Jerry Cotton Sonder-Edition 43 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 43 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Es lief immer nach dem gleichen Schema ab: Mitten in der Nacht klingelten zwei Männer an der Tür eines reichen Playboys, beschuldigten ihn des Mordes und führten ihn zu der Leiche einer jungen Frau, die er am Abend zuvor in einer Bar kennengelernt hatte. Dann stellten sie ihre Forderungen. Das System war perfekt ausgeklügelt und funktionierte, bis eine der angeblichen Leichen sich als echt erwies, und Phil und ich auf den Plan traten ...

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Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Süßer Tod und kalte Leichen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Das Model und der Cop«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4195-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Süßer Tod und kalte Leichen

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

»San Francisco …«, schmetterte Michael Sheerwood noch einmal in den dichten Platzregen seiner heißen Brause, ehe er seinen lautstarken und angesichts der Tageszeit zweifellos ruhestörenden Gesang einstellte.

Es war 3.58 Uhr morgens, und die Türklingel des Sheerwood-Apartments läutete Sturm.

»Immer diese Spielverderber!«, brummte Sheerwood vor sich hin, während er sich in seinen Bademantel hüllte, um zur Tür gehen zu können.

Das Klingeln zu dieser nächtlichen Stunde verwunderte ihn nicht. Er war es gewöhnt, weil es eine fast zwangsläufige Folge seiner Lebensart war. Sheerwood pflegte oft und lang auszugehen, entsprechend spät heimzukehren und dann unter der Brause sehr lautstark den Schlager »San Francisco« zu singen. Seinen Nachbarn in diesem Apartmenthaus am Crotona Park North gefiel der nächtliche Gesang selten. Mit ziemlicher Regelmäßigkeit kamen sie deshalb an seine Tür, um ihn einen Flegel oder ähnliches zu nennen.

Mal gespannt, dachte der Millionärssohn Michael Sheerwood, wer es heute ist. Der Geierkopf von nebenan, die Krähe von oben oder gar der Hausmeister persönlich?

Sheerwood hatte mit seinen Vermutungen unrecht. Vor der Tür standen zwei wildfremde Männer. Beide trugen helle Trenchcoats, obwohl es den Tag über heiß gewesen war, und auch jetzt lag drückende Schwüle in der Nacht. Die Männer machten ernste, entschlossene Gesichter.

Sheerwood war überrascht, Fremde vor sich zu sehen. »Sind Sie sicher«, fragte er deshalb, »dass Ihre Uhren richtig gehen?«

Die Männer gaben keine Antwort, aber der vordere Trenchcoat-Mann trat einen Schritt näher. Schließlich schob er Sheerwood zur Seite und trat in die Diele.

»Jetzt wird es aber …«, begann Sheerwood, aber die beiden Fremden ließen ihm keine Zeit dazu.

Der erste, ein großer Blonder, dessen Name Nick Poland lautete, drehte sich unvermittelt zu Michael Sheerwood um. »Warum haben Sie Joan Norman ermordet?«, fragte er hart.

»Ermordet?«, fragte Michael Sheerwood maßlos verblüfft.

»Ja«, sagte Joe Caruba, ein mittelgroßer Schwarzhaariger, »ermordet. Erwürgt, um genau zu sein.«

»Sie sind beide besoffen, raus!«, explodierte Sheerwood.

Der Blonde schüttelte missbilligend den Kopf. »Besoffen!«, sagte er. »Spricht man so in Ihren Kreisen, Sheerwood? Oder macht es das schlechte Gewissen, dass Sie so aufbrausend sind? Ich könnte es verstehen. Schließlich bringt man ja nicht jeden Tag seine Freundin um.«

Sheerwood starrte den Sprecher einen Moment stumm an. Dann aber löste sich seine Erstarrung, und er brach in ein schallendes Gelächter aus. »Kommt, Männer, nehmt einen Whisky! Und dann erzählt mir, wer sich diesen Streich ausgedacht hat! Ist das eine Wette oder einfach nur ein Gag?«

Der Caruba nickte anerkennend. Doch er meinte, damit nicht Sheerwoods Frage. Er wandte sich vielmehr an Poland. »Nerven hat er, was?«, fragte er seinen Begleiter. »Wenn wir es nicht mit eigenen Augen gesehen hätten, könnte man direkt glauben, der Junge sei unschuldig.«

»Leider ist er es nicht«, antwortete der andere.

Poland wandte sich wieder an Sheerwood. »Hören Sie jetzt auf mit Ihrem Theater, Sheerwood! Sie haben vor ungefähr eineinhalb Stunden Joan Norman im Randalls Island Park erwürgt. Daran gibt es nichts herumzureden.«

»Sie spinnen!«, bemerkte Sheerwood trocken.

»So?«, fragte der Blonde und griff dabei in die innere Brusttasche seines Trenchcoats. »Und das sind wohl Comicstrips, was?« Er hielt drei Fotos in der Hand. Gelangweilt schaute Sheerwood darauf. Und schrak zurück.

Die auf den Bildern erkennbare Frau war offensichtlich tot. Und genauso offensichtlich war es die junge Frau, mit der er den vergangenen Abend und die ersten drei Stunden dieses Tages verbracht hatte. Joan Norman!

Vor rund einer Stunde hatte er sie zu dem Haus gebracht, in dem sie nach ihren Angaben wohnte. Lebend.

Sheerwood lachte wieder kurz. »Quatsch!«, sagte er. »Wer weiß, wie alt diese Bilder sind, wer weiß, wer die gemacht hat! Vor einer Stunde lebte sie noch …«

»Vor eineinhalb Stunden«, berichtigte der Schwarzhaarige. »Ja, da lebte sie noch. Dann haben Sie sie umgebracht. Kurz darauf machten wir die Bilder.«

»Polaroid«, ergänzte der Blonde. »Schwarzweißfotos innerhalb von zehn Sekunden. Wir haben noch mehr davon: Sie in Ihrem vom Tatort wegfahrenden Wagen, die Reifenabdrücke Ihres Wagens an der Mordstelle, Ihre Fußspuren, alles, was wichtig ist.«

»Sind Sie von der Polizei?«, fragte Sheerwood, dem es langsam dämmerte, dass dies alles kein Spaß war.

»Nein«, antwortete Caruba. »Aber, wenn Sie darauf bestehen, können wir die Polizei benachrichtigen. Sie wird sich freuen, einen Mörder und die Tatzeugen gemeinsam anzutreffen. Allerdings …«

»Was, allerdings?«, fragte Sheerwood, als der Trenchcoat-Mann nicht weitersprach. Ihm war es unbegreiflich, dass man so verrückt sein konnte, in einer heißen Nacht einen Trenchcoat zu tragen.

»Wir haben etwas gegen die Polizei. Und ich glaube, auch für Sie ist es angenehmer, wenn die Sache ohne Polizei abgewickelt wird. Die Frau wird so oder so nicht mehr lebendig. Also kommen Sie mit!«

»Mitkommen?«

»Ja. Sie wollen sich doch sicher davon überzeugen, was Sie angerichtet haben.«

»Blödsinn!«, sagte Sheerwood knapp.

»Entscheiden Sie an Ort und Stelle, wer recht hat!«, schlug der Caruba vor.

»Okay!«, fügte sich Sheerwood. Er zog sich schnell wieder an und ging mit den Trenchcoat-Männern aus dem Haus. Ein schwarzer Buick wartete auf sie. In schneller Fahrt ging es nach Süden. Sie rasten über die Brücke zum Randalls Island Park.

Schon von weitem erkannte Michael Sheerwood die Stelle wieder, an der er vor Stunden mit seinem Wagen geparkt hatte. Neben sich die Frau, das er am frühen Abend im Riverside Club kennengelernt hatte. Joan Norman.

Er erkannte auch sofort die Frau, die auf der Erde lag. Ihr rotblondes Haar hatte im kalten Licht der Morgendämmerung seine Leuchtkraft verloren. Das enganliegende meergrüne Kleid bildete einen schroffen Gegensatz zum schmutzigen Braun der Erde.

Trotz dieser Veränderungen gab es keinen Zweifel. Es war Joan Norman. Ihr rechtes Bein war ausgestreckt, das linke an den Körper gezogen. Auf dem weißen Hals der jungen Frau zeichneten sich dunkle Würgemale ab.

»Nein …«, flüsterte Michael Sheerwood.

»Zufrieden?«, fragte Poland.

»Ich habe das nicht getan!«, schrie Sheerwood. »Wir sind gemeinsam hier weggefahren, und ich habe sie …«

»Sie haben sie ermordet. Wir haben es gesehen. Und wir können alles beweisen«, sagte der Blonde ganz ruhig.

»Wollen Sie bestreiten, dass hier ihre Zigarettenreste herumliegen, dass dort die Spuren Ihres Wagens zu sehen sind, Sheerwood?«, fragte Caruba.

»Die Spuren sind beweiskräftig gesichert«, erklärte der Poland.

»Wir haben Sie von hier aus verfolgt, nachdem Sie sie aus dem Wagen geworfen hatten«, hakte der Schwarzhaarige nach.

Abwechselnd sprachen die beiden Männer. Sie schilderten alle Einzelheiten des Mordes. Genau stellten sie die Flucht des Täters dar. Logisch erklärten sie die Beweissicherung. Ihre Darstellungen nahmen eine Beweisaufnahme vor dem Schwurgericht vorweg.

Der Blonde setzte den Schlusspunkt. Es klang wie das Plädoyer eines Staatsanwalts: »Hier ist ein brutaler Mord begangen worden! Der Täter sind Sie, Michael Sheerwood!«

»Nein!«, sagte Sheerwood wieder.

»Mit diesem Argument werden Sie natürlich die Polizei sofort überzeugen«, sagte Caruba sarkastisch.

Sheerwood gab ihm innerlich recht. Auch die Polizei konnte sich nur an die Indizien halten, und die waren klar. Eine Leiche. Zwei Tatzeugen. Kein Alibi. Im Gegenteil. Unzählige Zeugen konnten bestätigen, dass er, Michael Sheerwood, mit dieser Frau zusammen gewesen war.

Nur für eins gab es keine Zeugen: dafür, dass er die lebende Joan Norman zu ihrem Haus in der 143rd Street gefahren hatte.

Und jetzt lag sie hier. Tot. Zweifelsfrei ermordet. Die beiden Männer schienen zu spüren, was in ihm vorging. »Aussichtslos, Sheerwood«, sagte Poland, »da kann Ihnen niemand mehr helfen.«

»Außer uns!«, setzte Caruba hinzu.

»Was haben Sie eigentlich damit zu tun?«, stellte Sheerwood die längst fällige Frage.

»Wir sind Männer«, sagte der Schwarze, »und wir haben Verständnis dafür, dass man sich manchmal über so eine Puppe ärgern kann. Wir sind zufällig Zeugen dieser unangenehmen Sache geworden. Also …«

»… sind wir bereit, das Erlebnis dieser Nacht zu vergessen«, ergänzte der Blonde.

»Ich verstehe«, sagte Michael Sheerwood.

»Wir sorgen dafür, dass die Spuren hier verschwinden. Außerdem sorgen wir dafür, dass das bedauernswerte Opfer anständig bestattet wird. Bestattung erster Klasse, gewissermaßen. Ohne bürokratische Erschwernisse, wohlgemerkt.«

»Was verlangen Sie?«, fragte Michael Sheerwood mit müder Stimme.

»Fünftausend Dollar«, antwortete der Blonde sachlich.

***

»… legen wir Wert auf die Feststellung, dass es sich hierbei um …«, diktierte Stan Urban.

Dezent, aber unüberhörbar unterbrach das Telefonklingeln seinen Satz.

Stan Urban riss den Hörer von der Gabel, noch ehe seine verwunderte Sekretärin Marilyn Baker danach greifen konnte. »Welche dumme Pute gibt mir während des Diktats Gespräche in mein Büro? Sie sind …«, brüllte Urban und schwieg dann unvermittelt. »Geben Sie’s her, ausnahmsweise!«

Marilyn Baker zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Dann schickte sie sich an, den luxuriös ausgestatteten Arbeitsraum ihres Chefs zu verlassen. Ein Anrufer, der Urban während des Diktats stören durfte, musste von besonderer geschäftlicher oder privater Bedeutung sein. In beiden Fällen wollte Urban keine Zeugen haben.

»Bleiben Sie nur, Marilyn!«, bremste Urban ihren Rückzug. Zu allem Überfluss drückte er noch auf die rote Taste des Telefonverstärkers, so dass die Sekretärin jedes Wort des Gespräches mithören konnte.

»Mike ist hier«, klang es aus dem Lautsprecher. »Stan, ich habe eine ganz blöde Frage.«

Stan Urban lachte. »Auf blöde Fragen bekommt man meist blöde Antworten«, scherzte er.

»Es ist wichtig«, klang es aus dem Lautsprecher, und Mike Sheerwoods Stimme klang beschwörend.

»Kann ich dir helfen?«, fragte Stan Urban jetzt ganz ernst.

»Stan, ist dir heute Nacht im Riverside Club etwas an mir aufgefallen?«

Jetzt lachte Urban doch wieder. »Und ob mir etwas aufgefallen ist, mein Lieber!«, sagte er mit einem Seitenblick auf seine Sekretärin! »Die Frau war immerhin Klasse, diese Joan Norman.«

Marilyn Baker senkte ihren Kopf zum Stenoblock und suchte krampfhaft nach Fehlern. Es war ihr gar nicht angenehm, Zeugin eines Männergesprächs über nächtliche Eroberungen sein zu müssen. Sie wusste, dass derartige Mitwisserschaften leicht zu Vertraulichkeiten führen konnten. Die aber wollte sie vermeiden, obwohl oder gerade weil ihr Chef Stan Urban Alleininhaber einer sehr bedeutenden Werbeagentur war.

»Hallo, Mike, was ist?«, rief Urban in die Muschel. Sheerwood schwieg, aber selbst Marilyn hörte noch sein schweres und erregtes Atmen.

»Mike?«, rief Urban erneut.

Endlich meldete sich Sheerwood wieder. »Entschuldige, Stan, aber ich bin heute nicht ganz auf dem Posten …«

Stan Urban lachte.

»Ist dir sonst noch etwas an mir aufgefallen?«, fragte Sheerwood schließlich.

»Wie meinst du das?«

»Weißt du, Stan, ich habe da eine Schramme an meinem Wagen, und ich weiß nicht, wann und wo das passiert sein könnte. Ich will natürlich keine Schwierigkeiten haben.«

»Ich verstehe«, sagte Stan Urban. »Beinahe habe ich schon so was gedacht.«

»Wieso?«, fragte die Stimme aus dem Lautsprecher gespannt.

Stan Urban dachte einen Moment nach. Diese Gelegenheit benutzte er auch, um seiner Sekretärin ein Zeichen zu geben. Es sollte wohl bedeuten, dass das Gespräch keine heiklen Formen annehmen würde.

»Ja, Mike«, sagte Urban, »du hast einen sehr merkwürdigen Eindruck gemacht.«

»Merkwürdig? In welcher Weise?«

Wieder überlegte Urban genau. »Du warst nicht betrunken, aber irgendwie geistesabwesend, verstehst du? Beinahe so, als hättest du unter Rauschgift gestanden. Verstehe mich richtig …!«

Verwundert schaute Stan Urban den Hörer an. Doch der Apparat war in Ordnung.

Michael Sheerwood hatte ohne ein Wort der Erklärung aufgelegt.

***

»Das ist die Lage«, seufzte Michael Sheerwood, »und jetzt möchte ich von Ihnen wissen, ob ich ein Mörder oder ein Verrückter bin.«

Sheerwood schwieg erschöpft. Er hatte das Ergebnis der letzten Nacht bis zur letzten Einzelheit wiedergegeben. Auf die Schweigepflicht des Arztes glaubte er bedingungslos vertrauen zu können.

Professor Meadow kannte seinen Patienten seit mehr als 20 Jahren. Außerdem kannte er die ganze Familie Sheerwood. So überraschte es ihn nicht, dass Michael nun in seinem Ordinationszimmer auf dem Sofa lag und das von sich gab, was Meadow außerhalb der Hörweite seiner Patienten als Verrücktheiten zu bezeichnen pflegte.

Meadow hatte geduldig zugehört, selten eine Frage eingeworfen und war schon längst zu einem Ergebnis gekommen.

Er betrachtete nachdenklich den blonden Mann, ein Urbild des jungen Amerikaners aus gehobenen Kreisen. Er registrierte die leichten Schatten unter den Augen, das nervöse Zucken der Augenlider. Dann drehte er sich um und ging zu seinem Schreibtisch.

»Michael«, sagte er, »ich weiß, dass Sie meinen Rat in den Wind schlagen werden. Ich möchte Ihnen trotzdem eine Therapie empfehlen. Vergessen Sie mindestens für eine gewisse Zeit, dass Sie finanziell unabhängig sind! Suchen Sie sich eine ganz normale Arbeit! Sorgen Sie dafür, dass Sie abends rechtschaffen müde, abgespannt und lustlos sind! Trinken Sie weniger!«

»Sie meinen also, dass ich verrückt bin?«

»Unsinn! Sie sind vor lauter Lebensgier maßlos überreizt«, sagte der Professor hart. »Außerdem haben Sie aus Langeweile Träume, die Sie später nicht mehr von der Wirklichkeit unterscheiden können.«

»Nach Ihrer Ansicht war also der Mord und alles, was damit zusammenhängt, ein Traum?«

»Wenn es kein Traum gewesen wäre, Michael, würden Sie jetzt nicht hier bei mir sitzen. Die Sache wäre viel zu auffällig gewesen, um so unbemerkt über die Bühne gehen zu können, wie Sie es geschildert haben.«

»Das verstehe ich nicht, Professor«, warf Sheerwood ein.

Professor Meadow lachte. »Nach Ihrer Schilderung lag die Leiche nicht gerade an einer versteckten Stelle. Wie lange muss sie dort gelegen haben?«

»Mindestens zwei Stunden«, überlegte Sheerwood.

»Na also, halten Sie das für möglich? Mitten in New York an einem Platz, der Liebespaaren immerhin nicht unbekannt ist?«

Meadows Argumente leuchteten Michael Sheerwood ein. Sie bestätigten das, was er sich selbst schon überlegt hatte. Er war jetzt beinahe davon überzeugt, auch die Ausgabe der 5000 Dollar logisch erklären zu können. Er war betrunken gewesen. Sonst nichts.

»Sie haben mir viel geholfen, Professor«, sagte Sheerwood sichtlich erleichtert. »Vielen Dank!«

»Ich werde es auf der Rechnung berücksichtigen«, knurrte Meadow, »außerdem gebe ich Ihnen noch etwas mit. Gehen Sie nach Hause, schlucken Sie das! Morgen sind Sie wieder erholt.«

Eine halbe Stunde später wusste Michael Sheerwood endlich und endgültig, was Traum und Wirklichkeit war. Wirklichkeit war, dass er sich als Mörder betrachten musste.

Sheerwood fuhr nach dem Arztbesuch in Richtung Bronx. Er war entschlossen, wenigstens einem Rat des Professors zu folgen und sich gründlich auszuschlafen. Er konzentrierte sich, seiner labilen Stimmung bewusst, auf den Verkehr und fuhr vorsichtig.

Dabei entging es ihm, dass ihm ein anderer Wagen folgte. Das fremde Fahrzeug wäre ihm sofort bekannt vorgekommen, wenn er es gesehen hätte.

So aber kam der Schock für Michael Sheerwood erst, als er gerade dort eine Parklücke entdeckte, wo er sonst, garantiert vergeblich, danach Ausschau gehalten hätte. Gerade heute bot sich dieser Parkplatz an. Ausgerechnet!

Der Parkplatz befand sich in unmittelbarer Nähe von Pop’s Bar. Michael sah im Vorhandensein eines Parkplatzes einen Wink des Schicksals. So entschloss er sich, einen Gin-Tonic zu sich zu nehmen.

An der Theke in Pop’s Bar war kein Platz für Michael frei. Anita lächelte ihm zwar zu. Sie wäre auch bestimmt bereit gewesen, ihm einen Platz zu beschaffen. Doch Michael zog es heute vor, sich an einen Tisch in der Ecke zu setzen.

Er bestellte einen Gin-Tonic und versank in Gedanken. Dann aber fuhr er zusammen.

***

»Vergiss nicht«, sagte Nick Poland zu Joe Caruba, »unser Freund war bei einem Psychiater. Er denkt …«

»Ich werde alles tun, um ihn in seinem Glauben zu bestärken. Wer spinnt, der mordet auch«, bestätigte sein Komplize.

Hinter dem haltenden Wagen hupten andere Fahrzeuge.

»Ich muss weiterfahren«, sagte er, »du weißt ja Bescheid.«

Die Tür schlug hinter Caruba zu, der eilig auf den Eingang von Pop’s Bar zustrebte.

Er entdeckte sofort Michael Sheerwood, der in der Ecke saß und offensichtlich in seine Gedanken versunken war. Caruba nahm keine Rücksicht auf den Seelenzustand Sheerwoods. Ohne zu fragen, setzte er sich neben den Mann.

»Hallo, Sheerwood«, sagte er, »da bin ich. Worum geht es?«

Sheerwood fuhr zusammen. »Sie?«, sagte er. »Was wollen Sie denn von mir?«

»Sie haben mich doch angerufen«, staunte Caruba. »Entschuldigung«, murmelte er, stand auf und zog seinen Trenchcoat aus. Er schaute auf das Glas, das die Serviererin gerade vor Sheerwood hinstellte, und bestellte das gleiche.

»Sind Sie verrückt?«, fragte Michael Sheerwood. »Wann soll ich Sie denn angerufen haben? Ich kenne Sie überhaupt nicht!«

»Nein?«, fragte Caruba lauernd. »Sie scheinen unter Gedächtnisschwund zu leiden. Zuerst vergessen Sie einen Mord …«

Den Rest hörte Sheerwood nicht mehr. In seinem Schädel dröhnte es, und die Umgebung verschwamm zu einem großen irren Fleck vor seinen Augen.

Der Schwarzhaarige trank seinen Gin-Tonic mit einem Zug aus.

Mit einem Wink zur Serviererin bestellte er zwei doppelte Whisky.

»Wir haben Joan Normans Leiche beseitigt. Sie wissen ja, Bestattung erster Klasse«, sagte er erbarmungslos.

Michael Sheerwood nickte. Er starrte stumpf vor sich hin.

»Es ist übrigens gut«, setzte Caruba das Gespräch fort, »dass wir gerade darüber sprechen. Wir haben die Leiche beseitigt. Sie werden von uns nicht verlangen können, dass wir aus reiner Nächstenliebe handeln.«

»Ich habe Ihnen fünftausend Dollar bezahlt«, erinnerte Sheerwood, »so, wie Sie es verlangt hatten.«

Der Schwarze grinste. »Natürlich, Mister Sheerwood. Das war der Lohn für die Bestattung. Jetzt sind wir selbst an der Reihe.«

»Wieviel?«

»Fünfzigtausend«, sagte der Schwarze bescheiden.

»Sie sind wahnsinnig!«

Joe Caruba kümmerte sich nicht um diesen Einwand. Er winkte der Serviererin und bestellte erneut zwei doppelte Whisky.

Am Nebentisch nahm ein Pärchen Platz. Draußen brandete der Verkehr. Aus einer Musikbox quoll laute Musik, und in den Gläsern, die die Bedienung auf den Tisch stellte, klimperten die Eiswürfel. Es war heiß.

Michael Sheerwood nahm dies alles wahr, ohne dass es in sein Bewusstsein dringen konnte.

Er war wie betäubt. Selbst die Hitze berührte ihn nicht mehr.

»Was ist?«, fragte Sheerwood schleppend. »Was ist, wenn ich nicht bezahle?«

Der Schwarzhaarige erhob sich. »Halten Sie das Geld bereit! Wir melden uns schon bald wieder.«

2

»Oh …«, sagte die aufregende Blondine erschrocken. Nervös wischte sie mit einer Serviette über den Ärmel des mitternachtsblauen Smokings von Bill Horkan. Bill war einziger Erbe der Horkan Oil Ltd.

Er war an diesem Abend ins Vergnügungsviertel am Broadway Ecke 48th Street gekommen, weil man in seinen Kreisen wusste, dass in diesem Nachtlokal außer einer hervorragenden französischen Küche, zwei Tanzkapellen und Pariser Revuegastspielen auch außerordentlich attraktive New Yorker Girls anzutreffen waren.

»Wollten Sie etwas sagen?«, fragte die Blondine kokett.

»Nein«, sagte Bill Horkan schnell, »ich wollte nur etwas fragen.«

»Bitte fragen Sie!«

»Wie heißen Sie?«, fragte Bill Horkan.

Sie schaute ihn mit einem schmachtenden Augenaufschlag an und schüttelte dann ganz langsam den Kopf. »Kay heiße ich, aber das verrate ich nie«, lächelte sie dann.

»Okay, Kay, ich verrate es nicht weiter. Ich hoffe nur, dass ich den Schaden wiedergutmachen und mit Ihnen eine neue Flasche Champagner trinken darf.«

Sie schüttelte den Kopf und lächelte dabei. »Sie dürfen nicht«, sagte sie, und ihre Augen straften ihre Worte Lügen, »denn Männer wie Sie werden mir immer gefährlich.«

»Darauf müssen wir erst recht trinken«, lachte er und betrachtete vielsagend seinen feuchten Smokingärmel.

»Erpresser!«, lächelte sie.

Gemeinsam schlenderten sie von der Bar zu seinem Tisch. Der Kellner war schnell, der Champagner kühl. Wenig später verlangte Horkan die Rechnung und bat den Kellner, ein Taxi bestellen zu lassen.

»Der Wagen, Sir!«, meldete der Kellner nach ein paar Minuten.

Die Fahrt ging zu Kays Wohnung. Ein paar Stunden später sagte Kay zu Horkan, wo das Telefon stand, damit er sich ein Yellow Cab zur Heimfahrt bestellen konnte.

»Geh allein, die Haustür ist offen!«, gurrte Kay zehn Minuten später.

»Okay, Darling, wir sehen uns ja bald wieder!«, verabschiedete sich Bill Horkan, ohne zu ahnen, wie schnell das Wiedersehen kommen würde.

***

Es war bereits völlig hell, als Bill Horkan Bilanz zog. Er saß, zusammen mit zwei Männern, in einem fremden Auto. Die beiden Männer, die sich nicht vorgestellt hatten, waren nach ihrer Angabe Zeuge einer brutalen Tat.

Sie waren etwa um 3.20 Uhr, von einer Herrenparty kommend, durch die 32nd Avenue gefahren. Langsam, plaudernd.