Jerry Cotton Sonder-Edition 40 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 40 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein junger Mann kam zu Phil und mir ins Büro und berichtete, dass er einen Mord beobachtet hätte. Danach tauchte der Ölmillionär Arthur Forrester bei uns auf und wollte, dass wir seine Tochter Jenny suchten. Nun, die junge Frau war volljährig und noch nicht einmal 24 Stunden vermisst. Was uns stutzig machte, war, dass der Mord und das Verschwinden sich am selben Ort ereignet hatte. Als wir dort eintrafen, fanden wir weder eine Leiche noch eine Spur von Jenny ...

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Seitenzahl: 188

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Kampf um Öl und Aktien

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Police Academy III – …und keiner kann sie bremsen«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4126-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Kampf um Öl und Aktien

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

An diesem Tag begann unser Dienst eigentlich um acht Uhr. Aber Phil und ich kamen eine Stunde früher, weil wir uns vorgenommen hatten, mit einem Gewaltangriff die riesigen Berge von Papierkram wegzuschaffen, die sich auf unseren Tischen türmten.

Der Tag war strahlend und warm, und Phil kapitulierte bereits, als wir in das Büro kamen.

»Schreibarbeit!«, grunzte er. »Möchte wissen, wer die erfunden hat. Einmal möchte ich ihm nur begegnen!« Missmutig zündete er sich eine Zigarette an.

Ich ließ mich lustlos auf meinen Drehstuhl fallen und überlegte, womit ich zuerst anfangen sollte.

Etwas später waren wir so in die Arbeit vertieft, dass wir das Klopfen nicht hörten. Erst als sich die Tür zaghaft öffnete, drehten wir uns um und sahen das bleiche Gesicht eines jungen Mannes, der sich verlegen mit der Zunge über die Lippen fuhr und nicht wagte, ganz hereinzukommen. Noch bevor wir etwas sagen konnten, läutete das Telefon auf meinem Platz. Ich nahm den Hörer ab.

Es war Jefferson vom Haupteingang. »He, Jerry, ist er schon da?«, fragte er.

»Wer denn?«

»Na, dieser Knabe. Nennt sich Tony Sparrow und wollte unbedingt mit einem Agent sprechen. Angeblich unheimlich wichtig. Ich dachte mir, vielleicht langweilt ihr euch da oben!«

»Vielen Dank, das war sehr freundlich von dir!«, sagte ich sarkastisch und legte den Hörer auf.

Der Boy hatte sich inzwischen doch ganz in den Raum geschoben und drückte die Tür hinter sich zu. Seine schwarzen Locken waren mit Brillantine glattgeklebt, und er trug ein rotkariertes, kurzärmliges Hemd und knapp sitzende Jeans. Er sah sich neugierig um und schniefte nervös durch die Nase.

»Nun, Besichtigung beendet?«, fragte Phil mit ironischer Freundlichkeit.

Der Boy schluckte heftig und kam noch ein paar Schritte näher. »Ich möchte einen Agent sprechen. Ich muss ein Verbrechen melden!«

»Hier sitzen zwei von der Sorte. Sie können sich einen aussuchen, Sir!«, sagte ich.

Der Boy lachte verlegen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, die sich sofort wie die Borsten eines Igels aufstellten.

»Setz dich!«, forderte ich ihn auf. Er holte sich einen Stuhl und hockte sich auf die vorderste Kante. Seine Hände fuhren über seine abgewetzten Hosenbeine und rieben heftig dran herum.

Dann fasste er in die Gesäßtasche seiner Jeans und holte eine kleine Cellophanhülle heraus, die er mir über den Tisch reichte. Ich zog einen grünen College-Ausweis heraus, dessen Foto mit dem jungen Mann übereinstimmte.

Tony Sparrow, 17 Jahre alt, Schüler des Mainer’s College, wohnhaft Queens, 72b, 13th Street.

Dann begann er zu reden: »Gestern Nacht habe ich drei Männer beobachtet. Sie haben einen vierten Mann erschossen. Es war auf dem Grundstück an der Pot Cove. Gehört einem Ölmillionär.«

»Soso. Und was hast du nachts dort gemacht?«

»Geschwommen. Ich schwimme öfter da. Auch nachts.«

»Was genau ist geschehen?«

»Sie kamen zu dritt. Einer hatte ein Gewehr, die anderen beiden Revolver. Sie brüllten etwas, dann kam ein Girl heraus. Sie hatte lange offene Haare. Und ein Mann kam heraus. Aus dem Bootshaus.« Er brach ab und sah mich verwirrt an.

Dann wiederholte er den Satz noch einmal zusammenhängend und fuhr fort: »Einer der Männer schoss, und der Mann im weißen Pullover sank tot um!«

Ich blätterte die Meldungen der letzten Nacht durch, die auf meinem Tisch lagen. Ein Mord aus Queens war nicht dabei. Ich sagte das dem Boy.

Er schüttelte den Kopf und erklärte: »Die Leiche ist ja weg! Ich habe selbst gestern Nacht noch über die Hecke geschaut. Aber da lag er schon nicht mehr da.«

»Das klingt ja fast wie eine Szene aus einem Fernsehfilm!«, sagte Phil.

Tony Sparrow fuhr auf. »Aber es stimmt doch! Sie können ja …« Er brach ab, und sein Gesicht färbte sich dunkelrot. Allmählich begann ich zu kapieren. Sein Bericht hatte reichlich wirr geklungen, aber ich hatte das deutliche Gefühl, dass der Junge nicht log.

»Wie heißt sie denn?«, fragte ich ruhig.

Er sah erschrocken auf.

»Wer?«

»Nun, das Girl. Das Girl, mit dem du gestern Nacht schwimmen warst.«

Er begann, seine Hände fieberhaft ineinander zu schlingen, aber er schwieg.

»Hör zu«, sagte ich leise. »Kann sein, die ganze Geschichte, die ihr da gestern gesehen habt, ist nur ein Irrtum, irgendeine Sache, die sich aufklären lässt. Es kann aber auch sein, dass ihr ein Verbrechen beobachtet habt. Wenn ja, dann musst du uns den Namen des Mädchens sagen. Denn vielleicht ist sie in Gefahr.«

Ich schwieg und sah ihn an. Er schaute auf, nickte langsam, nannte Namen und Adresse des Girls und berichtete alles, was sie in der Nacht gesehen und gehört hatten. Die Story war so unwahrscheinlich, dass ich verstehen konnte, warum der Boy nicht sofort zu uns gekommen war, sondern sich die ganze Nacht über gefragt hatte, ob er geträumt hatte.

Endlich war er fertig und lehnte sich erschöpft zurück.

Phil hatte sich Notizen gemacht und sagte jetzt: »War dieser Chrysler, der euch überholte und später in der Hoyt Avenue stand, später noch da?«

»Nein, er war verschwunden. Ich habe nachgesehen. Alles war weg.«

»Du sagtest, auf dem Pullover sei ein dunkles Vereinsabzeichen. Hast du es erkannt?«

»Der Queens Aquatics Club hat weiße Pullover mit einem dunkelbraunen Streifen über der Brust und einem dunklen Kreis vorn in der Mitte mit einem roten Anker drin. Aber ich kann nicht sagen, ob es dieses Zeichen gewesen ist. Möglich wäre es.«

»Dieser Wassersport-Club ist eine ziemlich exklusive Angelegenheit, nicht wahr?«

»Und ob! Nichts für Leute wie mich. Nur Upper Class!«

»Wie sahen die Männer aus?«

»Ich weiß nicht. Sie können mir glauben, ich habe mir die ganze Zeit über den Kopf nach irgendwelchen Merkmalen zerbrochen, aber es war zu dunkel. Sie waren nicht klein. Keiner war irgendwie auffällig, besonders fett oder bucklig oder so. Einfach Männer eben. Sie trugen Hüte und Mäntel. Das fiel mir auf, denn es war eigentlich zu warm dafür. Aber sonst kann ich nichts sagen!«

»Und das Girl, das aus dem Bootshaus kam?«

»Na, prima gebaut, Slacks und Pulli und lange Haare. Aber das Gesicht konnte ich natürlich auch nicht erkennen.«

»Wie war ihre Haarfarbe?«

»Nicht sehr hell. Braun vielleicht.«

»Well, Tony«, sagte ich. »Gut, dass du gekommen bist. Wir werden der Sache nachgehen, und wenn wir tatsächlich mit Jeans Vater sprechen müssen, dann werden wir nicht vergessen, ihm zu berichten, wie geistesgegenwärtig du dich verhalten hast. Ich vermute, das wird ihn etwas beruhigen!«

Tony Sparrow grinste und verabschiedete sich.

Phil las mir seine Notizen vor. »Das alles klingt dürftig!«

»Und nicht nach einem Fall für uns!«, ergänzte ich. »Allerdings, wenn man bedenkt, dass die Pot Cove eine nette und malerisch gelegene kleine Bucht ist, sollte man es sich vielleicht doch überlegen, ob an dem Fall etwas für uns dran sein könnte.«

»Vor allem in Anbetracht des herrlichen Wetters!«, nickte ich und schob die Aktenstapel wieder in die hinterste Ecke.

»Ich kann ja auf jeden Fall einen Bericht für Mr High tippen!«, meinte Phil und begann sein Stenogramm zu übertragen.

In diesem Moment surrte mein Telefon. Ich sah auf die Uhr, als ich den Hörer abhob. Es war kurz vor acht. Wieder meldete sich die Stimme von Jefferson. »Hallo, Jerry, immer noch Langeweile?«

»Es geht!«, grunzte ich. »Wer ist es denn jetzt schon wieder?«

»Ein alter Mann. Er muss gleich oben sein!«

***

Der Mann, der hereinkam, war ungefähr 70 Jahre alt. Sein Haar war schlohweiß und sein Gesicht von der Anstrengung des Treppensteigens gerötet.

Er blieb an der Tür stehen und musterte uns mit dem scharfen Blick eines Generals. Er schien mit seiner Musterung zufrieden zu sein und kam mit schweren Schritten ins Büro.

»Bitte, nehmen Sie doch Platz!«, sagte Phil und deutete auf den Stuhl. Der Mann ließ sich schweratmend nieder und zog sorgfältig die Hosenbeine über den Knien hoch, obwohl nicht einmal mehr die Andeutung einer Bügelfalte zu sehen war.

Als sein Atem wieder ruhiger ging, begann er mit rauer Stimme zu sprechen: »Ich habe mich genau erkundigt. Sie nennen sich Special Agents, und als Vertreter des FBI sind Sie für Kidnapping zuständig. Deshalb finden Sie meine Tochter! Finden Sie Jenny! Bringen Sie sie zurück!«

Er hatte die Stimme nicht erhoben und auch die Betonung seiner Worte nicht verändert. Trotzdem war es, als hätte er verzweifelt geschrien.

»Ist Ihre Tochter entführt worden?«

»Ja, das ist sie. Auch wenn die anderen hundertmal etwas anderes behaupten. Sie ist nicht weggelaufen! Das weiß ich ganz sicher!«

»Bitte, erzählen Sie alles von Anfang an!«, forderte ich ihn auf. Er nickte und fuhr sich mit der Hand langsam durch die Haare. Es war eine breite, runzlige Hand, die Arbeit kannte.

»Jenny ist einundzwanzig. Sie kann tun und lassen, was sie will, und bisher habe ich ihr nie in ihre Unternehmungen hineingeredet. Aber jetzt! Diese Sache ist etwas anderes. Sie ist gestern Abend mit dem Motorboot hinausgefahren und nicht zurückgekehrt.«

»Haben Sie die Wasserpolizei verständigt?«, erkundigte ich mich.

»Das ist unnötig, denn Jenny ist kein Unfall passiert. Nein, sie muss zurückgekehrt sein, und dann ist etwas geschehen, aber ich weiß nicht, was.«

»Es ist doch noch etwas früh. Wenn ein volljähriges Mädchen einmal über Nacht ausbleibt …«, begann Phil.

Aber der Alte unterbrach ihn. »Nein, nein, Sie verstehen falsch. Jenny hätte das nicht auf diese Weise gemacht. Sehen Sie, Jenny war mit einem jungen Mann befreundet. Das heißt, es waren eine ganze Reihe, aber Eddy Burell war ihr besonderer Freund. Sie steckten dauernd zusammen, und wenn ich auch zugebe, dass ich nicht gerade erbaut darüber war, so habe ich doch nie wirklich etwas dagegen getan. Gestern ist Ed mit ihr zusammen gewesen. Jetzt sind sie beide verschwunden. Natürlich werden Sie sagen, das ist doch alles sonneklar. Ja, es sieht so aus und alle Leute sagen das gleiche. Aber ich glaube nicht dran. Vor allem nicht, weil Jenny ihre Kleider zu Hause gelassen hat, und auch Ed hat nichts mitgenommen.«

»Warum waren Sie gegen die Verbindung Ihrer Tochter mit diesem Ed Burell?«

»Mein Gott, Eddy ist ein feiner Bursche, aber er verdient nicht mal hundert Dollar die Woche. Er steckt in der Ausbildung, und es kann Jahrzehnte dauern, bis er genug verdient, um eine Familie zu ernähren!«

»Ihre Tochter hat keine Nachricht hinterlassen?«

»Einen maschinengeschriebenen Wisch. Was besagt das schon?«

»Kann ich ihn sehen?«

Er nahm eine schäbige Brieftasche aus der Brusttasche und blätterte sie mit umständlichen Bewegungen auf, dann holte er einen zweimal gefalteten Briefbogen heraus, auf dem mit Schreibmaschine geschrieben war:

Lieber Dad, sei mir nicht böse, aber ich möchte für eine Zeit lang weggehen. Deine Jenny. Der Name war mit schwarzer Tinte geschrieben.

»Ist das die Unterschrift Ihrer Tochter?«

»Es könnte sein, aber ich glaube es nicht. Und wenn, dann hat sie den Brief nicht freiwillig geschrieben!«

»Warum sind Sie so sicher?«

»Sie kennen Jenny nicht!«

»Nun, wir können der Sache nachgehen, aber ich fürchte …«

Er ließ mich nicht aussprechen, sondern unterbrach mich sofort: »Es ist ein Fall für Sie, das steht fest. Ich bin hergekommen, weil ich nicht wollte, dass Allan das Gespräch hört. Doch inzwischen sehe ich ein, dass sich das nicht vermeiden lässt. Am besten ist es, Sie kommen zu uns und sehen sich an Ort und Stelle um.«

»Wie ist Ihr Name bitte?«

»Forrester. Arthur Forrester!«, sagte er ungeduldig und blätterte noch einmal in seiner Brieftasche Er reichte mir das Farbfoto eines bildhübschen Girls.

Sie hatte feuerrote Haare und glasklare hellblaue Augen, die einen leichten Stich ins Türkis hatten und wie Aquamarin leuchteten. Ihre Figur steckte in einem hautengen Anzug aus Goldlamé, und es sah so aus, als wäre sie in dieser Goldhaut auf die Welt gekommen. Der Alte zischelte unwillig, als er sah, wie lange wir das Foto betrachteten.

»Es ist das einzige Foto, auf dem man sie so gut erkennen kann. Sie werden sie finden, ja?« Er stand auf und sagte nur noch: »Ich erwarte Sie noch heute mit ersten Ergebnissen in der Hoyt Avenue!«

Dann war er draußen.

2

Erst als wir den Bericht für Mr High schrieben, fiel uns auf, dass heute der Name der Hoyt Avenue zum zweiten Mal gefallen war. Dann schlugen wir im Adressbuch den Namen Forrester nach. Es gab nur einen Arthur Forrester, der in der Hoyt Avenue wohnte. Und das war der Präsident der Hawk Oil Company.

Phil lehnte sich laut schnaufend zurück, und die Federn seines Sessels kreischten beleidigt auf. »Verdammt, du kannst mir doch nicht einreden, dass dieser Mann Arthur Forrester gewesen sein soll? Ein Multimillionär!«

»Warum nicht?«

»Er hatte eine recht hochnäsige Art. Meine Güte, allein diese zerfledderte Brieftasche. Ein Multimillionär!« Phil schüttelte den Kopf und ließ sich mit unserem Archiv verbinden. Er lauschte ein paar Minuten in den Telefonhörer und legte dann auf.

»Sie haben es bestätigt. Arthur Forrester ist Millionär und hat zwei Kinder, die dafür sorgen; dass wenigstens ein Teil des Geldes unter die Leute kommt. Lass uns losfahren! Wenn er so viel Geld hat, wäre ja ein Bombenmotiv für ein Kidnapping gegeben!«

»Der alte Forrester war empört, dass Eddy nur hundert Bucks in der Woche verdient. Kein Wunder!«

Ich stand auf und nahm mir noch einen zweiten Kaffee, während Phil mit der Stundentenarbeitsvermittlung telefonierte.

Er hielt mit einer Hand den Hörer, nahm einen Kaffeebecher von mir entgegen und sagte grinsend: »Die Burschen dort haben noch nicht richtig angefangen zu arbeiten. Das dauert noch etwas!«

»Aber, wenn sich dieser Eddy sein Studium mit irgendeiner Arbeit verdient, dann lohnt es sich zu warten!«, munterte ich ihn auf. Es dauerte fast zehn Minuten, aber dann bekamen wir die Auskunft: Eduard Burell, 22 Jahre alt, keine Eltern mehr, studierte Wirtschaftswissenschaft und arbeitete im El Argentino, einem Nachtlokal.

Als wir mit meinem Jaguar in die East 51st Street kamen, war es dort natürlich wieder so voll, dass an einen Parkplatz gar nicht zu denken war.

Wir fuhren am El Argentino vorbei. Es befand sich in einem schmalen dunkelroten Haus. Die Neonschrift war jetzt natürlich dunkel. Die Fenster waren geöffnet, aber vergittert. Es sah nicht sehr gastlich aus.

»Neun Uhr früh ist nicht die richtige Zeit für Nachtbars!«, meinte Phil. Ich überlegte mir schon, ob wir nicht später noch einmal kommen sollten, als ich in einem Fenster ein Gesicht auftauchen sah.

Es war das Gesicht eines Mannes, und es gefiel mir nicht besonders. Vielleicht war es das Lauernde in seinen engstehenden Knopfaugen. Vielleicht auch die Art, wie er auf die Straße spähte. Vielleicht die Art, wie er seine rechte Hand unter der linken Achsel hatte, wo eine Waffe stecken konnte.

Ich hatte keine Zeit, mir den Kerl näher anzusehen, denn der Verkehrsstrom schob uns unerbittlich weiter. Bei der nächsten Ampel gab es eine Stockung. Ich kletterte aus dem Wagen, überließ Phil das Steuer.

und flitzte zurück zum Gebäude des El Argentino.

Von dem Mann war nichts mehr zu sehen. Ein säuerlicher, abgestandener Mief nach Tabak, Parfüm und Bier drang aus den offenen Fenstern. Innen war es dunkel und still.

Ich ging weiter bis zu der dunkelrot lackierten Tür, die von einem schwarzen Baldachin überdacht wurde und vor der abends sicherlich ein livrierter Portier Wache hielt und aufpasste, dass nur dicke Brieftaschen den Weg in das Lokal fanden.

Ich betrachtete die vergilbten Fotos in dem Schaukasten und drehte probeweise den Türknopf.

Überraschenderweise gab sie nach und öffnete sich. Ich kam in einen düsteren Gang und von dort aus in das Lokal.

Durch die vergitterten Fenster drang kaum Licht herein, und das wenige schluckten die schwarz und rot gestrichenen Wände, die schwarze Decke und die Tische aus dunklem Holz. Kleine Lämpchen mit roten Schirmen, die auf den Tischen standen, deuteten die Atmosphäre an, die nachts hier herrschte.

Auf einem Podium standen die Instrumente der Band, aber das war auch alles. Kein Mensch war zu sehen.

Langsam ging ich weiter in den Raum hinein. Es war so still hier, als läge das Lokal unter der Erde. Trotz der offenen Fenster drang der Verkehrslärm kaum herein, und die Luft war kühl und muffig wie in einer Gruft.

Plötzlich hörte ich hinter mir ein gurrendes Lachen. Ich fuhr herum. In der Tür, die von dem schmalen Gang hereinführte, stand eine Blondine. In der Hand hielt sie ein kleines dunkles Heft.

»Sind Sie der Leader?«, erkundigte sie sich und setzte sich auf die Kante eines Tisches, um mir Gelegenheit zu geben, ihre Kniescheibe zu mustern.

»Kommt drauf an, wessen Leader«, ermunterte ich sie.

Sie kicherte vielsagend und ließ das kleine Heft aufklappen. »Hier sind meine Texte und die Noten. Wir können gleich anfangen!«

»Meine Begegnungen mit Frauen verlaufen selten nach Noten!«, unterrichtete ich sie, worauf ich wieder mit dem gurrenden Lachen belohnt wurde.

»Ich mag Bandleader, die Spaß verstehen!«, sagte sie. »Wie heißen Sie?«

»Jerry Cotton, und Sie?«

»Millie Shayne!«, flötete sie. »Wie hoch wird meine Gage sein?«

»Wenn Sie mit mir arbeiten wollen, dann nur auf freiwilliger Basis!«, erklärte ich ihr. Zuerst wollte sie wieder lachen, aber dann runzelte sie die Stirn und fauchte: »Ich mag keine unverschämten Bandleader!«

»Da kann ich Ihnen recht geben. Aber ich bin ja auch nur Amateur!«

»Bitte? Sind Sie etwa nicht der Chef von den Blue Lions?«

»Nein, ich hoffe, Sie verzeihen mir das!«

Sie überlegte sich das einen Moment. Dann erschien das verführerische Lächeln wieder auf ihrem Gesicht, und sie verriet mir: »Wissen Sie, eigentlich habe ich das auch gar nicht richtig geglaubt. Sie sind viel zu nett dazu. Außerdem sind Sie ja auch viel größer und stärker als ein Bandleader!«

»Ich suche Ed Burell, aber er scheint noch nicht da zu sein.«

»Oh, Sie kennen Eddy!«, strahlte sie. »Wenn Sie ein Freund von Eddy sind, dann werden Sie mir noch sympathischer!«

»Ja, Eddy ist ein netter Kerl!«, bestätigte ich.

Sie kicherte wieder und vertraute mir an: »Zuerst war ich ganz schön in ihn verknallt! Aber zur Zeit bin ich frei!«

»Wie heißt sie denn?«, fragte ich verschwörerisch. Sie sah mich verständnislos an, und ich erläuterte: »Es muss doch eine andere geben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Eddy eine Frau wie Sie ohne Grund sausen lässt!«

»Das stimmt schon. Aber mit einer Ozelotzicke kann ich nicht mithalten!«

»Was für eine Zicke?«

»Ozelot! Sie trug einen echten Ozelot, so wie unsereiner einen Trenchcoat überhängt. Sie hatte ganz einfach Kies. Und wenn Eddy auf so etwas aus ist, sieht er eine wie mich nicht mehr. Man kann’s ihm nicht mal übel nehmen!«

Ich bewunderte ihre Großmut und entschloss mich dann, einen Versuchsballon abzuschießen: »Wollen Sie damit etwa sagen, dass Eddy an dieser Millionärstochter hängen geblieben ist?«

»Sie sagen es!«

»Das kann ich nicht verstehen!«, sagte ich und grinste sie an. Sie brachte das Kunststück fertig, sanft zu erröten, und blinzelte mir zu.

»Wenn ich nur wüsste, wo ich ihn aufgabeln kann!«

»Vermutlich schläft er noch. Waren Sie schon oben?«, fragte sie.

Ich hüstelte und murmelte etwas Unverständliches, um sie nicht merken zu lassen, dass ich dieses Oben nicht kannte.

Sie tat mir den Gefallen und sprach weiter: »Ich habe das ja nie verstanden, dass Eddy hier wohnt. Wieso schläft er in der alten Bude …«

Sie wurde von einer groben Männerstimme unterbrochen. Wir drehten uns beide um. In der Tür stand ein Mann. Er war untersetzt, trug einen maßgeschneiderten grauen Seidenanzug, der seine Figur sehr vorteilhaft kaschierte.

Er hatte nicht mehr viel Haare auf dem Kopf, aber einen dicken schwarzen Schnauzbart unter der Nase, der ihm das Aussehen einer Seerobbe verlieh. In der Hand trug er eine Milchtüte und ein Päckchen mit Sandwiches.

»Verdammt noch mal!«, sagte er. Dann blieb er stehen, blinzelte uns etwas kurzsichtig an und murmelte: »Ach, diese Puppe! Ich dachte, Fremde wären durch die Tür reingekommen. Sind die Musiker noch nicht da?«

Er wartete nicht auf die Antwort, sondern zog sich einen Stuhl unter einem der Tische hervor und machte sich ohne Umstände an sein Frühstück.

Mit vollem Mund wandte er sich an mich: »Tja, Mac, wenn er noch nicht …« Dann stockte er, beugte sich vor und sagte verwundert: »Du bist ja ein ganz anderer Mac!«

»Er ist ein Jerry!«, zwitscherte Millie.

»Für mich sind alle Boys Mac. Das ist einfacher.«

»Und wer sind Sie?«, fragte ich.

Millie stellte ihn vor. »Das ist doch Jack Kincaid, der Boss!« Zu Kincaid sagte sie: »Jerry ist ein Freund von Eddy, er sucht ihn.«

»Das tat der andere Mac auch. Ed scheint viele Freunde zu haben. Wo ist der andere Mac denn hin?«

Ich zuckte mit den Schultern, und Kincaid wies mit dem Kopf nach hinten: »Geh rauf in Eds Bude, hier ist kein Warteraum!« Dann grinste er Millie schmatzend zu. Sie grinste zurück und gurrte ein wenig dabei.

***

Ich ging an der Küche vorbei, kam zu einem Lagerraum, der mit alten Kisten und zwei neuen Fässern gefüllt war, und fand eine schmale Treppe, die steil nach oben führte. Ich atmete auf, als ich oben ankam.

Vor mir lag wieder ein schmaler düsterer Gang, an dessen Ende ein winziges Fenster ein paar Sonnenstrahlen durch die millimeterdicke Staubschicht ließ. Es gab zwei Türen.

Die eine stand halb offen und führte zu einem schmuddeligen Waschraum, die zweite war verschlossen. Ich ging langsam auf sie zu. Der Bretterboden knarrte unter meinen Schritten und schien zu schwanken. Ich stand vor der Tür und legte eine Hand auf den Knauf.

In diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich die ganze Zeit über nicht damit gerechnet hatte, Ed Burell anzutreffen. Ich zögerte etwas. Dann warnte mich plötzlich ein leises Knacken des Holzes. Aber da war es zu spät.

Die Tür flog auf, und eine Faust fuhr heraus, in der ich nur für einen Sekundenbruchteil einen Totschläger blitzen sah.

Ich warf mich zur Seite, aber er streifte mich an der Stirn, und ich taumelte auf die andere Seite des Gangs.