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Lois Jackson: die anerkannte Königin der Countrymusik. Susy Darling: die sensationelle Aufsteigerin, die Lois vom Thron stoßen wollte. Wir vom FBI vermuteten, dass hinter Susy die Mafia stand. Mit Bestechung, Gewalt und Mord. Wie immer das Duell der Sägerinnen ausgehen würde, es bedeutete das Ende eines Stars.
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Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhalt
Das Ende eines Stars
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Impressum
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsbeginn
Impressum
Lois Jackson: die anerkannte Königin der Countrymusik. Susie Darling: die sensationelle Aufsteigerin, die Lois vom Thron stoßen wollte. Wir vom FBI vermuteten, dass hinter Susie die Mafia stand. Mit Bestechung, Gewalt und Mord. Wie immer das Duell der Sägerinnen ausgehen würde, es bedeutete das Ende eines Stars.
Er spähte noch zwei Sekunden über die Straßenschlucht hinweg. Dann ließ er das Fernglas sinken und griff zum Telefonhörer. In dem leer stehenden Apartment klang das Geräusch der Zifferntasten aufdringlich laut.
»Okay, geht's los?«, sagte der andere, der sich nach dem ersten Rufzeichen gemeldet hatte.
»Sieht so aus, Bud. Sie schleppt ihn ab. Was ich gesagt habe.«
»Bist du dir sicher? Vielleicht schleppt er sie ab.«
»Lass den Quatsch, Mann. Ich weiß, was ich weiß, und ich sehe, was ich sehe.«
»Klingt verflucht logisch. Wo stecken die beiden jetzt?«
»Im Fahrstuhl, schätze ich. Sie hat ihn mächtig geschickt durch den Rummel im Penthouse gelotst. Keiner hat was gemerkt. Ich hab's dir gesagt, Bud. Manchmal ist sie wie ein kleines Kind. Sie ist verrückt darauf, ihm ihre neueste Errungenschaft zu zeigen. Ich hab's gesagt, stimmt's?«
»Himmel, beruhige dich. Wir wissen alle, dass es deine Idee war. Allright?«
»Tu nicht so, als ob ich blöd bin. Ich hab oft genug erlebt, dass andere kassieren, weil sie die größere Klappe haben. Wer still und zuverlässig seine Arbeit macht, ohne viel zu quatschen, wird oft übersehen.«
»Hauptsache, du übersiehst nicht, was sich bei dir vor der Haustür abspielt. Vielleicht treiben die beiden es bloß im Fahrstuhl, und gleich stürzen sie sich wieder ins fröhliche Partyleben.«
Er hob nur kurz das Fernglas und blickte in die Tiefe.
»Ich hab recht gehabt«, sagte er stolz. »Sie steigen in den Jaguar. Was sagst du jetzt?«
»Ich könnte dir vor Ehrfurcht die Stiefel ablecken.«
»Darauf komme ich zurück. Gib jetzt das Kommando durch. In zwei Stunden werden sie draußen sein, schätze ich.«
»Wie immer wirst du recht haben. Daran zweifle ich überhaupt nicht.«
Er legte auf, ohne eine Antwort zu geben, und beobachtete weiter, was sich in dem Penthousegarten rings um den Swimmingpool abspielte. Eine kleine Blondine hatte sich ausgezogen und reckte den Fotografen ihre Brüste entgegen. Er grinste unter den Okularen. Die Sache konnte noch vergnüglich werden ‒ jetzt nachdem er seinen Job erledigt hatte, zuverlässig wie immer.
Lois stieß die Tür wieder auf, kaum dass sie sie zugezogen hatte. »Lässt du mich fahren, Jerry? Bitte. Sei lieb. Einen FBI-Wagen habe ich noch nie gefahren. Das kannst du mir nicht abschlagen. Nicht an diesem Abend.«
Sie war schon halb draußen, ehe ich zu einer Antwort kam.
»Dies ist kein FBI-Wagen«, sagte ich, grinste und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad. »Das ist ein Privatfahrzeug wie jedes andere.«
Sie schwang die hübschen Beine zurück und sah mich mit ihren großen blauen Augen an.
»Und das da?« Sie zeigte auf das Funkgerät.
»Vom FBI eingebaut. FBI-Eigentum. Genau wie Warnlicht und Sirene.« Ich biss mir auf die Unterlippe.
Lois bemerkte es und lachte. »Keine Angst, keine Angst. Ich werde nicht das alberne kleine Mädchen spielen und dich bitten, mit Sirenengeheul durch New York City zu fahren.«
Sie zog die Tür wieder zu, beugte sich zu mir herüber, schlang die Arme um meinen Hals und küsste mich.
»Wenn ich fahre«, flüsterte ich durch das blonde Seidenhaar in ihr linkes Ohr, »sind wir viel schneller im Paradies.«
»Dass ich eine schlechte Fahrerin bin, weiß ich. Manchmal gehen die Pferde mit mir durch«, flüsterte sie in mein rechtes Ohr.
»Das muss kein schlechter Charakterzug sein.« Ich küsste sie auf die keck geschwungene Nase, die Versammlungsort für ein knappes Dutzend Sommersprossen war, und ließ meinen roten Flitzer anrollen.
»Weißt du, wie ich mich fühle?«, fragte Lois, nachdem sie eine Weile dem satten Brummen der Zwölfzylindermaschine gelauscht hatte.
»Heiter, beschwingt, übermütig«, antwortete ich. »So wie man sich nach fünf oder sechs Gläsern Sekt fühlt, wenn man Alkohol nicht gewohnt ist.«
»Vier.« Sie beugte sich im Sicherheitsgurt vor, und ich sah ihre energisch funkelnden Augen, ohne mich zur Seite wenden zu müssen.
»Okay, okay, vielleicht zählst du langsamer als ich.«
»Jerry, was willst du damit sagen?« Ihre Stimme klang schneidend in gespielter Herausforderung.
»Den Wortsinn und nichts als den Wortsinn«, entgegnete ich feierlich.
»Also gut, einigen wir uns auf fünf Gläser.«
Sie ließ sich zurücksinken, und einen Moment lang schien es, als schmollte sie. Doch sie ließ mir nicht mehr als drei Sekunden Zeit, darüber nachzudenken. Unvermittelt saß sie wieder kerzengerade, was bei der Schaukelei gar nicht einfach war. Manhattans Straßen waren schlechter als ihr Ruf.
»Du hast mich fast auf dem Konzept gebracht«, sagte sie vorwurfsvoll. »Ich wollte sagen, dass ich mich wie ein kleines Mädchen am Tag nach Heiligabend fühle. Ich brenne einfach darauf, dem netten kleinen Kerl von nebenan mein schönstes Geschenk zu zeigen. Kannst du das verstehen?«
»Klar«, antwortete ich und steuerte auf der East 73rd Street die Auffahrt zum Franklin D. Roosevelt Drive an. »Und was mich besonders freut, ist, dass ich der nette kleine Kerl von nebenan bin.«
Lois kicherte. »Leslie hieß er, der Nachbarjunge, damals, als ich fünf Jahre alt war. Er hatte immer traurige Augen und heulte bei jeder Kleinigkeit. Ich war die Einzige, die ihn so richtig zum Lachen bringen konnte.«
»Das kaufe ich dir ungeprüft ab. Unter diesen Umständen möchte ich lieber nicht Leslie sein. Dann schon eher der böse Strolch von gegenüber.«
»Meine Güte. Weißt du, was der alles mit kleinen Mädchen anstellt?«
»Ich werde darüber nachdenken. Bis wir an Ort und Stelle sind, wird mir einiges eingefallen sein.«
Lois versetzte mir einen Boxhieb, den ich kaum spürte. Ich wechselte auf den Major Deegan Expressway und fuhr weiter nach Norden.
Mit Geschick und Glück hatten wir uns unbemerkt aus dem Partytrubel weggeschlichen. Zehn Tage lang, während ihrer New Yorker Auftritte, hatte Lois keine Zeit gehabt, sich abends mit mir zu treffen. Nach dem letzten Auftritt beschloss Konzertagent Andrew Murphy, eine Party auf den großen Erfolg zu veranstalten. Die New Yorker Auftritte von Lois Jackson and The Paramounts waren in der Tat ein Riesenerfolg gewesen. Andy tat nicht unrecht daran, seinen Vertragsstar zu feiern.
Nach zwei Stunden Partygewühl hielt es die Hauptperson nicht mehr aus. Sie musste mir einfach zeigen, was sie sich selbst geschenkt hatte. Jetzt, sofort, wie es ihre Art war. Entschlüsse mussten auf der Stelle in die Tat umgesetzt werden. Ein Jahr war vergangen, seit ich Lois kennengelernt hatte, doch sie hatte sich nicht verändert.
Wir fuhren bis White Plains und überquerten den Hudson River. Ich nahm die Interstate 87 und anschließend den State Highway 17. In dem kleinen Ort Debruce bog ich auf eine schmale Provincial Route nach Norden ab.
Wir befanden uns bereits am Rand des Naturschutzgebiets Catskill Mountains.
Es war nur ein paar Minuten nach Mitternacht, als wir das Paradies erreichten, das sich Lois selbst zum Geschenk gemacht hatte. Sie stammte aus dieser Gegend. In Bradley, wenige Meilen entfernt, hatten ihre früh verstorbenen Eltern in einer Forstarbeitersiedlung gelebt.
Das Haus stand unter hohen Platanen, die das Mondlicht nur schwach durch ihre Kronen sickern ließen.
Ich fuhr den Jaguar in eine Zufahrt, auf der hohes Gras unter dem Bodenblech rauschte. Wie stiegen aus. Die Luft roch nach Gräsern, Kräutern und wilden Blumen.
Lois fingerte Schlüssel aus ihrer Handtasche und zog mich auf das Haus zu. Sie schloss auf, knipste Licht an und führte mich hüpfend, tanzend und singend durch alle Räume. Dann stieß sie die Hintertür weit auf, und wir traten auf eine Veranda hinaus.
»Nun, was sagst du?«, fragte Lois atemlos und ergriff meine Linke mit beiden Händen.
Da war ein Rasen, groß genug, um darauf Tennis zu spielen. Weiter nach rechts erstreckte sich ein Obstgarten mit Bäumen und Sträuchern. Buschwerk und Trauerweiden nahmen die gesamte übrige Fläche linker Hand ein. Was mehr als dreihundert Yards entfernt war, wurde ohnehin von der Dunkelheit verschluckt.
»Du hast recht«, sagte ich. »Es ist ein Paradies.«
»Warte, bis du es bei Tageslicht siehst. Aber ich konnte nicht anders, ich musste dir diesen Traum so schnell wie möglich zeigen. Der Makler hat seine Provision verdient, das ist gewiss.« Lois löste sich von mir, warf den Kopf in den Nacken und blickte mich an. So sah sie immer dann aus, wenn sie eine Idee hatte. »Ich hab's. Etwas richtig Romantisches, Jerry. Eine Bootfahrt bei Mondschein. Zu diesem Traum von einem Grundstück gehört nämlich auch ein See. Warte, ich hole uns eine Flasche Sekt. Jetzt feiern wir das, was wirklich gefeiert werden muss.«
Ich blickte ihr schmunzelnd nach, wie sie ins Haus lief. Sie hatte mir schon vor einem Jahr anvertraut, dass sie etwas in der Nähe der Catskills suchte. Endlich war ihr Wunsch in Erfüllung gegangen. In der Country- und Westernszene war Lois eine gefragte Sängerin. Doch ihre Tourneen führten nur selten an die Ostküste. Von Zeit zu Zeit wollte sie sich in die heimatliche Gegend zurückziehen, Luft holen und neue Kraft schöpfen.
»Der Gentleman rudert!«, rief sie, als sie mit Sektflasche und zwei Gläsern zurückkehrte und vorauslief, auf den Rasen hinaus.
Ich folgte ihr. Das Ruderboot lag an einem Steg vertäut.
Geschickt ließ sich Lois auf der Achterducht nieder und stellte die Flasche und die Gläser auf die nächste Ducht.
Mit zügigen Schlägen ruderte ich auf das bleifarbene Wasser des Sees hinaus. Die Trauerweiden umgaben das lang gezogene Gewässer wie eine Wand. Es war, als glitte unser Boot in eine Kathedrale, für die der Himmel das Dach bildete.
»Achtung!«, rief Lois und hielt die Flasche hoch.
Zwischen den Trauerweidenwänden klang der Knall wie ein Schuss. Lois lachte und schwankte auf ihrem Platz. Sie zog die Beine an, als eine Schaumfontäne aus der Sektflasche stieg. Es war mir klar, dass sie das Gleichgewicht verlieren musste. In dem Moment, in dem ich gegenruderte, war es schon zu spät.
Lois' Lachen brach ab, als sie hintenüber kippte, die Sektflasche immer noch in der Hand.
Ich sprang auf und wollte sie packen.
Es war kein Fallen. Dazu ging es viel zu schnell. Lois schrie, bevor sie versank. Ein seltsames Versinken. Sie bewegte Arme und Beine wie rasend und versank trotzdem. Eher sah es aus, als würde sie in die Tiefe gezogen.
Das Wasser schlug über ihr zusammen, gischtend im Bleilicht des Mondes.
In meinen Adern wurde das Blut eiskalt. Dennoch reagierte ich innerhalb eines Bruchteils der Schrecksekunde. Ich spannte die Muskeln und wollte springen.
Ein scharfes Zischen stoppte mich im Ansatz der Bewegung. Es zerrte an meiner Jacke und fetzte ein Stück vom Aufschlag weg. Nur aus den Augenwinkeln heraus sah ich die Bewegung auf der Wasseroberfläche, rechts von mir, drei Yards entfernt.
Ich ließ mich fallen und meinte, einen zwischen den Zähnen zerknirschten Fluch zu hören.
Das zweite fast lautlose Geschoss fauchte knapp über die Bordwand des Boots hinweg. Diesmal spürte ich nur den Luftzug.
Jeder Sekundenbruchteil zählte, wenn ich Lois noch helfen wollte. Rücksicht durfte ich nicht kennen. Auf wen denn auch? Auf kaltblütige, heimtückische Mörder?
Ich zog den Smith & Wesson im Liegen.
Die dritte Harpune krachte in die hölzerne Bordwand. Ich sah die scharfe Spitze im geborstenen Holz, nur eine Handbreit von meinen Augen entfernt.
Mit der Linken stieß ich mich hoch.
Das Wasser bewegte sich in drei Yards Entfernung. Er glaubte, sich einen Stellungswechsel schenken zu können.
Das Mondlicht stellte ihn bloß. Dabei war seine Tarnung perfekt. Schwarzer Neoprenanzug, fettglänzend geschwärztes Gesicht unter der Tauchermaske mit den Schläuchen, die zum Atemgerät führten.
Er hatte das vierte Geschoss eingelegt und brachte das Harpunengewehr in Anschlag, knapp über der Wasseroberfläche. Sein Nachteil war das ständige Wassertreten. Nur diesem Umstand hatte ich es zu verdanken, dass die erste Harpune mich knapp verfehlt hatte.
Ich feuerte, bevor er abdrücken konnte.
Zwei Kugeln.
Der Taucher warf die Arme hoch und versank mit der noch schussbereiten Unterwasserwaffe.
Ich federte hoch, stieß den 38er ins Holster und streifte mein Jackett ab. Dann die Schuhe. Den Moment, den ich dazu brauchte, nutzte ich, um das Wasser links vom Boot zu beobachten.
Die Perlenspur der Luftblasen war fünf Yards lang und leicht zu erkennen. Die Spur verlängerte sich nur langsam. Möglich, dass Lois noch immer Widerstand leistete. Ein Hoffnungsschimmer.
Ich sprang in steilem Winkel, um mehr mir als dem Boot Schwung zu geben. Fast senkrecht tauchte ich ein. Mit den Händen, flach nach vorne gereckt, gab ich mir Auftrieb und half gleichzeitig mit kräftigen Beinstößen nach. Ich riss die Augen weit auf.
Da war nichts als Kälte und Schwärze, die mich umgab. Ich behielt die Richtung bei und gewann Yard um Yard, obwohl ich keine Schwimmflossen hatte.
Auf einmal konnte ich Geräusche hören. Schlagende Geräusche. Keuchende, heftige Atemstöße, unter Wasser schallverstärkt. Ich hatte mich nicht getäuscht. Lois wehrte sich noch immer. Der Vorteil, den ihr Bezwinger mit seinen Flossen hatte, war daher gleich null.
Unvermittelt sah ich sprudelnde Helligkeit, zum Greifen nahe.
Lois hatte es geschafft, ihn bis knapp unter die Oberfläche zu zwingen. In ihrer Verzweiflung musste sie enorme Kräfte entwickelt haben. Doch sie konnte es kaum schaffen. Die aus der Verzweiflung geborenen Kräfte würden ebenso rasch erlahmen, wie sie aufgekeimt waren. Ich kannte das teuflische Gefühl, das einen ergriff, wenn man keine Luft bekam.
Die Geräusche dröhnten in meinen Ohren.
In dem Sprudeln aus Luftblasen und gepeitschtem Wasser sah ich die Umrisse von Lois' hellem Kleid wie einen wehenden Seidenhauch. Dicht daneben die schwarzen Umrisse des Tauchers.
Er hatte zu viel mit ihr zu tun. Deshalb bemerkte er mich nicht rechtzeitig. Mit Schwung glitt ich auf ihn zu und rammte ihm beide Fäuste nacheinander in die Seite.
Der Schmerz ließ ihn zusammenknicken. Sein Griff wurde wirkungslos. Lois kam frei. Voll unbändiger Freude stellte ich mir vor, wie sie die Luft tief in ihre Lungen pumpte.
Aber auch meine Luftreserve ging dem Ende entgegen. Und mein Gegner war beileibe noch nicht bezwungen.
Er überwand seinen Schmerz. Frei und ungehindert jetzt, stieß er auf mich zu. Etwas blitzte in seiner Rechten.
Ein Messer. Die Klinge war fast handtellergroß. Und nun war er mir überlegen. Mit seinen Schwimmflossen würde er keine Mühe haben, mich auszutricksen.
Sein Angriff war rasant. Mit einem Schwall von Luftblasen jagte er auf mich zu. Ich hatte nur die Zeitspanne eines Atemzugs, um auszuweichen. Dabei spürte ich den Sog, den der zustoßende Arm mit dem Messer verursachte.
Ich drehte mich und wollte zupacken. Ich war nicht schnell genug. Ich griff ins Leere.
Mein Gegner erkannte seine Chance. Blitzartig stoppte er seine Bewegung, überschlug sich und war plötzlich wieder vor mir. Natürlich wusste er, dass meine Lungen bald bersten würden. Innerhalb der nächsten Sekunden musste ich auftauchen.
Wenn ich es noch schaffte.
Wenn er mit seinem Messer nicht schneller war ...
Seine schwarze Silhouette war riesengroß, sein Kopf von einer Krone aus perlenden Luftblasen umgeben. Ich glaubte, sein höhnisch verzerrtes Gesicht zu sehen. Doch viel deutlicher war dieses elend breite, hoch erhobene Messer.
Ausweichen konnte ich nicht mehr.
Ich winkelte den linken Arm an und riss ihn hoch.
Eine Zehntelsekunde zu langsam.
Das Messer zuckte herab. Stechender Schmerz fraß sich glühend durch meinen Oberarm. Ich wusste, dass es mein Ende war, wenn ich es jetzt nicht schaffte. In meinem Kopf dröhnte es bereits. Meine Lunge schien meinen Brustkorb von innen sprengen zu wollen. Im linken Arm tobte der Schmerz.
Der Taucher brachte das Messer erneut hoch, bereit, mir den Rest zu geben.
Ich rammte ihm das Knie in den Unterleib und schlug mit der Rechten zu. Ich merkte noch, dass ich traf. Sah noch, wie er sich krümmte. Dann konnte ich nicht anders, ich musste auftauchen. Es war eine Erlösung. Die frische Luft durchflutete mich wie erwachende Kraft. Unbändige Freude erfüllte mich, als ich Lois auf den Bootssteg zuschwimmen sah.
Doch ich erlaubte mir nicht mehr als eine Sekunde Zeit.
Sofort tauchte ich wieder. Der Schwall der Luftblasen war noch dort, wo ich ihn vermutete – unkontrolliert jetzt. Der Mann kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit. Mein Nachteil war der stechende Schmerz in der Armwunde. Aber es kostete mich nur wenig Willenskraft, damit fertig zu werden.
In dem helleren Wirbel der Luftblasen zeichneten sich die Umrisse meines Gegners schemenhaft ab. Immer noch war da dieses Blitzen in der Schwärze des Wassers. Trotz allem hatte er das Messer nicht aus der Hand verloren.
Ich schlug es ihm weg, bevor er seine Benommenheit überwunden hatte.
Deutlich erkannte ich, wie meine Handkante den Mann zusammenzucken ließ. Die Bremswirkung des Wassers vermochte die Wucht des Schlags nur wenig zu mildern. Torkelnd, mit schwächer werdendem Funkeln, versank das Messer in der Tiefe. Ich setzte meine Fäuste ein, um dem Taucher den Rest zu geben. Er leistete nur schwache Gegenwehr, die sofort wieder erlahmte.
Ich musste ihn mit der Linken packen, um aufzutauchen und ihn zum Ufer bringen zu können. Neuer, wilderer Schmerz fraß sich vom Oberarm bis in den Brustkasten. Ich biss die Zähne zusammen und schwamm mit kraftvollen Beinstößen. Den rechten Arm benutzte ich fast ausschließlich, um mich über Wasser zu halten. Zum Glück brauchte ich mich um den Bewusstlosen nicht weiter zu kümmern. Sein Atemgerät funktionierte. Er konnte nicht ersticken.
Lois saß keuchend auf dem Rand des Bootsstegs, die Beine noch im Wasser. Tatkräftig, ernüchtert nach der überschwänglich kindlichen Begeisterung, wollte sie mir helfen, den Gangster auf den Steg zu befördern. Ein wenig Licht fiel vom Haus herüber. Lois sah das Blut, das meine nasse Kleidung tränkte. Sie stieß einen leisen Schrei aus.
Ich umrundete den Steg und brachte den Mann ans Ufer. Lois war zur Stelle. Wir schleiften den Schwarzgekleideten gemeinsam durch den Morast, vorbei an einer Trauerweide, bis auf den Rasen.
Lois stellte keine überflüssigen Fragen. Wir gönnten uns nur ein kurzes Luftholen und beförderten den Gangster weiter zum Haus. Ich musste ihn fesseln, bevor er zu sich kam. Die Handschellen hatte ich im Jaguar zurückgelassen. Es hatte mir schon gereicht, mich bei einer Party mit dem 38er zu belasten.
Die schwere Last des reglosen Körpers zuckte in unseren Händen.
Zweimal kurz hintereinander.
Lois begriff nicht.
Ich ließ los, schnellte mit einem Satz über den Mann hinweg. Lois stieß einen erschrockenen Laut aus, als sie unter meinem Anprall zu Boden gerammt wurde.
Etwas klatschte, nahe vor unseren Gesichtern, als ob jemand mit der Faust auf den Boden schlüge.
Ich riss Lois herum und rollte mich zusammen mit ihr ab. Eine glühende Woge von Schmerz durchflutete mich. Doch ich hielt nicht inne.
Wieder dieses Klatschen. Diesmal haarscharf links neben mir.
Ich hatte keine Zeit, Lois zu erklären, was es war. Aus der Rollbewegung heraus zog ich die Beine an, kam hoch und riss sie mit mir in die Senkrechte. Ich konnte sie nicht allein lassen. Die Gefahr, dass sie ins Licht laufen würde, war zu groß.
Mit der Rechten presste ich sie an mich. Sofort folgte sie meinen Bewegungen. Geduckt schlugen wir Haken und rannten in einem weiten Bogen auf die unbeleuchtete Seite des Hauses zu.
Das teuflische Klatschen folgte uns.
Gleich darauf war es ein bösartiges Sirren. Atemzüge später gab es einen hellen Knall, und Scherben einer Fensterscheibe klirrten zu Boden.
Wir erreichten die schützende Dunkelheit und liefen um die Hausecke. Noch während wir uns an die vordere Wand lehnten, war in großer Entfernung das Geräusch eines Anlassers zu hören. Im nächsten Moment brummte ein Automotor auf. Der Wagen entfernte sich rasch, und schon nach Sekunden hatte die Nacht jeden Laut verschluckt.
»Was, in aller Welt, hat das zu bedeuten?«, fragte Lois, und ihre Stimme war nicht mehr als ein zittriger Hauch. In ihren Augen war die erwachende Besorgnis zu lesen. »Himmel, du bist verwundet. Schnell, ins Haus. Wir müssen ...«
Ich legte ihr einen Zeigefinger auf die Lippen. »Wir tun alles Notwendige. Aber lass mich die Reihenfolge bestimmen, okay?«
Wir liefen zurück auf den Rasen. Ich erklärte Lois, wie der heimtückische Anschlag der Taucher geplant gewesen war. Nummer eins hatte sie in der Tiefe des Sees ertrinken lassen sollen.
Aufgabe von Nummer zwei war es gewesen, mich mit seiner Harpune zu töten.
Ein dritter, der das Geschehen in sicherer Entfernung verfolgt hatte, hatte ein Zielfernrohrgewehr mit Schalldämpfer und Nachtsichtgerät bei sich, um im Fall eines Misslingens der ersten zwei Angriffe doch noch zum Erfolg zu kommen. Das war ihm im entscheidenden Punkt gelungen.
Der Mann auf dem Rasen würde nie mehr ein Wort von sich geben. Die beiden Einschüsse hatten ihn auf der Stelle getötet.
Misslungen war der Mordanschlag nur, was Lois und mich betraf.
Ich verständigte das Office der State Police in Debruce. Der diensthabende Beamte versprach, ein Kommando der zuständigen Mordabteilung zu schicken und den FBI District New York zu benachrichtigen.
Lois und ich zogen uns trockene Sachen an. Dann kramte sie die Hausapotheke und den Verbandskasten aus dem Jaguar durch und legte mir einen Notverband an. Die Stichwunde war nicht besonders tief, hatte jedoch stark geblutet. Noch während sie mir die weiße Binde kunstgerecht um den Oberarm wickelte, stellte Lois die Frage, die mich schon seit Minuten beschäftigte.
»Auf wen hatten sie es in erster Linie abgesehen, Jerry? Auf dich oder auf mich?«
Ich konnte ihr keine Antwort geben. Doch ich wusste das, worüber auch sie sich im Klaren war: Wir hatten beide Berufe, in denen man sich eine Menge Feinde machen konnte.
»Susie Darling loves you all!«, rief der Mann im paillettenbesetzten Westernanzug. Die Lautsprechertürme beiderseits der Bühne ließen seine Stimme über dreitausend Zuhörerköpfe dröhnen. »Susie Darling liebt euch alle!«
Ein dreitausendstimmiger Freudenschrei war die Antwort.
Susan Doucette löste sich aus dem Halbkreis ihrer Begleitmusiker, die bei den Instrumenten Aufstellung genommen hatten. Die hochhackigen Cowboystiefel gaben ihren Schritten etwas Majestätisches. Die hautengen hellen Jeans und die dunkelrote, tief ausgeschnittene Bluse machten auch den Leuten in den hintersten Reihen noch klar, dass sie nichts zu verstecken brauchte.
Sie hob die Fingerspitzen beider Hände an die Lippen und warf die Arme hoch. Das wiederholte sie so lange, bis sie den Ansager bei den Mikrofonen am vorderen Bühnenrand erreichte. Er legte den Arm um ihre Schultern, die vom langen dunklen Haar umflossen wurden.
Der männliche Teil des Publikums brüllte. Pfiffe gellten.
»Ich weiß, ich weiß«, lachte der Ansager ins Mikrofon. »Ich weiß, wie verdammt eifersüchtig ihr jetzt auf mich seid. Aber noch ist der Abend nicht zu Ende, Freunde. Vielleicht habt ihr nachher bei der Autogrammstunde eure große Chance. Dem ein oder anderen soll es schon gelungen sein, unsere süße kleine Super-Susie hautnah zu erleben.«
Susan reckte ihren Busen vor, wieder setzte das Gebrüll ein.
Es dauerte eine Weile, bis der Ansager erneut durchdringen konnte. Er leierte die übliche Story herunter, wie sie in sämtlichen ihrer Promotiontexte wiedergekaut wurde. Susie Darling, die eigentlich Susan Doucette hieß, war im Grunde gar kein richtiges Countrygirl, denn sie stammte aus Mandeville am Lake Pontchartrain bei New Orleans, und ihre Eltern waren Kreolen. Raffiniert hatte sie sich in die Country- und Westernszene eingeschlichen und erklomm nun auf der Karriereleiter zwei Sprossen auf einmal.
Der Ansager stellte die Musiker der Begleitband vor und kündigte den ersten Titel an.
Zwei Männer tauchten aus dem Halbdunkel des hinteren Hallenbereichs auf, eilten den Mittelgang hinunter und trugen schwer an ihrem Mitbringsel. Ein Strauß roter Rosen von mehr als einem halben Yard Durchmesser.
»Ho, ho, was haben wir denn da?«, rief der Mann am Mikrofon. »Ein glühender Verehrer schon vor dem Konzert? Nun, warum soll das hier in Charleston, West Virginia, anders sein als in Nashville oder Minneapolis? Wer sich gar nicht bremsen kann, der zeigt Susie Darling eben, wie verdammt gern er sie hat, ohne dass sie auch nur einen Ton zu singen braucht.«
Susan schloss entnervt die Augen. Sie genoss die Buhrufe und Pfiffe, die jetzt erschollen. Niemand empfand Sympathie für den unverschämten Kerl, der sich mit seinem Riesenrosenstrauß als Angeber aufspielte. Es tat ihr gut, die Eifersucht von ein paar Tausend Leuten zu spüren. Denn sie konnte es einfach nicht leiden, dass sich jemand anmaßte, sie für sich allein haben zu wollen.