeit aus zehn Fuß Höhe krachte ich in seinen Rücken. Er brach nach vorne zusammen und prallte mit dem Schädel gegen den Stapel Eisenbarren, der ihm als Deckung gedient hatte.
Das genügte auch für einen Dickkopf wie Zatky. Ich brauchte nichts mehr zu tun.
»Okay?«, fragte Phil.
»Erledigt!«
Phil schaltete die Stablampe ein.
Die Scheinwerfer flammten auf. In ihrem Schnittpunkt stand mit erhobenen Armen eine blonde, perfekt gewachsene Frau.
Sie war nackt. Nur ihre Brüste, ihr flacher Bauch und, als sie sich langsam drehte, auch die Rundungen ihrer Rückseite wurden von einem Material bedeckt, das vor Kälte nicht schützte, im Regen aufweichte, nicht besonders hübsch aussah und doch wertvoller war als jedes noch so kostbare Stück Stoff vergleichbarer Größe.
Tausendollarnoten, gedruckt und herausgegeben von der Casinoverwaltung, in Größe und Farbe von echten Dollarnoten nicht zu unterscheiden, ohne Wert jenseits der Mauern des Spielsaals. Innerhalb des Casinos aber galt die aufgedruckte Zahl. Tausend Dollar wurden für jedes schmale grasgrüne Blatt Papier gezahlt.
»Ladies and gentlemen!«, dröhnte es aus den Lautsprechern. »Das Jackpot-Girl dieser Nacht!«
Beifall. Gejohle. Schrille Pfiffe.
Zwei Männer in Smokings betraten die Bühne. Sie brachten eine Aluminiumkassette mit. Während sich die Frau langsam um die eigene Achse drehte, begannen sie, die Tausender von ihrer Haut zu pflücken. Jeden Schein legten sie in die Kassette, und jeder Schein wurde vom Klatschen der Zuschauer begleitet.
Auf der linken Bühnenseite stand die Attrappe einer altmodischen übergroßen Registrierkasse, in deren Sichtfenster mit jedem gepflückten Schein neue Zahlen aufleuchteten.
Fünftausend! Siebentausend! Elftausend Dollar!
Schon lagen die Brüste der Frau frei. Der sanfte Schwung ihrer Hüften wurde sichtbar. Nackte Haut leuchtete in den Lücken zwischen grünen Dollarnoten.
»Achtundzwanzigtausend! Sechsunddreißigtausend! Einundvierzigtausend Dollar! Ladies and gentlemen! Nur noch wenige Sekunden bis zum letzten Tausender! Achtung!« Die Stimme des Sprechers überschlug sich. »Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins ... zero!«
Der letzte Tausender wurde von der intimsten Stelle des Frauenkörpers gerissen. Die Zuschauer brüllten. Mit einem Schlag erloschen die Scheinwerfer. Nur die roten Leuchtziffern der Kasse blieben sichtbar.
Nüchtern verkündete der Sprecher: »Im Jackpot liegen vierundfünfzigtausend Dollar! Der Einsatz beträgt fünfhundert Dollar! Ladies and gentlemen! Bitte setzen Sie!«
Die Menschen drängten sich um die Croupiertische. Zahlen wurden geschrien, Dollarscheine in der Luft geschwenkt. Die dreihundert Leute im Saal schienen sich in einem Zustand von Hysterie zu befinden.
In der Seitenloge, die immer für ihn reserviert war, hob Al Mahon sein Champagnerglas und trank der Frau an seiner Seite zu. »Du bist ein Genie, Gloria! Wie viel bringt die Show?«
»Ungefähr das Dreifache des Jackpots, selten weniger«, antwortete sie. »Wirst du mir glauben, wenn ich behaupte, dass es von der Ausstrahlung des Mädchens abhängt? Wenn ein Mädchen mit Sexappeal abgepflückt wird, setzen viele Männer sechs- oder siebenmal, um ihre Chance zu vergrößern, nicht wegen des Geldes, sondern wegen des Mädchens. Sie wissen, dass der Jackpot immer von dem Girl überreicht wird, das ihn vorher auf dem Leib trug.«
Mahon lachte. »Was machst du, wenn eine Frau den Pot gewinnt?«
»Wie viele Frauen siehst du im Saal, Al? Kaum ein Dutzend. Sie bleiben lieber an den Slotmaschinen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau gewinnt, ist verschwindend gering. Aber wenn es vorkommen sollte, wird das Mädchen vor dem Überreichen der Kassette in einen schönen, dichten und hochgeschlossenen Umhang gehüllt.« Gloria Race griff nach ihrem Glas. »Und natürlich wird sie die Gewinnerin nicht auf ihr Hotelzimmer begleiten.«
Wieder lachte Mahon. »Machen die Girls es immer, wenn ein Mann gewinnt?«
»Das hängt davon ab, wie viel er von seinem Jackpotgewinn abzugeben bereit ist.«
Mahon beugte sich zu ihr und küsste Gloria auf die Wange.
Sie ertrug seinen Kuss, obwohl sein Atem schlecht roch.
»Bleibst du über Nacht?«, fragte sie.
»Nein, ich möchte mit dir essen und ein paar Gläser trinken, bevor ich nach New York zurückfahre. Morgen früh habe ich eine wichtige Besprechung mit Corelli. Ich muss ihm klarmachen, dass er sich jede Menge Ärger einhandelt, wenn er seine Dealer nicht aus meinem Revier zurückzieht.«
Gloria war erleichtert. Seit zwanzig Jahren war sie Mahons Freundin. In diesen zwanzig Jahren hatte sie sich von einer sexsprühenden Schönheit in eine reife, immer noch attraktive Frau verwandelt. Aber aus Mahon war ein aufgeschwemmter, ewig schwitzender sechzigjähriger Mann geworden. Sie hasste es, mit ihm in einem Bett zu liegen. Doch sie war ihm dankbar für alles, was er für sie getan hatte.
»Wie geht es Sue?«, fragte Mahon.
»Prächtig. Sie hat die Tennismeisterschaft ihres Colleges gewonnen.«
Die Lautsprecherstimme dröhnte.
»Die letzte Minute für Ihre Einsätze ist angebrochen, Ladies and gentlemen. Der Countdown läuft!« Fünfzig Sekunden später begann der Sprecher zu zählen: »Neun, acht, sieben ... vier, drei, zwei, eins ... Nichts geht mehr!«
Wieder flammten die Scheinwerfer auf. Diesmal richteten sich die Lichtkegel auf eine mannshohe Scheibe, die in vier gegenläufige Sektoren unterteilt war. Jeder Sektor trug die Ziffern null bis neun. Von links war ein armlanger roter Pfeil auf die Scheibe gerichtet.
Im Saal herrschte atemlose Stille.
Aus den Kulissen betrat die Frau die Bühne, eingehüllt in einen Brokatumhang, der bei jedem Schritt ihre langen Beine freigab.
Sie blieb an der Scheibe stehen.
»Go!«, befahl die Lautsprecherstimme.
Die Frau warf den Umhang ab, bot ihre strahlende Nacktheit allen Blicken. Keine Hand rührte sich zum Beifall. Kein Pfiff gellte. Alle Augen starrten auf die Scheibe.
Die nackte Frau drückte einen Knopf.
Die vier Zahlensektoren der Scheibe begannen sich mit immer höherer Geschwindigkeit zu drehen, bis alle Ziffern zu einem unentwirrbaren Muster verflimmerten.
Zwanzig Sekunden lang raste die Scheibe.
»Stopp!«, hallte es aus dem Lautsprecher in die Stille.
Die Frau drückte den Bremsknopf. Die Zahlensektoren verlangsamten die rasende Drehung. Der vorderste Ring blieb zuerst stehen, dann der mittlere, der zweite und der vierte.
Der rote Pfeil zeigte auf die vierstellige Zahl: 9506.
Ein Aufschrei gellte. Eine überkippende Stimme schrie: »Ich! Ich! Ich!«
Bewegung entstand im Saal.
Ein Mann mit wirrem schwarzem Haar und in einer karierten Jacke drängte zur Bühne. »Das ist meine Nummer!«
Aus dem Lautsprecher dröhnte die Ansage: »Der Jackpot der heutigen Nacht fiel auf die Zahl 9506!«
Rufe der Enttäuschung, Flüche und Beifallklatschen mischten sich.
Der Mann stürmte die Bühne. Mit seinem wirren Haar und der zerdrückten grellfarbenen Jacke stand er erregt und geblendet im Scheinwerferlicht.
Lächelnd und nackt mit geübtem Mannequinschritt, die Kassette in beiden Händen, kam die Frau auf ihn zu und hielt ihm den Behälter hin, der ein Vermögen barg.
Der Mann ergriff die Kassette. In dem Augenblick, in dem er sie berührte, stieß er einen unartikulierten Jubelschrei aus und riss die Kassette an sich.
Die Frau beugte sich vor. Auf ihren hochhackigen Schuhen war sie ein paar Inch größer als er. Sie küsste ihn auf die Wangen und auf den Mund. Dann hakte sie sich bei ihm unter und zog ihn, ihre Anatomie schwenkend, mit sich in die Dunkelheit der Kulissen.
Die Zuschauer und Spieler tobten und brüllten. Die Szene wischte das Gefühl der Enttäuschung weg, selbst nicht gewonnen zu haben. Gute Ratschläge wurden dem Mann nachgerufen. Eindeutige Ratschläge.
Als sich der Tumult legte, teilte der Lautsprecher mit: »Ladies and gentlemen, alle Roulettetische, Black Jack Boards und sonstige Spielanlangen des Casinos Jackpot Queen bleiben ohne Unterbrechung in Betrieb.«
Mahon füllte Glorias Champagnerglas. Seine Hand zitterte. Der Champagner floss auf das Tischtuch. Für eine Sekunde presste Gloria die Lippen zusammen.
»Ich möchte wissen, wie viel Überschuss du gemacht hast!«
Gloria Race griff zum Telefon, das auf einem niedrigen Nebentisch stand. Sie drückte drei Knöpfe der Tastatur.
»Gloria«, sagte sie, als sich der Kassierer meldete. »Habt ihr das Resultat?«
»Eine Sekunde, Ma'am! Reggie ist bei der letzten Addition.«
»Ich warte.«
Mahon beobachtete sie und schlürfte an seinem Champagnerglas.
»Danke.« Gloria legte auf. »Hundertachtzigtausendfünfhundert Dollar«, sagte sie.
»Ein Reingewinn von hundertsechsundzwanzigtausend Dollar, eingefahren in weniger als fünfzehn Minuten.« Mahon legte eine schwere, feuchte Hand auf ihre nackte Schulter. »Ich bewundere dich!«
»Vergiss die Unkosten nicht«, sagte Gloria kühl. »Allein das Mädchen bekommt dreihundert Dollar für seinen Auftritt.«
Unter dem weißen Turban des Kopfverbands wirkte Zatkys Gesicht eingefallen, spitznasig und ungesund gelblich. Die Ärzte hatten ihn verpflastert und für uneingeschränkt vernehmungsfähig erklärt.
Obwohl er mit gefesselten Händen im Vernehmungsstuhl saß, sah er sich als Sieger. Denn noch kreiste genügend Koks in seinem Blut, um sein Selbstgefühl von Größe, Kraft und Überlegenheit aufrechtzuerhalten.
»Ihr heimtückischen Bastarde habt unfair gekämpft!«, brüllte er. »Nehmt mir die Handschellen ab, und stellt euch zu 'nem fairen Kampf! Dann werdet ihr sehen, dass ich euch wie Fliegen an die Wand klatsche.«
»Halt die Luft an, Mad«, sagte Phil friedlich und setzte in ernstem Ton hinzu: »Joseph Zatky, der Staat New Jersey beschuldigt Sie, den Autohändler Rino Zafferaldi und den berufslosen Carlo Mazza am 6. Mai des vergangenen Jahres unter Benutzung einer Handfeuerwaffe getötet zu haben. Alle Aussagen können gegen Sie verwandt werden.«
»Fuck yourself!«, heulte Zatky.
»Sie haben Anspruch auf die Anwesenheit eines Anwalts.«
»Fuck the lawyer!«, brüllte er.
Phil lehnte sich zurück. »Fassen wir uns in Geduld. In einer Stunde oder zwei wirst du mehr zu sagen haben als Vier-Buchstaben-Wörter!«
Der prophezeite Zusammenbruch kam schon nach einer Dreiviertelstunde. Zatky verstummte. Er hockte in sich zusammengesunken auf dem Stuhl. Speichel floss aus dem Mundwinkel. Als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme flach und tonlos.
»Hört mal, Leute!« Zwischen den Worten japste er nach Atem. »Ich habe wahrscheinlich 'ne Menge Blödsinn geredet. Ihr dürft nichts ernst nehmen. Ich fühle mich nicht wohl. Ich habe Medikamente genommen.«
»Medikamente? Nenn das Zeug beim richtigen Namen. Du hast dir eine Ladung Kokain reingejubelt. Schniefst du oder spritzt du?«
»Kein Koks, nein! Ein Medikament! Ich hatte rasende Kopfschmerzen. Der Drugstorekeeper muss mir den falschen Stoff gegeben haben. Wenn ich hier rauskomme, bringe ich den Kerl um.«
»Du kommst nicht raus, Mad. Wir haben Zeugen und Beweise für zwei Morde, die du begangen hast, ganz zu schweigen von der Auseinandersetzung zwischen dir und uns. Der Staatsanwalt wird es wahrscheinlich Mordversuch an FBI Agents in Ausübung ihres Dienstes nennen.«
»Ich wusste nicht, dass mir G-men gegenüberstanden«, sagte er weinerlich. »Ich habe euch für Killer gehalten, die mich stumm machen wollten.«
»Killer?«, echote Phil. »In wessen Auftrag?«
Jetzt hatten wir ihn am richtigen Punkt. Es dauerte noch zehn Minuten, bis er den Namen Al Mahon nannte, und noch einmal eine Viertelstunde, bis er ein Protokoll unterschrieb, in dem er zugab, Rino Zafferaldi und Carlo Mazza gegen ein Honorar von einundzwanzigtausend Dollar im Auftrag von Al Mahon getötet zu haben.
Phil hängte sich ans Telefon. Er rief ein paar Leute an, die über Mahons Gewohnheiten Bescheid wussten. Eine halbe Stunde nach Mitternacht kannte er Mahons Aufenthaltsort.
»Atlantic City. Er besucht seine Freundin Gloria Race, die Jackpot-Königin.«
»Knapp zweihundert Meilen. Im Jaguar können wir die Strecke in gut zwei Stunden schaffen. Es würde mir Spaß machen, den großen Al Mahon im Schlafanzug zu sehen.«
»Okay.« Phil grinste ein wenig. »Lass uns fahren!«
Um zwei Uhr morgens ließ sich Al Mahon einen doppelten Mokka bringen. Ein Serviermädchen im knappen roten Kostüm des Casinos brachte die silberne Kanne in Glorias Privatbüro, in dem das Essen serviert worden war. Mit einem Lächeln beobachtete Gloria, wie Mahons Blicke die langen, in schwarze Netzstrümpfe gehüllten Beine des Mädchens abtasteten. Sie war nicht eifersüchtig. Ihre Beziehungen zu Mahon änderten sich nicht dadurch, dass er sich gelegentlich junges Gemüse ins Schlafzimmer holte. Außerdem kam es seit zwei, drei Jahren immer seltener vor.
Der Mokka belebte ihn. Er begann, von Geschäften zu sprechen. »Das Casino wirft in diesem Jahr satte fünfzig Millionen Dollar an Gewinn ab. Dreißig Millionen müssen an den Staat abgeführt werden. Zehn Millionen brauche ich, um Politiker, Polizisten und zwei Dutzend Zeitungsschmierer auf unserer Seite zu halten, damit sie nicht eine Kampagne gegen das Glücksspiel entfesseln, jeder auf seine Weise und mit seinen Möglichkeiten. Ich würde gern einen Zweigbetrieb eröffnen, in dem wir kassieren können, ohne alle Schmarotzer beteiligen zu müssen. Denk darüber nach!«
Sie schwieg.
»Deine Jackpotshow ist eine glänzende Idee, aber die Einnahmen müssen versteuert werden. Ich denke an einen Klub im Klub, eine irgendwie attraktive Einrichtung, zu der nur ausgesuchte Gäste Zutritt erhalten und in der besonders hoch und scharf gespielt wird.«
»Im normalen Betrieb haben wir fünf Bakkarattische ohne Limit und Roulettes mit einer Achthundert-Dollar-Grenze für die Zahl und vierundzwanzigtausend Dollar für die einfache Chance. Höher und schärfer können nur Multimillionäre spielen, und du weißt, dass die großen Kaliber die Börse vorziehen.«
»Dann bring Sex ins Spiel!« Mahon schlürfte seinen Mokka. »Deine Jackpotshow läuft nur wegen des Girls. Ohne die nackten Mädchen würden sich die Spieler ausrechnen, dass eine 1:400-Chance mehr als zehnmal schlechter ist als die 1:35-Gewinnmöglichkeit des Roulettes. Nur der Anblick der Mädchen bringt sie um den Verstand.« Er beugte sich vor und pflanzte seine Lippen auf Glorias nackte Schultern. »Ich weiß, wovon ich rede. Dein Anblick hat mich schon vor zwanzig Jahren um den Verstand gebracht.«
Sie sah ihn aus verschleierten Augen an. »Willst du nicht bleiben, Al?«
Sie wusste, dass er nie seine Pläne änderte. Ihr Angebot war ohne Risiko.
»Nein, ich muss morgen Corelli auf die Finger hauen. Man darf die Sizilianer nicht übermütig werden lassen. Wer ihren Übergriffen nicht sofort energisch entgegentritt, steht am Ende ohne Hosen da.«
Sie begleitete ihn zum Wagen, der draußen vor dem Eingang des Casinos wartete. Sie durchquerten den Spielsaal, in dem noch immer die Slotmaschinen rasselten und klingelten, die halblauten Ansagen der Croupiers ertönten und die erregten Aufschreie von Menschen, wenn die Entscheidung über Gewinn oder Verlust fiel.
Mahon hatte den Arm um Glorias Schultern gelegt. Er ging mit dem schweren, schleppenden Schritt eines übergewichtigen, unsportlichen Mannes, der zu viel gegessen und getrunken hatte. Sie fühlte die Last seines Körpers, wenn er sich bei den Treppen auf sie stützte.
Draußen empfing sie das Brausen des Meeres. Nur die Fahrbahn und der Strand trennten die Häuserzeile der Casinos, Hotels und Nightclubs vom weißen Saum der Brandung.
Die Luft war frisch und schmeckte nach Salz. Gloria Race fröstelte im dünnen Abendkleid.
»Gute Nacht, Darling!« Mahon küsste sie auf den Mund.
Sie erwiderte den Kuss mit vorgetäuschter Leidenschaft. Er hob die linke Hand und streichelte ihre Brüste.
»He, Süße«, sagte er schnaufend, »du bringst mich dazu, Corelli zu vergessen.«
Der Satz war nur eine Phrase. Er gab Gloria frei und wandte sich dem Wagen zu. Flush, sein schwarzer Leibwächter, hielt den Schlag des Lincoln offen. Key Prissoc, der Fahrer, saß bereits hinter dem Steuer.
»Ich rufe dich an!« Mahon ließ sich in die Polster fallen. Bevor Flush den Wagenschlag zuwarf, setzte er hinzu: »Beim nächsten Besuch werde ich über Nacht bleiben. Das verspreche ich.«
Gloria lächelte, als wäre das Versprechen ein Geschenk. Als der Lincoln anrollte, winkte sie, und sie blieb auf dem Platz, bis die Rücklichter des Wagens in der Nacht verglüht waren.
Ron Flush drehte sich auf dem Beifahrersitz um, schob die Trennscheibe ein paar Inch zur Seite und fragte halblaut: »Irgendwelche Wünsche, Boss?«
Al Mahon antwortete nicht. Er hockte er in der linken Ecke des riesigen Innenraums seines Lincoln. Die Brust hob und senkte sich regelmäßig. Er schnarchte deutlich. Flush schloss die Trennscheibe zwischen Fond und Vordersitzen.
»Er schläft«, teilte er dem Fahrer Prissoc mit.
»Verdammt, ich weiß nicht, warum er sich nicht zu seiner Jackpot-Königin ins Bett gelegt hat«, sagte Prissoc. »Dann hätten auch wir unsere Chance bekommen. Atlantic City wimmelt von Mädchen auf der Suche nach Gewinnern.«
Er trat den Gashebel einen Zoll weiter durch. Mit noch zehn Meilen höherer Geschwindigkeit rauschte der Lincoln über den nächtlichen Highway. Zu dieser Stunde war der Verkehr gleich null.
Von Zeit zu Zeit tauchten die Rückleuchten eines Trucks auf. Prissoc hielt den Lincoln ständig auf der Überholspur. Sobald sie den Truck passiert hatten, dauerte es nur ein paar Sekunden, bis dessen Scheinwerfer aus den Rückspiegeln verschwanden. Mit satten hundert Meilen lag ihre Geschwindigkeit weit über dem vorgeschriebenen Limit.
Ron Flush sah als Erster das einzelne Scheinwerferlicht im Rückspiegel auf seiner Seite.
»Ein Motorrad«, warnte er Prissoc. »Könnte ein Highwaycop sein!«
Prissoc blickte in den Rückspiegel. »Der fährt ein noch höheres Tempo als wir. Könnte tatsächlich ein Cop sein, obwohl sie im Allgemeinen zu faul sind, zu dieser Stunde ihren Arsch in den Sattel zu schwingen.«
Er nahm den Fuß vom Gas, bis die Tachonadel in der Nähe der erlaubten fünfundfünfzig pendelte.
Das Motorrad schoss heran. In Sekundenschnelle füllte das grelle weiße Licht des starken Scheinwerferkegels den Innenraum und machte die Rückspiegel zu gleißenden Flächen.
»Warum blendet der Scheißkerl nicht ab?«, brüllte Prissoc.
Das donnernde Röhren des schweren Motorrads brandete gegen den Lincoln an wie eine Flutwelle. Es riss Al Mahon aus dem Schlaf. Er fuhr auf, drehte verwirrt den Kopf nach links und rechts.
»Was ist los?«, schrie er.
Im Chaos des weißen Lichts zeichneten sich Umrisse einer Gestalt ab, menschenähnlich und doch durch die Kugel des Sturzhelms ins Groteske verzerrt. Sekundenlang, so schien es, blieben Motorrad und Lincoln auf einer Höhe.
Der Fahrer hielt die Maschine so dicht an Mahons Fahrzeug, dass es aussah, als würde er sie mit den Schultern berühren.
»Verrückter Bastard!«, schrie Prissoc, zog den Lincoln nach rechts und trat auf die Bremse.
Im nächsten Augenblick war alles vorbei. Der Mann auf dem Motorrad drehte den Gashebel auf. Seine Maschine erhielt einen Schub wie von einer Rakete. Das weiße Licht seines Scheinwerfers verschwand aus Innenraum und Rückspiegel, und er selbst wurde von den Lichtkegeln des Lincoln erfasst.
»Kein Cop!«, rief Flush.
Der Mann im Sattel des Motorrads trug rotes Leder und einen schwarzen Rennfahrerhelm, auf dessen Rückseite ein fingergroßes weißes Kreuz gezeichnet war.
»Den Schweinehund kaufen wir uns!« Wütend trat Prissoc den Gashebel bis zum Anschlag durch. Verglichen mit dem Motorrad kam der Lincoln nur langsam auf Touren.
Mahon beugte sich vor und schob die Trennscheibe zur Seite. »Was ist passiert, Key?«
Eine Antwort erhielt er nicht. Die Welt des Al Mahon zerbarst in einer Explosion aus rotem und gelbem Feuer.
Mein Jaguar lag auf der Fahrbahn wie ein Brett. Die Stoßdämpfer schluckten die Unebenheiten des Highways weg. Der Motor röhrte satt. Die Scheinwerfer fraßen den Asphalt meilenweise in sich hinein. Von Zeit zu Zeit rauschten wir an Trucks vorbei, die im Vergleich zu uns so langsam krochen, dass sie stillzustehen schienen. Ich hatte das Warnlicht aufs Dach gepflanzt, damit die Highway-Patrol-Leute bei unserem Anblick nicht auf dumme Gedanken kämen. Die Tachonadel vibrierte dicht am Anschlag.
Natürlich fragte ich mich manchmal selbst, warum ich so viel Geld für meinen Schlitten ausgab. Das war einer der Augenblicke, in denen ich es wusste.
Dann leuchteten vor uns gelbe Warnlampen auf, und der Augenblick reinen Geschwindigkeitsglücks war vorbei. Ich nahm das Gas weg und hielt den Fuß einsatzbereit über dem Bremspedal.
Phil, der den Hut über die Augen gezogen hatte, richtete sich auf und schob den Hut zurück. »Ein Unfall?«
»Sieht so aus.«
Auf der rechten Fahrspur waren ein gutes Dutzend Trucks zu einer kompakten Mauer aufgelaufen. Die Zahl der Warnleuchten vermehrte sich. Das erste Rotlicht kreiste. Ein Wagen der Highway Patrol stand quer und sperrte die Fahrbahn.
Der eigentliche Unfall hatte sich auf der Gegenfahrbahn abgespielt. Dort flackerte das Licht von Ambulanzautos. Suchscheinwerfer beleuchteten die zerdrückte Karosserie einer großen Limousine. Der Wagen war offenbar auch in Brand geraten, denn weißer Feuerlöschschaum machte die Straße glitschig.
Ich brachte den Jaguar zum Stehen. Wir stiegen aus und gingen zum Highway-Patrol-Wagen. Ein Polizist lehnte an seinem Fahrzeug und musterte uns unfreundlich.
»Keine unnützen Fragen, Leute«, knurrte er.
Der Highway führte dicht an der Küste entlang. Man hörte das Rauschen der Brandung. Ein breiter heller Streifen am Horizont zeigte die Nähe des neuen Tages.