Jerry Cotton Sonder-Edition 46 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 46 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Es sah aus wie ein normaler Unfall, dann erschien es doch sehr unwahrscheinlich, dass der Rolls-Royce des Verlegers Bedford auf gerader Strecke von der Straße abgekommen sein sollte. Als dann noch kurz darauf sein Verlagshaus in Flammen aufging, glaubten wir nicht mehr an Zufälle und stießen auf eine Mauer des Schweigens, die eine Reihe von Morden verbarg...

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Erpresser morden auch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/Dmitri Ma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4358-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Erpresser morden auch

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Noch 20 Meilen, dachte ich und schaute auf die Uhr. Kurz nach halb elf.

Ich gähnte herzhaft und drehte mein linkes Seitenfenster ganz herunter, denn ich brauchte nach dieser neunstündigen Fahrt frische Luft.

Leonia, NJ, hatte ich gerade auf einem Schild gelesen.

Die frische Luft tat mir gut. Ich atmete tief durch. In ein paar Minuten würde es ohnehin damit vorbei sein – drüben, jenseits des Hudson, in den Häuserschluchten von New York.

Vor mir lag eine große Straßenkreuzung, und jenseits davon ging es geradeaus weiter, genau auf die Lichter von New York zu.

Am rechten Straßenrand hielt ein Streifenwagen der Highway Patrol. Einer der Beamten stand mitten auf der Einfahrt in die gegenüberliegende Straße.

Ich fuhr meinen Jaguar an den Straßenrand und stieg aus. Es tat gut, sich einmal wieder strecken und ganz aufrichten zu können.

»Guten Abend!«, grüßte ich den Streifenbeamten.

Er hatte gerade das Rotlicht auf dem Dach des Jaguars gesehen und blickte mich skeptisch und neugierig an. »Sind Sie etwa auch Polizist?«

»Ja«, sagte ich. »Was ist denn passiert?«

»Sagenhafter Unfall. Ein Rolls-Royce, ein Ding wie ein halber Eisenbahnwagen. Mitten auf schnurgerader Straße hat der wohl versucht, in die Luft zu gehen. Wie ein Flugzeug, verstehen Sie? Der muss sich irrsinnig überschlagen haben. Noch nie habe ich ein Auto gesehen, das so kaputt war. Zum Schluss ist der Wagen ausgebrannt und explodiert. Das sieht aus, als wäre eine Bombe niedergegangen.«

Ich schüttelte mich. »Und die Insassen?«

»Ein Mann saß im Wagen. Der ist herausgeflogen und in einer sumpfigen Wiese gelandet. Völlig unverletzt. Ein Riesenglück hat er gehabt, dieser Bedford.«

»Bedford?«, fragte ich. Ich wusste nicht, warum, aber irgendwie kam mir der Name bekannt vor.

»Bedford«, bestätigte der Cop. »Muss sehr viel Geld haben. Der Wagen hat Totalschaden, aber der Mann schimpfte nur, dass er einen Termin in New York nicht einhalten …«

Verwundert schaute mich der Cop an, als ich ihn plötzlich unterbrach. »Das muss ich mir ansehen! Wie weit ist die Unfallstelle entfernt?«

»Fünf Minuten. Sie sehen es schon. Ziemlich viel Rotlicht und so!«

Mit wenigen Schritten war ich zurück an meinem Jaguar. Der Streifenpolizist stellte sich mitten auf die Kreuzung und hielt den Verkehr an. Mir gab er einen Wink. Ich konnte passieren. Jenseits der Kreuzung war es still.

Mein Jaguar schoss vorwärts. Die Straße verengte sich. Links und rechts flog eine Wald- und Parklandschaft vorbei. Schnurgerade zog sich die Fahrbahn hin. Nur ein Sonntagsfahrer konnte auf dieser Strecke die Gewalt über seinen Wagen verlieren.

Bedford, überlegte ich, Bedford?

Und dann fiel es mir ein. Vielleicht war er es: In New York gab es einen Bedford, der als Herausgeber verschiedener drittklassiger Magazine bekannt war.

***

Horace Horse, der Nachtwächter im Druckhaus der Bedford Magazine Publications schaute misstrauisch durch die Scheibe seines kleinen Aufenthaltsraumes auf den Hof. Dann nahm er seine Taschenlampe, riss die Tür auf und stand nach drei Schritten im dunklen Hof. Seine Taschenlampe flammte auf.

»Hey!«, sagte er dröhnend. »Was soll das?«

Die Frau im Pelzmantel drehte sich zu ihm herum. »Schon gut, Alter«, sagte sie. »Wir bleiben nur eine halbe Stunde!«

Dem alten Horse verschlug es die Sprache. Seit sechs Jahren war er jetzt Nachtwächter bei BMP, aber das war ihm noch nie vorgekommen.

»Was ist?«, fragte jetzt eine männliche Stimme von der linken Seite des Wagens her.

Horace Horse schnaufte erregt. »Dies ist kein öffentlicher Parkplatz!«, grunzte er dann. »Wie kommen Sie eigentlich hier rein?«

»Wir haben dringend etwas zu erledigen«, sagte die Frau im Pelzmantel. »Stellen Sie sich doch nicht so an, in einer halben Stunde …«

»Wie sind Sie reingekommen, habe ich gefragt!«, sagte der Nachtwächter empört.

»Hören Sie mal«, sagte der Mann, der jetzt um die Motorhaube des Wagens herumkam, »Sie sprechen mit einer Lady. Schlagen Sie gefälligst einen anderen Ton an!«

Der Nachtwächter schnappte nach Luft. Er war nicht mehr in der Lage, die Situation zu überblicken. »Das Tor war geschlossen! Wie kamen Sie hier herein?«

»Das Tor war offen!«, behauptete der fremde Mann.

»Das Tor war geschlossen!«, wiederholte der Nachtwächter. Der Strahl seiner Taschenlampe irrte von der Frau zu dem Mann und zurück. »Sie haben das Tor geöffnet! Wer sind Sie?«

»Das geht Sie einen Dreck an!«, sagte der Mann barsch. Er erreichte damit genau das, was er beabsichtigt hatte.

»Das wollen wir sehen!«, sagte Horace Horse mit sich überschlagender Stimme. »Ich rufe die Polizei!«

»Nein, bitte …«, sagte erschrocken die Frau.

Der Nachtwächter war der Meinung, jetzt das richtige Mittel gegen die fremden Eindringlinge gefunden zu haben. »Ich rufe die Polizei!«, sagte er noch einmal.

»Ja, bitte«, sagte der Mann, »rufen Sie die Polizei! Jetzt bestehe ich auch darauf! Ich lasse mich doch nicht von einem dahergelaufenen Nachtwächter …«

»Sie!«, erregte sich Horace Horse. »Das nehmen Sie zurück! Sonst rufe ich wirklich die Polizei!«

»Idiot!«, sagte die Frau im Pelzmantel.

Horse explodierte. »Festgenommen!«, brüllte er. »Sie sind beide festgenommen! Folgen Sie mir in mein Office!«

Die Frau schluchzte unvermittelt los.

»Aber, Mister …«, setzte der fremde Mann an.

Doch jetzt war bei Horse nichts mehr zu machen. Aufgeregt ruderte er mit den Händen. »Los, los!«, befahl er. »Sofort kommen Sie in mein Office und warten dort, bis die Polizei eintrifft!«

Der fremde Mann zuckte mit den Schultern. Dann nahm er die schluchzende Frau im Pelzmantel beim Arm und schob sie in die Richtung, in die der aufgebrachte Nachtwächter wies.

Horace Horse fiel auf das Theater herein. »Hinsetzen!«, herrschte er seine Gefangenen im Büro an und deutete auf zwei klapprige Stühle.

Ohne abzuwarten, ob die beiden auch seinen Befehl befolgten, griff er zum Telefon. In diesem Moment schlug der fremde Mann mit einem Totschläger zu.

Ächzend brach Horace Horse über seinem armseligen Schreibtisch zusammen.

»Benzinkanister!«, befahl der Mann.

»Okay!«, sagte die Frau im Pelzmantel.

***

Schon von weitem sah ich die blinkenden Rotlichter und schließlich das strahlend helle Licht der Batteriescheinwerfer. 300 Meter vor der Unfallstelle stand ein Highway-Polizist und schwenkte eine rote Warnfackel. Langsam fuhr ich an ihn heran.

»Wo kommen Sie denn her? Hier können Sie jetzt nicht …« Mitten im Satz unterbrach er sich, denn er hatte auch das Rotlicht gesehen.

Gleich hinter ihm ließ ich den Jaguar stehen. »Viel Arbeit damit?«, rief ich dem Sperrposten zu.

»Alle diese Fahrkünstler, die nicht einmal auf einer geraden Straße fahren können, machen uns viel Arbeit. Das ist heute der achte Unfall. Es ist aber auch der schwerste und zugleich der unerklärlichste. Auf schnurgerader Straße! Sagenhaft!«

»Kopf hoch, auch dieser Tag geht vorbei!«, rief ich ihm zu, als ich zu Fuß weiterging.

»Irrtum«, rief er mir nach, »vor drei Stunden sollte ich schon abgelöst werden. Aber die Unfälle beschäftigen schon zwei komplette Schichten!«

Sie waren gerade dabei, auf dem grauen Beton der Straße die verschiedenen Fahr-, Brems- und Schleuderspuren einzuzeichnen. Der Rolls-Royce stand links neben der Straße im Buschwerk.

Dass es einmal ein Rolls-Royce gewesen war, wusste ich nur von dem Polizisten hinten an der Kreuzung. Das, was da jetzt verbogen und zerrissen zwischen den Büschen hing, war ein Haufen Blech.

Ein Lieutenant hatte das Kommando.

Ich ging zu ihm hin und nannte meinen Namen.

Er lächelte. »Schade, dass ich Ihnen den Fall nicht aufhalsen kann.«

»Warum wollen Sie ihn mir aufhalsen?«

Er seufzte. »Wissen Sie, wenn auf einer Kreuzung zwei Wagen zusammenstoßen, ist das eine Arbeit von insgesamt zwei Stunden für uns. Mit Schreibarbeit und Zeugenaussage vor Gericht. Aber so was hier? Keine Ursache, kein Zeuge, kein Anhaltspunkt, keine Vermutung. Nichts. Was meinen Sie, wie die Versicherung auf uns rumhackt! Die wollen eine Ursache haben. Der Schlitten kostet ja schließlich …«

»… mehr als 30 000 Dollar.«, ergänzte ich.

»Na also«, sagte er. »Blödsinn, so was! Wer fährt denn auch schon einen englischen Wagen?«

»Ich«, sagte ich.

»Sie machen Witze«, lächelte er unsicher.

»Nein, das ist kein Witz. Ich fahre einen Jaguar. Dort hinten bei ihrem Sperrposten steht er.«

Sein Lächeln wurde wieder strahlend. »Jaguar«, sagte er, »das ist ja auch etwas anderes. Mit dem fliegen Sie ja auch nicht von einer schnurgeraden Straße einfach so in den Wald.«

»Hoffentlich nicht«, entgegnete ich. »Wo ist eigentlich der Mann, der in den Wald geflogen ist?«

»In unserem Vernehmungswagen. Er ist ziemlich angeschlagen.«

Ich ging hinüber zum Vernehmungswagen.

Der Mann saß auf einem Klappstuhl und jammerte laut vor sich hin. »Schweinerei«, schimpfte er, »ich will endlich ein Taxi haben, ich habe eine Verabredung in New York! Ich werde mich beschweren!«

Der Mann war lang, dünn und grauhaarig. Sein Gesicht war hager, und seine Augen waren unter den dichten Brauen kaum zu sehen.

»Sie hatten eine Verabredung, Bedford«, sagte ich laut.

Er fuhr zu mir herum. »Was wissen Sie davon? Wer sind Sie überhaupt?«

»Ich weiß, dass Sie eine Verabredung mit dem Tod hatten. Sie sollten froh sein, dass Ihnen nichts Schlimmeres passiert ist, als eine andere Verabredung nicht einhalten zu können. Übrigens bin ich Cotton vom FBI«.

Er sprang auf. »Nein!«, brüllte er. »Scheren Sie sich zum Teufel! Ich will mit Ihnen nichts zu tun haben! Was geht Sie ein Unfall an?«

»Nichts, Bedford«, sagte ich. »Aber niemand kann mir verbieten, mich um einen mysteriösen Unfall zu kümmern und darüber mit meinen Kollegen von der Highway Police zu sprechen.«

»Entschuldigen Sie«, sagte er dann leise, »aber diese Aufregung! Ich bin immerhin zweiundsechzig!«

»Kann ich mir denken, dass Sie aufgeregt sind. Wenn es meine Kollegen erlauben, kann ich Sie nachher nach New York mitnehmen!«

»Danke«, murmelte er.

»Wie ist denn das passiert?«

Wieder regte er sich auf. »Ich weiß es doch nicht, verdammt, ich weiß es nicht! Da war ein anderer Wagen. Sonst weiß ich nichts. Ohne Licht, unheimlich schnell. Nein, Blödsinn, kein anderer Wagen. Ich war allein. Was interessiert Sie das überhaupt?«

»Unfallschock!«, sagte einer der Beamten leise. »Ein Krankenwagen ist unterwegs. Ein Arzt ist dabei. Der Mann wird gleich seine Spritze bekommen.«

Ich ging wieder hinaus. Einer der Beamten ging mit mir. »Ist das der Magazin-Bedford?«, fragte ich ihn.

»Kann sein«, sagte er. »In seiner Lizenz steht als Beruf Zeitschriftenverleger.«

Ich ging noch mal hinüber zu den Resten des Rolls-Royce. Alles war zerrissen, verbogen, zerfetzt, verkohlt. Die Büsche, in denen das Wrack gelandet war, waren schwarz. Es stank nach verschmortem Gummi und immer noch nach Benzin und Öl. Zwei Feuerwehrleute stocherten herum und suchten nach irgendetwas.

»Wieso ist alles hier außer einem Krankenwagen?«, fragte ich den Lieutenant.

»War schon hier. Sind wieder weggefahren, wegen eines anderen Unfalls mit Schwerverletzten. Bedfords Schock zeigte sich erst später. Zuerst war er ganz vernünftig.«

Die Feuerwehrleute waren immer noch bei dem Wrack. Einer bückte sich und zog etwas unter den Trümmern hervor. Er betrachtete es eine Sekunde lang und zeigte es seinem Kollegen. Der schüttelte den Kopf.

Das Ding flog an den Straßenrand. Es klirrte metallisch. Ich ging hin, bückte mich, nahm ein Taschentuch heraus und hob das Metallgebilde auf. Es war noch warm vom Feuer.

Der Lieutenant kam zu mir.

»Sie haben Glück, Lieutenant«, sagte ich. »Sie können mir den Fall aufhalsen.«

»Wieso?«

Verblüfft schaute er auf das Metallding in meiner Hand.

»Mordversuch«, erklärte ich ihm, »begangen an einem Mann aus New York auf einer Straße in New Jersey. Das ist ein Zwei-Staaten-Fall, für den das FBI zuständig ist.

»Was ist denn das?«

In den letzten Wochen hatte ich wiederholt derartige Dinge gesehen. Auf den ersten Blick schienen es Teufelskrallen zu sein. Also jene Stahlsterne, mit denen sich die Gangster der zwanziger Jahre bekriegt hatten. Neuerdings wiesen sie aber auch eine Variante auf. Irgendjemand war auf die Idee gekommen, dass man Teufelskrallen auch als Schlagringe gebrauchen kann. Dementsprechend waren die Dinger umgebaut worden.

»Das ist eine sogenannte Teufelskralle«, erklärte ich dem jungen Officer. »Aus Eisen, handgeschmiedet. Man wirft das Ding einfach auf die Straße. Ganz gleich, wie es hinfällt: Einer der spitzen Dorne zeigt immer nach oben und zerstört garantiert jeden Reifen. Als Schlagring kann man das Ding auch benutzen.«

Ich wandte mich an die beiden Feuerwehrleute. »Wo ungefähr lag das Ding?«

»Hier etwa«, sagte der Mann, der es gefunden hatte. Er zeigte dahin, wo ein Stück verkohlter Reifen lag.

Mit diesem Wissen ging ich hinüber zum Wagen, in dem Bedford saß.

»Können wir fahren?«, sagte er hoffnungsvoll, als er mich sah.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Bedford. Es wird noch länger dauern. Es ist noch ein neuer Punkt zu klären.«

»Welcher?«, fragte Bedford.

»Wer kann ein Interesse daran haben, Sie zu ermorden?«

»Niemand!«, schrie er hysterisch. »Niemand, niemand!«

»Moment, bitte!«, sagte hinter mir eine Stimme.

»Doc Alsen«, sagte der Lieutenant.

Der Arzt schaute Bedford nur eine Sekunde an. Dann öffnete er seine Tasche, nahm eine Injektionsspritze und eine Ampulle heraus. »Nicht vernehmungsfähig«, sagte er knapp.

»Doc, ich muss …«, wandte ich ein.

»Nicht vernehmungsfähig!« Es klang endgültig und unwiderruflich.

Einen langen Atemzug dachte ich noch nach. Dann stand mein Entschluss fest. »Brechen Sie bitte Ihre Arbeit hier ab, Lieutenant, und rufen Sie mir über Funk die zuständige Mordkommission! Lassen Sie die Straße abgesperrt, und ziehen Sie Ihre Leute von der unmittelbaren Unfallstelle zurück!«

***

Es war zwei Uhr nachts, als ich endlich in unserem District Office ankam. Schon unten sah ich, dass noch Licht brannte.

Phil saß hinter seinem Schreibtisch und schien tatsächlich zu arbeiten. Allen möglichen Kleinkram hatte er vor sich. Unter anderem auch ein halbverbranntes Magazin mit einem leichtbekleideten Mädchen auf der Titelseite.

»Mensch«, sagte ich, »ich arbeite, und du beschäftigst dich mit Magazinen!«

Er lachte laut auf. »Guter Witz! Du fährst spazieren, ich arbeite, und du willst mich auch noch verhöhnen!«

»Vergiss es und gib mir eine Zigarette!«, sagte ich.

Er hielt mir die Packung hin.

»Wie heißt denn der Fall, an dem du so fleißig arbeitest?«, fragte er dabei.

Ich steckte den Glimmstängel an und quetschte dabei den Namen Bedford heraus.

»Idiot!«, sagte Phil.

»Wer, Bedford? Der hat jetzt seine Spritze weg und schläft beruhigt«, knurrte ich.

»Verlass dich drauf, der schläft wahrscheinlich nicht!«, gab Phil bekannt.

»Der Doc hat mir aber ganz so den Eindruck gemacht, als ob er wüsste, welche Spritze notwendig ist, um Bedford …«

Phil schüttelte den Kopf und machte ein Gesicht wie eine verärgerte Bulldogge, der jemand einen Knochen stehlen will. »Von welchem Doc und welcher Spritze redest du eigentlich?«

»Von Doc Alsen und dieser Beruhigungsspritze, die er Bedford im Unfallwagen …«

Jetzt war’s passiert. Phil sprang auf, als wolle er eine Flanke über zwei Schreibtische machen. »Unfallwagen?«

»Ja, Unfallwagen! Was denn sonst?«

Wir schrien uns so an, dass es Evan Sullivan, der diensthabende Einsatzleiter, im Vorbeigehen draußen auf dem Flur hörte.

»Was ist denn hier los?«, steckte er seinen Kopf durch die Tür.

»Sulli«, stöhnte Phil, »bring du es Jerry bei, dass er geistesgestört ist! Der faselt dauernd etwas von Bedford, Spritze und Unfallwagen, und er meint, er hätte mit dem Fall etwas zu tun!«

Sullivan schaute mich verwundert an. »Ich bin zwar bei euch beiden am liebsten neutral, aber diesmal muss ich Phil recht geben. Das Feuer bei Bedford und der Mord an dem Nachtwächter sind so neu, dass du noch gar nichts davon wissen kannst, Jerry. Die City Police hat angerufen und den Verdacht geäußert, dass es sich um ein Bandenverbrechen handelt.«

»Hast du gehört?«, fragte Phil.

Ich grinste ihn freundlich an. Dann wandte ich mich an Sullivan: »Da du heute Nacht hier der Einsatzleiter bist, nimm bitte meine Meldung entgegen, dass ich kurz nach zehn Uhr abends auf dem New Jersey State Highway Nummer 505 im Overpeak County Park einen angeblichen Verkehrsunfall als Mordversuch an einem gewissen Nathan S. Bedford entlarvt und mit der Bearbeitung des Falles begonnen habe.«

Jetzt waren sie beide geschlagen.

Phil brauchte am längsten, ehe er wieder zu sich kam.

»Um Mitternacht«, berichtete mir unterdessen Sullivan, »wurde von einem Passanten in der Pearl Street Feueralarm gegeben. Das Verlagshaus und die Druckerei der Bedford Magazine Publications standen in hellen Flammen. Nach Ansicht der Brandexperten muss das Feuer schon mindestens 90 Minuten gewütet haben, bis die Feuerwehr eintraf. Das Gebäude ist nach der Straße von hohen Mauern abgeschlossen und nicht einsehbar. Das Feuer war erst zu bemerken, als es den Dachstock durchschlagen hatte. Dementsprechend sind die Zerstörungen. In den Trümmern wurde die nahezu verkohlte Leiche eines Mannes gefunden. Anhand der Reste einer Kontrolluhr wird vermutet, dass es sich um den Nachtwächter handelt. Und Reste explodierter Benzinkanister weisen auf Brandstiftung hin.«

Sullivans Bericht war knapp und sachlich. Ich überlegte, welcher Zusammenhang zwischen dem Feuer und dem Mordversuch an Bedford bestehen könnte. Oder sollten die beiden Ereignisse nur zufällig in die gleiche Zeit gefallen sein?

Phil machte diese Theorie zunichte. »Wir haben uns natürlich sofort um Bedford gekümmert«, ergänzte er Sullivans Bericht. »Die Adresse seiner Privatwohnung bekamen wir vom Revierleutnant. 1062, Park Avenue. Wir sind hingefahren, um uns mit dem Mann, dessen Verlag gerade abgebrannt war, ein wenig zu unterhalten. Was meinst du, was wir dort vorfanden?«

»Nichts, denn Bedford befand sich ja unterwegs und war gerade verunglückt«, beantwortete ich seine Frage.

»Denkste«, sagte Phil. »Wir fanden eine offen stehende Wohnungstür, ein zerstörtes Schloss und eine durchwühlte Wohnung. Unsere Spurensucher sind jetzt noch dort. Deshalb sitze ich hier und warte.«

»Drei fatale Ereignisse innerhalb kurzer Zeit«, murmelte ich. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als noch einmal zum Unfallort zurückzukehren und genau festzustellen, wie alles überhaupt passiert ist. Um die Druckerei kümmert sich schon die City Police.«

2

Ich brauchte genau 40 Minuten, um mit dem Jaguar zum Unfallort zurückzukehren. Die Kollegen von der Highway Police waren noch anwesend.

Kopfschüttelnd besah sich Phil die Spuren. »Vielleicht hat ihn ein Lastwagen überholt, Bedford kann ja langsam gefahren sein«, gab er zu bedenken.

»Nein, das glaube ich nicht. Gegen diese Theorie spricht das Ausmaß des Unfalls. Außerdem jammerte Bedford dauernd, dass er eine wichtige Besprechung in New York habe. Wenn ich mich nicht irre, dann sagte der Lieutenant vom Unfallkommando etwas von zehn Uhr. Der Unfall ereignete sich aber erst kurz nach zehn. Bedford muss es also sehr eilig gehabt haben.«

Phil nickte verstehend. »Er muss gerast sein, als seien tausend Teufel hinter ihm!«

»Eben. Und einen Lastwagen, der einen eiligen Rolls-Royce überholt, gibt es nicht. Dieser Silver Cloud läuft etwas über hundert Meilen. Wenn das also Lastwagenspuren sind, dann war dieses Fahrzeug unbeteiligt.«

Der Kriminalbeamte schaltete sich ein. »Die gleichen Spuren sind noch einmal festgehalten worden.« Er deutete in die Gegenrichtung. »Etwa 300 Meter von hier, in einer Feldwegeinmündung.«

Wir gingen hin.

Wieder diese riesigen Reifen, diesmal in einem unverkennbaren Muster. Der Wagen hatte hier gewendet.

»Wenn das ein Lastwagen war, bin ich ein Hubschrauber!«, behauptete Phil. »Schau dir mal die engen Kurven an! Es gibt keinen Lastwagen, der einen so engen Wendekreis hat. Und hier …«

Phil war mehrere Schritte in den Feldweg hineingegangen, bis an das Ende der Spur. Hier hinten war nicht mehr das Profil abgedrückt, sondern wir sahen Schleifspuren. Das typische Zeichen eines hastigen Anfahrens, bei dem die Räder durchgedreht haben mussten.

Nein, es war doch kein Lastwagen.

»Wir fahren nach Fort Lee zurück, zur Mordkommission. Vielleicht haben die aus den Spuren schon mehr herausgelesen«, sagte ich.

Als wir zum Jaguar zurückgingen, spazierte Phil mitten auf der Straße. Ab und zu trat er gegen ein Steinchen, und ständig blickte er vor sich auf den Beton, als suche er etwas.

»Die werden wohl schon alles mitgenommen haben, Phil«, rief ich ihm zu, als er schon am Jaguar vorbei war.

Plötzlich blieb er stehen. »Das hier können sie nicht mitnehmen!« Er deutete auf eine Stelle zu seinen Füßen.

Im Beton war ein kleiner, heller Fleck, fast so, als sei dort ein kleinkalibriges Geschoss eingeschlagen. Ich lief schnell zum Jaguar und holte mein Werkzeug.

Unter der Lupe zeigte es sich, dass der Fleck tatsächlich eine Vertiefung mit hochgewölbten Rändern war. »Achtung, Sir!«, brüllte einer der Polizisten. In der Ferne kam ein Fahrzeug heran.

»Anhalten – Straße sperren!«, rief ich zurück.

»Okay!« Die drei uniformierten Beamten handelten blitzschnell. Ich konnte ungestört weiterarbeiten, während ein Milchwagenfahrer aus dem Fenster seines Wagens schimpfte.