Jerry Cotton Sonder-Edition 36 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 36 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein streng geheimer Einsatz brachte Phil und mich nach Washington. Es ging um die Entführung von Professor Allister, einem begnadeten Chirurgen, der am nächsten Tag den Vize-Präsidenten operieren sollte. Auf dem Spiel stand also nicht nur das Leben des Entführten, sondern auch das des Zweiten Mann im Staat. Während das Weiße Haus die geforderten 2 Millionen Dollar bereitstellte, nahmen Phil und ich die Jagd nach den Gangstern auf ...

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Lösegeld: 2 Millionen Dollar

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Catch me if you can«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3665-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lösegeld: 2 Millionen Dollar

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Nachdem der Wecker mich aus dem Schlaf gerissen hatte, ging ich unter die Dusche. Wenig später saß ich beim Frühstück, als das Telefon läutete.

Es war mein Chef, Mr High. »Jerry«, sagte er, »lassen Sie alles stehen und liegen und kommen Sie so schnell wie möglich her!«

»Was ist denn los?«

»Kommen Sie sofort!«, sagte er. Dann hatte er schon aufgelegt.

Ich warf einen Blick auf meinen Frühstückstisch, ließ aber alles stehen, fuhr in mein Jackett und stürmte hinaus und eine halbe Stunde später ins Büro von Mr High.

Sein Gesicht war düster. Als ich eintrat, warf er eben den Hörer auf die Gabel. »Jerry«, sagte er, »alles, was ich Ihnen jetzt sage, ist top secret.«

Ich nickte.

»Sie wissen, dass der Vizepräsident morgen operiert werden soll?«

»Allerdings. Es stand in allen Zeitungen.«

»Die Operation sollte von Professor Clive Allister ausgeführt werden, der den Vize schon das letzte Mal operiert hat. Ebenfalls an den Nieren. Aber Allister ist diese Nacht verschwunden, vermutlich entführt worden.«

»Dann muss also ein anderer Chirurg die Operation machen«, meinte ich.

»Das ist unmöglich«, sagte Mr High ernst. »Erstens weiß bereits die ganze Welt, dass Allister es machen wird. Wenn so kurz vor der Operation der Chirurg gewechselt würde, gäbe das Anlass zu den wildesten Gerüchten.«

»Wenn Allister plötzlich krank würde, müsste es ja auch gehen.«

»Sie wissen noch nicht alles, Jerry. Sie erinnern sich, dass der Vizepräsident bereits vor zwei Jahren eine schwere Nierenoperation hatte. Allister weiß als Einziger haargenau, was es mit der Niere des Vizepräsidenten auf sich hat. Und der Vize besteht darauf, dass Allister ihn operiert.«

Allmählich fing ich an zu begreifen, was hier in der Luft lag. »Wie konnte Allister verschwinden?«

»Letzte Nacht bekam er einen Anruf aus dem Weißen Haus. Der Vizepräsident habe angeblich eine Kolik. Es hieß, man werde ihm einen Wagen schicken.«

»Der Anruf war falsch?«

»Natürlich. Der Vizepräsident hatte keinerlei Beschwerden. Allister erzählte seiner Frau von dem Anruf, ging vors Haus und stieg in den Wagen. Seitdem ist er spurlos verschwunden.«

»Wie kam die Sache heraus?«

»Gegen vier Uhr morgens erfolgte ein Anruf aus Allisters Klink. Mrs Allister verwies ans Weiße Haus. Dort hatte man keine Ahnung. Allmählich wurde allen klar, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Allister war nirgends aufzutreiben. Er ist bis jetzt spurlos verschwunden. Ich weihe Sie deshalb ein, Jerry, weil Sie die Suche nach Allister übernehmen sollen.«

Das nahm mir fast den Atem.

»Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie schwierig die Aufgabe ist«, fuhr Mr High fort. »Auch wenn Ihnen natürlich der ganze Apparat des FBI zur Verfügung steht, soweit Sie ihn brauchen.«

»Ist es sicher, dass Allister wirklich entführt wurde? Er könnte ja aus irgendeinem Grund absichtlich verschwunden sein.«

»Alles spricht dagegen, Jerry. Allister ist eine hervorragende Kapazität und hat ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein.«

»Aber wer kann ein Interesse daran haben, den Mann zu entführen?«

Mr High sah mich ernst an. »Man hält es in Washington für möglich, dass eine feindliche Macht ihre Hände im Spiel hat.«

Das war große Politik, um die ich mich bisher nicht allzu sehr gekümmert hatte. »Ich habe eine ganz andere Idee«, sagte ich entschieden. »Wie viel Lösegeld wäre dem Weißen Haus die Rückkehr von Allister wohl wert? Ich glaube nicht, dass man dabei kleinlich sein wird. Die Gangster, die dieses Geschäft machen, haben für den Rest ihres Lebens ausgesorgt.«

»Bisher«, wandte Mr High ein, »ist nirgends eine Forderung nach Lösegeld für Allister gestellt worden. Weder bei Mrs Allister noch im Weißen Haus. Ich würde sofort davon verständigt werden.«

»Wenn es so ist, wie ich mir vorstelle«, sagte ich nachdenklich, »dann sind die Entführer natürlich überzeugt, dass die Entführung Allisters erst heute Vormittag bekannt wird. Mit dem Anruf aus der Klinik konnten sie nicht rechnen. Sie werden also frühestens gegen Mittag ihre Forderung stellen.«

»Man hält es im Weißen Haus für möglich«, erklärte Mr High, »dass auch dann, wenn es sich um eine feindliche Macht handelt, der Eindruck erweckt wird, als ob es in Wahrheit um Lösegeld ginge. Damit ließe sich ja alles ziemlich lange hinauszögern.«

»Man rechnet also in Washington damit, dass ein Lösegeld gefordert wird?«

»Unsere Zentrale in Washington«, berichtete Mr High, »hat bereits alle Vorkehrungen getroffen, dass bei einem Anruf im Weißen Haus schnellstens der Apparat ermittelt wird, von dem die Forderung nach Lösegeld kommt.«

»Das ist aussichtslos. Diesen Trick kennen die Entführer. Sie werden es klüger anfangen, als im Weißen Haus anzurufen.«

»Ich fürchte auch«, stimmte mir Mr High zu. Er blickte auf die Uhr. »Tja, Jerry. Sie werden bestimmt als Erstes nach Washington wollen, um dort nach Spuren zu suchen. Eine unserer Dienstmaschinen steht für Sie startbereit auf dem La Guardia Airport. Sie ist ständig zu Ihrer Verfügung.«

»Moment«, sagte ich, während Mr High sich bereits erhoben hatte, »ich brauche noch Ihr Einverständnis, Phil in alles einzuweihen.«

»Schon genehmigt«, sagte der Chef rasch. »Ich hatte mit Ihrer Bitte gerechnet. Phil erwartet Sie bei der Maschine.«

***

Der schwere, schwarze Wagen, in dem sich der bewusstlose Professor Allister befand, stoppte in einer einsamen Gegend in Sichtweite eines zweiten Wagen.

Die Insassen des Entführungsfahrzeugs tauschten ein paar Blinkzeichen mit einem zweiten Wagen. Langsam kam er heran.

»Hello, Joe«, rief der Fahrer des Wagens, der gewartet hatte. »Hat alles geklappt?«

»Wie am Schnürchen, George«, antwortete der Mann, der Allister niedergeschlagen hatte. Er zeigte ins Innere, wo der Arzt besinnungslos auf dem Boden der Limousine lag.

George nickte zufrieden und gab dem Girl, das neben ihm saß, einen Wink. »Sieh dir den Medizinmann an, Judy!«

Die junge Frau stieg aus. Sie trug die Tracht einer Krankenschwester und schien tatsächlich in dieser Branche bewandert zu sein. Denn sie beugte sich über den bewusstlosen Allister, fühlte seinen Puls und zog ihm die Lider in die Höhe, während sie mit einer Taschenlampe in sein Gesicht leuchtete.

»Höchste Zeit«, sagte Judy, »noch ein paar Minuten, und er kommt wieder zu sich.«

»Willst du ihm die Spritze geben?«, fragte George.

Sie blickte auf die Uhr. »Etwas zu früh, dann lässt die Wirkung im falschen Augenblick nach.«

George nickte. Aus der Tasche zog er ein Bündel Stricke und machte sich daran, Allister zu fesseln.

Dann wandte er sich an den anderen Mann, der sich gelangweilt die Füße vertrat. »Joe«, sagte er, »du schraubst jetzt die falschen Nummernschilder ab und vergräbst sie irgendwo! Dann fahrt ihr auf einer anderen Strecke nach Washington zurück und wartet dort ab, was ihr für neue Weisungen bekommt!«

»Und was ist mit dem Zaster?«, fragte Joe erwartungsvoll.

»Abwarten!«, erklärte George kühl.

»Aber«, sagte Joe aufsässig, »ich habe meinen Teil getan. Die Ware ist geliefert, nun will ich Geld sehen.«

Achselzuckend griff George in die Tasche und schob dem anderen eine 50-Dollarnote zu. »Das ist die Anzahlung. Der Rest folgt, wenn alles vorbei ist.«

Obwohl Joe noch immer murrte, kümmerte George sich nicht mehr um ihn. Er nahm den Fahrer der schwarzen Limousine mit sich und schleppte den gefesselten Allister in seinen Rambler, in dem die Frau Platz genommen hatte.

Alles dauerte nur wenige Minuten.

»Macht schnell, ehe euch jemand sieht!«, rief er halblaut Joe zu, der eifrig mit dem Schraubenzieher hantierte. »Wir fahren jetzt ab.«

Ehe Joe etwas sagen konnte, hatte sich George ans Steuer seines Wagens gesetzt. Er startete. Der Rambler schoss von dem Seitenweg, auf dem er gestanden hatte, auf die Straße zu, die nach Richmond führte.

»Wir sind genau im Zeitplan«, stellte George zufrieden fest. »Du musst mir sagen, Judy, wann er die Spritze bekommen soll.«

An der nächsten Tankstelle stoppte der Rambler. Aber er blieb etwas abseits stehen, während die Frau zum Telefon lief.

Sie sprach nur ein paar Worte, als sie die Verbindung mit New York bekommen hatte. Es war der Anruf, der drei Männern im Waldorf Astoria-Bescheid gab, dass die Aktion erfolgreich lief.

Als Judy wieder im Wagen saß und George angefahren war, begann Allister sich zu regen. Aus seinem Mund kam ein verhaltenes Stöhnen.

»Was ist mit dir, Medizinmann?«, fragte George spöttisch nach hinten.

Der Chirurg raffte alle Energie zusammen, um die Nachwirkung des Schlages zu verdauen. Er fühlte, dass er gefesselt war. »Was ist los?«, fragte er mühsam. »Was ist geschehen? Wer hat mich gefesselt?«

»Erzähl ihm was, Judy!«, sagte der Mann am Steuer.

»Sie müssen vernünftig sein, Professor Allister«, sagte die Frau freundlich. »Wenn Sie keine Dummheiten machen, wird Ihnen nichts geschehen. Wir machen zusammen eine kleine Reise.«

»Aber das geht doch nicht«, sagte Allister mühsam. »Wissen Sie denn nicht, dass ich den Vizepräsidenten operieren muss? Sie dürfen mich nicht …«

»Das wissen wir alles«, sagte Judy wohlwollend. »Das ist ja auch der Grund, weshalb wir Sie erst einmal in Sicherheit bringen wollen.«

Allister begann zu verstehen. »Sie haben mich gekidnappt«, rief er entsetzt. »Begreifen Sie denn nicht, was auf dem Spiel steht? Das Leben des Vizepräsidenten liegt in meiner Hand. Die Operation …!«

»Schon gut«, schaltete sich George ein. »Sie brauchen sich keine Sorge zu machen. Wenn Ihre Freunde im Weißen Haus zahlen, werden Sie rechtzeitig wieder zurück sein. Wie viel, meinen Sie, ist denen das Leben des Patienten wohl wert?«

»Das ist ungeheuerlich!«, stieß Allister wütend hervor. »Das ist die gemeinste Erpressung, die ich mir vorstellen kann. Bringen Sie mich augenblicklich zurück!«

»Seien Sie doch vernünftig, Professor Allister!«, riet Judy. »Sie können an Ihrem Schicksal nichts ändern.«

»Hören Sie, Miss!«, sagte der Chirurg beherrscht. »Noch ist Zeit. Bringen Sie mich zurück, oder lassen Sie mich wenigstens frei! Ich verspreche Ihnen, dass ich nichts gegen Sie unternehmen werde.«

»Kein Wort mehr!«, stieß George Blackwell hervor, während er das Steuer fester packte. »Sie können uns erzählen, was Sie wollen. Sie sind in unserer Hand, und Sie werden nicht eher freigelassen, bis das Geld für Sie gezahlt ist. Der Vizepräsident muss sich seine Operation eben etwas kosten lassen.« Er stieß ein hämisches Lachen aus.

»Das werden Sie bereuen«, sagte Allister böse. »Ich wette, in wenigen Stunden haben Sie die gesamte Polizei der Staaten auf Ihrer Spur. Und Sie wissen, dass auf Menschenraub der elektrische Stuhl steht. Wie viel Geld Sie auch herausschlagen wollen – Sie werden nichts davon haben.«

»Steck ihm einen Knebel in den Rachen!«, stieß Blackwell ärgerlich hervor. »Er denkt, er kann uns einschüchtern, der Esel! Ich möchte nicht, dass er auf die Idee kommt, bei der Fahrt durch Richmond loszuschreien!«

Gehorsam beugte sich Judy nach hinten und schob dem Chirurgen, obwohl er die Zähne zusammenbiss und sich wehren wollte, mit einem gekonnten Griff, der seine Kiefer aufklappen ließ, einen Stoffbausch in den Mund.

Nach einer Weile, in der sie schweigend an Richmond und Petersburg vorbeigefahren waren, blickte Judy auf ihre Uhr. »Ich glaube«, sagte sie, »jetzt wäre der richtige Zeitpunkt.«

George Blackwell musterte das Gelände neben der Straße und bog ein paar Augenblicke später in einen verlassenen Seitenweg ein. Inzwischen zog Judy aus einem kleinen Etui eine Spritze heraus, befestigte eine Kanüle und sägte, als der Wagen hielt, den Hals einer Ampulle ab.

Verbissen beobachtete Allister im Lichte der Wagenlampe diese Vorbereitungen. Er war wehrlos und fragte sich verzweifelt, was sie mit ihm vorhatten. Wenn er nur hätte sehen können, was auf der Ampulle stand!

Jetzt öffnete Judy die hintere Tür des Wagens und beugte sich über ihn. Sie zog den Inhalt der Ampulle in die Spritze. »Es passiert Ihnen nichts«, sagte sie mit der beruhigenden Stimme der Krankenpflegerin. »Sie bekommen nur eine kleine Beruhigungsspritze, damit Sie uns keine Dummheiten machen.«

Dann gab sie ihm die Spritze.

»Okay«, sagte sie zu Blackwell, »jetzt ist alles klar.«

»Bist du sicher?«, fragte George. »Kann nichts schief gehen?«

»Darin habe ich Erfahrung«, erklärte Judy stolz. »Du kannst dich auf mich verlassen.« Sie huschte wieder auf den Vordersitz, und Blackwell brachte den Wagen in Gang.

Während der Fahrt beugte sich Judy zweimal nach hinten. Beim zweiten Mal zog sie den Knebel aus Allisters Mund. Eine halbe Stunde später fuhren sie nach Norfolk hinein und nahmen Kurs auf den Hafen.

»Das Schiff muss eben eingelaufen sein«, stellte George Blackwell fest.

Er parkte den Wagen auf einem abseits gelegenen Platz, wo er nicht auffallen konnte. Dann nahmen George Blackwell und Judy den Chirurgen in die Mitte. Teilnahmslos blickte Allister um sich. Er nahm gar nicht wahr, was mit ihm geschah. Mit schleppenden Schritten wankte er am Arm der beiden an Bord.

Blackwell zeigte die Tickets vor. Der Steward wies ihnen die Kabinen an. Judy bettete den Chirurgen auf eine Liege.

Blackwell verließ das Schiff noch einmal, um zwei Koffer aus dem Wagen zu holen.

Eine halbe Stunde später legte das Schiff ab.

2

Wer an diesem dramatischen Morgen das Weiße Haus in Washington betrat, merkte nichts davon, dass die wichtigsten Persönlichkeiten der amerikanischen Politik unter einer geheimen Spannung lebten.

Alles verlief so, als ob es ein Tag wie jeder andere wäre. Gewiss – die am nächsten Tag vorgesehene Operation des Vizepräsidenten warf ihre Schatten voraus. Es war unvermeidlich, dass kaum ein Besucher kam, der nicht auf dieses Ereignis angespielt hätte.

Aber die wenigen leitenden Politiker, die über die Ereignisse der Nacht mit Allisters Entführung Bescheid wussten, gingen nur mit einem Scherzwort auf die bevorstehende Operation ein. Sie versuchten, den Eindruck zu erwecken, als ob es sich um etwas ähnlich Belangloses wie das Plombieren eines Zahnes handele.

Der Vizepräsident selbst, der erst am Abend die Klinik aufsuchen sollte, wickelte die vorgesehenen Besprechungen und Empfänge scheinbar ungerührt ab. Niemand konnte aus seinem Benehmen auch nur den leisesten Schluss ziehen, dass nicht alles in bester Ordnung wäre.

Keiner seiner Besucher ahnte, dass er zwischen jeder Besprechung seiner Sekretärin Miss Woodcroft eine stumme Frage zuwarf, die sie mit einem kaum merklichen Kopfschütteln beantwortete.

Es besagte, dass von Clive Allister noch immer keine Spur zu finden war.

In der Klinik, in der Clive Allister sonst Tag für Tag tätig war, wurde die Nachricht verbreitet, dass der Chirurg sich in seinem Haus ausruhe, um für die kommende Operation völlig frisch zu sein.

Reporter, die die Nummer von Allisters Haus wählten, erfuhren nur, dass der Arzt nicht gestört sein wolle und für niemand zu sprechen sei.

Kein Mensch konnte auf die Idee kommen, was wirklich geschehen war. Vor die Ereignisse hatte sich ein undurchdringlicher Vorhang des Schweigens gesenkt.

***

»Wo brennt’s bei euch mal wieder?«, fragte mich der Pilot der zweimotorigen Maschine, als ich zum Startplatz gerast kam. Auch Phil blickte mir gespannt entgegen.

Ich machte eine beiläufige Handbewegung. »Das Übliche«, murmelte ich. »Bankeinbruch in Washington geplant.«

Der Pilot schüttelte missmutig den Kopf. »Deshalb macht die Zentrale einen Zirkus, als ob sonst was auf dem Spiel stünde.«

Er begab sich in die Kanzel, um die Motoren anlaufen zu lassen. Mit Phil zusammen nahm ich an Bord der Maschine Platz.

Phil hatte längst begriffen, dass meine Antwort nur eine Ausflucht gewesen war. Worum es sich wirklich handelte, ahnte er natürlich nicht. Während wir langsam anrollten, berichtete ich ihm.

»Die Sache wäre halb so schwierig«, stellte er dann fest, »wenn wir mit offenen Karten spielen könnten. Aber wie sollen wir nach Allister fahnden, wenn wir nirgends seine Personalbeschreibung durchgeben, ja nicht einmal andeuten dürfen, dass er entführt worden ist?«

»Die berühmte Stecknadel im Heuhaufen«, stimmte ich zu. »Wir kennen ja nicht einmal die Marke des Wagens, mit dem der Professor abgeholt worden ist.«

»Wo willst du ansetzen, Jerry?«, fragte Phil.

»Vielleicht haben wir Glück, dass bald eine Forderung nach Lösegeld gestellt wird. Dann wissen wir wenigstens, wie der Hase läuft. Und vielleicht lässt sich daraus eine erste Spur ermitteln.«

Phil legte den Kopf schief. »Wenn es überhaupt um Lösegeld geht«, meinte er nachdenklich. »Nimm an, es steckt wirklich eine fremde Macht dahinter, die es auf den Vizepräsidenten abgesehen hat. Dann haben sie möglicherweise Allister einfach beseitigt, ohne dass sie das Geringste von sich hören lassen. Irgendwann in ein paar Wochen wird der Professor dann vielleicht aufgefunden – lebend oder tot.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Möglich ist das auch. Wenn wir bis heute Abend keine Lösegeldforderung haben, müssen wir damit rechnen. Aber bis dahin tippe ich auf Kidnapping und auf ein paar Gangster, die sich damit ein für allemal gesundstoßen wollen.«

»Vielleicht hast du recht«, gab Phil zu. »Dann möchte ich nur wissen, wie sie es anfangen wollen, das geldvom Weißen Haus loszueisen.«

Inzwischen waren wir längst in der Luft mit Kurs auf Washington.

»Was hast du als Erstes vor?«, erkundigte sich Phil.

»Das hängt davon ab, ob sich etwas ereignet hat. Aber du musst zuerst zu Allisters Haus. Vielleicht gibt es dort irgendeinen Hinweis, der bisher übersehen wurde. Wohin können sie mit ihm gefahren sein?«

»Richtig«, fiel es Phil ein, »Mr High riet mir, eine Karte von Washington und Umgebung zu besorgen. Hier ist sie.« Er zog eine Straßenkarte heraus, die er entfaltete.

»Bei Alexandria wohnt Allister«, sagte ich und zeigte auf die Karte. Beide beugten wir uns darüber. Der Ort liegt ziemlich genau im Süden der Bundeshauptstadt.

»Es wäre bestimmt für sie zu riskant gewesen, mit dem entführten Mann im Wagen nach Washington zu fahren«, sagte Phil bestimmt. »Entweder sind sie in Richtung Küste oder nach West Virginia davon.«

Wir knobelten herum, welchen Weg wir in diesem Fall wohl gewählt hätten. Vielleicht hatten die Entführer ebenso gedacht.

»Wenn du mit Allisters Haus fertig bist, Phil«, schlug ich vor, »mach dich auf die Suche nach dem Wagen! Vielleicht findest du eine Spur.«

Wir legten fest, wie wir in Kontakt bleiben und uns verständigen wollten. Dann wurde es schon bald Zeit zum Festschnallen, denn die Maschine schwebte über den National Airport ein.

***

Agent Stephan Lawrence saß neben dem Fahrer, als der FBI-Dienstwagen an der Anfahrt des Flughafengebäudes vorpreschte. »Warten Sie dort auf mich!«, sagte er zu dem Fahrer, »ich will mal sehen, ob Jerrys Maschine schon im Anflug ist.«

Er schob sich gerade in den Eingang hinein, als sich ein Mann in der blauen Uniform irgendeines Flugplatzclerks an ihn wandte.

»Wir haben Sie schon erwartet«, sagte der Mann höflich, »Sie wollen doch den G-man aus New York abholen?«

Lawrence war etwas überrascht. »Woher wissen Sie …?«, fragte er misstrauisch.

»Es hat schon seine Richtigkeit«, erklärte der Mann zuvorkommend. »Die Dienstmaschine vom FBI. Wir haben einen Funkspruch von ihr erhalten. Ich fürchte, sie musste notlanden.«

Das elektrisierte Lawrence. »Ist das Ihr Ernst?«

»Deshalb habe ich Sie ja erwartet, Agent. Wenn Sie mir bitte folgen wollen!«

Nun zögerte Lawrence nicht, den Mann zu begleiten. Durch seinen Kopf schossen die wildesten Gedanken, was seinen New Yorker Kollegen zugestoßen sein konnte.

Vor einer Tür drehte sich der Uniformierte um. »Wir nehmen eine Abkürzung«, sagte er, »damit es schneller geht.« Er stieß die Tür auf.

»Gehen Sie voran!«, meinte Lawrence. »Sie kennen den Weg.«

Diensteifrig schob sich der Mann durch die Tür. Lawrence schloss sich ihm an. Selbst wenn er misstrauisch gewesen wäre, hätte es ihn beruhigt, dass der andere schnurstracks, ohne sich umzublicken, einen Gang entlangeilte. Es war der Trakt des Gebäudes, in dem die Piloten ihre Ruheräume haben, in dem Bäder und Toiletten sind.

»Wir müssen rechts herum!«, rief der Uniformierte, der drei Yards voranlief, laut zurück und verschwand schon um die Ecke. Außer ihm und Lawrence war niemand zu sehen. Lawrence machte einen schnellen Schritt, um gleichfalls rechts einzubiegen.

Aber da sprang von links ein Mann dazwischen, stellte Lawrence so überraschend ein Bein, dass er ins Stolpern geriet, und schon landete ein mit Wucht gehandhabter Totschläger genau auf seinem Schädel. Lawrence kippte um, ohne noch einen Mucks von sich zu geben.

Der Uniformierte blieb stehen. »Okay«, zischte er, »jetzt hier hinein, bevor jemand kommt!«

Die beiden Männer packten die bewusstlose Gestalt und schleppten sie durch die nächste Tür. Es war ein Toilettenraum mit zwei Kabinen.

Hastig beförderten sie Lawrence in eine und schlossen die Tür hinter sich. Der Uniformierte riss ein paar Stricke aus der Tasche und band den bewusstlosen G-man an Hand- und Fußgelenken. Zum Schluss presste er ihm einen Knebel in den Mund. Alles ging blitzschnell.