Jerry Cotton Sonder-Edition 48 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 48 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Wir erhielten ein Amtshilfeersuchen aus Texas. Es ging um einen gewissen Tim Horgensen, der wegen Raubmord gesucht wurde und sich in New York aufhalten sollte. Es dauerte keine zwölf Stunden, dann hatten wir ihn festgesetzt. Doch damit war der Fall nicht abgeschlossen, denn bei Horgensen begann die Todesspur der Rache ...

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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Todesspur der Rache

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Das Kartell«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4530-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Todesspur der Rache

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Der Generalstaatsanwalt von Texas suchte ihn wegen Raubmordes. Da gewisse Anzeichen darauf hindeuteten, dass er sich nach Norden gewandt hatte, bat der Generalstaatsanwalt die Zentrale des FBI in Washington um Amtshilfe.

Die Sache nahm ihren üblichen Verlauf: Von Washington aus wurden sämtliche FBI-Distrikte der Vereinigten Staaten von der Suche unterrichtet. Über Fernschreiben liefen Fahndungsauftrag, Aktenzeichen des Haftbefehls, Personenbeschreibung und eine Schilderung des Tathergangs. Über Bildfunk gerieten wir in New York in den Besitz einer ausnahmsweise recht deutlichen Fotografie. Eine Kleinigkeit fiel sofort ins Auge: Der Gesuchte besaß ein ungewöhnlich kantiges Gesicht mit zwei Grübchen darin.

»Zwei Grübchen!«, staunte mein Freund Phil Decker, als er das Bild betrachtete. »Daran könnte ihn ein Kind erkennen.«

Wir studierten die übrigen Unterlagen. Der Bursche hieß Tim Horgensen, aber seine Bekannten nannten ihn Timmy den Cowboy, weil er jahrelang auf einer Farm als Viehtreiber gearbeitet hatte. Er war 28 Jahre alt und hatte immerhin schon zwei Jahre im Militärgefängnis von Leavenworth zugebracht, weil er Uniformstücke, also Eigentum der Vereinigten Staaten, verkauft hatte.

Wie üblich ließen wir Foto, Personenbeschreibung und Fahndungsauftrag im District Office kursieren und von jedem Kollegen abzeichnen, damit sichergestellt war, dass auch jeder New Yorker Agent von der Sache wusste.

Abends, um halb elf, rief mich Theodore B. Marlowe an, und sein Anruf brachte mich auf Trab. Ich telefonierte mit Phil und verließ wenige Minuten später auch schon die Wohnung.

An einer Straßenecke im mittleren Manhattan bremste ich den Jaguar ab.

Phil schnippte den Rest seiner Zigarette in den Rinnstein. Er kam schnell heran und stieg ein. Phil gähnte.

Phil schien allmählich seine Schläfrigkeit überwunden zu haben und fragte: »Was ist nun eigentlich los?«

Ich erzählte es ihm. »Unser Kollege Todd Marlowe, war auf dem Weg nach Hause und kam dabei wie immer an dem Kino in der 71st Street vorbei. An dieser kleinen Bude, die nur Western zeigt und das in acht Vorstellungen täglich. Zwei Blocks vom District Office entfernt. Du müsstest das Kino kennen.«

»Natürlich, wir sind doch schon zusammen drin gewesen. Was ist damit?«

»Todd fuhr sehr langsam, um im Vorbeifahren einen Blick auf die ausgehängten Plakate zu werfen. An der Kasse kaufte ein Mann gerade eine Eintrittskarte. Er stand im vollen Licht der Eingangsbeleuchtung. Und weißt du, wer es war?«

»Ich bin doch kein Hellseher.«

»Es war Timmy der Cowboy.«

Ich hörte, wie Phil scharf die Luft einzog. Aber dann meinte er skeptisch: »Das glaube ich nicht.«

»Todd kann natürlich nicht ausschließen, dass er sich geirrt hat. Aber er ist ziemlich sicher. Die Grübchen im Kinn fielen ihm sofort auf.«

»Timmy der Cowboy!«, wiederholte er kopfschüttelnd; »Wir haben heute Morgen erst den Fahndungsauftrag erhalten, und heute Abend sollen wir den Burschen schon zu Gesicht bekommen? Ausgerechnet in New York? Das ist mehr als unwahrscheinlich.«

Phil zündete zwei Zigaretten an und schob mir eine zwischen die Lippen, während ich in die Einfahrt zum Hof hinter dem District Office einbog. Als ich den Zündschlüssel abzog, sah ich, dass mein Freund auf einmal grinste.

»Was ist so lustig?«, fragte ich.

»Na ja«, brummte er. »Es gäbe ja einen Mordsspaß, wenn es wirklich Timmy der Cowboy gewesen wäre, den Todd gesehen hat. Heute früh kam der Fahndungsauftrag – und heute Abend teilen wir ihnen mit dass sie ihren Vogel bei uns abholen können. Das müsste sogar einen Texaner beeindrucken.«

»Noch haben wir ihn nicht.«

Wir fuhren hinauf zu unserem Office. Es brannte Licht. Todd hockte auf meinem Drehstuhl, hatte sich den Hut ins Genick geschoben und zermahlte zwischen seinen kräftig ausgebildeten Kiefern einen Kaugummi.

»Hallo!«, rief er, als wir eintraten. »So schnell hatte ich euch gar nicht erwartet. Ich habe zwei Mann aus der Bereitschaft in die Straße geschickt, damit sie das Kino im Auge behalten.«

»Gut«, sagte ich. »War er allein, als du ihn sahst?«

»Ja. Die Vorstellung endet ungefähr um halb eins. Zehn Minuten später beginnt die letzte Nachtvorstellung.«

»Ich glaube nicht, dass wir zugreifen können, wenn er aus dem Kino rauskommt«, bemerkte Phil. »Womöglich stehen schon Leute herum, die auf den Beginn der nächsten Vorstellung warten. Und bei dem Kerl müssen wir ja damit rechnen, dass er eine Schießerei anfängt.«

»Beschreibe uns erst einmal, welche Kleidung er trug!«, bat ich Todd.

»Das ist schnell gemacht: hellgrauer, einreihiger Anzug mit dunkler Krawatte, weißes Hemd und braune Halbschuhe.«

Ich stutzte. »Keinen Hut?«

Todd schüttelte den Kopf.

»Auch keinen Mantel?«

»Nein.«

»Aber seit kurz vor zehn hat es geregnet. Bis zu dem Zeitpunkt wo du mich angerufen hast Todd. Demnach hätte sein Anzug nass sein müssen. Wo hellgrauer Stoff nass wird, erscheint er dunkler.«

Todd schüttelte entschieden den Kopf. »Davon war nichts zu sehen. Der Anzug sah so piekfein aus, als wäre er vor fünf Minuten erst von der Stange gekommen.«

»Er kann mit einem Taxi zum Kino gekommen sein«, gab Phil zu bedenken.

»Stimmt«, räumte ich ein. »Trotzdem stört mich der Umstand, dass er keinen Mantel getragen hat. Bei dem Wetter zieht jeder vernünftige Mensch einen Regenmantel oder einen Trenchcoat an. Jeder, der sich überhaupt einen Mantel leisten kann. Und Timmy der Cowboy kann sich bestimmt einen Mantel leisten.«

»Moment mal!«, rief Todd. »Unmittelbar neben dem Kino liegt ein kleines Hotel! Wer zieht schon extra einen Mantel an, wenn er praktisch nur zehn Schritte zu gehen braucht!«

»Es ist eine Möglichkeit«, gab ich zu. »Das werden wir gleich haben.«

Da keinem von uns der Name des Hotels einfiel, beschrieb ich dem Mädchen in unserer Telefonzentrale die Lage und bat sie, die Rufnummer ausfindig zu machen. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis wir das Hotel an der Strippe hatten.

Bei den Angestellten gewisser Kneipen und Hotels weiß man nie, ob sie nicht versuchen werden, die Polizei aufs Kreuz zu legen. Ich entschied mich also dafür, ein kleines Theater aufzuführen.

»Hier ist Buck Mitchell«, sagte ich in leutseligem Tonfall. »Ich bin Buchmacher und habe jemand einen Gewinn auszuzahlen. Helfen Sie mir, den Glücklichen zu finden? Möglich, dass dabei was für Sie abfällt.«

»Sie sollten Sänger werden, Mister. Ihre Stimme hört man so gern. Wie kommen Sie ausgerechnet darauf, dass ich Ihren kommenden Millionär finden könnte?«

»Passen Sie mal auf, mein Junge! Bei mir hat einer auf Sieg und Platz im 3. Weverley-Rennen gewettet. Er sagte, ich solle ihn anrufen, wenn er wirklich gewinnen sollte, aber ich Trottel habe den Zettel mit seinem Namen und Hotel verlegt. Es war ein Hotel in den 70er Straßen, das weiß ich noch. Sie sind jetzt schon das vierte, das ich anrufe.«

»Dann muss es sich ja lohnen.«

»Er hat zweihundert Bucks gesetzt. Und das bei einer Quote von neun zu eins.«

Im Hörer erklang ein Pfiff. Dann folgte die Frage: »Und wie sieht der Glückspilz aus?«

Ich rasselte die Beschreibung von Timmy dem Cowboy herunter, gab mir aber Mühe, sie nicht allzu routiniert klingen zu lassen. Als ich bei den Grübchen im Kinn angekommen war, wurde ich unterbrochen: »Genügt Mister. Der Mann wohnt bei uns. Er heißt Roone, Tom Roone. Ist gestern Nacht erst angekommen. Im Taxi und mit vier schweren Koffern.«

»Fein. Verbinden Sie mich mal mit ihm! Ich werde darauf hinweisen, dass ich ihn nur durch Ihre Hilfe gefunden habe.«

»Mister Roone ist nicht da. Er wollte nebenan ins Kino. Aber ich sage es ihm, wenn er zurückkommt. Weiß er, wo Sie zu erreichen sind?«

»Ja, das weiß er. Vielen Dank.« Ich legte auf.

Phil hatte schon den Hörer seines Apparates in der Hand und sagte gerade: »Hier ist Phil Decker. Ich brauche vier Mann aus der Bereitschaft. Einer soll eine Maschinenpistole mitbringen.«

***

Der Clerk hinter dem Empfangspult war ein junger Bursche von etwa 20 Jahren. Als wir mit sieben Mann durch die Drehtür gewirbelt kamen, ließ er ein Magazin unter dem Tisch verschwinden und begrüßte uns mit einem breiten, freundlichen Grinsen.

Ich sah mich rasch in der Halle um. Es gab zwei Sitzgruppen, die aus je einem runden Tisch und ein paar durchgesessenen Ledersesseln bestanden. Die Teppiche waren abgenutzt und die rotgeblümte Tapete war vergilbt von Zeit und Rauch.

Der Drehtür lag eine Treppe gegenüber. Rechts davon befand sich ein Fahrstuhl, links führte eine Schwingtür irgendwohin. Ich nickte einem Kollegen aus der Bereitschaft zu, und er verschwand augenblicklich hinter dieser Schwingtür.

»Eh!«, rief der Clerk. »Wo wollen Sie denn hin?«

Ich trat an sein Empfangspult und legte meinen Dienstausweis vor ihn hin. »Kein Grund, Radau zu machen«, sagte ich. »FBI. Wohnt dieser Mann bei Ihnen?«

Ich legte das Foto von Timmy dem Cowboy neben meinen Ausweis. Der junge Bursche warf nur einen kurzen Blick darauf, dann nickte er auch schon. »Roone, ja. Hat er was ausgefressen?«

»Raubmord«, sagte ich knapp.

Der Junge wurde blass.

Ich sah auf meine Uhr. Es blieb uns noch etwa eine halbe Stunde. »Welches Zimmer hat er?«, fragte ich.

»Zweihundertzwölf.«

»Haben Sie einen Schlüssel?«

Meine Frage war rein rhetorisch, denn am Schlüsselbrett hinter dem Pult konnte man den Schlüssel unter der Zahl 212 hängen sehen. Der Junge griff danach.

»Hören Sie zu!«, sagte ich eindringlich. »Wenn er hereinkommt, darf er nichts merken. Fliehen kann er ohnedies nicht mehr. Wir haben weitere Leute draußen auf der Straße aufgestellt. Aber wenn ihm hier etwas auffällt, wird es draußen zu einer Schießerei kommen, und dabei könnten harmlose Passanten in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier drin kann das nicht so leicht passieren. Verstehen Sie?«

Der Junge schluckte ein paar Mal, dann nickte er.

»Wir können nicht jede Etage besetzen«, fuhr ich fort, »und deshalb möchte ich, dass der Fahrstuhl nicht funktioniert, wenn er hereinkommt. Wie können wir das machen?«

»Der Fahrstuhl?«, wiederholte er.

Ich nickte, während ich Phil den Schlüssel zuwarf. Er fing ihn auf und rannte mit den anderen Kollegen die Treppe hoch.

Unterdessen dachte der Junge mit gerunzelter Stirn nach. »Wie wär’s«, fragte er unschlüssig, »wenn ich einfach den Strom für den Fahrstuhl abschalte?«

»Tun Sie’s!«, erwiderte ich.

Er nickte, drehte sich um und zog ein Türchen auf, das neben dem Schlüsselbrett in die Wand eingelassen war. Der Junge drückte den Hebel hinunter. Das Licht im Stockwerkanzeiger über dem Fahrstuhl erlosch. Ich wollte auf Nummer Sicher gehen und drückte den Knopf neben der Fahrstuhltür. Nichts rührte sich.

»Großartig«, sagte ich. »Jetzt legen Sie mir Ihr Gästebuch aufgeschlagen hier hin. Welches Zimmer in der 2. Etage ist noch frei?«

»Zweihundertdreizehn«

Ich schüttelte den Kopf. »Es könnte ihm auffallen, wenn ich ein Zimmer bekomme, das unmittelbar neben seinem liegt. Ein anderes.«

»Zweihundertneunzehn. Das liegt am anderen Ende des Flurs.«

»Okay. Jetzt hören Sie mal genau zu! Sobald er hereinkommt, drehen Sie sich um und nehmen den Schlüssel für 219 vom Haken. Wir tun so, als hätte ich gerade bei Ihnen ein Zimmer gemietet verstanden?«

»Ja.«

Sein Gesicht sah blasser aus als vorhin. Es gefiel mir nicht, aber was sollte ich dagegen tun? Ich zündete mir eine Zigarette an und sah auf die Uhr. Noch ungefähr 20 Minuten.

Nachdenklich betrachtete ich die beiden prall mit Akten voll gestopften Taschen, die ich vor dem Empfangspult abgestellt hatte. Ein bisschen Gepäck musste ich schließlich vorzuweisen haben, wenn ich als ein eben angekommener Hotelgast gelten wollte. Wäre die Halle unübersichtlicher gewesen, wären wir mit zwei Mann am Empfang stehen geblieben. Jetzt hatte ich eine Tasche zu viel, denn eine Hand musste ich frei behalten.

Ich wuchtete eine der schweren Taschen über das Pult. »Stellen Sie sie beiseite, bis wir gehen!«

»Ja, Sir.«

Auf der Treppe wurden Schritte laut. Ich drehte mich um. Todd Marlowe kam herunter. Seine Kiefer mahlten noch immer auf dem Kaugummi. Er legte den Schlüssel für 212 auf das Pult.

»Wir haben alles vorbereitet«, sagte er halblaut zu mir.

»Wo liegt sein Zimmer?«

»Links von der Treppe. Die zweite Tür.«

»Wie habt ihr euch verteilt?«

»Zwei Mann warten auf der Treppe, die zum nächsten Stockwerk emporführt. Sobald das Zeichen kommt schneiden sie ihm den Rückweg ab. Wir anderen warten in seinem Zimmer.«

»Okay. Es bleibt dabei: Lasst ihn erst in sein Zimmer, bevor ihr euch bemerkbar macht! In seinem Zimmer ist es am sichersten, da kann uns niemand in die Schussbahn laufen.«

»Ja, natürlich. Phil durchsucht sein Gepäck. Einen 45er Colt hat er schon gefunden.«

Todd nickte mir zu und lief wieder die Stufen hinauf. Der Clerk hängte den Schlüssel für Timmys Zimmer zurück. Ich zog an meiner Zigarette. Nach meinem Ermessen war die Falle so aufgebaut dass eigentlich nichts schief gehen konnte.

Der junge Mann hinter dem Empfangspult wusste vor Nervosität nicht mehr, wo er seine Hände lassen sollte. Ich hielt ihm meine Zigarettenschachtel hin. Er lehnte mit der Bemerkung ab, dass er noch nie geraucht habe.

»Wann ist dieser Bursche eigentlich angekommen?«, fragte ich.

»Gestern Abend. Kurz vor Mitternacht. Er kam mit einem Taxi. Und kaum hatte er seine vier Koffer droben verstaut da ließ er sich von mir das Telefonbuch von Brooklyn geben, suchte eine Adresse heraus und verlangte ein Taxi.«

»Können Sie sich an die Nummer des Taxis erinnern?«

»Nein, Sir. Tut mir leid.«

»Hm«, brummte ich und drückte meine Zigarette aus. Es war merkwürdig. Aus den Unterlagen, die wir hatten, ging nicht hervor, dass Timmy zeit seines Lebens schon einmal in New York gewesen war. Er aber hatte sich aus dem Telefonbuch eine Adresse in Brooklyn herausgesucht.

»Wann kam er zurück?«, fragte ich.

»Irgendwann zwischen fünf und sechs heute Morgen.«

Timmy der Cowboy hatte sich also in Brooklyn die Nacht um die Ohren geschlagen. Ich knöpfte meinen Mantel auf und lockerte den Smith & Wesson 38 Special im Schulterhalfter. Dann griff ich zum Kugelschreiber und beugte mich über das Gästebuch.

»Die Zeit vergeht …« Der Junge brach mitten im Satz ab und starrte über mich hinweg auf die Tür.

Ich hörte das leise Kratzen, mit der die Borsten an den unteren Enden der Drehtürflügel über den Boden strichen. Dem Clerk fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. Ich tat, als ob ich soeben meine Eintragung ins Gästebuch beendet hätte, und fragte schnell: »Welche Zimmernummer habe ich?«

Dabei drehte ich das Gästebuch so zu ihm hin, dass ihm eine Ecke in den Magen stieß. Er kam zu sich, wandte sich schnell dem Schlüsselbrett zu und sagte: »Zweihundertneunzehn, Sir. Guten Abend, Mister Roone. Hier ist Ihr Schlüssel.«

Ein ausgestreckter Arm griff an mir vorbei. Ich bückte mich nach meiner Tasche. Als ich mich aufrichtete, marschierte Timmy bereits zum Fahrstuhl. Der Clerk rief ihm nach: »Sie müssen die Treppe benutzen, Mister Roone. Tut mir leid, aber mit dem Fahrstuhl ist irgendwas nicht in Ordnung. Ich habe die Firma schon angerufen, aber vor morgen früh können sie niemand schicken.«

Timmy der Cowboy grunzte nur etwas Unverständliches und ging zur Treppe.

Ich nahm den Schlüssel und sagte: »Lassen Sie mich um acht wecken, ja?«

»Um acht Uhr, selbstverständlich, Sir.«

Timmy war genau eine halbe Treppe vor mir. Als ich den Fuß auf die unterste Stufe setzte, bog er auf dem Treppenabsatz gerade um die Ecke. Für einen Augenblick trafen sich unsere Augen. Ich gähnte ungeniert. Timmy verschwand hinter dem Treppenabsatz. Aber jetzt war ich sicher, dass er es wirklich war. Der eine Blick hatte mir genügt.

Ich hörte seine Schritte vor mir und bekam ihn jedes Mal auf dem nächsten Treppenabsatz für eine Sekunde zu sehen. Er drehte sich nicht mehr um. Als ich den Flur der Etage erreicht hatte, schob Timmy gerade den Schlüssel ins Türschloss.

Ich blieb stehen und sah zuerst auf das Nummernschild an meinem Schlüssel und dann auf die Nummer an der nächsten Tür. Ich wandte den Kopf nach rechts und tat als suchte ich mein Zimmer. Ich hörte, wie Timmy aufschloss. Um ihm den Rücken zuzuwenden, machte ich ein paar Schritte nach rechts. Dabei hob ich den rechten Unterarm, ließ den Schlüssel in die innere Brusttasche meines Jacketts rutschen und zog auf dem Rückweg den Dienstrevolver heraus. Mit dem Daumen spannte ich den Hahn und drehte mich um.

Timmys Tür stand sperrangelweit offen. Die Flurbeleuchtung war trübe, aber gegen das finstere Zimmer musste sich Timmys Gestalt scharf und deutlich auf der Schwelle abzeichnen. Schneidend drang aus der Dunkelheit des Zimmers Phils Stimme: »Keine Bewegung, Timmy Horgensen!«

Ich ließ meine Tasche einfach fallen und stieß einen kurzen Pfiff aus. Von der Treppe, die hinauf in die nächste Etage führte, kam das hastige Getrappel von Schritten. Vorsichtig ging ich von hinten auf Timmy zu.

Urplötzlich warf er sich herum und knallte die Tür dabei zu. Seine Rechte fuhr empor.

»Stopp!«, sagte ich schnell und hob den Revolver. Für einen Sekundenbruchteil sah er mich verdutzt an.

»FBI, Timmy«, rief ich. »Du hast keine Chance! Reck die Arme zur Decke!«

Neben mir tauchten die beiden Kollegen auf, die auf der Treppe gewartet hatten. Vor mir flog Timmys Zimmertür auf, und Phil drängte mit den anderen heraus. Timmy hatte nicht die Spur einer Chance. Wie Kletten hingen sie plötzlich an seinen Armen, und bevor er sich’s versah, schnappten auch schon die Handschellen ein. Ich entspannte den Revolver und schob ihn zurück ins Schulterhalfter.

»Na also«, sagte ich. »Das hätten wir.«

Sie führten Timmy ab. Phil gab mir einen Wink und ging zurück in das Zimmer, wo jetzt das Licht brannte. Mein Freund zeigte auf den Tisch. Zwei dicke Bündel Banknoten lagen dort.

»Ich fand sie in einem seiner Koffer. Der Glitzerkram von dem Juwelier in Texas ist auch da. Aber das da sind zweimal fünftausend Dollar Bargeld. Wo hat er die her, Jerry?«

»Aus Brooklyn«, sagte ich seufzend. »Er war gestern Nacht in Brooklyn, gleich nachdem er hier angekommen ist. Die Adresse hat er sich aus dem Telefonbuch herausgesucht. Aber wer, zum Teufel, gibt einem gesuchten Raubmörder zehntausend Dollar? Kannst du mir das verraten?«

Phil warf sich in den nächsten Sessel. »Nein«, knurrte er. »Und ich dachte, mit seiner Verhaftung wäre der Fall für uns erledigt, und wir könnten endlich ins Bett gehen …«

»Wir werden ihn kurz verhören«, schlug ich vor. »Und dann, zum Teufel, werden wir ins Bett gehen. Um die Herkunft dieses verdammten Geldes können wir uns morgen auch noch kümmern.«

***

»Ich werde euch eine Klage wegen Freiheitsberaubung hinknallen, dass euch Hören und Sehen vergeht«, versprach Timmy der Cowboy, kaum dass er in unserem Office Platz genommen hatte.

»Einverstanden«, sagte ich. »Inzwischen können wir uns vielleicht ein paar Minuten unterhalten.«

Phil kam mit drei Bechern Kaffee von der Kantine zurück und stellte wie selbstverständlich einen vor unseren Häftling hin.

Timmy machte ein verkniffenes Gesicht. »Damit könnt ihr bei mir nicht landen«, brummte er. »Ich möchte erst mal wissen, was mir überhaupt vorgeworfen wird. Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren. Das steht mir zu!«

»Na, sicher doch«, beruhigte ich ihn. »Wir wollen Sie wirklich nicht im Ungewissen lassen. Phil, wie war das doch? Warum haben wir ihn eigentlich verhaftet?«

Mein Freund nippte an dem Kaffee, zündete sich eine Zigarette an und wühlte in den Akten, die vor ihm auf seinem Schreibtisch lagen.

»Verdammt, ja«, meinte er zerstreut »warum haben wir ihn hochgehen lassen? Da war doch irgendein Fahndungsauftrag … Wo liegt das Ding bloß?«

Timmy schnaufte. In seinen grauen Augen stand eine Spur von Unsicherheit. »Lasst dieses blödsinnige Theater!«, fauchte er. »Irgendeinen Grund müsst ihr schließlich haben! Und wenn dieser Grund auch verdammt falsch ist.«

Ich tippte auf ein Blatt Papier, das ich mittlerweile aus meinen Aktenstapeln hervorgekramt hatte. »Ich hab’s, Phil«, sagte ich gelassen. »Der Generalstaatsanwalt von Texas ist scharf auf unseren Freund. Haben Sie eine Ahnung, Horgensen, warum ein so wichtiger Mann wie der Generalstaatsanwalt eines Bundesstaates unbedingt mit Ihnen reden möchte?«

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte unser Unschuldsrabe. »Ich habe mir nichts zuschulden kommen lassen.«

»Das ist das Pech in unserem Beruf«, meinte ich wehmütig. »Wir kriegen immer nur Unschuldige. Verbrecher gibt’s überhaupt nicht mehr. Ich möchte bloß wissen, wer sich alle diese blutrünstigen Märchen immer einfallen lässt, die jedes Jahr in der Kriminalstatistik aufgeführt sind.«

Vielleicht hatte Timmy von uns irgendeinen harten Kurs erwartet. Unsere freundlich-spöttische Ironie machte ihn noch unsicherer. Er fing an, auf dem Stuhl hin und her zu rutschen, und hielt sich schließlich an seinem Kaffeebecher fest. »Ich verlange, dass ich sofort wieder freigelassen werde!«, verkündete er.

Ich schüttelte bedauernd den Kopf. »Horgensen, ich fürchte, das lässt sich nicht einrichten. Der Generalstaatsanwalt von Texas behauptet, Sie hätten vor fünf Tagen einen Juwelier in seinem Geschäft überfallen, mit einer schweren Silberfigur totgeschlagen und anschließend die Vitrinen ausgeraubt.«

»Ich?« Timmys Gesicht drückte beleidigte Unschuld aus.

»Ja, Sie«, fuhr mein Freund fort. »Ein Mann namens Tim Horgensen, genannt Timmy der Cowboy. Und das sind Sie doch, nicht wahr? Auch wenn Sie sich im Hotel als Roone eingetragen haben.«

»Ich gebe zu, dass ich Tim Horgensen heiße. Aber das ist auch alles. Ich habe niemand überfallen! Wie käme ich dazu?«

»Das steht auf einem anderen Blatt«, sagte ich. »Ihre Motive können Sie den Geschworenen in Texas erzählen. Wir sind an der Sache nur so weit interessiert, als wir um Hilfe gebeten wurden. Jetzt ist diese Sache für uns erledigt.«