Jerry Cotton Sonder-Edition 72 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 72 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Wo immer Geld in rauen Mengen zu verdienen ist, da ist das Syndikat zur Stelle. Es ging um ein neuentdecktes Uranvorkommen in Alaska. Als die nichtsahnenden Eigentümer ihren Landbesitz mit den wertvollen Bodenschätzen nicht gleich verkaufen wollten, half das Syndikat mit gezielten Morden nach. Erst als Phil und ich dazwischenfunkten, schlug die Stunde der Alaska-Teufel!

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Seitenzahl: 202

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Alaska-Teufel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Die Bäreninsel in der Hölle der Arktis«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5922-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Alaska-Teufel

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Am 4. Mai stieg im südlichen Manhattan ein bärtiger Mann aus einem Taxi. Der Portier des Conan Building traute seinen Augen nicht, als er die ungewöhnliche Erscheinung in diesem vornehmen Geschäfts- und Büroviertel entdeckte.

Der Mann trug derbe Stiefel, eine fleckige Cordhose und über dem karierten Baumwollhemd eine offen stehende, pelzgefütterte Joppe. Auf dem kantigen Schädel saß eine Bärenfellmütze. Ein dichter schwarzer Vollbart verbarg sein Kinn. Die großen Hände waren von dicken Schwielen bedeckt, durch die sich tiefe, blutschimmernde Risse zogen. In der Linken schleppte er einen Seesack, in der Rechten hielt er einen modernen Karabiner.

»Stopp, Mister«, sagte der hünenhafte Portier in seiner goldschimmernden, dunkelblauen Uniform. »Das hier ist ein Bürohaus, und zwar ein ziemlich vornehmes. Kein Filmstudio. In der Aufmachung können Sie hier nicht rein.«

Auf den Gehsteigen flanierten schmuckbehangene Damen und Geschäftsleute in maßgeschneiderten City-Anzügen. Selbst der letzte Bürobote trug hier Schlips und Kragen. Der Bärtige beobachtete den Passantenverkehr ein paar Sekunden lang aus verengten Augen.

Dann drehte er sich dem Portier wieder zu, der fast zwei Köpfe größer war. Trotzdem sagte er gelassen zu dem Riesen: »Geh aus dem Weg, du Lackaffe!«

Der Portier holte tief Luft. Als er mit beiden Pranken zugreifen wollte, stieß ihm der Bärtige den Lauf des Karabiners hart in den Bauch. Der Portier krümmte sich und rang ächzend nach Luft. Der Bärtige war längst in der großen Halle verschwunden.

Das Liftmädchen in der grünen Pagenuniform erschrak sichtlich, denn plötzlich erschien ein bärtiger Kerl mit einem Gewehr bei ihr. Vier Männer mit Aktentaschen schoben sich eilig zum nächsten Fahrstuhl hin.

»Was ist?«, fragte der Bärtige ruhig. »Fahren wir nicht? Sechsunddreißigste Etage.«

Das Liftmädchen drückte eilig die Knöpfe. Der Mann lehnte sich gegen die Wand und stützte sich auf den Lauf seines Karabiners. Fast zwanzig Jahre lang hatte er Strapazen und Entbehrungen ertragen. Jetzt hatte ihm das Schicksal seinen Tribut gezahlt. Jetzt gehörte er bereits zu den reichsten Männern der Welt. Denn nur er wusste, wo ein ungeheures Vermögen lag und nur darauf wartete, ans Tageslicht gezerrt zu werden.

Das Fahrstuhlmädchen blickte ihm erleichtert nach, als er im Vorzimmer der Makleragentur Henson & Richards verschwand. Dort regierte Corry Lane, eine üppige Blondine mit scharfblickenden Augen. Sie war erst vierundzwanzig Jahre alt, aber man sah ihr an, dass sie das Leben kannte. In jeder Beziehung.

»Ist der Bürgerkrieg wieder ausgebrochen?«, fragte sie nach einem kalt prüfenden Blick auf den Bärtigen. »Tut mir leid, Mister. So kann ich Sie unmöglich einem unserer Gentlemen melden. Die andere Kundschaft würde ja in Ohnmacht fallen.«

Es war nicht zu erkennen, ob sie der Bärtige überhaupt gehört hatte. Er sah sich suchend um. Auf dem Schreibtisch der Blonden standen Telefon und Gegensprechanlage. Eine Ledercouch zog sich an einer Wand hin. Außer der Tür, durch die er gerade hereingekommen war, gab es nur noch eine einzige andere, die aus rötlichem Edelholz bestand und keine Aufschrift zeigte. Der Bärtige stiefelte mit seinem Gepäck darauf zu.

»He«, rief die Blonde zornig. »Sie können doch nicht einfach …« Atemlos hastete sie um den Schreibtisch herum und trippelte ihm nach. Sie holte ihn trotz ihres engen Rocks und der hohen Absätze ein und stellte sich ihm in den Weg.

»So geht das aber nicht, Mister!«, zischte sie mit blitzenden Augen. »Besucher für Mister Henson müssen angemeldet sein.«

Der Mann stellte den Seesack hin. Er drückte ihr die schwielige Linke vors Gesicht und gab ihr einen Stoß. Sie stürzte rückwärts auf die Couch. Der Mann griff wieder nach dem prall vollgestopften Segeltuchsack.

»Solange ich mit Mister Henson rede, werden wir nicht gestört«, sagte er mit einer ruhigen Stimme, in der keinerlei Gefühlsbewegung mitklang. Und dann drehte er auch schon den Türknauf.

Randolph P. Henson blickte von dem Makler-Fachblatt auf, das er gerade durchblätterte. Seine buschigen Brauen zogen sich zusammen. Dem sonnengebräunten Gesicht des fünfzigjährigen Maklers war anzusehen, dass er ausgedehnte Ferien von der City in Miami Beach oder Key West verbrachte. Sein sandfarbener Anzug musste ein Monatsgehalt für einen Büroangestellten verschlungen haben.

»Was soll das heißen, Mister?«, fragte er mit einer tiefen, sonoren Stimme. »Ich empfange Besucher nur nach Anmeldung.«

»Das hat die aufgetakelte Puppe da draußen auch schon gesagt«, brummte der Bärtige und marschierte respektlos über den chinesischen Teppich auf den blitzenden Stahlrohrschreibtisch zu. »Da werden Sie eben mal eine Ausnahme machen. Oder haben Sie kein Interesse an einem großen Geschäft? Dann gehe ich eben zu einem anderen.«

Die Gegensprechanlage summte. »Es tut mir sehr leid, Mister Henson«, quarrte die aufgeregte Stimme der Sekretärin. »Aber der Mann hat mich einfach zur Seite gestoßen. Ich …«

»Schon gut, Miss Lane«, erwiderte Henson. »Beruhigen Sie sich! Unser … unser Besucher scheint ein wenig raue Manieren zu haben. Schon gut.«

Henson wollte die Gegensprechanlage wieder ausschalten, unterließ es aber. Vielleicht war dieser Bursche mit seinem Gewehr ein gefährlicher Psychopath. Dann konnte es nicht schaden, wenn die Sekretärin hörte, was hier vor sich ging. Vielleicht konnte sie im Notfall Hilfe herbeiholen.

Henson zog die Hand von der Schaltertaste zurück und wies auf den Besuchersessel vor seinem Schreibtisch. »Na schön, Mister. Wenn Sie nun einmal hier sind, können Sie sich auch setzen. Ein paar Minuten habe ich Zeit. Können Sie sich kurz fassen?«

»Ich will keine Parlamentsrede halten«, knurrte der Bärtige und nestelte an dem Seesack. Er griff hinein und brachte einen Gesteinsbrocken zum Vorschein. »Da!«, sagte er und packte den Brocken geräuschvoll auf Hensons Schreibtisch. »Da! Sehen Sie sich das an!«

So ganz verrückt kann er nicht sein, dachte Henson und betrachtete den Klumpen von allen Seiten. Ein paar glitzernde Adern im Gestein verrieten ihm gar nichts. Er war Grundstücks- und Häusermakler, kein Geologe.

»Was ist das?«, fragte er deshalb. »Vielleicht Gold?«

»Gold!«, wiederholte der Bärtige verächtlich. »Für ein verdammtes bisschen Gold würde ich den Brocken nicht viertausend Meilen weit mit mir herumschleppen.«

»Was ist es dann?«

»Das werden Sie noch erfahren. Vorher beantworten Sie mir mal ein paar Fragen: Haben Sie Interesse an einem Riesengeschäft?«

»An Geschäften habe ich immer Interesse«, antwortete Henson ruhig. Er hatte inzwischen vergessen, dass seine Sprechanlage eingeschaltet war. »Und an großen Geschäften habe ich ein großes Interesse. Zufrieden?«

»Kommt drauf an. Können Sie Geld auftreiben?«, fragte der Bärtige.

»Wofür?«

»Investitionskosten. Ein paar Millionen.«

»Haben Sie Millionen gesagt?«

»Verdammt, Sie haben mich doch verstanden. Also können Sie – oder können Sie nicht? Dann brauchen wir nicht miteinander unsere Zeit zu verplempern.«

»Ich habe das Geld fürs Brookner Building aufgetrieben«, meinte Henson schlicht.

»Sagt mir nichts.«

»Das Brookner Building ist ein sechsundsiebzigstöckiger Wolkenkratzer mit viertausend Firmen und neuntausend Angestellten. Geschäfte, Büros, ein Theater, ein Hallenbad, ein paar Cafés und so weiter. Als genügend Mietinteressenten zusammen waren, hatte ich die Geldgeber in sechs Wochen.«

»Hm«, brummte der Bärtige. »Hört sich gut an. Na schön. Wo dieser Brocken herstammt, liegt ein ungeheures Vermögen. Ich habe mit meinen beschränkten Mitteln die Größe nur ungefähr feststellen können. Wahrscheinlich ist es mehr. Aber ich garantiere für wenigstens zwei Milliarden Dollar, Mister. Nicht Millionen. Ich habe zwei Milliarden gesagt …«

***

Sechs Wochen später empfing der Makler Randolph P. Henson kurz nach der Mittagszeit einen Besucher, den seine Sekretärin als Johnny Smith ankündigte. Henson rümpfte die Nase. Johnny Smith! Wenn man sich schon einen falschen Namen zulegt, dachte er, sollte man sich etwas Besseres einfallen lassen als ausgerechnet den gebräuchlichsten Vornamen in Verbindung mit dem häufigsten Familiennamen. Das riecht ja drei Meilen gegen den Wind nach Unechtheit.

Ein kleiner, dicklicher Mann kam herein, der um vierzig Jahre alt sein musste. Obgleich er völlig kahlköpfig war, wirkte sein Gesicht sehr jugendlich. Er trug einen unauffälligen blauen Anzug. Aber trotz seines freundlichen Lächelns umgab ihn eine gleichsam eisige Atmosphäre. Henson empfand sie sofort. Unwillkürlich runzelte er die Stirn.

»Guten Tag, Sir«, sagte der Besucher mit einer weichen, unmännlich wirkenden Stimme. »Ich bin Smith. Johnny Smith. Sie hatten mich angefordert, nicht wahr?«

Als würde einem eine schleimige Schnecke über die Haut kriechen, dachte Henson und spürte, wie sich seine Kopfhaut vor Ekel zusammenzog.

»Nehmen Sie Platz, Mister Smith«, rang er sich widerstrebend ab. »Sie … äh … Sie sind informiert worden, worum es geht?«

Smith setzte sich und verbeugte sich im Sitzen. Sein schleimiges Gehabe wurde noch eine Nuance weicher. »Ich weiß bestens Bescheid, Sir. Ein Doppelauftrag, sozusagen. Ich habe feste Preise, wie Sie ja wissen. Fünfzig Prozent im Voraus, der Rest nach getaner Arbeit, wenn ich das mal so ausdrücken soll. Ähm! Da wäre nur …«

»Ja?«, fragte Henson.

»Sie müssen mir noch die Objekte nennen, Sir. Und dann möchte ich um die Anzahlung bitten.«

»Ach so, ja.« Henson zog die mittlere Lade seines Schreibtischs auf. Geschäfte dieser Art konnte man natürlich nicht per Scheck erledigen. Schon aus Sicherheitsgründen nicht. Henson griff nach dem dicken hellbraunen Umschlag, der für Johnny Smith bereitlag.

Dabei geriet das Telegramm in sein Blickfeld. Henson hatte es zehn- oder zwanzigmal gelesen, aber er überflog es noch einmal:

Vorkommen erheblich größer. Beste Konzentration. Gratulieren zum Erfolg. Eintreffen morgen New York zur genauen Berichterstattung. Lindner & Marble.

Henson presste die Lippen aufeinander. Manchmal wollte es ihm immer noch nicht in den Kopf. In ein paar Jahren konnte er zu den tonangebenden Wirtschaftsführern des Landes gehören. Er würde an den Banketten neben den Großen der Stahlkonzerne, der Automobilindustrie oder neben den Ölmilliardären des Südens sitzen. Und sie würden ihn als Ihresgleichen ansehen müssen. Ihn, Randolph P. Henson. Gegen das, was da auf ihn wartete, war sein jetziges Vermögen nicht mehr als ein lächerlicher Notgroschen.

Henson stieß die Schublade zu und reichte den Umschlag an Johnny Smith. Er vermied es, dass sich ihre Finger dabei berührten. Obgleich die Klimaanlage einwandfrei arbeitete, schien es in seinem Office kühl geworden zu sein, seit dieser unheimliche Gast erschienen war.

»Vielen Dank, Sir«, sagte Smiths schleimige Stimme. »Sie werden bestimmt mit mir zufrieden sein. Ich mache nie einen Fehler. Das kann ich mir gar nicht erlauben. Der erste Fehler würde wohl gleich der letzte sein. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen.«

Wie der Kerl redet, dachte Henson. Arbeit, Fehler, Objekte, als spräche er von irgendwelcher harmlosen Tätigkeit. Dabei … Henson schüttelte den Kopf. Es war besser, nicht daran zu denken. Früher hätte ihm das weniger ausgemacht. Aber er war eben doch nicht mehr der Jüngste.

Henson stand auf. Die linke Wand seines Office nahm ein großer, von teuren Wandleuchten flankierter Spiegel ein. Genau neben Hensons Schreibtisch war die Tapetentür, die in das Seitenkabinett führte. Henson zog sie auf. Er winkte seinem Besucher.

Der kleine Nebenraum war nur spärlich möbliert. Außer einem Tisch, einem Standaschenbecher und drei Stahlrohrdrehstühlen gab es nur ein unbenutztes Regal. Aber aus diesem Nebenraum zeigte sich plötzlich der Sinn des Spiegels: Er war von hier aus durchsichtig wie ein gewöhnliches Fenster.

»Ah, ein Einwegspiegel«, rief Johnny Smith und rieb sich die Hände. »Das ist sehr klug, Mister Henson, wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben. Ganz ausgezeichnet. Und der Durchblick ist wirklich überraschend klar. Ich nehme an, dass ich hierbleiben soll? Die beiden Objekte …«

»Ja ja«, fiel ihm Henson ins Wort, während er auf seine Uhr blickte. »Sie müssen jeden Augenblick kommen. Sie entschuldigen mich jetzt, Mister Smith. Ich spreche anschließend mit Ihnen die Einzelheiten durch.«

»Ganz wie Sie wünschen, Sir.«

Henson nickte und drückte die Tapetentür schnell hinter sich zu. Er hatte gut eine Viertelstunde Zeit, aber er wollte sie nicht in der Gesellschaft dieses schleimigen, widerwärtigen Burschen zubringen, der einen aus wasserblauen Augen so eiskalt ansehen konnte, als blickte er einem durch sämtliche Knochen hindurch. Henson zündete sich nervös eine Zigarette an. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass Smith ihn ja von nebenan beobachten konnte.

Er trat an das große Fenster und schaute über die Dächer der benachbarten Gebäude. Es war ein ausnehmend schöner Sommertag. Vermutlich liefen die Mädchen in den Straßen mit dünnen geblümten Kleidern herum und die meisten Männer in Hemdsärmeln. Vielleicht schwitzten sie sogar. Ihm war eher kalt.

Es war nicht das erste Mal, dass er Gewalt zu Hilfe nehmen musste, um ein Geschäft durchzudrücken. Aber die Größe dieses Coups ließ ihn ein wenig schaudern. Es ging also wirklich um Milliarden. Das Telegramm in seinem Schreibtisch bestätigte es ausdrücklich. Er musste den Boden in seinen Besitz bringen, bevor nur jemand ahnen konnte, worum es ging.

Die Bodenpreise würden ins Unermessliche schnellen, wenn jemand erfuhr, was da tonnenweise unter der Erdoberfläche lag.

Während er über seinen großen Coup nachgrübelte, vergingen etwa zehn Minuten. Dann meldete die Sekretärin die Ankunft von Mr Lindner und Mr Marble. Henson eilte ihnen ins Vorzimmer entgegen und bat sie in sein Büro.

Die beiden Männer trugen Stadtanzüge. Aber ihren wettergegerbten Gesichtern und den kaum verheilten Schrammen auf ihren Händen konnte man ansehen, dass sie einige Wochen in unwirtlichem Gelände verbracht hatten.

Henson schüttelte ihnen erfreut die Hände. »Nehmen Sie doch Platz, Gentlemen. Kann meine Sekretärin etwas anbieten? Whisky? Kognak? Kaffee?«

Seine Besucher waren wenig älter als dreißig Jahre. Sie wirkten beide ein wenig scheu, zurückhaltend, fast schüchtern. Lindner war der Kleinere von ihnen, aber er schien immer das Sprechen zu besorgen.

Jetzt schüttelte er dankend den Kopf. »Nein, das ist nicht nötig, Mister Henson. Wir wollen erst einmal unseren Bericht loswerden, wenn es Ihnen recht ist.«

Henson klopfte ihm lachend auf die Schulter. »Na, Sie sind gut! Wenn es mir recht ist. Ich komme beinahe um vor Neugierde und Spannung, wenn ich ehrlich sein soll. Also setzen wir uns.«

Sie nahmen an dem kleinen Konferenztisch Platz, der nicht weit von Hensons Schreibtisch entfernt stand. Als sie saßen, fiel Henson ein, dass seine Sekretärin die beiden angemeldet hatte. Doch hatte er danach auch wirklich die Gegensprechanlage wieder abgeschaltet? Es wäre nicht auszudenken, wenn sie da draußen vom größten Geschäft des Jahrhunderts zufällig alles mitbekam. Henson hastete zu seinem Schreibtisch. Gott sei Dank, ja, die Gegensprechanlage war ausgeschaltet.

Er drückte die Sprechtaste. »Was auch immer passiert, Miss Lane, ich will jetzt nicht gestört werden. Ich bin für niemanden zu sprechen, verstanden? Für niemand!«

»In Ordnung, Mister Henson. Ich werde alles von Ihnen fernhalten.«

»Danke«, brummte Henson und schaltete das Gerät aus. Er kehrte zum Konferenztisch zurück, wobei ein Blick den Einwegspiegel streifte. Er hatte den Tisch selbst ein wenig umgestellt. Es war wichtig, dass Smith von nebenan die Gesichter von Lindner und Marble gut erkennen konnte. Henson setzte sich.

»Also«, sagte er mit mühsam beherrschter Stimme, »dann schießen Sie mal los. Nach Ihrem Telegramm zu urteilen, haben Sie also tatsächlich in dem Gebiet dieses Teufelszeug gefunden.«

Lindner nickte. Er fing an, seine prall gefüllte Aktentasche auszupacken. Als Erstes legte er eine selbst gezeichnete Landkarte vor und fuhr mit einem Bleistift eine violette Linie entlang.

»Hier«, erklärte er, »liegt das Vorkommen. Die Grenzen sind natürlich mit Vorbehalt zu betrachten.«

»Was soll das heißen?«, erwiderte Henson mit gerunzelter Stirn.

»Nun, Sir, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und in der kurzen Zeit war die Ausdehnung des Vorkommens nicht so genau zu ermitteln, wie es wünschenswert sein mag. Aber wir garantieren, dass in dem eingezeichneten Gebiet das Vorkommen existiert. Es kann sein, dass es sich nach der einen oder anderen Seite länger hinstreckt, als wir bis jetzt feststellen konnten.«

Henson nickte stumm.

»Es gibt da einige tektonische Verschiebungen«, fuhr Lindner fort. »Hier zum Beispiel neigte sich die Schicht in einem Winkel von ungefähr zwölf Grad. Tiefer als fünfhundertneunzig Fuß konnten wir nicht bohren. Es ist aber nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass sich das Vorkommen noch weit über diese Grenzen hinaus erstreckt, nur eben in zunehmender Tiefe durch die Neigung.«

»Aha. Ich glaube, ich verstehe ungefähr, was Sie meinen. Was ist mit den Katasterauszügen?«

Lindner kramte in seinen Papieren. Er zeigte wieder auf die Karte. »Diese siebentausendvierhundertdreizehn Acres hier sind Regierungseigentum. Das schraffierte Gebiet gehört einem Pelztierzüchter namens Jarosch. An dieser Stelle könnte es allerdings Schwierigkeiten geben.«

»Wieso?«

»Da sitzt ein Deutscher, der hat das Gebiet für einen Spottpreis von der Regierung gekauft und sich eine Talsperre hingebaut. Keinen großen Staudamm, nur so ein kleines Ding, aber genug, um Strom erzeugen zu können, den er an alle verkauft, die Strom brauchen. Der Mann heißt Frank Miller, er könnte eine harte Nuss werden. Zwei Drittel von seiner Talsperre überfluten nämlich ein erhebliches Gebiet des Vorkommens.«

»Hm. Na, mit dem werden wir schon irgendwie einig werden. Sonst noch Besitzer?«

»Ja. Hier, ungefähr tausendvierhundertachtzig Acres Bergflanken. Da sitzen acht Männer, die das wahrscheinlich kleinste Goldbergwerk der Erde betreiben …«

Henson hörte konzentriert zu. Eine Stunde lang referierte Lindner über Bodenproben, Gesteinsarten, Witterungsbedingungen, Abbaumöglichkeiten und Konzentrationen pro Tonne.

Er schloss mit den Worten: »Wir haben alles ausführlich in diesem schriftlichen Bericht niedergelegt, Mister Henson. Als Geologen können wir nur sagen, dass es sich hier um eins der reichsten Vorkommen auf der ganzen Erde handelt.«

Henson nickte langsam. Er konnte es nicht fassen. Es war also buchstäblich wahr, was der bärtige Narr vor sechs Wochen hier behauptet hatte! Dort lagen Milliarden Dollar, und bisher wusste es niemand. Aber es sollte auch niemand außer Henson erfahren. Jedenfalls vorläufig nicht.

»Sie werden sich jetzt sicher ausruhen wollen, Gentlemen«, sagte er zu den beiden Geologen. »Das verstehe ich völlig. Doch ich fürchte, ich muss Sie noch einmal bemühen. In meinem Landhaus draußen auf Long Island wird sich heute Abend eine Gruppe von Finanzleuten treffen. Die glauben mir weniger als zwei ernsthaften Wissenschaftlern.«

»Wir stehen zu Ihrer Verfügung, Mister Henson«, gab Lindner zurück. »Dafür bezahlen Sie uns ja. Um wie viel Uhr erwarten Sie uns?«

»Um neun. Ich weiß, es ist ein wenig spät, aber manche von den Gentlemen können sich nicht früher freimachen.«

»Das macht nichts. Wir können ja morgen ausschlafen.«

»Kommen Sie mit einem Taxi?«, fragte Henson.

»Nein. Wir haben einen eigenen Wagen. Wenn Sie uns nur den Weg beschreiben wollen.«

Henson zog eine Autokarte von Long Island aus dem Zeitschriftenständer neben dem Konferenztisch. Er fuhr mit dem Finger darüber hin und erklärte den Weg. Die beiden Geologen hörten zu und nickten.

»Okay«, sagte Lindner. »Das finden wir. Also dann bis heute Abend, Mister Henson. Wir werden pünktlich da sein und alle Unterlagen mitbringen.«

»Gut, ja. Anschließend rechnen wir ab. Sie haben sich eine Prämie verdient, Gentlemen, und Sie sollen nicht von mir gehen mit dem Gefühl, dass ich kleinlich gewesen wäre. Ich werde Ihre Beteiligung an dem Projekt schon durchdrücken, da können Sie sich ganz auf mich verlassen.«

»Danke, Sir«, erwiderte Lindner, während der schweigsame Marble nur stumm nickte.

»Nur eines muss natürlich klar sein«, sagte Henson ernst. »Vorläufig darf kein Mensch von der Sache erfahren. Sonst setzt ein Wettrennen um das Gebiet ein, dass sich die Bodenpreise überschlagen.«

»Von uns wird niemand ein Sterbenswort erfahren«, versicherte Lindner.

»Danke. Also dann bis heute Abend!« Henson führte seine Besucher durch das Vorderzimmer. Auf dem Rückweg rief er seiner Sekretärin nur zu: »Auch weiterhin keine Störung, Miss Lane!«

»Gewiss, Sir.«

Er schloss die Tür sorgfältig hinter sich und befreite Mr Smith aus dem Seitenkabinett.

»Haben Sie sie deutlich genug gesehen?«, fragte Henson.

»Ja, Sir. Ganz ausgezeichnet. Wann wünschen Sie die Erledigung Ihres Auftrags?«

»Heute Abend. Um neun Uhr. Ich habe sie zu meinem Landhaus auf Long Island bestellt. Das liegt völlig einsam. Sie brauchen keine Zeugen zu befürchten, und Sie können anschließend alle Spuren leicht beseitigen. Am Landungssteg liegt mein Motorboot. Es wird fahrbereit sein. Und Sie werden auf dem Landungssteg zwei Betonklötze und genügend Draht finden …«

2

Im Vorzimmer drückte Corry Lane die winzige Muschel des Kopfhörers fester in ihr rechtes Ohr. Die üppige Blondine starrte wie gebannt auf die Verbindungstür. Vor ein paar Minuten, als ihr Boss herausgekommen war, um die beiden Geologen selbst zur Tür zu bringen, hatte er zwar nichts gemerkt, aber sie hatte dennoch kein gutes Gefühl. Natürlich, wenn er sie mit dem Kopfhörer sah, musste er denken, dass sie das Diktiergerät abhörte. Er konnte ja nicht wissen, dass in seinem Office seit Wochen schon ein winziges, aber leistungsstarkes Abhörgerät installiert war, das seiner Sekretärin erlaubte, über den einen Kopfhörer jedes Wort zu verfolgen, das in seinem Büro gesprochen wurde.

»… auf dem Landungssteg zwei Betonklötze und genügend Draht finden«, sagte Mr Henson gerade. »Damit sollte es Ihnen nicht schwerfallen, die beiden verschwinden zu lassen.«

»Gewiss, Sir. Das erleichtert meine Aufgabe sehr. Ich danke Ihnen. Soll ich Sie anrufen, wenn … ähm … ich meine, wenn alles erledigt ist?«

»Ja. Ich möchte Bescheid wissen. Hier haben Sie eine Karte mit meiner privaten Rufnummer. Wenn alles glattgegangen ist, sagen Sie am Telefon, dass Sie das Grundstück verkauft haben. Verstanden?«

»Ich habe das Grundstück verkauft. Ja, Sir. Dann darf ich mich jetzt empfehlen, Mister Henson. Sie können sich ganz auf mich verlassen.«

Corry Lane zog hastig den Kopfhörer ab und schob ihn in die linke Schublade ihres Schreibtischs. Schnell wandte sie sich den Akten zu, die sie aufgeschlagen bereitgelegt hatte. Es dauerte kaum eine Minute, bis die Tür aufging und Mr Smith herauskam. Corry Lane fröstelte unwillkürlich, als ihr der kahlköpfige Mann ein freundliches Lächeln schenkte. Als sich die Tür längst hinter ihm geschlossen hatte, wurde sie das Gefühl nicht los, als striche ein eisiger Luftzug durch ihr Büro.

Mr Henson schien im Gegensatz zu anderen Besuchen keine anschließende Aktennotiz diktieren zu wollen. Keinerlei Lebenszeichen drang aus seinem Office. Corry Lane zündete sich eine Zigarette an. Sie musste etwas haben, womit sie ihre Nerven ein wenig beruhigen konnte. Erst nachdem sie die Zigarette geraucht hatte, fand sie die Ruhe, um zum Telefon zu greifen und eine Nummer in Manhattan zu wählen.

»Capstan Detective Agency«, sagte eine weibliche Stimme.

»Hier spricht Mrs Broose«, log Corry Lane. »Ist Mister Jimmy Folkestone da?«

»Ich verbinde.«

Ein paar Sekunden später hörte sie die sonore Stimme von Jimmy. Ohne noch einmal einen Namen zu nennen, sagte sie schnell und leise: »Hol mich heute Abend ab. Ich muss mit dir sprechen, Jimmy!«

Sie unterbrach die Verbindung, bevor ihr Gesprächspartner auch nur ein einziges Wort der Erwiderung aussprechen konnte. Ängstlich blickte sie auf die geschlossene Verbindungstür. Es war so ungewöhnlich, dass sich Mr Henson nach einer Besprechung gar nicht meldete. Einen Augenblick überlegte sie sogar, ob sie nicht unter irgendeinem Vorwand sein Office betreten sollte, als plötzlich die Gegensprechanlage aufsummte.

»Miss Lane, bitte, suchen Sie unter den Regierungsbehörden in Washington die heraus, die für die Verwaltung von bundeseigenem Territorium zuständig ist«, bat Mr Henson. »Sagen Sie, wir planten die Einrichtung eines großen Feriengeländes, und verbinden Sie mich dann mit einem der leitenden Leute.«

»Ja, Sir. Sofort.«

»Noch etwas: Treiben Sie mir Beld und Massachu auf, ich möchte sie morgen früh unbedingt sprechen.«

»In Ordnung, Sir.«

Sie stand auf, holte das dickleibige Telefonverzeichnis der Bundeshauptstadt aus dem Schrank und schlug die Seiten mit den Regierungsdienststellen auf. Es war eine mühsame Arbeit, aber endlich fand sie ein Büro, dessen Bezeichnung vermuten ließ, dass es die richtige Behörde sein könnte. Sie wählte und erklärte einem nicht übermäßig freundlichen Beamten, dass sie die Sekretärin eines der bedeutendsten Grundstücksmakler der Nordoststaaten sei.

»Na und?«, fragte der Mann, nicht sonderlich beeindruckt.

Corry Lane holte tief Luft. Sie war Amerikanerin durch Geburt, und wenn es etwas gab, was sie zur Weißglut bringen konnte, dann waren es anmaßende Behörden.

»Leben Sie eigentlich von unserem Geld oder wir von Ihrem?«, fragte sie schnippisch. »Geben Sie mir den Chef Ihrer Behörde!«

»Was heißt hier Chef? Ich bin …«