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Ich war undercover unter dem Namen Dean Harsher unterwegs und fuhr mit 20.000 Dollar in der Tasche nach Miami. Dort sollte ich das Geld an den Pokertischen der Nightclubs in Kokain, Heroin und LSD umsetzen, um den mächtigsten Gangsterboss zu überführen, der in Florida mit Rauschgift handelte. Doch damit tappte ich geradewegs in eine lebensgefährliche Falle!
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Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Höllenkommando
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: (Film) »Infiziert - Mit Todesviren «/ddp-images
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4715-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Höllenkommando
1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.
Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:
»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«
Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.
Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.
1
»Florida«, sagte Mr High und bedeckte auf der Karte die Halbinsel mit der Hand. »Amerikas größter Ferienrummelplatz. Achtzig Millionen Besucher in jedem Jahr. Von Kap Kennedy aus verpulvert die Raumfahrtbehörde sechzig Prozent der bewilligten Mittel in Raketenstarts. Die Entfernung zu den Bahamas-Inseln beträgt nur zweihundert Meilen, zu Kuba rund dreihundert. Der Schmuggel blüht nirgendwo so üppig wie in der karibischen See.«
Ich nickte.
Er kam von der Karte zu seinem Schreibtisch zurück. »Das Rauschgiftkomitee hat festgestellt, dass in Florida heute nicht weniger Rauschgift umgesetzt wird als in New York und Chicago zusammen. Die besondere Gefahr liegt darin, dass die Touristen in leichtsinniger Ferienstimmung zum ersten Mal mit Heroin, Marihuana und LSD in Berührung kommen, später zu Hause als echte Süchtige wieder und wieder das Zeug verlangen und die Umsätze der Gangsterbosse in die Höhe treiben. Wenn wir Florida trockenlegen, treffen wir gleichzeitig den Rauschgifthandel in allen Staaten unseres Landes.«
Der Chef lächelte mich an. »Der FBI-Direktor in Washington wünscht, dass Sie nach Miami in die Ferien fahren, Jerry.« Er schob mir einen großen, versiegelten Umschlag zu. »Sie finden darin alle Papiere, die Sie zu Mister Dean Harsher machen, einem etwas anrüchigen Gentleman, der über beachtliche Barmittel verfügt.«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Ihr Scheckkonto trägt die Nummer 2845-00«, fuhr Mr High fort, »und Sie können davon unter dem Namen Harsher bis zu 20.000 Dollar abheben. Staatsgeld, versteht sich. Gehen Sie sparsam damit um! Nach dem Einsatz müssen Sie über jeden Cent Rechenschaft ablegen.«
»Ich weiß«, seufzte ich. »Solche Einsätze kosten mich bei der Spesenabrechnung die Hälfte meines Gehalts. Die Kollegen in der Abrechnungsabteilung kapieren nicht, dass man vom Hotelportier keine Quittung fürs Trinkgeld verlangen kann.«
»Warum nicht?«, entgegnete der Chef. »Der alte Rockefeller hat es auch getan.«
»Bin ich Rockefeller?«
»Sie sind ein ganz brauchbarer FBI-Beamter«, antwortete der Chef lachend. »Deshalb ermächtigt Sie die Zentrale, jede Sorte Rauschgift zu kaufen, wenn das zum Ziel Ihres Einsatzes beiträgt. Und das ist: Entlarvung und Ausschaltung der oder des großen Drahtziehers im Florida-Rauschgifthandel. Fotokopien aller Akten stehen Ihnen für drei Tage zur Verfügung. Sie arbeiten auf eigene Faust.« Er wandte sich Phil zu. »Sie gehen als Jerrys Verbindungsmann nach Jacksonville. Nur über Sie fordert Jerry Informationen oder Unterstützung an. Möglich, dass Sie einige Wochen in Miami bleiben müssen, bevor Sie eine Spur finden. Wir geben Ihnen jede Zeit.«
»Ohne Anrechnung auf den Urlaub?«, fragte Phil.
Mr High nahm die Frage nicht ernst. »Ohne Anrechnung«, bestätigte er. »Aber ich wette, dass Sie freiwillig auf den nächsten Urlaub verzichten, wenn Sie vier Wochen im Ferienparadies Florida gearbeitet haben.«
»Ich verzichte nicht, Sir«, antwortete Phil und erlaubte sich ein Grinsen. »Für mich kommt nur eine einsame Jagdhütte im nördlichen Kanada als Urlaubsort infrage.«
»Nun, zunächst fahren Sie mal nach Süden.«
2
Die Garderobenfrau nahm mir den Hut ab. Sie war so sparsam bekleidet, dass ich mich fragte, ob ich ihr den Hut nicht schenken sollte. Nun, der Hut würde auch nicht viel helfen, also behielt ich ihn und gab der Frau lieber einen Dollar. Als ich den Club betrat, beschäftigte mich immer noch das Problem, wo die Kleine den Dollar untergebracht haben mochte. An ihrem Bikini gab es keine Taschen.
Die Mitglieder der Band, die Kellner und die Mixer trugen Piratenkostüme, die Animierdamen trugen Badeanzüge oder die weibliche Variante der Piratenkluft: schwarze Stiefel, ein Nichts von einem roten Rock, eine bunte, vielfach zerfetzte Bluse und eine Menge Ringe, Ketten und Armreife. Die beiden Ladys, die mich ansteuerten, schepperten wie eine Schrottladung.
»Verschieben wir die Sache auf später«, schlug ich vor. »Ich bin nicht zu kapern.«
»Aber wir«, antworteten sie wie aus einem Mund.
Ich klopfte auf die Stelle meiner Jacke, unter der Männer ihre Brieftasche zu tragen pflegten. »Ich leide an Munitionsmangel und kann die Schlacht nicht annehmen.«
Sie drehten ab und nahmen ihre Kreuzfahrt quer durch den Nachtklub wieder auf. Ich ging an der Bar vor Anker. Der Hocker an der äußersten rechten Ecke war noch frei. Auf dem Platz daneben saß eine ungefähr dreißigjährige Frau in einem roten Abendkleid, das erst eine Handbreit unterhalb der Schultern begann. Nun, die Lady konnte es sich leisten. Sie besaß eine makellose samtbraune Haut, langes schwarzes Haar, das einiges von dem verdeckte, was das Kleid frei ließ, und ein kluges Gesicht mit großen braunen Augen und einem ironischen Lächeln auf den roten, prachtvoll geschwungenen Lippen.
»Neu hier?«, erkundigte sie sich unbefangen.
»Nicht ganz«, antwortete ich. »In Miami treibe ich mich immerhin schon drei Wochen herum.« Die Antwort entsprach der Wahrheit. Seit drei Wochen verprasste ich in Miami Steuergelder, tanzte in Nightclubs, ging dunklen Hinweisen nach, palaverte mit fragwürdigen Gentlemen und bemühte mich, Rauschgift in größeren Mengen zu kaufen.
Ich hatte bisher kein Glück gehabt.
Der größte Posten, an den ich geraten war, bestand aus achtzig Marihuanazigaretten, die ich von einem mexikanischen Matrosen gekauft hatte. Der Matrose war offensichtlich ein Einzelgänger, der die Zigaretten auf eigene Faust ins Land geschmuggelt hatte. Von ihm führte also kein Weg zur Organisation.
»Drei Wochen? Und Sie haben noch nie den Weg ins Veracruz gefunden?«, fragte die rassige Lady.
»Ich wusste nicht, dass ich Sie hier treffen würde. Arbeiten Sie hier?«
»Ich beaufsichtige die Mädchen.«
»Ein schwieriger Job«, lachte ich und zeigte mit dem Daumen auf die Bühne, auf der inzwischen eine hitzige Stripshow begonnen hatte. »Passen Sie auf, dass sich die Süßen nicht erkälten? Was darf ich Ihnen zu trinken bestellen?«
Das ironische Lächeln verstärkte sich. »Ich sagte, dass ich auf unsere Mädchen achte. Ich sagte nicht, dass ich zu ihnen gehöre. Wenn Sie Gesellschaft wünschen, mache ich Sie gern mit Hattie oder Jeanette oder Suzy bekannt. Die Veracruz-Auswahl ist groß.«
»Sie sind unfair«, lachte ich. »Erst sprechen Sie mich an, dann lassen Sie mich abblitzen. Ich will nicht mit Hattie, Jeanette oder Suzy und nicht mal mit Elizabeth Taylor plaudern. Ich möchte mit Ihnen einen Drink nehmen, mit niemandem sonst.«
»Einverstanden. Ich wollte nicht, dass Sie mich für eine gewöhnliche Animierdame hielten.«
»Nicht mal im Traum. Schließlich habe ich Augen im Kopf. Bevorzugen Sie irgendetwas Besonderes?«
»Whisky«, antwortete sie. »Schottisch und pur.«
Ich pfiff anerkennend durch die Zähne.
Der Mixer hatte mitgehört. Er servierte zwei großzügig gefüllte Gläser. Den Sodasiphon zeigte er mir nur von Weitem. »Sie werden sich doch von Mara nicht beschämen lassen?«
»Sie heißen also Mara?«
»Mara Roddin. Und Sie?«
»Dean Harsher aus New York.«
»Auf Urlaub in Miami?«
»Wie man es nimmt«, brummte ich und hob das Glas. Wir stießen miteinander an. Ihre Art, mit dem Whisky umzugehen, versetzte mich in Erstaunen. Sie trank ihn, als handelte es sich um kalten Tee.
In der Wand neben der Theke wurde eine Tür mit der Aufschrift Privat geöffnet. Ich warf einen kurzen Blick in den dahinter, der als Büro eingerichtet war. Der Mann, der die Bar betrat, war offensichtlich der Clubmanager. Er trug einen weißen Smoking. Ich schätzte ihn auf etwas über dreißig Jahre. Er mochte ungefähr so groß sein wie ich. Sein Gesicht war kantig, zeigte vorspringende Wangenmuskeln und dunkle, unruhige Augen. Das dunkelblonde Haar trug er kurz geschnitten. Er trat an die Bartheke und nickte mir flüchtig zu.
»Alles in Ordnung?«, fragte er Mara Roddin.
»Selbstverständlich. Du weißt doch, dass während der Show nie Schwierigkeiten entstehen.«
Hinter uns gellten Pfiffe, prasselte der Beifall. Irgendeine der Stripperinnen hatte offensichtlich ihre Turnübungen zu einem unübertreffbaren Höhepunkt getrieben. Ich saß mit dem Rücken zur Bühne und drehte mein Glas in den Händen.
»Wollen Sie sich unsere Show nicht ansehen?«, fragte der Manager.
»Ich halte mich seit drei Wochen in Miami auf und sitze jede Nacht in einem Club. Ich fürchte, Ihre Show hat mir keine Überraschungen zu bieten.«
»Sie können es nicht beurteilen, wenn Sie nicht hinsehen.«
»Okay. Ich möchte Sie nicht beleidigen.« Ich drehte mich auf dem Sitz um.
»Nicht alle Männer sind so hemmungslos hinter den Frauen her wie du, Glen«, sagte neben mir die schwarzhaarige Whiskyfreundin.
»Ach, halt den Mund!«, knurrte der Mann im weißen Smoking.
Die Veracruz-Show unterschied sich in nichts von anderen Veranstaltungen dieser Art. Ich achtete nicht besonders auf die Bühne. Deshalb entdeckte ich den jungen Mann, der sich zwischen den Tischen hindurchzwängte. Er fiel mir auf, weil auch er den Vorgängen auf der Bühne keinerlei Beachtung schenkte. Starr blickte er zu uns herüber. Als ihn das Licht eines Scheinwerfers streifte, leuchtete sein Haar auf wie Feuer. Der Mann trug einen blauen Anzug.
Irgendetwas in der Haltung dieses Burschen warnte mich. Er hatte das Kinn vorgeschoben und die Fäuste geballt. Ich fragte mich, ob uns einer von Maras Liebhabern ansteuerte. In diesem Fall hätte ich lieber rechtzeitig das Weite gesucht. Ich war nicht nach Miami gekommen, um nach einem handfesten Streit in Schwierigkeiten mit der City Police zu geraten.
Der Kerl kam näher. Ich stellte zu meiner Erleichterung fest, dass er weder Mara noch mich anstarrte, sondern dass sein Blick am Clubmanager klebte.
Der Smokingträger beobachtete seine eigene Show so intensiv, dass er den Rothaarigen erst bemerkte, als der unmittelbar vor ihm stand.
Der Manager zog die Augenbrauen hoch. »Hallo«, sagte er zögernd.
Der junge Mann schluckte. »Sie sind Gladstone« Er stieß die drei Worte rau und heiser hervor.
»Na und? Was wollen Sie?«
»Sie haben meine Schwester auf dem Gewissen.«
Im selben Augenblick flogen die Fäuste des Typen hoch. Er traf den anderen überraschend und hart. Gladstone krachte mit dem Rücken gegen die Bar. Zwei Gläser fielen um. Neben mir schrie Mara auf.
Der nächste Hieb traf den Manager mitten ins Gesicht. Im Saal hatten die Leute gemerkt, dass irgendetwas an der Bar passierte. Sie wandten sich um. Die Musik erstarb. Die Frau, die gerade auf der Bühne turnte, blieb stehen, als wäre sie eingefroren.
Während Gladstone in die Knie knickte, sprang der junge Mann einen Schritt zurück. Sein Gesicht war verzerrt. Seine Hand fuhr in die Rocktasche. Als er sie wieder herausriss, machte er die kurze, schüttelnde Bewegung aus dem Gelenk, mit der man ein Fallmesser aus dem Griff schleudert. Die breite Klinge funkelte im Licht der Scheinwerfer.
Solange es bei einer Schlägerei blieb, konnte ich mich raushalten, aber ich konnte nicht die Hände in den Taschen lassen, wenn Mord und Totschlag drohten.
»Weg mit dem Messer!«, befahl ich.
Der Bursche nahm überhaupt keine Notiz von mir. Er starrte an mir vorbei auf den Manager, der vornübergebeugt auf den Knien lag. Der Rothaarige warf plötzlich den Arm hoch und wollte sich auf Gladstone stürzen. Ich schnellte heran, fing den Arm ab und riss ihn herum. Mit der anderen Hand schraubte ich sein Handgelenk, bis sich seine Finger öffneten. Das Messer klirrte auf den Boden. Der junge Mann wandte den Kopf und blickte mir in die Augen.
»Warum mischen Sie sich ein?«, fragte er wütend. »Er hat meine Schwester auf dem Gewissen!«
Die Kellner und Mixer stürzten herbei. Sie halfen ihrem Chef auf die Füße. Gladstone blutete aus einer Platzwunde an der Unterlippe.
»Einen Drink!«, sagte er rau.
Mara Roddin hielt ihm ihr Glas hin, in dem sich allerdings nur noch ein lächerlicher Rest befand. Der Barkeeper fuhr mit einer Flasche Scotch dazwischen und füllte das Glas, bis es überlief.
Gladstone trank einen kräftigen Schluck. Die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Ein Kellner nahm ihm diensteifrig das Glas ab.
Ich hielt den rothaarigen Burschen noch immer in den Fäusten. Er war tatsächlich kaum mehr als ein Junge, dreiundzwanzig vielleicht oder etwas älter.
Der Geschäftsführer strich sich mit beiden Händen übers Haar. Dann zog er ein Taschentuch aus der Brusttasche seines weißen Smokings. Er tupfte die Platzwunde ab und sah sich die Blutspur im Taschentuch sorgfältig an. Wütend knüllte er das Tuch zusammen und machte einen großen Schritt auf den jungen Mann zu.
»Du hinterhältiger Lump«, fauchte er ihn an.
Dann holte er aus, um den Wehrlosen ins Gesicht zu schlagen.
Mit einem Ruck drehte ich den Burschen zur Seite weg, ohne ihn loszulassen. Gladstones Schlag hätte mich getroffen. Er stoppte seinen Arm rechtzeitig ab.
»Wie wäre es, wenn Sie jetzt die Polizei riefen?«, fragte ich freundlich. »Ich bin kein Schraubstock und möchte die Hände gern wieder für mein Whiskyglas frei haben.«
»Vielen Dank«, antwortete er und ließ den Arm sinken. »Ohne Sie hätte dieser Verrückte zugestochen. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
»Ohne Zweifel war es ein Totschlagsversuch. Sie haben genügend Zeugen. Rufen Sie die Polizei!«
Der Manager tupfte wieder mit dem Taschentuch an seiner Platzwunde herum.
»Lassen wir die Polizei aus dem Spiel«, sagte er mit einem nervösen Lachen. »Ein Auftritt der Cops im Veracruz ruiniert das Geschäft für die nächsten zwei Wochen völlig. Verpassen Sie dem Jungen einen Denkzettel und werfen Sie ihn raus!«
»Ich bin kein Schläger und schon gar nicht Ihrer, Gladstone.«
»Dann übergeben Sie den Kerl meinen Leuten!« Er winkte zwei Kellnern im Piratenkostüm. »Ed, Rock übernehmt den Kerl und bringt ihn durch den Hinterausgang raus! Ich komme sofort.«
»Der Junge beschuldigt Sie eines schweren Verbrechens, Gladstone. Warum zeigen Sie ihn nicht an?«
Gladstone machte eine wegwerfende Bewegung. »Die Sache ist längst gerichtlich geklärt. Ich denke nicht daran, sie noch einmal aufrollen zu lassen, nur, weil dieser Idiot verrücktspielt.«
Die Kellner in den Piratenkostümen standen vor mir, breite Gestalten mit harten Schlägergesichtern. Ich lächelte Ed und Rock an.
»Na schön«, sagte ich. »Wenn Sie keine Anzeige gegen den Jungen erstatten wollen, werde ich ihn eigenhändig an die frische Luft setzen. Ich habe ihn gerade so schön im Griff.«
Ich bugsierte meinen Gefangenen zum Ausgang. Er ließ sich willenlos vorwärts schieben. Die Clubgäste reckten neugierig die Hälse.
»Ladys und Gentlemen«, rief Gladstone. »Bitte lassen Sie sich durch den kleinen Zwischenfall nicht den Spaß verderben! Musik!«
***
Ich bugsierte den jungen Mann am Portier vorbei. Erst auf dem Parkplatz ließ ich ihn los.
»Bedanken Sie sich bei mir!«, sagte ich und angelte ein Zigarettenpäckchen aus der Tasche.
Er ließ den Kopf hängen. »Bedanken, Mister?« Seine Stimme drückte keinen Zorn aus. »Sie haben mich daran gehindert, Gladstone zu bestrafen.«
»Genau aus diesem Grund sollen Sie sich bei mir bedanken. Wenn Sie den Mann getötet hätten, wären Ihnen dreißig Jahre Zuchthaus sicher gewesen, vielleicht sogar der Henker.« Ich hielt ihm das Päckchen hin. »Wie heißen Sie?«
»Kenneth McGare.« Er nahm eine Zigarette.
»Was ist mit Ihrer Schwester?«
»Gladstone hat sie auf dem Gewissen.«
»Das haben Sie schon in der Bar gesagt. Jetzt möchte ich es genauer wissen.«
»Sylvia arbeitete als Sängerin in dieser Höhle. Gladstone war verrückt nach ihr. Eines Abends gelang es ihm, sie in seinen Bungalow zu locken. Weiß der Teufel, was er dort mit ihr angestellt hat. Sie floh aus dem Haus, rannte vor einen Wagen und wurde getötet.«
»War sie betrunken?«
»Nein! Die Obduktion ergab, dass Sylvia unter dem Einfluss von Rauschgift gestanden hat. Gladstone gab es ihr, um sie gefügig zu machen.«
»Das behaupten Sie, Kenneth. Wie lautet der Bericht der gerichtlichen Leichenschau?«
Er warf die Zigarette auf die Erde und zerstampfte sie mit dem Absatz. »Tod durch eigenes Verschulden«, knirschte er. »Gladstones Zeugen erklärten, sie hätten meine Schwester oft unter Rauschgifteinfluss gesehen.« Er schmetterte die rechte Faust in die Linke. »Das ist nicht wahr! Sylvia hat niemals Rauschgift genommen. Gladstone hat ihr das Zeug heimlich und ohne ihr Wissen gegeben.«
»Welches Rauschgift?«
»Es wurde mit einzelnen Buchstaben bezeichnet. Der Coroner nannte es ein synthetisches Gift.«
»LSD?«
»Richtig, Mister. Verstehen Sie was davon?«
»Ich lese Zeitungen, Kenneth.«
»Ach so. Jedenfalls brachten sie Sylvia dieses verdammte Teufelszeug irgendwie bei.« Kenneth atmete schwer. »Geben Sie mir noch ’ne Zigarette, Mister!« Er rauchte in hastigen Zügen. »Sie müssen mich verstehen«, stieß er hervor. »Ich war der Einzige in der Vernehmung, der Sylvia so schilderte, wie sie wirklich war. Alle anderen zogen sie in den Dreck: die Kellner, die Frauen, Gladstone selbst und ihre Zimmervermieterin. Sylvia war eine vorzügliche Sängerin, wenn sie auch in einem Nightclub aufgetreten ist. Sie hatte keine andere Wahl.«
»Warum?«
»Sie wollte Geld fürs Studium zusammenkratzen. Die Zeugen machten sie zu einer Bardame der billigsten Sorte. Sie beschrieben sie als junge Frau, die sich nahezu jeden Abend betrank und fast ständig unter der Wirkung von Drogen stand. Gladstone sagte aus, Sylvias Benehmen wäre an jenem Abend schon auffällig gewesen, bevor sie seine Wohnung betreten hätte.« Kenneth ballte die Fäuste. »Aber Gladstone wird seine Strafe erhalten, Mister.«
»In diesem Land ist die Selbstjustiz seit 1862 ausdrücklich unter Strafe gestellt«, sagte ich. »Wo wohnen Sie, Kenneth?«
»Das Hotel nennt sich Sunrise. Zu Hause bin ich in Arizona. Ich kam her, nachdem ich die Nachricht von Sylvias Tod erhalten hatte.«
»Sie sollten nach Arizona zurückkehren.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich reise nicht ab, bevor ich nicht Sylvias Tod gerächt habe.«
»Sie bringen sich mit Ihrer Dickköpfigkeit in Teufels Küche.«
»Ich pfeife darauf!«
Ich dachte nach. »Ich möchte nicht, dass Sie sich den Hals brechen, Kenneth. Sie sind zu jung, um auf dem elektrischen Stuhl zu landen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie und ich werden uns gemeinsam bemühen, die Umstände aufzuklären, die zum Tod Ihrer Schwester geführt haben. Wenn sich herausstellen sollte, dass Gladstone unschuldig ist, werden Sie sang- und klanglos nach Arizona zurückfahren.«
»Er ist nicht unschuldig.«
»Sie besitzen den berüchtigten irischen Dickschädel. Auf jeden Fall werden Sie nicht wieder mit einem Messer in der Hand auf Gladstone losgehen, bis wir die Wahrheit herausgefunden haben.«
»Sind Sie ein Ermittler?«
»Nein«, log ich. »Ich möchte Ihnen helfen, verstehen Sie? Setzen Sie sich in Ihr Hotelzimmer! Warten Sie, bis ich Sie anrufe!«
***
Ich ging in den Club zurück. Die Show strebte ihrem Höhepunkt zu. Der Zwischenfall schien vergessen. Mara Roddin saß auf dem alten Platz und hielt sich an einem Whisky fest.
»Wer zahlt den?« Ich zwinkerte ihr zu.
»Im schlimmsten Fall ich selbst – auf den Schreck!«
»Wo ist Ihr Boss, Mara?«
Sie zeigte auf die Tür zum Büro.
»Wir sehen uns später.« Ich öffnete die Tür mit der Aufschrift Privat. Das Anklopfen schenkte ich mir. Gladstone stand vor einem in einen Schrank eingebauten Waschtisch und behandelte sein angeschlagenes Gesicht mit kaltem Wasser.
Er hörte mich und drehte sich um. »Ah, Sie sind es«, stellte er ohne große Begeisterung fest.
»Haben Sie sich erholt?«
»Danke, ich bin okay.« Er trocknete sich das Gesicht ab.
»Dieser rothaarige Kenneth McGare ist ein unbelehrbarer Bursche.«
Gladstone ließ das Handtuch sinken. »Sie kennen seinen Namen?«
»Ich fragte ihn danach«, entgegnete ich. »Ich erkundige mich immer bei Leuten, die ich hart behandle, nach Namen und Adresse. McGare hat in diesem Punkt keine Schwierigkeiten gemacht. Er lieferte sogar freiwillig die ganze Geschichte über seine Schwester mit. Offensichtlich hatte er den Wunsch, mir zu erklären, warum er Ihnen an den Kragen gehen wollte.« Ich grinste den Clubmanager an. »Vielleicht hat er gehofft, mich so zu rühren, dass ich mich beim zweiten Versuch nicht mehr einmische.«
Gladstone verstand den Satz falsch. Er legte das Handtuch zur Seite und kam auf mich zu. »Ich glaube, ich habe mich noch nicht richtig bei Ihnen bedankt, Mister …«
»Dean Harsher. Aus New York.«
Wir schüttelten uns die Hände.
»Selbstverständlich sind Sie für heute Abend Gast des Veracruz. Ich würde gern mit Ihnen feiern, aber ich habe eine unaufschiebbare Verabredung. Nutzen Sie die Gelegenheit. Das Haus zahlt.«
»Ich kann eine heiße Nacht selbst finanzieren. Trotzdem vielen Dank für Ihr Angebot. Falls Sie sich für meine kleine Hilfe erkenntlich zeigen wollen, könnten Sie mir eine andere Bitte erfüllen.« Ich zögerte, als suche ich nach den richtigen Worten. »McGare erzählte mir, dass seine Schwester unter der Wirkung von LSD stand, als sie …«
»LSD? Sie verdächtigen mich doch nicht«, fuhr der Manager dazwischen.
»Ich verlange kein Geständnis von Ihnen, Gladstone«, wehrte ich ab. »Immerhin könnten Sie herausfinden, aus welcher Quelle die Kleine das Zeug bezogen hat.«
»Glauben Sie, die Polizei hätte diese Frage nicht gestellt? Ich weiß nichts. In meinem Club wird kein LSD verkauft. Ich feuere jeden Angestellten, den ich beim Handel mit dem Zeug erwische.« Er unterbrach sich. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Sind Sie Geheimpolizist?«
»Womöglich ein G-man?«, fragte ich lachend zurück. »Habe ich ein Schnüfflergesicht? Sagen Sie es mir ehrlich! Auch McGare hat mich für einen Bullen gehalten.«
Gladstone zündete sich eine Zigarette an. Seine Bewegungen waren fahrig und nervös.
»Das hat nichts mit Ihrem Gesicht zu tun«, meinte er rauchend. »Nur ein Polizist kann sich für die Herkunft von Rauschgift interessieren, das ein inzwischen totes junges Ding geschluckt hat.«
Ich ließ mich in einen Sessel fallen. »Ich werde Ihnen reinen Wein einschenken, Gladstone. Zu Hause in New York verfüge ich über ein halbes Dutzend zuverlässiger Leute, mit denen sich eine erstklassige Organisation aufziehen ließe. Mir fehlt lediglich eine gute Bezugsquelle. Außer Frisco ist Florida der beste Umschlagplatz für heiße Ware. Ich kann für den Start 20.000 Dollar in die Ware investieren, aber ich möchte nicht nur einen Stoff kaufen. Ich lege Wert auf eine gute Sortierung. Ungefähr zwei Drittel Hanf, der Rest zu gleichen Teilen Schnee, Blaue Götter und Herztropfen.«
Er zerdrückte die Zigarette im Aschenbecher. »Mister Harsher, ich weiß nicht mal, wovon Sie reden.«
»Haschisch, Kokain, LSD, Heroin, Gladstone. Ich möchte meine Ware nicht bei vielen Lieferanten zusammenkaufen. Das erhöht das Risiko. Ich will der Kunde eines Mannes werden, der jede Sortierung liefern kann.«
»Zum Teufel, ich verstehe nichts von solchen Geschäften.«
»Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, dass Sie eine anständige Provision verdienen, Gladstone. Seit drei Wochen zapple ich mich vergeblich auf der Suche nach einer sprudelnden Quelle ab.«
»Ich kann Ihnen nicht helfen. Guten Abend, Mister Harsher.«
Ich blieb sitzen, rieb mir das Kinn und zeigte eine bekümmerte Miene. »Nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel, aber ich finde es nicht fair, einen Mann auf dem Trockenen sitzen zu lassen, der immerhin verhindert hat, dass Sie mit einem Messerstich auf einem Operationstisch liegen. Oder im Leichenschauhaus!«
Es brachte Gladstone in Weißglut, dass ich seinen Versicherungen keinen Glauben schenkte. Er beugte sich vor.
»Ich vermittle keine Rauschgiftgeschäfte«, schrie er mich an. »Nur, weil ich mich Ihnen verpflichtet fühle, verzichte ich darauf, die Polizei von Ihren Absichten zu unterrichten. Scheren Sie sich raus!«
Ich lehnte mich im Sessel zurück und lachte laut. »Versuchen Sie nicht, mir Furcht einzujagen, Glen, alter Junge! Wir haben hier unter vier Augen gesprochen. Selbstverständlich würde ich alles leugnen, falls Sie zur Polizei laufen. Aber ich bin sicher, dass Sie das nicht tun werden. Die Schnüffler würden sich mächtig darüber wundern, warum Sie einen angeblichen Rauschgifthändler anzeigen, aber einen Mann, der Sie umzubringen versucht hat, laufen gelassen haben.«
Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, auf der Schweißtropfen standen. Mit äußerster Anstrengung riss er sich zusammen.
»Bitte, hören Sie zu, Mister Harsher! Ich kann Ihnen nicht bei der Beschaffung von Rauschgift helfen. Ich kümmere mich nicht um solche Sachen. Vergessen wir, dass wir überhaupt darüber gesprochen haben!«
Ich stand auf. »Sie sind beinahe so dickköpfig wie der rothaarige kleine Ire. Nun, ich kann Sie nicht zwingen, mit mir Geschäfte zu machen. Aber ich zahle bar, auf den Tisch! Ist das nicht verlockend?«
Er öffnete einen Garderobenschrank und entnahm ihm einen blauen Trenchcoat.
»Wir verschwenden unsere Zeit«, knurrte er. »Entschuldigen Sie mich! Ich versäume meine Verabredung.«
»Schade. Immerhin steht fest, dass Sylvia McGare LSD geschluckt hat. Ich werde herausfinden, woher sie es sich beschafft hat.«
Er warf den Kopf hoch.
Ich lachte. »Sie können nichts dagegen haben, Gladstone. Sie haben doch mit diesem ganzen Rauschgifthandel nichts zu tun.«
3
Um neun Uhr am anderen Morgen stand ich vor einem Haus, über dessen Tür ein Schild mit der Aufschrift Sunrise Hotel hing. Nach Sonnenaufgang sah der Laden nicht aus, sondern mehr nach baldiger Pleite. Im verstaubten Vorraum fand ich einen mürrischen Mann in Hemdsärmeln, der in einer Zeitung las. Ich fragte ihn nach Kenneth McGare.
»Der Rotschopf? Zimmer 16.«
»Rufen Sie ihn an, und sagen sie ihm, Dean Harsher wolle ihn sprechen!«