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Ray Brennan besaß 3 Millionen Dollar in Hunderter-Scheinen - die Beute eines Überfalls. Der Nachteil war, dass die Nummern der Noten alle bekannt waren, und sie zudem noch aus einer einzigen Serie stammten. Deshalb suchte er einen Kunden, der ihm die heiße Ware zum Kurs von 2 : 1 abnahm. Es mangelte nicht an Interessenten, doch die hatten keinen fairen Deal im Sinn. Letztendlich kassierte der, der überlebte...
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Seitenzahl: 185
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Millionenhandel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »King of New York – König zwischen Tag und Nacht«/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4127-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Millionenhandel
1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.
Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:
»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«
Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.
Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.
1
Der Mann trat an die Empfangstheke des Astor Hotels. »Mein Name ist Raymond Brennan. Ich habe telefonisch ein Zimmer bestellt.«
Der Empfangschef warf dem Mann einen unauffälligen, prüfenden Blick zu. Das Ereignis befriedigte ihn. Brennan war ein großer sonnengebräunter Mann mit glattem blondem Haar. Er trug einen locker sitzenden hellen Anzug. Einen mittelgroßen Koffer hatte er abgestellt. Mantel und ein weicher grauer Hut lagen darüber.
»Wir haben für Sie Nummer 652 im 6. Stock reserviert, Mister Brennan. Sind Sie einverstanden?«
»In Ordnung!« Er nahm den Kugelschreiber und füllte die Anmeldung aus. Der Empfangschef winkte einem Pagen. »Wie lange werden Sie bleiben, Mister Brennan?«
Der Blonde lächelte. »Oh, das ist leider ganz ungewiss. Ich fürchte, unter einer Woche werde ich meine Geschäfte nicht regeln können.«
Der Page begleitete ihn im Fahrstuhl nach oben. Er gab dem Boy einen Dollar Trinkgeld.
Brennan zündete sich eine Zigarette an. Für eine Minute starrte er durch das Fenster auf den Betrieb unten in der Second Avenue. Dann drückte er die Zigarette aus, warf sich auf das Bett und nahm den Telefonhörer ans Ohr.
Das Astor ermöglicht es seinen Gästen, Telefongespräche innerhalb des New Yorker Netzes ohne Zwischenschaltung der Hotelzentrale zu führen. Brennan konnte den Mann, den er sprechen wollte, direkt anwählen.
Eine Frauenstimme meldete sich. Sie sagte »Hallo«, aber es klang wie das Schnurren einer Katze.
»Ich möchte Louis Diskin sprechen.«
»Wer sind Sie denn?«
»Ich heiße Brennan, aber mein Name sagt Diskin nichts. Er kennt mich nicht. Ich habe ihm ein Geschäft vorzuschlagen.«
Die Frau nahm den Hörer vom Ohr. Der Mann im Zimmer 652 hörte sie säuseln. »Louis, Schatz, hier ist ein Bursche, der dir ein Geschäft vorschlagen will.«
Die Antwort des Mannes verstand Brennan nicht. Aber die Frau verdolmetschte sie: »Louis meint, er kaufe weder Aktien noch Grundstücke in Alaska, auch keine Versicherungspolicen. Sie sollen sich aufhängen.«
Brennan lachte. Vermutlich verhinderte er nur damit, dass die Frau den Hörer auflegte. »Diskin kann gar nicht verhindern, dass ich ihm das Geschäft vorschlage. Ich zwinge ihn zu seinem Glück.«
Das Miauen ging in gereiztes Fauchen über. »Erlauben Sie sich keine Frechheiten, Mann! Wenn Louis Sie nicht sehen will, so werden Sie ihm nicht …«
Der Hörer wurde ihr aus der Hand gerissen. Eine metallische Männerstimme erklang.
»Du verdammter Telefonheld!«, schrie Diskin. »Nur weil ihr wisst, dass man euch durchs Telefon nicht die Zähne einschlagen kann, versucht ihr, anständigen Leuten telefonisch euren Dreck anzudrehen. Wenn ihr den Leuten von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten müsstet …«
»Genau das will ich, Diskin. Wo kann ich dich treffen?«
Diskin zögerte. »Bist du ein Polizist?«
Brennan lachte. »Unsinn! Als Bulle wüsste ich, wo du zu finden bist.«
»Na schön! Um zwei Uhr nehme ich meinen Lunch ein,bei Arham in seinem Orient Shop, Clarkson Street. Komm, wenn du deine sagenhaften Geschäfte an den Mann bringen willst! Ich warne dich. Wenn mir dein Geschwätz auf die Nerven geht, werde ich dich an die Luft setzen.«
»Ich freue mich schon darauf, Diskin«, sagte der Blonde und hängte ein.
Pünktlich um zwei Uhr betrat er Arhams Orient Shop. Arham war ein fetter Bursche mit öligem schwarzem Haar und einem riesigen schwarzen Schnauzbart. Er stammte aus irgendeiner Ecke Südosteuropas. Gewöhnlich lief er in weiten Pluderhosen herum.
Raymond Brennan hatte Louis Diskin nie vorher gesehen. Er erkundigte sich bei Arham. Der Levantiner verwies ihn mit einer Kopfbewegung an einen Ecktisch, an dem drei Männer und eine Frau saßen.
Der Blonde trat an den Tisch. »Hallo!«, sagte er. »Ich bin Raymond Brennan.«
Die drei Männer und die Frau blickten auf. Die Frau war eine Blondine von knapp 25 Jahren mit einem stark geschminkten Puppengesicht.
Der Mann neben ihr war mittelgroß. Er trug das schwarze Haar sehr kurz. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Der Gesichtsschnitt verriet die sizilianische Abkunft des Mannes. In der Tat war Louis Diskin nichts anderes als ein Raubtier im Dschungel von New Yorks Unterwelt.
Er wischte sich mit der Serviette das Fett aus den Mundwinkeln. »Ah, der Telefonverkäufer!«, rief er. »Also pack aus! Grundstücke? Aktien? Versicherungspolicen? Nähmaschinen?«
»Nichts von allem! Außerdem ist mein Angebot für dich allein bestimmt«, sagte Brennan knapp.
Louis Diskin zog die Brauen hoch. Mit einer Handbewegung wies er auf die Frau. »Das ist Estelle Shield, meine beste Freundin. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr, die Namen meiner anderen Freundinnen ausgenommen.«
Er zeigte auf die beiden Männer. »Albert Trombetta. Wir nennen ihn meistens Hurricane. Neben ihm Wlade Woznik. Zwischen den Jungs und mir gibt es keine Geheimnisse. Also pack aus!«
Über Brennans Gesicht lief ein Zucken. »Was ich zu sagen habe, ist nur für deine Ohren bestimmt.«
Ganz langsam wich das spöttische Grinsen aus Diskins Räubervisage. Sein Gesicht wurde ernst, ja finster. Trombetta legte die Gabel aus der Hand. Sein viereckiges, wie mit dem Beil zugeschnittenes Gesicht wandte sich dem Fremden zu. Seine mächtigen Fäuste ballten sich auf der Tischfläche. Wlade Woznik, ein knochiger Mann von slawischem Typ, schob seinen Stuhl ein wenig zurück.
Für eine halbe Minute herrschte eisige Stille. Diskin sah, wie die Hand des Fremden sich langsam an der Jacke in die Höhe schob. Dann brach Diskin in Gelächter aus. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte.
Diskin stieß den Stuhl zurück und stand auf. Immer noch lachend kam er auf Brennan zu. Er legte dem Blonden, der nahezu einen Kopf größer war als er, die Hand auf die Schulter. »Du scheinst ein verdammt hartnäckiger Bursche zu sein. Ich bin wirklich neugierig, ob am Ende von allem Zauber nicht plötzlich ein G-man zum Vorschein kommt.«
Er führte Brennan zu einem kleinen Tisch, der durch einen grell bemalten Wandschirm gegen Sicht von den anderen Tischen aus geschützt war. Sobald sie hinter dem Wandschirm saßen, stellte Diskin sein Gelächter ab. »Zeig deine Ware!«
Brennan griff in die Brusttasche, zog ein zusammengerolltes fingerlanges Stück Papier heraus, entrollte es, strich es glatt und schob es Louis Diskin über die Tischfläche hinweg zu. Es war eine druckfrische 100-Dollar-Note.
Diskin rieb den Geldschein zwischen den Fingerspitzen. »Blüte?«
Raymond schüttelte den Kopf. »Die Note ist echt.«
»Was also ist damit los?«
»Sieh dir die Nummer an!«
Der Geldschein zeigte die Seriennummer CA 42 00 011 C. Mit einem Ruck hob Diskin den Kopf. »Das Papier stammt aus dem Iowa-Überfall?«
»Anscheinend, wenn man nach der Nummer urteilt.«
Diskin bohrte den Blick in die grauen Augen des anderen. »Wie viele von diesen Zettelchen besitzt du?«
»30.000 Stück.«
»30.000 Stück zu je 100 Dollar gleich drei Millionen Dollar«, rechnete Diskin. Er ließ den Geldschein auf den Tisch flattern. »30 000 Stück Altpapier«, sagte er verächtlich. »Diese neuen Hunderter sind so wenig an den Mann zu bringen wie die miserabelsten Blüten. Jeder Bankkassierer, jeder Ladeninhaber weiß, dass Hunderter der CA-42er-Serie heißes Geld sind.«
Er knipste den Schein mit zwei Fingern auf Brennan zu. »Wenn du ein paar von den Scheinen auf alt herrichtest, kannst du versuchen eine kurzsichtige Oma beim Kauf von Zigaretten damit reinzulegen, aber wenn die Oma ihre Einnahmen bei der Bank abliefert, fischen die Bankjungs den Hunderter raus und übergeben ihn der Polizei!«
Er lehnte sich zurück. »Heaven! Danach wird es keine Stunde mehr dauern, bis dir die G-men auf den Fersen sitzen. Immerhin hast du beim Iowa-Raub zwei Leute umgebracht und einen dritten schwer angekratzt.« Er lächelte anerkennend. »Hübsche Idee, eine Planierraupe einzusetzen. Bisher kam noch niemand auf den Gedanken. Schade, dass sie nicht mehr eingebracht hat als Altpapier.«
Die Banknote lag zwischen den Männern. Beide starrten auf das Papier. Dann nahm Brennan den Geldschein und rollte ihn langsam zusammen. »Nur in den USA sind die Scheine nicht an den Mann zu bringen. In jedem anderen Land der Welt haben sie ihren vollen Wert.« Er schob das Papierröllchen in die Brusttasche zurück. »Vielleicht nicht in jedem Land«, verbesserte er sich. »In Kanada und den meisten europäischen Staaten dürfte es Schwierigkeiten geben, aber in Südamerika achtet kein Mensch auf die Nummer.«
»Südamerika mag gehen«, sagte Diskin nachdenklich. »Asien wäre vielleicht noch besser. Unsere Regierung pumpt augenblicklich solche Dollarmengen in diese Ecke der Welt, dass drei Millionen nur ein Tropfen sind.«
Raymond Brennan zeigte ein zufriedenes Lächeln. »Genauso habe ich es mir vorgestellt. Man muss nur den Mann finden, der das Altpapier aus den Staaten abtransportiert und die Verteilung in einer anderen Ecke der Welt besorgt. Du bist ein wichtiger Mann in New Yorks Hafen, Diskin. Ich habe auf dich gesetzt.«
Diskin grinste. »Danke für die Blumen, aber ich denke nicht daran, nach Asien zu reisen.«
»Daran habe ich nicht gedacht. Ich habe nicht erwartet, dass du das Geschäft auf eigene Rechnung durchführen würdest. Aber ich hoffe, dass du einen Mann finden kannst, den das Geschäft lockt und der genug Geld und genug Beziehungen nach Asien hat.«
»Wie viel kann der Mann verdienen? Wie viel willst du mich verdienen lassen?«
»Eine Million für mich«, sagte Brennan rasch. »Aber bar in Noten, die nicht heiß sind, deren Nummern nirgendwo notiert wurden.«
»Ein großzügiges Angebot«, sagte er leise. »Was sagen deine Freunde dazu? Die Zeitungen schreiben, nach den Aussagen des verletzten Wärters hätten drei Männer den Iowa-Raub durchgeführt. 300 000 Dollar scheinen viel für einen Mann zu sein, aber sie müssen Männern, die schon einmal drei Millionen in den Händen hielten, wie ein Trinkgeld vorkommen. Sind deine Freunde mit zehn Prozent einverstanden?«
Brennan hielt dem Drillbohrerblick stand. »Der Henker hole dein Interesse für Nebensächlichkeiten«, antwortete er. »Ich biete 30 000 Hundert-Dollar-Noten zum Kurs von einer Million. Alles andere sollte dir gleichgültig sein.«
»Das ist kein Geschäft, das man zwischen Tür und Angel erledigen kann. Du willst Bargeld sehen. Glaubst du, irgendjemand könnte eine Million Dollar im Handumdrehen flüssig machen? Das würde selbst Rockefeller schwergefallen. Wenn du dich entschließen könntest, die heißen Hunderter auf einer Art Vertrauensbasis rauszurücken, würde man die ganze Geschichte über einen gewissen Zeitraum abwickeln können. Wir fangen mit einer Anzahlung von, sagen wir, 100.000 Dollar an und rechnen jeweils monatlich oder vierteljährlich ab.« Er sah Brennans Lächeln und unterbrach sich. »Offenbar gefällt dir der Vorschlag nicht?«
»Er gefällt mir nicht«, bestätigte der andere. »100.000 Bucks sind wirklich nur ein Trinkgeld im Vergleich zu drei Millionen. Ich weiß genau, dass ich nach der Anzahlung keinen Cent mehr zu sehen bekäme.«
»Man kann einem Mann auch mit Gewalt abnehmen, was er freiwillig nicht herausgibt.«
Das Lächeln blieb auf Raymond Brennans Gesicht. »Mit Gewalt könntest du mir den Hunderter mit der Nummer CA 42 00 011 C abnehmen. Es ist der einzige Schein, den ich bei mir trage.« Er erkannte, was Diskin dachte. »Falls du glaubst, du könntest das Versteck der restlichen 29 999 Scheine aus mir herausfoltern, irrst du dich.«
Louis Diskin lachte schallend. »Denke nicht so schreckliche Sachen, alter Junge!« Er beugte sich vor und klopfte auf Brennans Oberarm. »Wir werden uns nicht gegenseitig reinlegen, sondern wir werden bildschöne Geschäfte miteinander machen. Allerdings wirst du dich eine Woche, vielleicht auch noch länger, gedulden müssen. Es ist wirklich nicht einfach, einen Millionenburschen mit den richtigen Verbindungen zu finden.«
Raymond Brennan stand auf. Auch Diskin erhob sich. »Ich werde dich benachrichtigen, sobald ich ’ne Möglichkeit gefunden habe. Wo kann ich dich erreichen?«
»Ich werde mich wieder bei dir melden«, antwortete Brennan.
Der andere grinste. »Auch gut! Lass mir den Hunderter hier, damit ich etwas vorzuweisen habe!«
Der Blonde schüttelte leicht den Kopf. »Überflüssig, Diskin. Einem Mann von deinem Ruf wird man auch ohne Beweise glauben, dass er keine Luftgeschäfte betreibt. Sobald du mich mit einem Partner zusammenbringst, werde ich ihm gern meine Ware zeigen.«
Sie kamen hinter dem Wandschirm hervor. Brennan deutete gegen Estelle Shield eine Verbeugung an, nickte den beiden Gorillas zu und verließ den Orient Shop.
Mit einem Fingerschnippen beorderte Diskin Wlade Woznik an seine Seite. »Finde heraus, wo der Junge wohnt und mit wem er umgeht!«
Estelle Shield nahm den Arm ihres Freundes. »Ist er ein wichtiger Mann, Louis-Schatz?«
»Sehr wichtig«, knurrte Diskin. »Ein Millionär.«
2
Wir waren von Mr High zu einer Besprechung gebeten worden. Als wir sein Büro betraten saß schon ein Mann in der Polizeiuniform eines Captain bei ihm. Der Chef bat uns Platz zu nehmen und stellte uns seinen Gast vor. »Das ist Captain Dover von der City Police und er ist in einer dienstlichen Angelegenheit hier.
Der Captain nickte uns zu.
»Captain Dover möchte unsere Unterstützung gegen Louis Diskin«, erklärte Mr High. »Erklären Sie Jerry und Phil, um wen es sich bei Louis Diskin handelt!«
»Oh, ich weiß einiges über ihn«, sagte ich. »Er begann als Schläger in der Gang von Lucky Aruzzo, der die Hafengewerkschaften terrorisierte. Als wir vor zwei Jahren das Gewerkschafts-Racket knackten und Aruzzo für 30 Jahre hinter Gitter geschickt wurde, blieb Diskin, damals nur ein kleiner Fisch, arbeitslos zurück.«
Captain Dover schob sich den Hut aus der Stirn. »Leider ist Louis heute weder arbeitslos, noch kann man ihn als kleinen Fisch bezeichnen. In das Gewerkschaftsgeschäft ist er nicht wieder eingestiegen, aber er kontrolliert alles, was sonst in einem Hafen an Ungesetzlichkeiten geschieht. Er wird zu groß. Wenn wir ihm nicht die Krallen stutzen, werden wir uns eines Tages einer starken Gang gegenübersehen.«
»Die Zuständigkeiten im Hafengelände sind kompliziert«, ergänzte Mr High. »Das Hinterland untersteht der City Police. Die Piers gehören zum Bereich der State Police, Abteilung Küstenschutz. Die Zolldienste haben auch einiges mitzureden. Aus diesen Gründen hält Captain Dover es für richtig, wenn die Bundespolizei sich ein wenig mit Louis Diskin beschäftigt. Uns fällt es leichter, die verschiedenen Organisationen unter einen Hut zu bringen. Bisher wurde Diskin zwar noch keines Verbrechens verdächtigt, das ihn zum FBI-Fall macht. Aber im Hafen gibt es die Piers für die Kriegsmarine, die Bundesbesitz sind. Ich glaube, wir können ruhig annehmen, dass Diskin seine verbrecherische Tätigkeit auch auf diese Piers und damit auf Bundesgelände ausgedehnt hat.«
Er nickte uns zu. »Beschäftigen Sie sich mit Diskin!«
Phil und ich beschlossen, Arhams Orient Shop aufzusuchen, in dem Diskin häufig verkehrte.
Als wir das Restaurant des Orient Shops betraten, waren wir die einzigen Gäste. Eine Blondine ausgenommen, die allein an einem Tisch saß und sich fürchterlich langweilte.
Arham erschien an unserem Tisch und fragte, was wir zu essen wünschten. Phil, der in solchen Dingen viel mutiger ist als ich, verlangte etwas Charakteristisches.
Arham schlug ihm ein Gericht vor, das er Szeszeneric oder so ähnlich nannte. Ich verlangte ein Steak, womit ich das höchste Missfallen des Levantiners erregte. »Steak!«, schnaubte er verächtlich. »Nun, ich werde es Ihnen wenigstens auf Montenegriner Art zuzubereiten.«
Während er in der Küche hantierte, betraten drei Männer den Orient Shop. Damals, als wir die Gewerkschaftsgangster stoppten, war ich Louis Diskin nur ein- oder zweimal flüchtig begegnet. Ich behielt ihn als einen eher schmächtigen, windigen Burschen in der Erinnerung. Der Diskin, der jetzt die Kneipe betrat, war ein anderer. Er strahlte die Gefährlichkeit einer Klapperschlange aus.
Sein Blick traf uns. Ein winziges Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. Er beugte sich zu der Blondine hinunter. »Mein Darling, mein Engel, meine Süße!« Er küsste sie links und rechts auf die Wange, dann flüsterte er ihr einige Worte ins Ohr. Außerdem drückte er ihr einen Geldschein in die ringgeschmückte Hand. Die Blonde strahlte auf und begann ihrerseits, Diskin abzuküssen. Danach stand sie auf, schlenkerte mit der Handtasche und den Hüften und verließ den Shop. Die beiden Männer in Diskins Begleitung hatten die Familienszene mit Geduld ertragen. Der eine von ihnen war ein großer blonder Bursche von rund 30 Jahren.
Der zweite Mann war nicht kleiner als der Blonde. Allerdings war die Größe die einzige Ähnlichkeit zwischen ihnen. Er war vermutlich zwischen 40 und 50 Jahre alt. Es war schwer zu schätzen, denn sein feistes, rundes Gesicht war faltenlos.
»Der Drahtige ist Louis Diskin?«, erkundigte sich Phil leise.
Ich nickte. »Er hat mich erkannt.«
Phil zuckte leicht mit den Schultern. »Nun, wir sind keine Geheimagenten. Früher oder später merken es die Gangsterbosse immer, dass wir ihnen auf den Fersen sitzen. Wer sind die beiden anderen?«
»Keine Ahnung! Ich kenne beide nicht.«
Arham brachte unser Essen. Zehn Minuten später schleppte Arham die ersten Gerichte an Diskins Tisch.
Arham holte einen grell bemalten Wandschirm und baute ihn vor Diskins Tisch auf. Phil und ich wechselten einen Blick. Phil sagte lächelnd: »Unser Mann betreibt Vogel-Strauß-Politik. Er steckt den Kopf in den Sand.«
»Vielleicht will er nur beim Essen nicht gestört werden«, antwortete ich.
***
Raymond Brennan blickte angewidert auf den fetten Mann mit den vorquellenden Augen. Der Dicke schaufelte die Nudeln in sich hinein und achtete nicht darauf, dass die Tomatensauce sein Hemd, seine Jacke und die Tischdecke beschmutzte. Arham schleppte den Wandschirm herbei und baute ihn vor dem Tisch auf.
Brennan hob den Kopf. »Warum das?«, fragte er.
Diskin zog die Lippen von seinem Raubtiergebiss. »Damit wir ungestörter sind.« Er zeigte auf den schlingenden Dicken. »Wir nennen ihn Smith. Der Henker mag wissen, ob es sein wirklicher Name ist.« Der Dicke schlürfte die letzten Nudeln, lehnte sich zurück und begann Reste von seinem Hemd und den Jackenaufschlägen zu pflücken.
Im Gegensatz zu seiner übrigen Erscheinung besaß er schmale, knochige Hände mit den schlanken, beweglichen Fingern eines Taschendiebes. »Kann ich die Ware sehen?«, fragte er. Für einen Mann lag die Stimme eine volle Oktave zu hoch.
Widerwillig fischte Brennan das Papierröllchen aus der Brusttasche und ließ es auf den Tisch fallen. Mr Smith nahm es, entrollte es und befleckte es mit seinen tomatenroten Fingern. Er hielt die Banknote dicht vor seine Augen. »Tatsächlich, eine Note aus dem Iowa-Raub. Die Serienbezeichnung stand in allen Zeitungen.« Er heftete den Blick auf Brennan. »Sie besitzen viele von diesen Noten?«
»Alle«, antwortete Brennan und nahm den Geldschein aus Smiths Fingern. Der dicke Mann nagte mit winzigen, rattenartigen Zähnen an seiner Unterlippe. Dann wandte er den unförmigen Kopf Diskin zu. »Ich kann nicht von ihm direkt, sondern nur über dich kaufen, Louis?«
Diskin nickte. »Du musst dich an mich halten, Smith!«
»Der Kurs ist eins zu zwei?«
»Eins zu zwei«, bestätigte Diskin.
Smith dachte nach. »Ich kaufe 200.000 Nennwert sofort!«
Brennan ließ die 100-Dollar-Note in der Brusttasche verschwinden. »Es hat keinen Zweck«, sagte er und nahm einen Schluck Whisky. »Ich verkaufe nur die komplette Ladung!«
Smith rollte die riesigen Augen. »Woher soll ich zwei Millionen nehmen?«, quetschte er weinerlich hervor. »Halten Sie mich für die Chase National Bank?«
»Es ist mir gleichgültig, wer Sie sind, wenn Sie nur meine Bedingungen akzeptieren«, fauchte Brennan ungeduldig. »Außerdem verlange ich nur eine Million Dollar. Über die zweite können Sie mit Diskin verhandeln. Vielleicht kreditiert er sie Ihnen.«
Smith blickte den Hafengangster strafend an. »Eine volle Million ist eine unanständige Provision, Louis«, maulte er.
Diskin dachte nicht daran, sich zu schämen. »An diesem Geschäft können wir uns alle die Hände vergolden. Warum sollte ich mich mit weniger begnügen? Außerdem bin ich sicher, dass du das fetteste Geschäft machst, Smith. Wenn du die Scheine nach Ostasien verfrachtest, wirst du noch einmal das Drei- oder Vierfache durch Kursmanipulationen herausschlagen.«
Arham erschien hinter dem Wandschirm. Auf einem riesigen Tablett trug er die Schüsseln des nächsten Gangs. Zu Brennans Überraschung ließ Smith das Gesprächsthema fallen und fiel mit wilder Gier über das Essen her. Diskin winkte den Levantiner zu sich heran und fragte ihn flüsternd, ob die Männer an Tisch 4 sich noch im Shop befänden.
Arham antwortete: »Sie haben die Rechnung verlangt und werden gleich gehen.«
Raymond Brennan musste sich in Geduld fassen. Von dem Iowa-Geld wurde erst wieder gesprochen, als der Mokka vor ihnen dampfte.
»Wenn Sie keine Teilgeschäfte machen wollen«, sagte Smith, »müssen Sie warten. Ich werde mich bemühen, eine Million Dollar aufzutreiben.«
»Wie lange wird es dauern?«
Smith bewegte die fetten Schultern. »Zwei Wochen, vielleicht auch einen Monat.«
Brennan wandte sich an Diskin. »Gibt es niemand, der schneller Geld auftreiben kann?«
Diskin lachte. »Smith ist eine gute Adresse. Wenn du nicht warten willst, musst du deinen Schatz in Teilpositionen verkaufen.«
»Ich kann warten«, erklärte der Blonde verbissen.
»Falls du knapp bei Kasse bist, helfe ich dir gern mit einem Vorschuss aus.«
Der andere schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht auszuhungern. Ich besitze genügend Geld, um einige Monate auszuhalten, ohne einen heißen Hunderter wechseln zu müssen.«
Diskin pfiff leise zwischen den Zähnen. »Also aus Geldknappheit brauchst du dich also nicht zu beeilen«, sagte er freundlich, »aber wie nahe sitzt dir die Polizei auf den Fersen, alter Junge?«
»Ich stehe nicht unter Druck«, antwortete Brennan. »Der einzige Cop, der je den Namen Raymond Brennan notierte, war ein Verkehrspolizist vor vier Jahren in New Orleans.«
Diskins Zähne blitzten. »Hast du das Strafmandat damals nicht bezahlt? Glaubst du, die beiden G-men an Tisch 4 kamen her, um von dir fünf rückständige Dollar wegen falschen Parkens zu kassieren?« Er brach in schneidendes Gelächter aus.
»G-men?«, fragte Brennan. »Du irrst dich nicht?«
»Ich irre mich nicht. Einer von beiden heißt Cotton. Vor zwei Jahren sprengte er Aruzzos Gewerkschaftsgang. Ich kroch in ein Mauseloch und sah zu. Lucky Aruzzo war ein Prachtbursche und hatte ein Dutzend Eliteboys um sich versammelt. Aber als dieser Agent und seine Kollegen loslegten, eliminierten sie Aruzzos Verein im Handumdrehen. Wenn du auf ihrer Liste stehst, Ray, wird es Zeit, dass du die letzten Briefe an deine Angehörigen schreibst.«