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Jerry Cotton Sonder-Edition 269 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Zwei Fernsehserien wetteiferten um die Gunst des amerikanischen Publikums: Golden Gate und Broadway. Die Konkurrenz war mörderisch. Und dann geschah es. Bei Außenaufnahmen sollte laut Drehbuch ein Golden-Gate-Darsteller erschossen werden. Als die Szene im Kasten war, stand der Mann nicht mehr auf. Er war wirklich erschossen worden. Und er sollte nicht der letzte sein. Denn es war ein Drehbuch voller Morde ...

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Seitenzahl: 199

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

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Ein Drehbuch voller Morde

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Impressum

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Inhaltsverzeichnis

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Ein Drehbuch voller Morde

Zwei Fernsehserien wetteiferten um die Gunst des amerikanischen Publikums: Golden Gate und Broadway. Die Konkurrenz war mörderisch. Und dann geschah es. Bei Außenaufnahmen sollte, laut Drehbuch, ein Golden-Gate-Darsteller erschossen werden. Als die Szene im Kasten war, stand der Mann nicht mehr auf. Er war wirklich erschossen worden. Und er sollte nicht der letzte sein. Denn es war ein Drehbuch voller Morde ...

1

Von der Frau war kaum etwas zu sehen. Halb verdeckt von einer kunstvoll geschnittenen Buchsbaumhecke, stand sie so, dass der fahle Lichtschein einer Peitschenlaterne sie nicht ganz erreichte.

Sie war groß und schlank. Die langen blonden Haare hingen ihr wirr in der Stirn. Ihr Kleid war zerfetzt wie nach einem Kampf. Bis zur Hüfte hinauf reichte der Riss. Der auseinanderklaffende Stoff gab die langen Beine frei. Über der Brust hielten die Fetzen des weißen Leinenkleids gerade noch die Brüste bedeckt.

Etwas Lauerndes, Unberechenbares lag in den großen Augen, die zur im Dunkel liegenden Straße gerichtet waren. Sie stand unbeweglich da wie ein Denkmal. Kalt, starr und leblos, hätte sich der Busen nicht unter dem Atem gehoben und gesenkt.

Deutlich war die Waffe zu sehen, die die Blondine in der Hand hielt. Noch zielte der Lauf gegen den feucht glänzenden Asphalt.

Als dann die aufgeblendeten Scheinwerfer eines Cadillac die Dunkelheit zerrissen und einen Lichtteppich auf die Fahrbahn legten, kam Leben in die bewegungslos dastehende Blondine. Zuerst huschte sie raubtierhaft geschmeidig noch tiefer in den Schatten der Buchsbaumhecke, um nicht vom Scheinwerferlicht eingefangen zu werden. Langsam wie in Zeitlupe hob sie den 38er. Mit der linken Hand strich sie sich die Haare aus der Stirn. Schweiß glänzte auf ihrem Gesicht.

Sie schlug nicht einmal mit den Wimpern. Es war der Ausdruck einer Frau, die gelitten hatte und nun voller Hass war. Voll von tödlichem Hass. Unzweifelhaft wartete sie auf den Mann, der Urheber ihrer Leiden gewesen war. Der Cadillac kam näher und rollte langsam aus. Er hielt zwei Yards von der hinter der Buchsbaumhecke lauernden Blondine entfernt am Straßenrand. Die Scheinwerfer verloschen.

Sekundenlang zeichnete sich der Schatten eines kräftig gebauten dunkelhaarigen Mannes hinter der Windschutzscheibe ab. Die Fahrertür wurde aufgestoßen, die Innenbeleuchtung flammte auf.

Der Mann mit den dunklen Haaren hatte ein scharf geschnittenes, schmallippiges Gesicht. Unsympathisch wäre es auch ohne die Narbe gewesen, die sich von der Nasenwurzel bis zum linken Mundwinkel hinabzog. Die tief liegenden Augen, über denen sich buschige Brauen spannten, strahlten etwas aus, das zur Vorsicht mahnte. Für einen Moment blieb er sitzen. Das Feuerzeug flammte auf, als er sich eine Zigarette anzündete. Im flackernden Widerschein wirkte die Narbe in seinem Gesicht rot und frisch.

Dann stieg er aus. Klatschend fiel die Tür ins Schloss. Der Mann blieb an der Karosserie gelehnt stehen. Dreimal, im Sekundenabstand, leuchtete die Glut der Zigarette auf. Er stieß sich vom Wagen ab und wollte an der Buchsbaumhecke vorbei zur Auffahrt des Hauses. Es stand von der Straße versetzt. Ein parkähnlicher Garten lag davor. Die weiße Fassade wirkte wie ein Fremdkörper in der Gegend.

Einen Schritt weit kam der Mann. Mit einem Ruck blieb er stehen, und seine Augen weiteten sich. Die Blondine trat hinter der Hecke hervor. Sie stand voll im Lichtschein der Peitschenlaterne. Ihr starrer Blick ruhte mitleidlos auf dem großen dunkelhaarigen Mann. Sie hob die Waffe, nahm sie in beide Hände und schüttelte den Kopf, als der Mann etwas sagen wollte.

»Zu spät, Johnny«, sagte sie mit leiser, aber zwingender Stimme. »Blake hat wirklich alles versucht, doch er hat mich nicht festhalten können. Jetzt liegt er drin.«

Ein Ruck lief durch den Körper des breitschultrigen Mannes. Die Blondine lachte. Es klang unsicher und hektisch. Trotz der Waffe, mit der sie den Mann bedrohte, hatte sie Angst. Deutlich war das aus ihrem bleichen Gesicht herauszulesen. Die Waffe in ihrer Hand zitterte. Sie bewegte sich schwankend von rechts nach links.

Der Mann zog den Kopf zwischen die Schultern. Noch einmal glühte die Narbe in seinem Gesicht und verriet, dass er nicht einfach stehen bleiben und sich erschießen lassen würde. Er wollte vielmehr die Unsicherheit der Frau ausnutzen, um das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden. Mit einem Riesenschritt versuchte er, die Frau zu erreichen, um die Waffe beiseite zuschlagen.

Die Frau schoss. Die Waffe bäumte sich in ihrer Hand auf, und ihr Gesicht bekam einen panischen Ausdruck. Wie von einer unsichtbaren Faust getroffen, wurde der dunkelhaarige Mann zurückgeschleudert. Krachend schlug er gegen die Karosserie des Cadillac. Er versuchte, einen Schrei auszustoßen. Es wurde ein unartikulierter, gurgelnder Laut. Ihm knickten die Beine ein. Wie ein Stein stürzte er auf den nassen Asphalt und blieb bewegungslos liegen.

»Aus und schneiden!«

Scheinwerfer flammten auf. Die Kamera, die auf einen Schlitten montiert war, rollte zurück.

»Das war einfach fantastisch, Maggie!«

Burt Parker, der Regisseur der Fernsehserie Golden Gate, übertrieb diesmal nicht, wie es sonst seine Art war. Ich war genauso beeindruckt wie der ganze technische Aufnahmestab. Realistischer konnte sich eine solche Szene auch nicht im richtigen Leben abspielen.

»Wirklich, Maggie ...«

In diesem Moment begann Maggie Ferries, einer der weiblichen Stars von Golden Gate, zu schreien. Sie ließ die Waffe fallen und schlug sich in einem hysterischen Anfall die Hände vors Gesicht. Der zerfetzte Leinenstoff des Kleids fiel so weit auseinander, dass ihre Brüste bloßlagen.

In dieser Sekunde interessierte sich niemand dafür. Selbst die Pressefotografen, die den Außenaufnahmen beiwohnten, vergaßen die Auslöser zu drücken und verpassten damit die einmalige Chance, als erste Maggie Ferries mit nacktem Busen zu fotografieren.

Alle Blicke richteten sich auf den großen dunkelhaarigen Mann, der Sam Sommer war. Er hatte am Nachmittag auf der Pressekonferenz angekündigt, dass er sich mit einem stilvollen Abgang aus der Golden-Gate-Produktion verabschieden wolle.

Wie recht er damit behielt, hatte Sommer da nicht wissen können. Sommers Abschied war endgültig. Er war tot.

Maggie Ferries brach zusammen.

Ich schob die Leute des zweiten Aufnahmestabs brüsk beiseite und stürmte nach vorne. Als Erster erreichte ich den Cadillac. Erst jetzt reagierten die Bildreporter der Zeitschriften und Tageszeitungen, die beinahe täglich von den Außenaufnahmen berichteten und den üblichen Hinter-der-Kamera-Klatsch an den Leser brachten. Ein wahres Gewitter von Blitzlichtern prasselte auf mich nieder.

Das ganze Aufnahmeteam setzte sich beinahe gleichzeitig in Bewegung. Abwehrend streckte ich die Hände nach vorne.

»FBI!«, schrie ich den Filmleuten entgegen. »Jeder bleibt auf seinem Platz!«

Genauso gut hätte ich gegen eine Brandung anreden können. Man kannte mich nicht. Vielleicht hielten sie mich für einen Spinner, der sich wichtigmachen wollte. Solche Leute fanden sich auch bei Außenaufnahmen ein, immer darauf aus, wenigstens einmal im Rampenlicht zu stehen.

Die Leute näherten sich wie eine unheilvolle Phalanx aus Menschenleibern.

»FBI! Jeder bleibt auf seinem Platz!«

»Habt ihr das nicht verstanden, ihr Idioten?«

Burt Parkers Stimme übertönte meine um einige Lautstärken. Und sie hatte hier bei Weitem mehr Gewicht. Die Menschen blieben stehen. Selbst die Reporter vergaßen, weiter auf die Auslöser zu drücken.

»Alles zurück auf seinen Platz!«

Ich kniete mich neben Sam Sommer nieder. Obgleich seine weit aufgerissenen Augen starr in den kalifornischen Nachthimmel gerichtet waren, tastete ich nach dem Puls seiner Halsschlagader. Nichts bewegte sich unter meinen Fingern.

»Einen Krankenwagen und die Polizei!«, rief ich Parker zu.

Parker gab es weiter.

Ich richtete mich auf und ging zu Maggie Ferries, die auf dem Gehsteig unter der Peitschenlaterne kauerte, den Kopf zwischen den Händen barg und schluchzte. Sie schrie nur deshalb nicht, weil sie die Zähne in den rechten Handballen gegraben hatte.

Ein Yard von ihr entfernt lag der unglückselige 38er auf der Straße. Eine Waffe, die mit Blindmunition geladen sein sollte.

Ich legte dem Star der Golden-Gate-Serie den Arm um die Schultern.

»In Ordnung«, sagte ich, weil mir in diesem Moment nichts anderes einfiel. »In Ordnung, Maggie.«

Sie hob das Gesicht aus den Handflächen und starrte mich fassungslos an. Dann huschte ihr Blick zu Sam Sommer. Sie sah seine gebrochenen Augen und verlor das Bewusstsein.

Ich fing sie gerade noch auf und ließ sie sanft auf den nassen Asphalt gleiten.

Burt Parker kam als Einziger in meine Nähe. Er war unnatürlich bleich. Schweiß rann in Strömen über sein Gesicht. Mit einer hilflosen Geste rieb er sich die Augen.

»Das ... das kann und will ich nicht glauben«, stammelte er leise. »Mein Gott ...« Er griff nach den Zigaretten und zündete sich eine an.

»Die Requisite!«, brüllte Parker. »Verdammt, ich will jeden, der sich in den letzten Stunden auch nur in die Nähe des Requisitenwagens verirrt hat. Jeden!«

Was er anordnete, war völlig richtig. Es zeugte davon, dass er selbst in einer solchen Situation Herr der Lage war, aber es war völlig sinnlos. Der Kerl, der die Blindmunition gegen scharfe Patronen ausgetauscht hatte, befand sich bestimmt nicht mehr in der Nähe.

»Der verdammte Anruf, G-man«, wandte sich Parker an mich. »Das war also ernst gemeint!«

Am Mittag war der Anruf gekommen. Jemand hatte laut und deutlich angekündigt, dass bei den Außenaufnahmen etwas passieren werde. Parker richtete sich daraufhin an den Produktionschef, der mit einem FBI-Beamten vom District Office Los Angeles bekannt war. Sie hatten mich geschickt, weil mich keiner kannte und ich versichert hatte, es mache mir Spaß, vor meinem Rückflug nach New York bei den Außenaufnahmen für Golden Gate dabei zu sein.

Ich hatte einige Folgen der Serie gesehen, und Maggie Ferries gehörte zu meinen Lieblingsschauspielerinnen.

Drohungen, wie Burt Parker sie erhalten hatte, waren nichts Besonderes. Sie gehörten zum täglichen Brot in der Film- und Fernsehbranche. Obgleich ich mir sicher war, dass Parker die Drohung keine Sekunde ernst genommen hatte, war er doch auf Nummer sicher gegangen. So kam es, dass ich Zeuge eines kaltblütigen Mordes geworden war. Anders als Mord konnte man es nicht bezeichnen. Wer die Blindmunition mit scharfen Patronen vertauscht hatte, hatte diesen tödlichen Verlauf geplant.

Ein Mord, wie das Drehbuch ihn übrigens in dieser Folge vorschrieb. Es war Sommers letzte Rolle in dieser Serie. Man hatte ihn nicht einfach aus der Story rausschreiben, sondern ihn sterben lassen wollen. Das war für den Zuschauer aufregender.

»Es war alles wirklich ernst gemeint«, wiederholte Parker mit heiserer Stimme. »Jemand muss den Verstand verloren haben, verdammt noch mal!«

Alles mit einem Fluch zu unterlegen, das war Parkers Art. Das konnte er auch in dieser Situation nicht ablegen.

Ein kleiner, spitznasiger Mann bahnte sich einen Weg durch das Aufnahmeteam.

»Ich bin Arzt«, sagte er, warf einen flüchtigen Blick auf den toten Sam Sommer und ging zu Maggie Ferries.

Er untersuchte die bewusstlose Frau mit kundigen Handgriffen, öffnete seine Arzttasche und sog eine farblose Flüssigkeit in den Kolben einer Spritze. Nachdem er Maggie Ferries das Serum injiziert hatte, stand er auf.

»Mehr kann ich nicht tun«, sagte er zu Burt Parker. »Sie hat einen schweren Schock erlitten und muss auf dem schnellsten Weg ins Krankenhaus gebracht werden.«

Kein Wunder, dass Maggie Ferries einen schweren Schock erlitten hatte. Aus der im Drehbuch vorgeschriebenen Szene war blutiger Ernst geworden.

Sie hatte einen Menschen erschossen!

Burt Parker schwitzte, rieb sich mit einem weißen Taschentuch über die Stirn und schüttelte verständnislos den Kopf.

2

Captain Hank Morgan von der Los Angeles Metropolitan Police leitete die Untersuchung. Ich befand mich zwar in Parkers Wohnwagen, hielt mich aber aus der Vernehmung heraus.

»Ich kann nichts erklären, Captain«, versicherte Burt Parker zum wiederholten Mal. »Ich habe die telefonische Drohung ebenso wenig ernst genommen wie alle anderen. Vor den Aufnahmen habe ich noch mit den Beteiligten gesprochen. Niemand wollte die Aufnahmen auf einen anderen Tag verlegen.«

»Wäre das denn möglich gewesen?«, mischte ich mich zum ersten Mal ein.

Parker schaute mich zweifelnd an.

»Es hätte viel Geld gekostet und den Terminplan durcheinandergeworfen«, antwortete er. »Im Prinzip wäre es natürlich möglich gewesen.«

»Mit anderen Worten, Sie hätten es den Leuten auszureden versucht, wenn jemand dafür gestimmt hätte, die Aufnahmen zu verschieben.«

»Mit Sicherheit«, gab Parker zu. »Ich muss mich ans Budget und an die Termine halten, oder sie feuern mich. Dann stehe ich auf der Straße.«

Das nahm ich Parker nicht ab. Seit mehr als zwanzig Folgen war er Regisseur von Golden Gate. Er galt in der Filmbranche als der Mann, der dem Publikum auch den schlimmsten Kitsch schmackhaft verpackt verkaufen konnte.

»Also war sich der Täter ziemlich sicher, dass heute gedreht werden würde.«

»Im Grunde schon.« Burt Parker nickte. »Sie wollen doch wohl nicht darauf hinaus, dass der Kerl aus unserem Team stammt und mich und meine Entscheidungen genau kennt?« Er schaute mich wütend an.

Ich war ein New Yorker G-man, mit dem er eigentlich, so sah er es, nichts zu tun hatte. Wenn ich jetzt auch noch sein Team beschuldigte, war ich bei ihm ganz untendurch.

»Das müssen wir wohl fürs Erste annehmen?« Captain Hank Morgan nahm mir die Antwort ab.

Er reckte seine hünenhafte Gestalt, die in einem zerknitterten grauen Anzug steckte, der beinahe aus allen Nähten krachte, als er seine Muskeln anspannte. Zwischen seinen vollen Lippen klebte der Stummel einer kalten Zigarre. Sie bewegte sich im Rhythmus seiner Kaubewegungen. Es sah aus, als fräße er sie langsam auf.

Parker schnellte mit einem Satz in die Höhe.

»Verdammt, setzen Sie sich wieder hin, Mann!«, fauchte Morgan in einem Tonfall, der eigentlich nicht notwendig gewesen wäre.

Es war nur verständlich, dass Parker auf diese Art und Weise reagierte. Jeder andere hätte es auch getan. Aber vielleicht mochte er Parker nicht, oder die Golden-Gate-Serie gefiel ihm nicht.

Parker setzte sich, griff nach seinem Whiskyglas und nahm einen kräftigen Schluck.

»Wer hat denn Ihrer Meinung nach die Hände im Spiel?«, fragte ich, nachdem Parker sich wieder beruhigt hatte.

Seine Augen wurden schmal. »Die gottverdammten Hunde von Broadway«, sagte er überzeugt.

Broadway, das war die Konkurrenzserie, die nach dem gleichen Muster aufgebaut war wie Golden Gate. Seit Jahren wetteiferten diese beiden Produktionen um die Zuschauergunst. Und damit um die Millionen, die verschiedene Sponsoren in solche aufwendigen Produktionen steckten.

»Die verdammten Stümper drehen genau wie wir in Los Angeles, weil es hier die besten Studios und die niedrigsten Produktionskosten gibt«, sagte er, nachdem er meinen fragenden Blick aufgefangen hatte. »Nur wichtige Millieuaufnahmen werden von denen in New York und von uns in San Francisco gemacht und später in den Streifen hineingeschnitten. Es ist üblich, dass sich eine Gesellschaft den billigsten Produktionsort aussucht. Der Zuschauer merkt es nicht. Er glaubt, dass sich die Handlung in San Francisco abspielt, wenn die Golden Gate zweimal in den Streifen geschnitten ist, oder in New York, wenn die Brooklyn Bridge oder das Empire State Building zu sehen ist.«

Nach der langen Rede trank er einen weiteren Schluck. Das Glas war leer. Er schenkte sich wieder ein. Er war bekannt wegen seiner Flüche und seines gewaltigen Alkoholkonsums. Aber noch niemand hatte ihn bei der Arbeit betrunken gesehen – ja, nicht mal bei einer Party.

»Die Leute von Broadway also«, sagte Captain Hank Morgan bedächtig.

»Natürlich. Die wollen uns vom Bildschirm schießen und den großen Geldsegen allein einstreichen. Das ist bekannt.«

Bekannt war mir eigentlich nur, dass es eine scharfe Konkurrenz zwischen den beiden gleichermaßen spannenden und unterhaltenden Serien gab und dass es in den Einschaltquoten immer zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen gekommen war. Mal lag die eine Serie, mal die andere in der Gunst des Zuschauers vorne.

Ich schaute Hank Morgan zweifelnd an.

Er schüttelte den Kopf. »So kommen wir nicht einen Schritt weiter, Mister Parker. Wo ist die Liste der Personen, die mit der Requisite zu tun hatten?«

»Die Liste ist fertig. Die Beteiligten warten vor dem Wagen. Ich habe kurz mit ihnen gesprochen. Niemand hat etwas Verdächtiges gesehen, und von meinen Leuten hat niemand etwas mit der Sache zu tun.«

Was sollte Burt Parker auch anders sagen?

»Arbeiten Sie immer mit demselben Stab?«, fragte ich.

»Seit zwei Jahren.«

»Nie neue Gesichter?«

»Mal ein neues Scriptgirl, mal neue Kabelschlepper oder neue Beleuchter. Keine wichtigen Umbesetzungen. Im Grunde ist es seit zwei Jahren dasselbe Team.«

»Dann brauche ich eine Liste aller Personen, die in den letzten zwei Jahren mal für Sie gearbeitet haben und irgendwann ausgeschieden sind.«

Parker lächelte mitleidig und genehmigte sich den nächsten Schluck. »Das fragen Sie am besten die Buchhaltung, die die Löhne ausbezahlt. Ich habe anderes zu tun, als mich um jedes neue Gesicht zu kümmern, okay?«

Captain Hank Morgan nickte. »Okay.«

»Kann ich gehen?«, fragte Parker.

»Wohin?«

»Mann Gottes, ins Krankenhaus natürlich! Verdammt, mit Maggie Ferries steht oder fällt die Serie! Jemand muss sie wieder seelisch aufrichten. The show must go on! Wir sind keine Beamten, die sich ins Bett legen und erholen können.«

Morgan sah aus, als wollte er an die Decke des niedrigen Wohnwagens gehen. Aber im letzten Moment beherrschte er sich.

»Das Drehbuch«, sagte ich, als Parker aufstand und seinen Wohnwagen verlassen wollte. »Wer kennt das Drehbuch?«

Er blieb stehen. Seine Augen wurden schmal, als er sich zu mir umdrehte. Dann schüttelte er den Kopf.

»Nur wenige Leute kennen das Drehbuch«, sagte er. »Der Autor, der Produktionschef, ich ... vielleicht noch zwei, drei andere.«

»Und die Schauspieler?«

»Die erhalten am Vorabend den Text der Szene, die ich am nächsten Tag drehen werde«, sagte er. »Das ist eine Vorsichtsmaßnahme. Ich traue keinem der Kerle, die für unsere Konkurrenz Broadway arbeiten. Sie würden alles tun, was uns schadet. Mit einem fertigen Drehbuch in den falschen Händen kann allerhand passieren. Begreifen Sie?«

Ich begriff es durchaus nicht. Aber da Morgan nicht einhakte, schien wenigstens ihm Parkers Bemerkung einzuleuchten.

Der Regisseur duckte sich durch die Tür des Wohnwagens ins Freie. Dann blieb er mit einem Ruck stehen und drehte sich zu Morgan und mir um.

»Der verdammte Einbruch«, sagte er leise und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Warum, verdammt, habe ich nicht früher daran gedacht?«

»Was für ein Einbruch?«, fragte ich.

»Vor drei Tagen stieg jemand ins Verwaltungsgebäude der Produktion ein, schlug den Nachtwächter nieder und durchsuchte die Räume. Verschwunden war nichts. Es gab ja auch höchstens die Portokasse zu stehlen. Selbst die hat man liegen gelassen.«

Ich verstand genau, worauf der Regisseur hinauswollte. »Sie meinen, bei diesem Einbruch kann sich jemand Einblick ins Drehbuch verschafft haben?«

»Sie sind ein verdammt schlaues Kerlchen und finden sich schnell in diesem Dschungel zurecht. Ich glaube, ich muss meine verdammt schlechte Meinung über das FBI revidieren, Agent Cotton. Natürlich hatte der Einbrecher es auf das verdammte Drehbuch abgesehen. Ich denke, er hat es fotokopiert und in den Stahlschrank zurückgelegt.«

Ich schwieg dazu. Es erschien mir etwas sehr weit hergeholt. Im Nachhinein konnte man die tollsten Geschichten um den Einbruch spinnen. Erst recht nach dem Mord vor zwei Stunden.

»Wer hat den Einbruch bearbeitet?«, wollte ich wissen.

»17. Revier West«, antwortete Parker. »An Namen kann ich mich nicht erinnern. Sie schickten eine verhungert aussehende lange Gestalt, für die ich Verwendung in einem Horrorstreifen gehabt hätte.«

»Mit der Beschreibung werden wir ihn sicherlich schnell finden«, sagte Hank Morgan sauer und schaute Parker wütend nach, als der diesmal wirklich verschwand.

»Kann da was dran sein?«, fragte ich den Captain.

»Möglich«, antwortete Morgan gedehnt, »aber ich glaube nicht daran.«

»Und die Geschichte von der bösen Konkurrenz?«

Morgan strich sich nachdenklich über seine kurz geschorenen Haare. Sie waren so kurz, dass die Kopfhaut rosig durchschimmerte. »Soll ich Ihnen sagen, was ich denke, G-man?«

»Bitte.«

»Sam Sommer war bekannt für seine Weibergeschichten. Wenn unter einem Weiberrock hübsche Beine hervorschauten, rannte er hinterher, und er kriegte sie meistens auch ins Bett. Das ist nun mal so, wenn man berühmt ist. Sommer störte es nicht, ob die Frau einen Ring trug und verheiratet war. Er vernaschte sie und schob sie wieder ab. Ich denke, er ist an die Frau eines rachsüchtigen Mannes geraten, der über genügend Fantasie verfügt und sich einen stilvollen Abgang für Sommer ausgedacht hat.«

Ich schaute Morgan skeptisch an.

Er grinste schief. »Wenn ich damit dem Attorney komme, schickt er mich in die Klapsmühle. Aber das ist meine Meinung.«

»Dann müsste dieser Mann zumindest im Filmgeschäft zu Hause gewesen sein.«

»Sicher«, antwortete Morgan überzeugt. »Dachten Sie vielleicht, dass Sommer vor den Frauen von Kollegen Halt machte, wenn sie gut aussahen und ihn haben wollten?«

Das war Morgans Version. Sie entbehrte nicht einer gewissen realistischen Grundlage. Viel weit hergeholter erschien mir Parkers Geschichte von der bösen Konkurrenz aus New York, die ebenfalls wegen der günstigen Kosten ihre Serie Broadway in Los Angeles produzierte. Das Einzige, was mich in diesem Moment nachdenklich stimmte und misstrauisch machte, war der Einbruch ins Produktionsbüro, in dem sich das Drehbuch befunden hatte.

Einen Tag später war ich populär in der Stadt. Das Bild auf allen Titelseiten zeigte den G-man Jerry Cotton, der am Cadillac stand und abwehrend die Hände nach vorne streckte, um die Leute des Aufnahmeteams zurückzuhalten.

Mord unter den Augen des FBI!

Das war nur eine der reißerischen Schlagzeilen. Die Presse walzte das Geschehen zur klassischen Tragödie aus. Parker hatte ein Interview gegeben und mit seinen Anschuldigungen gegen die Broadway-Macher nicht hinter dem Berg gehalten. Futter für sensationsgeile Journalisten. Was Parker sagte, konnte gedruckt werden. Es waren Zitate, für die allein Parker geradestehen musste.

Das alles konnte mich nicht treffen. Es war eine eigene Welt. Und wenn das Leben der Menschen, die darin lebten, aus Verleumdungen und leichtfertigen Anschuldigungen bestand, war es nicht meine Sache.

Doch Parker ging noch einen Schritt weiter.

Er behauptete, das FBI hätte den Drohanruf, den der Produktionschef ans FBI weitergegeben hatte, nicht ernst genug genommen. Er behauptete, bei etwas gutem Willen hätte der Mord an Sam Sommer verhindert werden können. Gleichzeitig nannte er es lächerlich, einen Mann aus New York zu den Aufnahmen zu schicken, der sich in der Branche nicht auskannte.

Diese Bemerkungen konnte man so und so auslegen. Indirekt schob er mir die Schuld an Sommers Tod zu, deutlich genug, dass auch der Mann von der Straße es aus den Zeilen herauslesen konnte.

»Ich habe mit Mister High in New York gesprochen, Jerry«, sagte Logan Unkler, der Distriktchef des FBI Los Angeles. »Wir haben vereinbart, dass Sie in Los Angeles bleiben und den Fall übernehmen.«

»Das ist keine FBI-Sache, Sir.«

Logan Unkler, ein mittelgroßer Mann, der sich betont leger kleidete und trotz seiner fünfzig Jahre noch einen dynamisch jugendlichen Eindruck auf seine Umwelt machte, zuckte mit den Schultern. Er deutete auf die Zeitungen, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet lagen.

»Man zieht uns in die Sache rein«, sagte er, »also steigen wir auch ein. Nicht ganz offiziell und nicht mit allen Möglichkeiten, aber wir bleiben am Ball. Schließlich erhebt Parker Anschuldigungen gegen ein in New York ansässiges Unternehmen, die Produktionsgesellschaft von Broadway.«

»Okay, Sir«, sagte ich, nicht gerade himmelhoch jauchzend. Doch warum sollte ich nicht noch einige Tage in Los Angeles bleiben? Am Morgen hatte ich mit Phil telefoniert. Es regnete an der Ostküste, und es war kalt. Schnee lag in der Luft.

»Sprechen Sie mit Sergeant Mulligan vom 17. Revier West, der den Einbruch ins Produktionsbüro von Golden Gate bearbeitet hat. Anschließend setzen Sie sich mit Captain Hank Morgan zusammen. Vielleicht haben seine Vernehmungen etwas Neues zutage gebracht. Im Übrigen betrachten Sie das hier als einen verlängerten Urlaub, Jerry. Ich denke, es wird eine normale, kaum weltbewegende Aufklärung des Verbrechens geben.«

Gegen einen verlängerten Urlaub war nichts einzuwenden, und ich schloss mich Logan Unklers Meinung an, was die Aufklärung des Mordes an Sam Sommer anging.

»Lemmy Everdell macht Schwierigkeiten! Erledige das auf die übliche elegante und endgültige Art und Weise!« Das war alles.

Bruce Gortham legte den Telefonhörer auf und wälzte sich träge zur Seite. Sein Blick fiel auf die Digitaluhr, die auf dem Nachttisch stand. 2:08 Uhr nachmittags. Durch die schweren Brokatvorhänge der Suite im Fairbank Hotel fiel kaum ein Lichtschimmer. Die Ruhe war himmlisch, und nach einer langen Partynacht hatte Gortham zwölf Stunden Schlaf nötig gehabt.