Jerry Cotton Sonder-Edition 74 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 74 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein anonymer Anruf brachte das FBI auf den Plan: Jemand drohte damit, die Freiheitsstatue in die Luft zu sprengen! Dass es der Erpresser ernst meinte, bewies er, als er einen Schuppen mit einer stattlichen Menge an Dynamit hochgehen ließ. Wenig später folgten weitere mysteriöse Anschläge. Schließlich fanden wir heraus, dass es um Gold ging - viel Gold in blutigen Fäusten. Denn nicht nur eine Partei machte Jagd darauf, und alle raubten und mordeten sie dafür und riskierten ihr eigenes Leben ...

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Seitenzahl: 210

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Gold in blutigen Fäusten

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Die Maske des Zorro«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5924-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gold in blutigen Fäusten

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Es war ein sehr geheimnisvoller Anruf. Eine heisere verstellte Stimme sagte, dass jemand die Freiheitsstatue in die Luft sprengen wolle. Das nötige Dynamit liege in einem alten Schuppen an der Südspitze der Gouverneursinsel.

Dass dieser Anruf keine Finte war, stellte sich schnell heraus. Denn der alte Schuppen flog samt Dynamit in die Luft. Man konnte anhand der Zerstörungen ziemlich genau die Menge an Sprengstoff abschätzen, die dort gelagert haben musste. Das Ergebnis war so beeindruckend, dass der zuständige Chief Commissioner das FBI verständigte.

Noch in der Nacht holte uns Mr High, der Chef des New Yorker FBI, ins Headquarters.

Wir konnten zunächst nicht viel anfangen, da wir weder den Anrufer noch den Mann, der für die Lagerung des Dynamits verantwortlich war, ermitteln konnten. Wenig später passierten weitere mysteriöse Anschläge.

Eine Katastrophe schien sich anzubahnen!

***

Tom Strong besaß eine Kaschemme in der Bronx und dahinter auf dem Hof ein kleines Auslieferungslager für Schnäpse. Aus der Kneipe selbst führte eine ewig knarrende Treppe in den ersten Stock, wo Tom Strong seine Privaträume hatte.

Als der Boss, den sie den Haifisch nannten, und der farbige Jesse eintraten, wusste Tom sofort, worum es ging. Er stülpte zwei Gläser auf die Bürsten im Waschbecken, trocknete sich die Hände ab und rief nach Mary, seiner Gehilfin. Dann stieg er ohne ein Wort vor den beiden Männern die Treppe hinauf.

Der Unterschied von oben zu unten war überwältigend. Die Kneipe war düster, schmuddelig und wirkte, als würde der Fußboden einbrechen, wenn man zu fest auftrat. Das Privatbüro von Strong dagegen war sauber, modern eingerichtet, sogar ganz behaglich. Aber Tom Strong wusste genau, warum er seine Kaschemme nicht renovieren ließ. Andere Kneipenwirte in dieser armseligen Gegend hatten es getan, und schlagartig war ihnen die Kundschaft weggeblieben, die gerade in einer solchen finsteren Höhle zu Hause war.

Tom Strong holte Gläser und eine Flasche aus dem Schrank und goss ein. In diesem Augenblick explodierte Shark, der Haifisch. Er knallte die Faust auf den Tisch, dass der schöne kanadische Whisky überschwappte.

»Verdammte Sauerei!« Er war dunkelrot vor Wut im Gesicht. »Ein Vermögen an Sprengstoff einfach in die Luft gepulvert. Und ausgerechnet jetzt, wo wir das Zeug brauchen!«

Ces Shark war groß, mager und ging etwas vorgebeugt. Mit der spitzen Nase und dem fliehenden Kinn hatte er tatsächlich etwas Haifischhaftes, und die stechenden Augen verrieten eine tückische Intelligenz. Deshalb war er der Boss dieser Gang.

Tom Strong blieb ruhig und zuckte die schweren Schultern. »Reg dich wieder ab, Shark! Was passiert ist, ist passiert. Wir müssen herausfinden, wer die Polizei zur Insel geschickt hat.«

Sharks Stimme überschlug sich. »Bartok natürlich!«, schrie er. »Dieser stinkende Schakal, dieser Verräter! Das ist die Rache für den Fußtritt, den er von mir kassiert hat, als er vergessen hat, wer der Boss ist. Aber das schwöre ich, beim nächsten Mal kommt er nicht mit einem Fußtritt davon.«

Jesse, der lange Farbige, meldete sich bekümmert. »Was sollte ich machen? Ich konnte gerade noch die Zünder abziehen und türmen, als die Plattfüße aufkreuzten. Sonst hätten die ja den ganzen Ramsch mitgenommen.«

»Ist schon okay«, sagte Shark. »Schaff mir diesen Bartok herbei!« Dann wandte sich Shark an Tom Strong. »Tom, gib mal den Stadtplan her. Wir müssen die Einsatzpunkte neu verteilen. Für alle reicht unser Pulver nicht mehr.«

»Wir können unser Ziel auch mit ein paar anderen Mitteln erreichen als bloß mit Dynamit«, schlug Tom Strong vor. »Ein paar Molotowcocktails machen sich ebenfalls ganz nett.«

»Eben«, brummte Shark und breitete den Plan aus.

»Übrigens«, fragte Tom, »wann soll das große Ding denn starten?«

»Morgen früh, bevor es richtig hell wird.«

»Und du bist ganz sicher, dass dann die Goldklumpen angekommen sind?« Strongs Augen begannen, zu funkeln.

»Ganz sicher, Tom.«

Tom schüttelte den Kopf. »Ich möchte wissen, wo du diese fabelhaften Informationen herhast. Noch dazu aus einer Bank.«

Jetzt lachte Shark, und es klang selbstzufrieden. »Das, mein Lieber, bleibt mein Geheimnis. Euch muss es genügen, dass die Sache klappt.« Der Haifisch setzte die Flasche mit dem Kanadischen direkt an den Hals.

***

»Hallo, Ma’am«, sagte der Mann an der Haustür und grinste. »Muss mal den alten Mark sprechen, Mark Ellroy meine ich. In welcher Bude haust er denn, der Scheich?«

Mrs Winters war sprachlos. So hatte noch nie einer mit ihr gesprochen. Der Mann an der Haustür trug den Hut im Genick, hatte eine Zigarette im Mundwinkel und eine Hand in der Hosentasche. Mrs Winters betrachtete ihn von oben bis unten. Sie vermietete Zimmer. Seit ihr Mann verstorben war, ohne ihr viel mehr zu hinterlassen als das hübsche Haus hier draußen in Flushing, lebte sie davon, dass sie das Haus zu einer kleinen Pension gemacht hatte. Aber sie nahm nur einwandfreie Mieter auf.

Seit einer Woche etwa hatte sie diesen sympathischen Mr Ellroy im Haus. Er war Handelsvertreter, sah gut aus: sportlich, braun gebrannt, blond. Er war stets gepflegt und dezent gekleidet, benahm sich höflich, musste also eine gute Erziehung haben, Mrs Winters fühlte sich irgendwie sicher in ihrem Haus, seitdem Ellroy ein Zimmer bei ihr hatte. Niemals bisher war Besuch zu ihm gekommen.

Nun aber tauchte dieser Bursche mit dem ungewöhnlichen Benehmen auf. »Na, was ist, Tantchen?«

»Ich weiß nicht, ob er zu Hause ist«, entgegnete Mrs Winters spitz.

»Aber ja, er ist, Tantchen«, sagte der Mann an der Haustür lachend. »Hat mich ja herbestellt. Ich heiße nämlich auch Ellroy, hahaha.« Er lachte, als hätte er einen prima Witz losgelassen. »Wo ist denn nun seine Bude?«

Mrs Winters trat erschrocken drei Schritte zurück. »Mister Ellroy!«, rief sie. Es klang wie ein Hilferuf.

Ellroy trat aus seiner Tür, korrekt gekleidet wie immer. Aber sein Gesicht wurde finster, als er den Mann an der Haustür sah, der unaufgefordert eintrat. Ellroy zog den Besucher in sein Zimmer und schloss die Tür. Die alte Lady stand versteinert da. Der nette Mr Ellroy kannte diesen Ganoven tatsächlich? Ihr wurde unheimlich zumute. So, wie dieser Besucher aussah, stellte sie sich einen Gangster vor.

Es dauerte lange, bis sie den Mut fand, auf Zehenspitzen an die Tür zu schleichen und das Ohr daranzulegen. Sie tat so etwas nie. Natürlich nicht. Aber in diesem Fall …

Doch sie hörte nur ein unverständliches Gemurmel.

»Bist du verrückt?«, fragte Mark Ellroy finster. »Wie siehst du aus? Ich könnte dir eine feuern.«

Der Besucher ließ lachend seinen Hut aufs Bett segeln und setzte sich daneben. »Aber Bruderherz, spiel bloß nicht den feinen Pinkel! Wir wissen doch beide, was los ist. Großartig, dass du dich nach drei Jahren mal an deinen Bruder Teddy Boy erinnerst.«

»Ich brauche deine Hilfe«, sagte Mark. Dann holte er eine Flasche Bourbon aus dem Kleiderschrank und öffnete die Verschlusskapsel. Er goss drei Fingerbreit Bourbon in ein Zahnputzglas und stellte es wortlos auf den Tisch.

»Und du trinkst nicht mit mir, Bruderherz?«, fragte Ted.

Mark lächelte spöttisch. »Ich habe das Zeug für dich besorgt, weil ich weiß, dass man sonst nicht mit dir reden kann. Bedien dich.«

»Cheerio.« Schulterzuckend trank Ted den Whisky in einem Zuge aus. »Ich möchte wissen, weshalb du dich überhaupt an mich gewandt hast. Du hast ja sonst immer nur als Einzelgänger gearbeitet.«

»Eben. Deshalb hat mich auch noch keiner geschnappt. Aber diesmal geht es nicht. Das Zeug, das ich holen will, ist zu schwer.«

»Zu schwer?«, echote Ted.

»Genau. Ich kann es nicht allein tragen. Jedenfalls nicht schnell genug.«

Ted schüttelte den Kopf. »Das klingt, als würdest du das Gold aus Fort Knox abholen wollen.«

»Dazu würden deine Muskeln auch nicht reichen, Kleiner.« Mark zündete sich eine Zigarette an und warf das Päckchen auf den Tisch.

Zehn Minuten später saßen sie über eine Grundrisszeichnung gebeugt.

»Hier ist der Seiteneingang zur Bank«, erläuterte Mark Ellroy. »Man gelangt hier durch die Schalterhalle und erreicht den Durchgang zum Tresor. Unser Wagen steht vor der Einfahrt. Es kommt nun darauf an …«

»Stopp«, unterbrach Ted kopfschüttelnd. Er goss sich erneut ein. »Es kommt darauf an, wie man in den Palast gelangt.«

»Ich habe sämtliche Schlüssel.«

»Alle Achtung. Und die Sicherheitsanlage?«, hakte Ted nach.

»Ich habe auch den Schlüssel, um sie abzuschalten.«

»Sag mal, welches Versandhaus liefert denn solche Sachen?«

»Kein Kommentar«, brummte Mark.

»Na schön, dann nicht.«

»Im Tresor liegen Goldbarren«, erklärte Marks ruhige, harte Stimme. »Wir werden sie in vier Spezialkoffer verpacken.«

»Hast du die ebenfalls?«

»Natürlich. Und dann werden wir auf dem schnellsten Weg verschwinden, den wir gekommen sind. Deshalb brauche ich dich, weil ich sonst zweimal laufen müsste, und ich möchte jedes Risiko vermeiden.«

Ted trank und rieb sich das Kinn. »Wo liegt diese Bankfiliale?«

»Das wirst du schon sehen«, erklärte Mark. »Mit jeder Kleinigkeit, die du weißt, wirst du sofort zu kombinieren anfangen, wie du mich übers Ohr hauen kannst. Ich kenne dich, Kleiner.«

»Ich hab genug!«, fing Ted zu schreien an. »Wenn du glaubst, du kannst mich behandeln wie … Au!« Er hing plötzlich in einem schmerzhaften Griff und knickte in den Knien ein. »Lass los, Mensch!«

»Ja, wenn du hier keinen Krach machst«, erwiderte Mark und ließ los. »Lass Dampf ab, Freundchen, bei mir hat das keinen Zweck.«

Ted ließ sich auf einen Stuhl fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er atmete schnell. »Und? Wohin verduften wir?«

»Der Fluchtweg ist vorbereitet«, antwortete Mark.

»Auch das willst du mir nicht sagen?«

»Nein.«

»Und wenn wir getrennt werden?«

»Schlecht möglich – in einem Wagen. Aber du wirst Fluchtweg und Unterschlupf erfahren, rechtzeitig heute Abend.«

Ted beugte sich vor. »Sagtest du heute Abend?«

»Du hast richtig gehört. Die Sache steigt heute Nacht.«

Ted saß mit offenem Mund da. »Mann, Mark, konntest du das nicht ein paar Tage früher sagen? Man muss sich doch darauf einstellen.«

»Wozu? Es ist alles eingestellt. Du brauchst überhaupt nicht lange nachzudenken, das war nie deine Stärke. Wir werden jetzt Treffpunkt und Zeit vereinbaren, und wenn du nicht allein und zu Fuß kommst, dann würde ich an deiner Stelle vorher noch die Lebensversicherung erhöhen. Darin verstehe ich keinen Spaß, auch dir gegenüber nicht.«

Ted schluckte. »Na schön, du bist der Boss«, sagte er heiser.

»Diesen Vers sag dir bis heute Abend immer wieder auf, damit du ihn nicht vergisst.«

»Und wie hoch ist mein Anteil?«

»Je nachdem, entweder zehntausend Bucks bar oder eine Polizeikugel oder aber ein paar Jahre Knast.«

»Du hast eine tolle Art, einem die Sache schmackhaft zu machen. Nur ist das nicht ein bisschen wenig, wenn es sich um Goldbarren …?«

»Verstehst du, Gold zu verkaufen?«

»Ich würde …«

»Du würdest mit deinem ersten Goldbarren aufplatzen und in der Tinte sitzen«, unterbrach ihn Mark.

Ted ließ mutlos den Kopf hängen. »Wie wäre es mit einem kleinen Vorschuss?«

Mark Ellroy legte zwei Fünfziger auf den Tisch. »Aber wenn du betrunken ankommst, lasse ich dich stehen und drehe das Ding allein. Dann kannst du dir die Nase wischen. Das kannst du jetzt buchstäblich tun und abziehen. Und benimm dich wie ein Mensch, wenn du auf dem Korridor Mrs Winters siehst.«

Aber sie sahen Mrs Winters nicht, als Ted ging.

Allein in seinem Zimmer, starrte Mark Ellroy finster aus dem Fenster. Er ging noch einmal all seine Überlegungen durch. Ted ist ein Unsicherheitsfaktor, sagte er sich. Immerhin kann ich mich jederzeit gegen ihn durchsetzen.

»Na dann, auf unsere eindrucksvolle Bruderschaft«, sagte er sarkastisch.

Aber bevor er einen guten Schluck trank, wusch er zuerst das Glas aus.

***

Auf dem lang gestreckten, vierstöckigen Gebäude der Schokoladenfabrik Silberman leuchteten als große Neonbuchstaben die Initialen der Firma: S & S. Die Firma benutzte das Signum für den Werbeslogan »Soft and Sweet«, aber die New Yorker übersetzten das meistens mit »SOS« oder »Schund und Schmutz«.

Genau um null Uhr lösten sich die beiden Großbuchstaben S aus ihren Verankerungen, nur das & blieb stehen. Die beiden S kippten nach vorn, sausten nach unten und zerschellten mit einem fantastischen Getöse auf dem Vorplatz vor der Fabrikhalle. Die Passanten auf der Straße rannten vor Schreck in die nächsten Häuser, bis sie merkten, dass eigentlich nichts passiert war.

Die zuständige Revierwache erhielt die Meldung eine Minute später von einer aufgeregten Anliegerin. Der wachhabende Lieutenant brummte etwas Unfeines. Er telefonierte mit einem in der Nähe stehenden Streifenwagen.

»Seht mal nach, was da los ist.«

Aber er hatte kaum aufgelegt, als der Desk Sergeant ihm heftig zuwinkte.

Auch er hing an einem Apparat. »Vor dem Alhambra! Da gießt einer aus dem Fenster brennendes Petroleum auf die geparkten Autos!«

Das Alhambra ist ein Riesenkino mit den schärfsten Reißern. Rundherum liegen Lokale, in denen sich die Besucher mit Whisky und Eis wieder abkühlen können. Deshalb ist der Großparkplatz neben dem Alhambra nachts stets überfüllt.

Wieder jagte der Lieutenant einen Streifenwagen hin. »Sofortmeldung, wenn nötig Alarm.«

Die Sofortmeldung kam ein paar Minuten später.

»Die Leute reden unmögliche Sachen«, hieß es. »Ein Augenzeuge behauptet steif und fest, wie mehrere brennende Gegenstände lodernd wie Fackeln aus einem Fenster zwischen die Wagen geworfen wurden. Zwei Wagen brennen.«

Am Alhambra jagte inzwischen die Feuerwehr heran und begann, die beiden brennenden Fahrzeuge mit Schaum zuzudecken. Ein langer Farbiger sah einen Augenblick interessiert zu, dann lief er weiter.

Jesse war mit der Wirkung der beiden Molotowcocktails, die er aus dem Treppenhausfenster des nächsten Hauses geschleudert hatte, sehr zufrieden. Jetzt musste er schleunigst zu seinem nächsten Einsatzort …

***

In diesem Augenblick stand Tom Strong im achten und höchsten Stockwerk des Hotel de France in Richmond. Er hatte den Lift gerufen und blickte gespannt auf die Mattglasscheibe, auf der die Stockwerknummern aufleuchteten: Sechs … Sieben. Dann hielt die Kabine vor ihm. Er öffnete die Tür und sah, dass die Kabine leer war.

Tom Strong nickte zufrieden. Er sprach leise in ein kleines Sprechfunkgerät, das er an den Mund hielt. »Fertig, Ces.«

»Okay, ich zähle.« Es war die Stimme vom Boss, der auf dem Dach des Hotels hockte. »Fünf, vier, drei …«

Es war wie der Countdown eines Raketenstarts, und so etwas Ähnliches sollte es auch werden.

Tom Strong drückte grinsend die Tür des Lifts zu und ging zur Treppe. Zwei Sekunden später gab es auf dem Hoteldach einen dumpfen Krach. Eine Explosion zerstörte mit einem Schlag die gesamte Aufhängung des Lifts und zerriss das Zug- und das Sicherheitskabel gleichzeitig.

Die Liftkabine setzte sich in Bewegung. Sie rutschte, sie stürzte, schneller und schneller. Sie jagte durch die acht Stockwerke abwärts. Im fünften Stock begannen die Gleitschienen, vor Hitze zu rauchen. Wie eine Bombe jaulte die Kabine hinunter.

In der Halle im Erdgeschoss hörte der Nachtportier das unerklärliche Geräusch. Er hob den Kopf, dann duckte er sich instinktiv. Es schien auf ihn selbst herabzukommen. Heulend und kreischend raste ein Ungeheuer im Fahrstuhlschacht an ihm vorbei in die Tiefe.

Im Keller zerbarst die Kabine mit einem ungeheuren Getöse. Sie wurde wie eine Ziehharmonika auf Pfannkuchendicke zusammengestaucht, und das Unterteil des Liftschachts krachte auseinander.

Als Tom Strong über die Treppe die Halle erreichte, fand er eine aufgeregte Menschenmenge vor. Er brauchte keine Tricks, um unbeachtet auf die Straße zu kommen. Niemand kümmerte sich um ihn.

Er hörte das Heulen von Polizeisirenen und grinste: wieder ein paar Streifenwagen, die für die nächste halbe Stunde gut beschäftigt waren.

***

Die Richmond-Filiale der Privatbank Michigan Society bildet ein Eckhaus an einem großen Rundplatz, auf den fünf Straßen münden. Hinter den Gebäuden dehnt sich ein weiter Friedhof. Der Flachbau der Bank ist einstöckig und beherbergt nur die Bank.

Die Angestellten der Michigan-Bankfiliale, insgesamt zwölf mit dem Filialleiter, waren an ruhiges, vornehmes, wohlhabendes Publikum gewöhnt. Sie hatten nie etwas mit überzogenen Wechseln zu tun. Ihre Kunden waren meist die Gattinnen vermögender Citymanager, die lächelnd einen Scheck auf das gedeckte Konto ihres Mannes hereinreichten.

Es war ein regelmäßig wiederkehrender Sonderfall, dass im Tresor dieser Filiale Goldbarren im Wert von etwa 250.000 Dollar für eine Nacht lagerten. Eines der Häuser in der Nähe war die Millionärsbleibe eines Juwelengroßhändlers, der hier in gewissen Abständen einen Umtausch von Rohdiamanten und geschliffenen Diamanten in Feingold vornahm.

Das Geschäft war, wie die Bank genau ermittelt hatte, absolut legal. Der Juwelier ließ seine kleine Gold-Diamanten-Börse in etwa vierteljährlichen Abständen Zug um Zug, aber in äußerster Diskretion in seiner Villa stattfinden. Er hatte jeweils das nötige Sicherheitspersonal dazu, aber in seinem Haus keinen ausreichend sicheren Tresor. Deshalb ließ er das von ihm angeforderte Gold am Vorabend im Tresor der Bank einlagern.

Am folgenden Tag wurden die von ihm erworbenen Steine wiederum für eine Nacht in der Filiale eingelagert, bis sie nach und nach abgeholt und weitergebracht wurden. Auch den Leitern der Bank schien das ein genial unauffälliger Weg für diese Transaktionen zu sein. Nicht einmal der gerissenste Gangster, so glaubten sie, würde darauf kommen, ausgerechnet in dieser kleinen Bankfiliale in Richmond eine Drehscheibe des Handels mit Realwerten wie Gold und Diamanten zu vermuten.

Das glaubten sie – bis zu dieser Nacht.

***

Mark Ellroy stoppte seinen Wagen in einer schwach beleuchteten Straße. Auf der einen Seite sah man Zäune und Hecken und dahinter hier und da die Fassade eines vornehmen Einzelhauses, ob nun Bungalow oder viktorianisch. Auf der anderen Seite verlief ein hohes schwarzes Eisengitter, mehrere Hundert Fuß lang, und verlor sich in der Dunkelheit.

»Verdammt, das ist ja ’n Friedhof«, stieß Ted hervor. »Willst du mich da verbuddeln?«

Mark gab keine Antwort. Er löschte alle Lichter am Wagen und stieg aus. Mit langen Schritten erreichte er ein Tor im Friedhofsgitter. Schlüssel klirrten. Mark blickte sich sichernd um. Die Straße war menschenleer. Er öffnete hastig die beiden Flügel des Tors und winkte.

Ted war ans Steuer gerutscht. Sie hatten es so abgesprochen. Er gab Gas und rollte auf die schwarze Öffnung zu. Dahinter herrschte dichte Finsternis. Ted war drauf und dran, die Scheinwerfer einzuschalten. Aber er zuckte zurück. Mark hatte gedroht, ihn jämmerlich zu verprügeln, wenn er es täte. Er fuhr in die Finsternis hinein. Mark schloss das Tor hinter ihm. Dann rückte Ted wieder beiseite, und Mark schob sich auf den Fahrersitz.

Er rieb sich die Hände. »Das hier, Kleiner, ist das ideale Gelände für unseren Job.« Er schaltete Standlicht ein und fuhr langsam eine Hauptallee des Friedhofs entlang.

Ted griff nach einer Zigarette.

»Lass das!«, knurrte Mark.

Sie erreichten nach fünf Minuten das gegenüberliegende Grenzgitter des Friedhofsgeländes. Mark fuhr daran entlang und hielt an einer bestimmten Stelle, wo er den Motor abstellte und ausstieg. Ted folgte ihm.

Sie öffneten den Kofferraum. Mark holte eine Bootsstrickleiter heraus und rollte ein Stück davon auf dem Boden aus. Den Rest der Rolle schleuderte er über den Zaun. Die Leiter war lang genug, um auf beiden Seiten den Erdboden zu erreichen. Sie hatte sich aber im Wurf um sich selbst verdreht. Mark sah es stirnrunzelnd in dem seltsamen Dämmerlicht, das vom bewölkten New Yorker Himmel, der von den nächtlichen Lichtern der Riesenstadt aufgehellt war wie eine matt schimmernde Kuppel.

Mark kletterte als Erster. Als er auf der anderen Seite stand, reichte Ted ihm die vier schwarzen Koffer hinauf. Schließlich folgte Ted.

Als sie drüben angekommen waren, lag vor ihnen geisterbleich die Rückseite des Bankgebäudes.

2

Wir saßen immer noch bei Mr High und überdachten die Lage, als uns Einzelheiten über die neuen Anschläge durchgegeben wurden.

Es war weit nach Mitternacht, aber der Chef schien völlig ausgeruht zu sein, während Phil Mühe hatte, sein Gähnen zu unterdrücken. Nun, mir ging es nicht viel anders.

Mr High hatte uns mitten aus einer Schachpartie wegholen lassen. Phil hatte gemurrt, sich aber schließlich gefügt. Mir war es ganz recht, dass die Partie unterbrochen worden war, denn Phil hätte mich garantiert mit dem nächsten Zug mattgesetzt.

»Fassen wir noch einmal zusammen«, meinte Mr High. »Zunächst also dieser geheimnisvolle Anruf, dann die Explosion. Es war so viel Sprengstoff, wie ihn ein Privatmann nicht so einfach beschaffen kann. Es muss also eine Gruppe von Leuten dahinterstecken. Frage: Was können diese Feuerwerker vorgehabt haben?«

»Das mit der Freiheitsstatue ist wohl ein Witz«, sagte ich.

»Davon hätte niemand etwas«, pflichtete Phil bei. »Ich könnte mir eher denken, dass es sich um eine große Schiebung handelt. Revoluzzergruppen in allen möglichen Ländern sind scharf auf Sprengstoff. Ich schätze, irgendein Dynamitschieber hat hier das Geschäft seines Lebens machen wollen. Darauf deutet der Lagerplatz hin. Von da aus hätte er die heiße Ladung irgendwann bei Nacht und Nebel in Booten zu einem Schiff bringen können, und irgendwo am Kongo oder in Brasilien wäre das Zeug dann losgegangen. Das wäre aber mehr ein Fall für die CIA.«

»Hm«, machte Mr High. »Und wie sehen Sie die Sache, Jerry?«

»Phil hat manchmal ganz vernünftige Ideen«, antwortete ich. »Leider denkt er sich immer sehr komplizierte Geschichten aus. Vielleicht ist wirklich etwas an der Drohung mit der Freiheitsstatue dran. Wenn die gute alte Lady plötzlich in die Luft fliegen würde, das wäre ein Donnerschlag. Ich kann mir gut bestimmte Gruppen vorstellen, die daraus Kapital schlagen wollen.«

»Sie denken an politische Gruppen?«, fragte Mr High. »In Rassenfragen?«

»Vielleicht, Chef.«

Mr High sah mich aus seinen klaren Augen an, als ob er mich röntgen wollte. »Was heißt vielleicht, Jerry? Sie haben doch noch etwas anderes im Kopf.«

»Man sollte nichts aussprechen, was man nicht beweisen kann«, entgegnete ich.

»Das ist richtig«, sagte Mr High, »aber vielleicht könnten wir Ihre Gedankengänge ergänzen, um zu einem Schluss zu kommen. Auch im Hinblick auf die übrigen Attentate. Im Laufe der letzten Viertelstunde sind nicht weniger als acht Einsatzmeldungen aus den Bezirken Williamsburg und Richmond gekommen. Es sind scheinbar sinnlose Attentate: Leuchtreklame, Fahrstuhl, Autos. In einem Juweliergeschäft in Richmond wurden alle drei Schaufensterscheiben eingeschlagen. Völlig sinnlos, denn die Alarmanlage ging sofort los, und es wurde nichts gestohlen.« Der Chef unterbrach sich, denn eines seiner Telefone summte. Er hob ab und hörte eine halbe Minute zu. »Ja, danke«, verabschiedete er sich und legte auf.

»Das Neueste«, berichtete er. »Sie haben den alten Apoll auf dem Büchsenmilchhaus in Queens gesprengt.«

Der Apoll war eine Sehenswürdigkeit. Eine Büchsenmilchfirma besaß in Queens ein Hochhaus mit vierundzwanzig Stockwerken. Der schrullige Erbauer hatte, wie viele seinesgleichen, die Idee gehabt, sein Bauwerk irgendwie zu krönen. Dieser Milchmann hatte also einen griechischen Apoll montieren lassen. Zwar nicht so groß wie die Freiheitsstatue, aber mit fünfzig Fuß Höhe immerhin von ganz beachtlicher Statur. Sie bestand aus Marmor.

Und diese Burschen hatten sie gesprengt?

»Und was ist passiert?«, fragte ich.

»Der Apoll scheint aus vierundzwanzig Stock Höhe auf den Vorplatz gestürzt zu sein. Es soll einige Verletzte gegeben haben. Die Einzelheiten laufen über den Fernschreiber. Diese unsinnigen Attentate müssen in Zusammenhang miteinander stehen. Anscheinend eine fast gleichzeitige Aktion an verschiedenen Plätzen. Was halten Sie davon?«

»Mein Verdacht verstärkt sich«, antwortete ich. »Im Grunde habe ich nichts anderes erwartet. Die Polizeikräfte sind in Richmond und Williamsburg an bestimmten Orten konzentriert. Wenn ich jetzt hinfahre und in aller Stille einen Uhrenladen, oder was weiß ich, ausräume, wird sich wahrscheinlich kein Mensch um mich kümmern. Denn alle sind mit dem Fahrstuhl, Apoll und Leuchtreklame beschäftigt. Eine unauffällige Sache, ganz ohne Krach, ich werde in aller Ruhe einpacken und abfahren. An der nächsten Straßenecke werde ich meinen Wagen parken und mich vor dem Milchhaus unter die Neugierigen mischen und ›Ah!‹ und ›Oh!‹ rufen. Die City Police merkt bestimmt nichts.«

»Jerry«, sagte Mr High, »vielleicht haben Sie den Stein der Weisen gefunden. Das könnte es sein. Wenn es sich um eine politische Demonstration handelt, wird man es merken. Wenn das aber, wie Jerry meint, eine Tarnungsaktion für ein Verbrechen ist, ist es unser Fall.«

»Wir werden uns darum kümmern«, versprach ich. »Komm, Phil, wir fahren nach Richmond.«

***

Mark Ellroy hatte mit seinen Schlüsseln bereits drei Stahltüren geöffnet. Die beiden Männer tappten durch einen finsteren Gang.

Er war wie ein Schlauch, in dem in jedem Augenblick etwas herunterfallen konnte.

Mark benutzte keine Nachschlüssel. Es waren Originalschlüssel. Woher er sie hatte, das verriet er seinem Bruder Ted nicht. Ted tappte hinter ihm her.

Mark fingerte an einem kleinen dunklen Kasten. Es dauerte lange. Dann drehte Mark sich um.

»Die Alarmanlage ist jetzt für dreißig Minuten ausgeschaltet«, flüsterte er. »Dann schaltet sie sich automatisch wieder ein. In der Zeit muss alles vorbei sein.«

Die nächste Tür war der Eingang zur Schalterhalle der Bankfiliale.

***

Der Nachtwächter der Bankfiliale war der alte Stenton. Er versah dieses Amt seit sieben Jahren. Gewissenhaft und treu. Er besaß eine Pistole, die in einem Etui an seinem Hosengurt hing. Stenton hatte sie seit mindestens vier Jahren nicht mehr herausgenommen. Wozu auch!