Jerry Cotton Sonder-Edition 35 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 35 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Kaum hatte ich in dem kleinen Hotel in Acapulco für ein paar Urlaubstage eingecheckt, lief mir schon Jessy Dane über den Weg. Blond, eine klasse Figur - also der Traum eines jeden Mannes. Wir verlebten ein paar wundervolle Tage, bis aus dem Traum ein Alptraum wurde, der in der Wüste Arizonas endete ...

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Blondes Gift in Acapulco

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Good Cop, Bad Cop«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3609-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Blondes Gift in Acapulco

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Als ich aus der Maschine stieg, wusste ich, dass sich die Erwartungen an meinen Urlaub erfüllen würden. Aus einem wolkenlosen Himmel schien die Sonne auf das Flugfeld von Acapulco in Mexiko.

Am Flughafen nahm ich mir ein Taxi, das mich 20 Meilen nördlich in den kleinen Ort Cordobaz brachte, wo ich im Hotel El Major ein Zimmer reserviert hatte.

Als ich dort ankam, war die Halle des El Major, da alle Gäste sich am Strand aufhielten, nahezu menschenleer. Der Empfangschef begrüßte mich mit tiefer Verbeugung. »Zu Ihren Diensten, Sir!«

»Cotton ist mein Name. Ich habe ein Zimmer reserviert.« Sein Lächeln erlosch. Er zog den Kopf zwischen die Schultern. Es sah aus, als mache es ihm schlagartig überhaupt keinen Spaß mehr, mich als seinen Gast zu sehen.

»Oh, Mister Cotton …«, stotterte er. »Zu meinem Bedauern muss ich … Das Hotel kann nicht …« Er klatschte in die Hände und rief: »Erlauben Sie, dass Ihnen einen Begrüßungscocktail serviere, ein Gläschen Tequila sehr erfrischend, sehr gesund!«

Die Hotelbar befand sich auf der anderen Seite der Halle. Nur ein Mann saß auf dem Hocker. Der Keeper brachte auf den Wink des Empfangschefs ein Glas mit einer gelblichen Flüssigkeit. Er offerierte mir das Tablett, »Tequila special, Sir!«, sagte er.

Nun, ich bin kein Spielverderber. Ich nahm das Glas. »Welche Nachricht wollen Sie mir mit diesem Drink versüßen?«

»Zu Ihrer Gesundheit, Sir!«, flüsterte der Keeper. Er war ein schmächtiger Bursche, noch sehr jung. Die Augen standen schräg und waren tief schwarz.

Ich setzte das Glas an die Lippen.

Der Mann, der an der Bar saß, drehte sich um. »He! Soll ich mich etwa selbst bedienen?« Der Boy huschte hinter die Theke zurück. Der Mann an der Bar und ich wechselten einen Blick. Ohne Zweifel war er Amerikaner, ein großer, breitschultriger blonder Bursche. Er sprach lauter als notwendig. Offenbar saß er nicht erst seit fünf Minuten an der Bar.

»Schießen Sie los!«, forderte ich den Empfangschef auf.

»Ich konnte Ihnen kein Zimmer mehr im Hotel reservieren«, flüsterte er. »Ich bin untröstlich, Mister Cotton.«

»Soll das heißen, dass Sie mich auf der Straße stehen lassen wollen?«

»Selbstverständlich nicht, Mister Cotton! Wir haben für unsere bevorzugten Gäste die Villa La Hermosa gemietet, ein prachtvolles Haus, das in einem großartigen Park ganz in der Nähe des Strands liegt. Sie müssen nur die Unbequemlichkeit in Kauf nehmen, zu den Mahlzeiten ins Hotel El Major zu kommen.«

Eine Frau betrat die Halle. Sie war große, schlank und trug ein blaues Jackenkleid. Das blonde Haar trug sie offen. Es fiel ihr bis auf die Schultern. Nur über den Schläfen hatte sie es mit zwei einfachen Spangen zurückgesteckt. Aus der Tiefe der Halle schoss ein Boy auf sie zu und nahm ihr den Koffer ab.

Mir fiel ein, dass ich sie beim Einsteigen in New York gesehen hatte, aber sie hatte ihren Platz weiter hinten in der Maschine gehabt, und ich hatte sie aus den Augen verloren. Jetzt stand sie neben mir. Sie roch nicht nach Parfüm, sondern undefinierbar nach Seewasser und Leder.

»Ich bin Jessy Dane! Ich habe telegrafisch ein Zimmer bestellt.«

Der Empfangschef verbeugte sich so tief, dass die Nase die Tischplatte berührte. »Wir haben für Sie ein wunderschönes Zimmer in der Villa La Hermosa reserviert, Miss Dane!«

Sie zuckte mit den Schultern. »Danke! Können Sie mich hinführen lassen?«

»Selbstverständlich!« Die dunklen Augen des Empfangschefs richteten sich auf mich: »Mister Cotton, darf ich auch Ihr Gepäck in die Villa bringen lassen?«

Die Frau musterte mich, lächelte dann und sagte: »Hallo, Zimmernachbar.«

Ich lächelte zurück, wandte mich an den Empfangschef und sagte: »Miss Dane hat für mich entschieden.« Ich verbeugte mich leicht vor ihr und nannte meinen Namen.

»Jerry«, wiederholte sie, ohne den Nachnamen zur Kenntnis zu nehmen. »Jerry und Jessy! Passt gut zusammen. Finden Sie nicht auch?«

Der Empfangschef rief ein Taxi. Der Boy schleppte unsere Koffer zum Wagen. »Gehen wir?«, fragte ich.

Sie warf die blonde Haarmähne zurück. »Das sieht aus, als laufe alles auf gemeinsame Ferien hinaus. Ich hoffe, Sie sind Millionär.«

»Nicht einmal in Cents. Stört Sie das?«

Sie seufzte. »Etwas.«

***

Eine mannshohe Mauer entzog die Villa La Hermosa den Blicken der Passanten, aber wenn man durch das immer offen stehende Tor fuhr, sah man die weiße Fassade inmitten des Parks voller Palmen und anderer exotischer Gewächse. Jessy und ich stiegen aus. Der Taxifahrer stellte uns die Koffer vor die Füße, wendete den Wagen und verschwand.

In der Villa regte sich nichts. Alle Fensterläden waren geschlossen. Kein Hausdiener erschien. Niemand kümmerte sich um uns. »Die Siesta scheint hier besonders früh zu beginnen«, stellte ich fest. »Wir werden uns unsere Zimmer selbst suchen müssen.« Ich nahm die Koffer.

In der Halle war es als Folge der geschlossenen Fensterläden halbdunkel und kühl. Eine breite Treppe führte zur oberen Etage.

»Hallo!«, rief ich.

Irgendwo schlug eine Tür. Ein Mann in einer weißen Jacke tauchte vor uns auf, als wäre er aus dem Boden gewachsen.

»Miss Dane? Mister Cotton? Das Hotel kündigte sie telefonisch an. Oh, zum Teufel, wo steckt Juan, dieser Halunke?« Er stieß einen gellenden Pfiff aus. »Verzeihen Sie, aber ich kann mir mehr Personal nicht leisten! Mein Name ist Andres Sandez.«

Er war ein mittelgroßer, magerer Mann mit dünnem schwarzem Haar und dem üblichen strichdünnen Schnurrbart auf der Oberlippe.

»Sind Sie der Manager?«

Seine Zähne blitzten auf. »O nein, Mister Cotton. Ich bin der Besitzer dieses Anwesens. Ah, da ist Juan!«

Sandez’ Diener ergriff wortlos unsere Koffer. Sein Chef rief ihm einige Sätze auf spanisch nach, die sich anhörten, als schnurre ein Dynamo ab. »Bitte, folgen Sie Juan! Er kann leider kein Englisch. Wenden Sie sich, wenn Sie Wünsche haben, an mich!«

Er ergriff Jessys Hand, blickte ihr lange in die Augen, küsste ihre Hand und flüsterte feurig: »Verfügen Sie über mich, Señora!«

Sie entzog ihm die Hand. »Gemacht, Mister Sandez. Ich komme auf Ihr Angebot zurück, sobald ich völlig pleite bin.«

Sie kicherte noch, als wir nebeneinander die Treppe hinauf dem Diener folgten. Sie schnupperte an ihrem Handrücken und stellte fest: »Er parfümiert seinen Schnurrbart.«

Die Treppe endete auf einem breiten Korridor, der mit blauen Teppichen ausgelegt war. Der Diener stieß eine Tür auf, sah mich an und knurrte: »Aquí.«

Ich blickte in den Raum. Er war groß wie eine Omnibushalle. In der Mitte stand ein Bett, das für eine halbe Kompanie Soldaten ausgereicht hätte. Die übrige Einrichtung schien aus Hollywoods Requisitenkammer zu stammen.

Neben mir seufzte Jessy Dane abgrundtief: »So habe ich mir Mexiko immer vorgestellt.« Sie setzte Juan den Zeigefinger auf die Brust. »Ist mein Zimmer auch so schön? Mi cuarto muy hermoso?«

Juan ließ meinen Koffer fallen, winkte Jessy mit dem Kopf und knarrte: »Come on!«

»Fragen Sie lieber nach dem Preis!«, rief ich Jessy nach.

»Von mir nimmt Mister Sandez nichts!«, rief sie zurück.

»Mag sein, dass er auf Geld verzichtet.« Ich hob den Koffer auf und schloss die Tür. Mir passte die Entwicklung meiner ersten Urlaubsstunden nicht. Ich hatte mit einem sauberen, einfachen Hotelzimmer gerechnet und fand mich in dem Luxusraum einer Luxusvilla wieder.

Ich ging zu den Fenstern, um die Läden zu öffnen. Selbstverständlich gab es in dieser Villa keine gewöhnlichen Fenster, sondern Fenstertüren, die bis zur Erde reichten. Ich öffnete die mittlere Tür, stieß die Läden zurück und trat auf den Balkon hinaus.

Der Anblick ließ meine schlechte Laune verfliegen. Von der Villa aus fiel das Gelände sanft bis zu Bucht ab. Die Bucht war halbkreisförmig, links und rechts hob sich ein Keil gelbweißen Sandes vom tiefen Blau des Pazifiks ab, einem Blau, das zum Horizont immer milchiger und sanfter wurde, bis es sich mit der Farbe des Himmels vermischte.

Ein gellender Pfiff ließ mich aufblicken. Am anderen Ende des durchlaufenden Balkons stand Jessy. Sie legte die Hände an den Mund. »Das verschlägt einem die Sprache, wie?«, rief sie.

»Ihnen offenbar nicht!«

»Ich bin den Anblick großartiger Landschaft gewohnt. Jeden Tag sehe ich von meinem Zimmer in New York die Verladeeinrichtungen von High Bridge!«

»Wollen wir das Wasser ausprobieren?«

Sie hob beide Hände und spreizte alle Finger. »In zehn Minuten!«

Sie war tatsächlich zur angegebenen Zeit bereit, machte eine ausgezeichnete Figur im Badeanzug und erwies sich als sehr sportliche Schwimmerin. Als wir nach dem Baden faul im Sand lagen, tauchten zwei vierschrötige Burschen in der Nähe auf. Es waren offensichtlich Yankees. Sie äugten häufig zu Jessy herüber, benahmen sich aber im Übrigen manierlich. Eine Stunde später schlenderten wir zur Villa zurück.

Vor dem Haus standen Liegestühle unter Sonnenschirmen. Zwei waren von den beiden Burschen besetzt, die uns am Strand beobachtet hatten. Wie ich später erfuhr, hießen sie Dower und Ought. Zwischen ihnen stand ein Tischchen mit einer Flasche Bourbon, einem Eisbehälter und Gläsern. Vor dem Mittagessen sollte ein Sodasifon neben einer Whiskyflasche nicht fehlen. Hier fehlte er.

In einem der Liegestühle, die in 20 Schritt Entfernung standen, saß eine kräftige Frau mit kurz geschnittenem eisgrauem Haar. Ein Tablett überspannte den Platz zwischen den Lehnen des Stuhles. Die Lady war damit beschäftigt, eine ziemlich komplizierte Patience zu legen. Sie hob nur mit kurzem Ruck den Kopf, als wir vorbeikamen. Sie trug eine dunkle Brille, und ich konnte Ihre Augen nicht sehen.

»Guten Morgen, Mrs Ascott«, grüßte Sandez sie in diesem Moment. »Wie geht’s Ihrem Sohn?«

»Zum Teufel«, knurrte sie wütend, »er liegt immer noch halbtot im Bett. Irgendwer muss ihm in der vergangenen Nacht verdorbenes Zeug in seine Drinks gemixt haben.« Sie wandte sich ihren Karten zu.

Im Haus erklärte uns Sandez: »Mrs Ascott ist vernarrt in ihren Sohn. Immer gibt sie anderen die Schuld, wenn er irgendetwas angestellt hat. Niemand hat ihm verdorbenes Zeug in die Drinks gemischt. Er hat sich ganz einfach betrunken.«

Jessy und ich gingen auf unsere Zimmer, um uns zum Essen umzuziehen. Als Jessy herunterkam, trug sie ein ärmelloses hellblaues Kleid. Ihr Haar war noch feucht. Sie kümmerte sich nicht darum.

Im Speisesaal des El Major war sie eine Sensation, obwohl unter den rund 150 Gästen noch mindestens drei Dutzend Girls erster Klasse saßen.

»Was machen wir nach dem Essen?«, fragte Jessy mich als wir beim Nachtisch waren.

»Siesta! Das ist hier so üblich.«

»Nach der Siesta?«

»Schwimmen!«

»Nein, Wellenreiten. Sie versprachen, ein Brett zu besorgen.«

»Okay, also Wellenreiten!«

»Danach?«

»Endlich Urlaub! Glauben Sie, ich wäre hergekommen, um ständig auf Hochtouren zu laufen?«

Sie verschoss einen Glutblick aus geschlitzten Augen. »Ich liebe hochtourige Männer.«

»Suchen Sie sich einen! Die Auswahl ist groß.«

»Wir werden nach Acapulco fahren«, entschied sie. »Sie werden ein Auto mieten, Jerry. Ich hasse es, in Taxis zu fahren! Wenn wir hier genug haben, starten wir zu ’nem Trip entlang der Küste.«

»Sie machen atemberaubende Vorschläge.«

»Wenn Sie nicht spuren, werde ich mir den Dicken dort angeln«, drohte sie und zeigte mit der Gabel auf einen kurzen Glatzkopf, der rechts von einer dürren, bebrillten Ehefrau und links von einer dürren, bebrillten Tochter bewacht wurde.

***

Selbstverständlich geschah alles so, wie sie es wünschte. Ich mietete ein Auto, einen uralten Ford. Als sie den Schlitten sah, stampfte sie zornig mit den Füßen auf. »Sie geiziger Hund! Ich verlange schon nicht, dass Sie sich ’nen Sportwagen aus New York mitbringen, aber Sie könnten wenigstens einen anständigen Wagen mieten. Soll ich in diese Bruchmühle einsteigen?«

Ich hielt den Schlag offen. »Wollen Sie einsteigen, oder soll ich Gas geben?«

Sie entschloss sich, Platz zu nehmen. Sobald sie saß, wechselte sie ihre Meinung. »Vornehme Leute zeigen ihr Geld nicht und fahren bescheidene Autos.« Sie hängte sich bei mir ein und hinderte mich daran, den Ford anständig zu steuern.

Am späten Nachmittag probierte sie das Wellenreiten. Obwohl sie sportlich in Form war, fegten die Brecher sie vom Brett.

Dann kamen der Abend und die Nacht. Zu dieser Stunde tanzten wir in einem Nightclub, dessen Tanzfläche auf den Klippen errichtet worden war.

Später fuhren wir von Acapulco nach Cordobaz zurück. Der Auspuff knatterte, aber Jessy kämpfte mit einem Song dagegen an. Als sie die Lichtreklame des El Major sah, verlangte sie noch einen Drink.

Ich stoppte den Wagen.

Der Portier riss den Schlag auf. »Noch Dancing im Patio!«, meldete er.

Tatsächlich tanzten die Hotelgäste im Hotelgarten unter den Palmen. Sie saßen an kleinen Tischen oder gruppierten sich um die Bar, hinter der drei Mixer wirkten. Einer von ihnen war der Boy, der mir am Morgen den Begrüßungs-Tequila gebracht hatte. Jessy und ich fanden zwei Barhocker. Der Boy drängte heran, obwohl ich den Eindruck hatte, dass der Sektor, in dem wir saßen, einem seiner Kollegen gehörte.

»Sir, Sie wünschen? Madam wünscht?« Seine Art, die Gäste anzustarren, war verdammt befremdlich.

»Nehmen Sie Bourbon, Landsmann!«, schlug der Mann auf dem Barhocker neben Jessy vor. Es war der blonde Amerikaner. »Zum Henker, ich gebe schon wieder Ratschläge, aber der Bourbon ist wirklich gut.«

Ich war einfach zu gut gelaunt, um in irgendeiner Weise mit dem Mann zu streiten. »Also gut, Bourbon auf Eis! Du auch, Jessy?«

Ich bekam keine Antwort mehr. Ein Dutzend Knaben jeden Alters hatten sich vor Jessy aufgebaut.

Sie fischte sich einen heraus und ließ sich von ihm zur Tanzfläche führen.

Der Blonde sah ihr nach. »Das Girl ist ’ne Wolke, Landsmann! Sie werden Schwierigkeiten haben, sie während des ganzen Urlaubs für sich zu halten. In Acapulco laufen die Wall Street-Bosse zu Dutzenden herum und schießen solche Girls mit ihren Dollars ab.«

»Ich bin nicht Jessys Gouvernante. Außerdem glaube ich nicht, dass sie sich nur von einer prall gefüllten Brieftasche beeindrucken lässt.«

Der Blonde legte den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend. »Übrigens, ich heiße Harald Crasswood.«

Ich nannte meinen Namen. Wir tranken uns zu. »Nun, wie finden Sie den Bourbon?«

»Wirklich ausgezeichnet. Haben Sie ihn entdeckt, indem Sie den Flaschenbestand des Hotels durchprobierten?«

»So ungefähr! Ich wüsste nicht, wie man seine Zeit besser zubringen könnte. Und Hacotectl versorgt mich erstklassig!« Er zeigte auf den Boy.

Der junge Barkeeper lächelte nicht. Er sah den Blonden an. Mir schien, als würden seine Lippen schmaler.

»Er versteht doch Englisch!«

Er sah mich an. »Ich verstehe sehr gut Englisch, Sir.«

»Wie heißt du? Haco …?«

»Hacotectl!«, schrie Crasswood.

»Hacotectl!«, wiederholte der Boy mit einer anderen Betonung. »Es ist ein Inkaname.«

»Du müsstest ihn mir aufschreiben, wenn ich ihn jemals lernen sollte.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht schreiben, Sir. Nur Zahlen für fremde Gäste, deren Sprache ich nicht kenne.«

»Noch eine Bourbonrunde, Hacotectl!«, rief Harald Crasswood.

Jessy kam von der Tanzfläche zurück. Ihr Tänzer lief ihr nach, beide Hände auf dem Herzen, und beschwor sie, ihm den nächsten Tanz zu gewähren.

Sie griff nach ihrem Bourbonglas und warf die Haare in den Nacken. »Jerry, sag dem Jungen, er soll abhauen!«

Ich machte ein paar Handbewegungen, als verscheuche ich Mücken. Crasswood lachte.

»Lass uns gehen, Jerry!« Sie stellte das Glas zurück.

»Lassen Sie mich bezahlen!«, verlangte Crasswood. »Ich schlug den Bourbon vor.«

Ich schüttelte den Kopf. »Aber wir haben ihn getrunken. Wie viel, Hacotectl?«

»Zwölf Pesos, Señor!« Er schrieb ungelenk die Zahl auf einen Zettel, den er mir zuschob. Mechanisch nahm ich das Blatt und steckte es in die Tasche. In dem Gesicht des Boys ging eine merkwürdige Veränderung vor. Statt mir weiter in die Pupillen zu starren, lächelte er plötzlich. Ich gab ihm einen 20-Peso-Schein, winkte ab, als er herausgeben wollte, und nahm Jessys Arm.

»Sieht man Sie mal am Strand?«, fragte ich Crasswood.

»Selten«, lachte er.

Jessy schlief schon halb, als ich sie in den Ford hievte. Auf der kurzen Fahrt zur Villa schlief sie völlig ein, und ich hatte Mühe, sie wieder so weit munter zu machen, dass sie an meinem Arm in die Villa wankte.

In der Halle strahle ein mächtiger Kronleuchter, aber nur die grauhaarige Mrs Ascott saß in dem großen Raum, den Kopf über die Patience gebeugt. Sie hob ihn mit einem kurzen Ruck, wie es ihre Art war. Ihre Augen besaßen die gleiche graue Farbe wie ihr Haar. »Haben Sie meinen Sohn nicht gesehen?«, fragte sie.

»Tut mir leid, Madam«, bedauerte ich. Ich schleifte Jessy die Treppe hoch. Es muss verdammt merkwürdig ausgesehen haben. Als ich mich oben umsah, stellte ich fest, dass Mrs Ascott sich schon wieder mit ihren Karten beschäftigte.

Jessy löste sich von meinem Arm. »Gute Nacht, Jerry!«

Ich ging in mein Zimmer und schaltete die Nachttischlampe ein. Ich pfiff irgendeine blödsinnige Melodie vor mich hin und dachte dabei an Jessy.

Der Zettel, auf den der indianische Barboy die 12 gemalt hatte, fiel mir in die Finger. Als ich ihn zusammenknüllen wollte, entdeckte ich, dass irgendwer auf seiner Rückseite gezeichnet hatte. Hacotectl hatte sich irgendwann damit vergnügt, Männchen zu malen. Nur so viel war zu erkennen, dass irgendwelche Leute auf einen einzelnen Mann eindrangen. Neben dem Mann stand eine Frau. Sollte die Frau entführt werden?

2

Am dritten Tag meines Aufenthalts klopfte Jessy wie jeden Morgen an meine Tür.

»Bist du fertig?«, fragte sie.

Ich war noch mit dem Frühstück beschäftigt. »Juan hat mir gerade erst den Kaffee gebracht.«

Sie maulte ein wenig. »Aber ich will ins Wasser. Ich gehe schon einmal vor.«

»Okay! Ich komme nach!«

Ich frühstückte gründlich, trank den letzten Schluck Kaffee und ging im Bademantel hinunter. Ich stieß in der Halle auf Mr Sandez. Ich winkte ihm zu und schlenderte den Weg zum Strand hinunter. Ich konnte den Strand noch nicht sehen, als der gellende Schrei einer Frau mein Ohr traf.

»Hilfe!« Dann noch einmal: »Hilfe! Nein!«

Es war Jessys Stimme.

Ich ließ fallen, was ich in den Händen hielt, und schleuderte im Laufen die Sandalen weg, die mich hinderten. In großen Sätzen raste ich den Pfad entlang. Ich sah Jessy, als ich die letzten Sträucher der Parkanlage hinter mich gebracht hatte.

Genau genommen sah ich nicht viel von ihr, denn sechs Männer hatten sie umringt; Männer in Leinenhosen und weißen Hemden; schmale Männer mit dunklen Gesichtern und braunen Händen.

Einer der Kerle sah mich. »El Gringo!«, schrie er.

Die anderen wandten sich um. Zwei liefen mir entgegen, geduckt, geschmeidig und mit starren, unbewegten Gesichtern, in denen nur die Zähne blitzten. Die Fäuste waren zum Schlag erhoben.

Ich ließ mich nicht aufhalten. Im Vorbeirennen schlug ich in ein braunes, pockennarbiges Gesicht.

Die drei Kerle, die noch bei Jessy standen, spritzten nach links und rechts auseinander.

Ich brüllte das Mädchen an: »Ins Wasser!«

Sie stand wie versteinert. Ich gab ihr einen Stoß. Sie begriff und lief. Einer der Burschen versuchte, ihr den Weg abzuschneiden. Ich spurtete auf ihn zu. Ich stieß auf ihn wie ein Habicht.

Der Mann, den ich zuerst niedergeschlagen hatte, war aufgestanden. Er stieß ein paar spanische Worte zwischen den Zähnen hervor. Die vier Kerle, die noch auf den Füßen standen, rückten gegen mich an. Ihr Anführer folgte ihnen, nur zwei Schritte zurück.

Seine Leute versuchten, in meinen Rücken zu gelangen. Ich drehte mich. Ich sah Jessy. Sie stand in den Ausläufern der Brandung und schrie um Hilfe. Dann starteten die Männer ihren ersten Angriff.

Sie waren erheblich leichter als ich, aber sehnig und schnell. Ihre Schnelligkeit machte sie besonders gefährlich. Es gelang mir, einen mit einem linken Haken abzufangen. Eine rechte Gerade verfehlte bei dem zweiten Ganoven ihr Ziel. Er sah seine Chance und sprang an. Ich zog das Knie an. Der Fußtritt stoppte ihn.

In derselben Sekunde saß mir Nummer drei im Nacken. Nummer vier fing meinen linken Arm ab und versuchte, ihn nach hinten zu verdrehen.

Ich griff mit der rechten Hand über die Schulter, schlug die Hand in den Nacken von Nummer drei, bückte mich mit einem Ruck nach vorn und schleuderte den Mann über meine Schulter. Als ich auftauchte, sah ich das pockennarbige Gesicht des Anführers dicht vor mir. Seine rechte Hand zuckte herunter. Es blitzte in seiner Handfläche.

Ich nahm den Kopf weg und schlug mit der rechten Faust zu, aber das Messer streifte meine Wange, bevor meine Faust im Ziel einschlug. Ich spürte ein scharfes Brennen. Der Pockennarbige wurde von dem Faustschlag herumgeschleudert, aber er blieb auf den Füßen. Der Mann, der noch mit meinem linken Arm beschäftigt war, ließ los und türmte.

Sie türmten alle. Ich dachte kurz darüber nach, sie zu verfolgen, doch da waren die Mexikaner schon zwischen den Klippen verschwunden.

Ich drehte mich um und sah Jessy an Land waten. Vom Park her liefen einige Männer in Richtung Strand. Eingeklemmt zwischen dem Felsen und einem großen vorspringenden Felsbrocken sah ich einen metallischen Gegenstand. Ich hob ihn auf und betrachtete ihn voller Überraschung, und meine Überraschung wuchs noch, als ich feststellte, dass das Ding eingeschaltet war.

Als ich den Strand erreichte, standen Andres Sandez, Juan, Dower und Ought am Fuß der Klippe. Jessy stürzte sich auf mich.

»Du bist verletzt, Jerry! Du brauchst einen Arzt!«

Die Männer drängten heran. Sandez zappelte wie ein Fisch an der Angel. »Was ist geschehen, Mister Cotton?«

Rug Dower grölte: »Wo sind die Kerle, damit wir sie uns kaufen können!«

Ich befühlte meine Wange. Das Messer hatte mich nur gekratzt. »Das ist nicht von Bedeutung. Bitte, holen Sie Miss Danes Bademantel! Ich glaube, ihr ist der Spaß vergangen.«

Stone Ought holte den Bademantel. Sandez deutete auf den Apparat, den ich in den Händen hielt. »Was ist das, Mister Cotton?«

»Ein Walkie-Talkie, ein tragbares Funksprechgerät. Als ich es fand, war es eingeschaltet. Irgendwer scheint den Verehrern von Miss Dane Anweisungen erteilt zu haben.«

Sandez massierte seinen Schnurrbartstrich. »Das ist unerklärlich, Mister Cotton, ganz unerklärlich. Ich kenne unsere Tramps, unsere Descaminados! Woher sollen sie ein Walkie-Talkie haben? Sie würden es nicht bedienen können. Außerdem würden sie es sofort verkaufen.«

Ich wusste ungefähr, wo das Messer hingefallen war. Ich fand es nach wenigen Minuten. Es besaß einen sehr kurzen Griff, aber eine handlange Klinge. Ich hob es an der Spitze auf.