Jerry Cotton Sonder-Edition 83 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 83 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Seine Ausbildung hatte fünf Millionen Dollar gekostet. Er war der wichtigste Mann für den bereits geplanten Flug zum Mars. Und deshalb entführten sie ihn. Mr High jagte Phil und mich nach Jacksonville, dem Ausbildungszentrum für Astronauten. Ein Flug zum Mars war für uns nicht gebucht - stattdessen eine Fahrt in die Hölle ...

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EPUB

Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Der entführte Astronaut

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Der Stoff, aus dem die Helden sind«/ddp-images

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6622-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der entführte Astronaut

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Herb Cummings wusste plötzlich, dass es Ärger geben würde. Großen Ärger. Langsam schloss er die Tür der Telefonzelle hinter sich. Die Glasbox lag an einer stark befahrenen Highwaykreuzung.

Ein junger Mann versperrte ihm den Weg. Die beiden Begleiter des Fremden hielten sich einige Schritte abseits. Es war zu spüren, dass sie nur darauf warteten, in das Geschehen eingreifen zu können.

»Ich kenne Sie, Mister«, sagte der junge Mann zu Herb Cummings. »Sie sind der Mann im Mars.«

Herb Cummings lächelte dünn. »Vielleicht werde ich es einmal sein – in fünf Jahren«, meinte er. »Zusammen mit drei Kollegen.«

Der junge Mann nickte. Er hatte ungewöhnlich helle Augen und blondes, wallendes Haar, das ihm fast bis auf die Schultern fiel. Cummings schätzte ihn auf einundzwanzig.

»Ich weiß«, erwiderte der junge Mann. »Ich lese Zeitungen. Ihre Ausbildung als Astronaut kostete den Steuerzahler bereits fünf Millionen Dollar. Und ehe man Sie auf den großen Trip schickt, wird sich diese Summe verdoppelt haben. Oder irre ich mich?«

»Für Finanzfragen bin ich nicht zuständig«, gab Herb Cummings zurück. »Würden Sie mich bitte vorbeilassen? Ich bin in Eile. Man erwartet mich.«

»Schon möglich, aber jetzt werden Sie tun, was wir für richtig halten«, widersprach der junge Mann. Er schob die Daumen in seinen breiten, nietenbeschlagenen Ledergürtel und wippte herausfordernd auf den Füßen. Seine stilisierte Cowboykleidung bestand aus schwarzen Halbstiefeln, engen Röhrenhosen, einem schwarzen, am Hals offen stehenden Hemd mit rotem Schaltuch und einem gleichfalls schwarzen, breitkrempigen Stetsonhut. Seine Begleiter trugen Sportkombinationen. Herb Cummings bemerkte, dass die Jacketts aus teurem Tweed waren.

Die jungen Leute hatten schmale, gut geschnittene Gesichter. Es waren harte Gesichter, zwar faltenfrei, aber doch schon alt.

»Ich verstehe«, sagte er leise. »Sie haben die Reifen meines Wagens zerschnitten.«

»Stimmt.« Der blonde Anführer stellte das Wippen ein. »Das waren wir. Haben Sie nicht bemerkt, dass wir Ihnen gefolgt sind?«

»Nein«, musste Herb Cummings zugeben.

Er war eher erstaunt als verärgert. Die jungen Leute wussten, wer er war. Sie wussten, dass er auf ein normales, bürgerliches Leben verzichtet hatte, um für sein Land im Namen der Menschheit Pioniertaten vollbringen zu können. Trotzdem hassten sie ihn. Aber warum? Hassten sie ihn, weil er anders war als sie, sahen sie in ihm das Symbol einer technisierten, immer seelenloser werdenden Gesellschaft?

Ich muss ruhig bleiben, dachte er. Ich muss ihnen erklären, dass ich verheiratet bin und zwei Kinder habe, dass ich, wenn mir das Training dazu nur Zeit lässt, wie ein ganz normaler Bürger lebe.

»Als Sie in dem Highwayrestaurant auf der anderen Straßenseite eine Stange Zigaretten holten, haben wir alle vier Reifen Ihres Wagens zerschnitten«, sagte der Blonde. »Ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Nachdem Sie den Schaden entdeckt haben, reagierten Sie sehr gelassen. Sie zuckten nicht mal mit der Wimper. Sie betraten die Telefonzelle und benachrichtigten Ihre Werkstatt oder war es Ihre Dienststelle?«

»Das geht Sie nichts an«, antwortete Herb Cummings ruhig. »Warum haben Sie es getan? Was bezwecken Sie mit dieser Aktion?«

»Na, was wohl?«, spottete der Blonde. »Wir wollen unser Taschengeld aufbessern. Kommen Sie, unser Wagen steht da drüben. Man muss nicht zum Mars fliegen, um den Reiz des großen Abenteuers zu erleben.«

»Kommt gar nicht infrage!«, erwiderte Herb Cummings.

Er hatte begriffen, dass es sich nicht um eine jener spektakulären Protestaktionen handelte, mit der sich überspannte Jugendliche Gehör zu schaffen versuchten. Der Blonde hatte klipp und klar zum Ausdruck gebracht, dass es ihm um Geld ging.

Der Blonde griff in seine Gesäßtasche und zog blitzschnell eine Pistole hervor. »Erschrecken Sie nicht, Meister. Ihnen wird nichts passieren, wenn Sie schön brav sind.«

Er stand mit dem Rücken zum Highway. Die Insassen der vorbeirollenden Fahrzeuge konnten die Waffe in seiner Hand nicht sehen. Im Übrigen war es höchst zweifelhaft, ob ein zufälliger Beobachter der Szene den Mut zum Eingreifen aufbringen würde. Es gab nicht besonders viele Leute mit Zivilcourage.

»Ich kenne Ihr Trainingsprogramm nicht«, fuhr der Blonde fort, »aber es würde mich nicht überraschen, wenn es auch ein paar taktische Hinweise auf Ihr Verhalten bei einer drohenden Entführung enthielte. Immerhin hat der gute alte Uncle Sam fünf Millionen Dollar für Ihre Ausbildung zum Super-Marsreisenden ausgespuckt. Wenn Sie jetzt den wilden Mann markieren und dabei verletzt werden, könnte sich diese Ausgabe leicht als plötzlich wertlos gewordene Anlage erweisen.«

College, konstatierte Herb Cummings. Die Art, wie der junge Mann seine Worte setzte, lässt zumindest erkennen, dass er nicht aus den Slums stammt, egal, wie abenteuerlich seine Aufmachung auch erscheinen mag.

Herb Cummings schwieg. Er konnte und wollte nicht zugeben, dass der Blonde recht hatte. Herb Cummings’ Sicherheitsbestimmungen sahen für einen solchen Fall völlig passives Verhalten vor.

»Andererseits«, höhnte der Blonde, »bietet sich Ihnen die einmalige Chance, durch Ihren Widerstand schon heute den Mars zu erreichen. Wenn ich abdrücke, werden Sie ihn auf Ihrem Weg ins Jenseits passieren.«

***

Herb Cummings zuckte mit den Schultern.

Sie überquerten die Straße. Auf dem Parkplatz vor dem Highwayrestaurant standen sieben Fahrzeuge.

»Wir nehmen den gelben Cadillac«, erklärte der Blonde. Seine Begleiter hatten bis jetzt noch kein Wort geäußert.

Herb Cummings prägte sich das Nummernschild des 63er Cadillac ein. Der Wagen war in New York zugelassen. Cummings wandte den Kopf, als dicht neben ihm ein flacher grüner Flitzer stoppte. In dem offenen Lancia saß eine rotblonde junge Frau. Sie warf mit einer etwas herrisch anmutenden Kopfbewegung das leuchtende Haar in den Nacken und blickte Herb Cummings an. Es schien, als würde sie die dicht hinter ihm stehenden jungen Leute überhaupt nicht bemerken.

»Sie sind Herb Cummings!«, stieß sie hervor.

Er erlebte das ziemlich oft. Es war, wie er fand, eine recht mühsame und zeitraubende Folgeerscheinung seiner Berühmtheit, dass er immer wieder erkannt wurde und sich dann den neugierigen Fragen wildfremder Menschen stellen musste.

In seinem Rücken verspürte er den warnenden Druck der Pistolenmündung. Herb Cummings lächelte ungezwungen. Es war keineswegs Angst vor der Waffe, die ihn jetzt den Kopf schütteln ließ. Er durfte die junge Frau nicht gefährden, indem er sie in diesen Fall verwickelte. Er war nicht einmal bereit, ihr ein Zeichen zu geben.

»Ich sehe Herb Cummings ähnlich«, erwiderte er, »aber ich bin es nicht.«

Die junge Frau zeigte beim Lachen zwei Reihen perlweißer, untadelig gewachsener Zähne. Sie war ungewöhnlich hübsch, und Herb Cummings erkannte nicht bloß an ihrem fast neuen Importwagen, dass sie aus Kreisen stammte, in denen das Taschengeld nach Hundertern bemessen wurde.

Sie hatte große, lichtgrüne Augen mit langen, seidig schimmernden Wimpern, hohe Jochbeine und einen vollen, weichen Mund, dem man anmerkte, dass er je nach Lust und Laune zur Sprödigkeit oder zur Leidenschaft neigte. Herb Cummings schätzte die junge Frau auf Anfang zwanzig.

»Mir machen Sie nichts vor.« Sie lachte. »Ein Gesicht und ein Lächeln wie dieses gibt es nur einmal in unserem Land, und ich weiß, dass es Herb Cummings gehört. Ich habe Sie erst vorgestern im Fernsehen bewundert. Was ist los, Herb? Hat man Ihnen aufgetragen, sich in der Öffentlichkeit zu verleugnen?«

»Verschwinden Sie«, sagte der Blonde über Cummings’ Schulter hinweg. Seine Stimme war scharf und befehlend. »Haben Sie Dreck in den Ohren? Sie hören doch, was er sagt!«

Die junge Frau hob die vollkommen geschwungenen Augenbrauen. Ihre Mundwinkel vertieften sich zu einem spöttischen Ausdruck. »Ist das Ihr Sprecher, Herb?«

Herb Cummings hatte Mühe, sein Lächeln beizubehalten. Er spürte die Spannung, die in der Luft lag, und fürchtete um eine Entladung. »Goodbye. Es ist wirklich besser, Sie fahren los.«

Die junge Frau stieg aus. Sie war nur wenig kleiner als Cummings und hatte eine Figur, die einen zweiten Blick wert war. Zu ihrem weißen Jumperkleid trug sie einen Seidenschal von der Farbe ihrer Augen. Der Minirock betonte die perfekte Linie ihrer langen, schlanken Beine.

Noch ehe einer der jungen Burschen etwas dagegen zu unternehmen vermochte, trat sie neben Herb Cummings. Sie sah, dass der Blonde eine Pistole in der Hand hatte.

»Ach so ist das«, sagte sie.

»Ja, so ist das«, meinte der Blonde scharf. Er trat einen halben Schritt zurück, um freies Schussfeld zu haben. »Hauen Sie ab, oder es passiert ein Unglück.«

»Sie haben Angst, mein Freund«, erwiderte die junge Frau und lachte leise. »Richtig Angst. Natürlich ist das gefährlich. Ängstliche Leute schießen gern. Nein, nicht gern, aber rasch. Niemand ist so gefährlich wie ein in die Enge getriebener Feigling. Geben Sie die Waffe her!«

»Alles, was Sie davon haben können, ist eine Kugel, meinetwegen auch zwei!«, presste der Blonde durch die Zähne.

Herb Cummings drehte sich um. Er fand es an der Zeit, einzugreifen. Das Leben einer jungen Frau hatte mit seinen Sicherheitsbestimmungen nichts zu schaffen. Einen solchen Fall sahen sie nicht vor. Herb Cummings fühlte sich verpflichtet, die bedrohte Frau zu beschützen.

»Wenn Sie abdrücken, geschieht ein Unglück, das schwöre ich Ihnen«, warnte er den Blonden.

»Das haben Sie glasklar erfasst, Partner«, höhnte der. »Klar passiert ein Unglück! Wir legen erst die Puppe und dann Sie um …«

Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Die junge Frau tat etwas Erstaunliches. Sie sprang nach vorne und griff den Blonden an.

Ehe er zu reagieren vermochte, schickte sie ihn mit einem Judogriff zu Boden und nahm ihm gleichzeitig die Waffe ab.

Der Blonde traf keine Anstalten, sich zu erheben. Er richtete nur den Oberkörper auf und stützte sich auf die Ellenbogen. Er sah ebenso perplex aus wie seine Begleiter. Sie unternahmen nichts, um die Situation in den Griff zu bekommen. Erschreckt starrten sie auf die Pistole in der schmalen, energischen Frauenhand.

»Steigen Sie ein, rasch«, sagte die junge Frau zu Cummings. »Ich halte die Burschen in der Zwischenzeit mit der Waffe in Schach.«

»Das ist meine Aufgabe«, erklärte Herb Cummings und streckte die Hand aus. »Geben Sie mir das Ding. Es genügt, wenn Sie die Polizei anrufen.«

Die junge Frau schüttelte heftig den Kopf. »Die Kerle sind nicht allein. Beim Heranfahren habe ich mich über die Halbstarkengruppe auf der anderen Seite des Lokals gewundert. Ich wette, die Burschen gehören zusammen. Ich möchte nicht dazu gezwungen werden, auf einen der Kerle zu schießen. Es ist besser, wir verschwinden von hier.«

»Los, Joe, sag den anderen Bescheid«, forderte der Blonde schwer atmend.

»Worauf warten Sie noch?«, drängte die junge Frau und zerrte ungeduldig an Cummings’ Jackenärmel.

Er zögerte und hatte das unbestimmte Gefühl, dem Geschehen nicht als Akteur, sondern als Zuschauer beizuwohnen. Das alles konnte doch nicht wahr sein! Er, Herb Cummings, als Mittelpunkt einer eher komischen als tragischen Entführung? Unfassbar!

Der mit Joe angesprochene junge Mann bewegte sich langsam rückwärts. Er lief leicht geduckt und mit gespannten Muskeln. Seine Augen hatten sich zu Schlitzen verengt.

»Stehen bleiben!«, kommandierte die junge Frau.

Joe gehorchte.

»Sie wird nicht schießen«, hetzte der Blonde, der immer noch am Boden lag. »Hau ab, Joe, sei kein Feigling!«

Herb Cummings gab sich einen Ruck und schwang sich auf den Beifahrersitz des grünen Flitzers. Es genügte, wenn er mit der jungen Frau an der nächsten Telefonzelle stoppte und die Cops benachrichtigte. Es hatte wirklich keinen Zweck, jetzt und hier den Helden spielen zu wollen.

»Kommen Sie«, sagte er zu der jungen Frau.

Sie trat einige Schritte zurück und prallte mit dem Rücken gegen ihren Wagen. Herb Cummings öffnete ihr den Schlag. Sie stieg ein, drückte auf den Starter und schleuderte die Pistole durch die Luft. Die Waffe landete am anderen Ende des Parkplatzes krachend auf dem Boden.

»Da, holt sie euch!«, rief die junge Frau.

Im nächsten Moment schoss der Wagen aus seiner Parklücke an dem zur Seite springenden Joe vorbei auf die Straße. Der Fahrer eines Pritschenfords, der durch das unerwartete Manöver zu einem scharfen Bremsen gezwungen wurde, hupte laut und wütend.

»Der wird ganz schön sauer sein auf die verrückte autofahrende Weiblichkeit«, sagte die junge Frau lachend und drückte das Gaspedal voll durch. Der Sportwagen schoss mit aufheulender Maschine die Straße hinunter. »Was wollten die Kerle eigentlich von Ihnen?«

»Mich entführen«, meinte Herb Cummings. »Ich weiß, dass das verrückt klingt, aber das hatten sie vor.«

»Warum haben Sie sich nicht zur Wehr gesetzt?«

»Gegen eine Handfeuerwaffe? Das ist mir streng untersagt«, erwiderte er.

»Komische Vorschriften sind das«, meinte die junge Frau kopfschüttelnd. »Sind Sie denn nicht bewaffnet?«

»Ich bin Zivilist«, erinnerte Herb Cummings sie. Er musterte die junge Frau prüfend von der Seite. »Ist Ihnen überhaupt klar geworden, welches Risiko Sie auf sich genommen haben?«

Die junge Frau lachte. »Ein Mann Ihres Berufs und mit Ihren geradezu fantastischen Zielsetzungen spricht von Risiko! Eine Reise zum Mars ist schließlich kein Wochenendausflug.«

»Meine Ausbildung bemüht sich letzten Endes darum, jedes Risiko auszuschalten«, sagte Herb Cummings. »Natürlich bleibt ein Rest Unwägbarkeit zurück. Es gehört zu den unberechenbaren Umständen des Lebens, mit denen sich jeder von uns herumschlagen muss. Aber lassen wir das. Ich muss mich bei Ihnen bedanken. Sie waren einfach großartig. Dabei weiß ich nicht einmal, wem ich meine Rettung verdanke.«

Die junge Frau lachte erneut. Das Lachen stand ihr gut, es wirkte wild und vergnügt gleichzeitig.

»Verzeihen Sie, es ging alles viel zu schnell, um eine förmliche Vorstellung zuzulassen. Ich heiße Gloria.«

»Gloria, und wie noch? O, warten Sie, da vorn ist ein Trailerrestaurant. Wir könnten dort halten und die Polizei benachrichtigen.«

»Das ist doch sinnlos«, gab die junge Frau zurück.

»Sinnlos?«, echote Herb Cummings.

»Die Burschen sind längst über alle Berge«, meinte sie. »Wenn wir die Cops verständigen, muss zwangsläufig ein riesiger Wirbel entstehen, der niemandem nutzt. Er wird es nur fertigbringen, diese Halbstarken zum stolzen Mittelpunkt knalliger Schlagzeilen zu machen. Wollen Sie ihnen diesen Triumph wirklich gönnen?«

»Es geht nicht um mich.« Herb Cummings sah sich zu seinem Erstaunen plötzlich in die Verteidigung gedrängt. »Wenn man die Kerle nicht schnappt, werden sie das als Ermunterung zu weiteren Taten auffassen.«

»Ich glaube, die haben vorerst genug«, entgegnete Gloria. »Es wird ihr Selbstbewusstsein nicht gerade fördern, dass sie von einer jungen Frau überwältigt wurden. Sie werden begreifen, wie knapp sie einer Verhaftung und dem Gefängnis entkommen sind.«

Herb Cummings schwieg.

Was die junge Frau sagte, stimmte. Der Versuch, einen der Mars-Astronauten zu entführen, musste Schlagzeilen machen und zu Konsequenzen führen, die er, Herb Cummings, weder verantworten noch kontrollieren konnte. Ein paar Erzkonservative würden Aufwind bekommen und die Jugend wieder einmal in Bausch und Bogen verdammen.

»Ich muss natürlich Meldung machen«, sagte er. »Mein Chef wird entscheiden, was zu tun ist.«

»Sie sind verheiratet, nicht wahr?«

»Ja.«

»Glücklich?«

»Ja.«

»Ich muss Ihnen schrecklich neugierig erscheinen«, sagte die junge Frau, »aber ich habe nicht alle Tage Gelegenheit, mit einem so berühmten Mann zu sprechen. Wie denkt Ihre Frau über Ihren Beruf?«

»Als wir uns kennenlernten, war Fay Stewardess, und ich hatte gerade meine zehntausendste Flugmeile als Pilot hinter mich gebracht.«

»Ich verstehe«, meinte die junge Frau. Sie fuhr nach wie vor sehr schnell. »Wenn man in einer solchen Umgebung groß wird, hört man auf, an ihre Gefahren zu denken.«

»Das wäre grundverkehrt«, widersprach Cummings, »aber man betrachtet die Gefahren nur noch als Aufgabenstellung, als Herausforderung, die es zu meistern gilt, und nicht als Schreckgespenst. Was ist los? Warum halten Sie?«

Gloria blickte in den am Armaturenbrett angebrachten Spiegel. »Ich glaube, uns folgt ein Wagen«, antwortete sie. »Es ist besser, wenn ich auf den Feldweg einbiege.«

»Warum das?«, fragte Herb Cummings und blickte über die Schulter. »Auf der Straße kann uns nichts passieren. Auf dem Feldweg sind Sie mit Ihrem niedrig gebauten Flitzer jedem anderen Wagen unterlegen.«

»Ich will nur feststellen, ob der Kerl tatsächlich hinter uns her ist«, erklärte die junge Frau. Sie bog von der Straße ab und rollte auf einen schmalen Weg, der geradewegs zu einem kleinen, etwa hundert Yards von der Straße entfernten Waldstück führte.

»Na bitte, der hat die Abbiegung bereits passiert«, stellte Herb Cummings fest.

»Den meinte ich nicht.«

»Bitte, Gloria, ich bin in Eile«, bat Herb Cummings. »Ich werde erwartet.«

»Von wem?«

»Von gut zweihundert Menschen, vor denen ich einen Vortrag halten soll.«

»Die werden sich noch ein wenig gedulden müssen«, meinte die junge Frau.

Sie hatten den Wald erreicht. Gloria stoppte erst, als sie von der Straße her nicht mehr gesehen werden konnten. »So«, seufzte sie. »Das wär’s.«

Herb Cummings beobachtete mit gerunzelten Augenbrauen, wie die junge Frau den Motor abstellte und nach ihrer Handtasche griff. Er kam sich vor wie ein Schauspieler, der ohne Manuskript auf die Bühne geschickt wird und keine Ahnung hat, was er dort soll.

Gloria öffnete die Handtasche. Im nächsten Moment hielt sie eine Pistole in der schlanken, ringlosen Hand. »Ich nehme an, Sie verstehen etwas davon«, versetzte sie lächelnd. »Das ist eine Bernadelli. Sie ist geladen.«

Cummings runzelte die Brauen. »Was wollen Sie damit?«

»Sie zum Aussteigen auffordern«, erwiderte die junge Frau. »Sie haben an dem Highwayrestaurant beobachten können, wie schnell ich reagiere. Vergessen Sie das bitte nicht. Erinnern Sie sich vor allem an die Vorschrift, die es Ihnen untersagt, sich einer Bedrohung durch Handfeuerwaffen zu widersetzen.«

Sein Erstaunen wuchs. »Sagen Sie, Gloria, was soll das alles?«

Die junge Frau griff hinter sich, öffnete den Wagenschlag und stieg aus. Während sie das tat, hielt sie die Augen und die Waffenmündung fest auf Herb Cummings gerichtet.

»Das kriegen Sie gleich mit«, versprach sie. »Worauf warten Sie noch, Herb Cummings? Mit einer schriftlichen Einladung kann ich leider nicht dienen.«

Seufzend und kopfschüttelnd kletterte Herb Cummings aus dem Wagen. Was für ein Tag! Er hatte keine Angst vor der jungen Frau, aber er spürte, dass es jetzt ernst wurde.

Ihm dämmerte, dass ihre Judoaktion nur eine Komödie gewesen war, ein abgesprochenes Unternehmen, von dem er allerdings nicht zu sagen wusste, welchem Zweck es dienen sollte.

»Heben Sie die Hände!«, kommandierte das Mädchen.

»Ist das wirklich nötig?«, fragte er.

»Ich traue Ihnen nicht über den Weg, Herb«, sagte Gloria. »Sie mögen sich im Allgemeinen brav und strikt an Ihre Vorschriften halten, aber Sie sind ein Mann, und es könnte leicht geschehen, dass Sie diese Vorschriften nur deshalb vergessen, weil es Sie wurmt, von einer jungen Frau aufs Kreuz gelegt worden zu sein.«

»Der Blonde und seine beiden Komplizen, das waren Ihre Freunde, nicht wahr?«

»Vielleicht«, antwortete die junge Frau und lächelte spöttisch. »Gehen Sie jetzt den Waldweg hinunter. Ich bleibe drei Schritte hinter Ihnen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass in dieser Gegend ein Schuss nicht auffallen würde. Also richten Sie sich bitte danach.«

Herb Cummings blieb wie angewurzelt stehen. »Sagen Sie mir endlich, was Sie wollen!«

»Sie will ich, Herb.«

»Reden Sie keinen Unsinn.«

»Es ist kein Unsinn, das werden Sie gleich sehen. Los, setzen Sie sich in Bewegung!«

Er unterdrückte die Erwiderung, die ihm auf der Zunge lag, und musterte die junge Frau prüfend. Kurzentschlossen machte er kehrt und marschierte los. Sie folgte ihm. Er entdeckte rasch, weshalb Gloria nicht weitergefahren war. Große Steine und tiefe Fahrspuren machten den schmalen Weg für einen niedrig liegenden Wagen unpassierbar.

Glorias Schätzung erwies sich als richtig. Nach drei Minuten schimmerte Licht durch das Unterholz. Sie gelangten auf eine Wiese. Am Waldrand parkte ein Kastenwagen, der die Aufschrift einer Reparaturwerkstatt für Fernsehgeräte trug. Am Führerhaus des Wagens lehnte ein junger Mann und rauchte eine Zigarette. Er blickte ihnen gelangweilt entgegen. Herb Cummings blieb stehen.

Gloria rammte ihm die Waffenmündung in den Rücken. »Keine Müdigkeit vortäuschen«, spottete sie.

Der junge Mann schnippte die nur zur Hälfte aufgerauchte Zigarette von sich. »Er sieht aus wie auf den Fotos«, stellte er sachlich fest.

»Wie sollte er wohl sonst aussehen?«, fragte die junge Frau. »Ist alles bereit?«

»Aber ja«, bestätigte der junge Mann und öffnete die Tür des Führerhauses. »Es wird am besten sein, wir fangen gleich an.«

»Legen Sie sich auf den Boden, mit dem Gesicht zur Erde«, kommandierte die junge Frau.

Herb Cummings warf einen Blick in das Führerhaus des Kastenwagens und sah eine Handvoll Stricke und einige Tücher darin liegen. Er begriff, dass man vorhatte, ihn zu fesseln und zu knebeln.

Eine Frau und vier junge Männer.

Eine richtige Gang!

Trotzdem machten sie auf ihn nicht den Eindruck von Gangsterprofis. Sie wirkten eher wie Leute, die das Unternehmen gleichsam als Hobby betrieben, vielleicht auch, weil sie mit irgendjemandem gewettet hatten, dass es ihnen gelingen würde, einen der prominentesten Amerikaner zu entführen.

Dann fiel ihm ein, was der Blonde am Highwayrestaurant über die Ziele der Aktion gesagt hatte. Demzufolge verbarg sich hinter der geplanten Entführung die erklärte Absicht, damit Geld zu verdienen.

»Er ist ein wenig langsam, findest du nicht auch?«, spottete der junge Mann. »Und mit solchen lahmen Vögeln wollen wir den Mars erreichen!«

Herb Cummings schätzte den Burschen auf dreiundzwanzig.

»Hinlegen!«, kommandierte die junge Frau. Dann schoss sie, ohne Vorwarnung. Die Kugel war zweifellos dazu gedacht, ihrem Befehl Nachdruck zu verleihen. Sie fegte so dicht und brandheiß an Cummings’ Kopf vorbei, dass er zur Seite zuckte.

Seine Augen weiteten sich. Er wurde wütend. Hatte die Frau den Verstand verloren? Nicht einmal ein Meisterschütze konnte sich ein so riskantes Manöver leisten.

»Er ist blass geworden«, höhnte der junge Mann. »Der Held der Nation hat Angst!«

»Nein, nein, das ist es nicht«, meinte die junge Frau. »Er ist nur blass vor Wut.«

»Gefällt er dir?«

»Warum nicht? Er sieht gut aus. Er hat etwas auf dem Kasten. Aber er ist ein Streber. Ein Strammsteher. Einer, der sich stur an Befehle und Vorschriften hält. Du weißt, dass ich so etwas nicht ausstehen kann.«

»Dir gehorcht er nicht«, sagte der junge Mann meckernd. Er hatte dunkles, gelocktes Haar und nussbraune Augen. »Vielleicht solltest du ihm eine zweite Aufforderung zuteilwerden lassen.«

»Die würde er nicht überleben«, erwiderte die junge Frau mit dunkler, sanfter Stimme. »Und das weiß er. Legen Sie sich hin, Mister, Sie ersparen sich und uns nur eine Menge Ärger.«

Herb Cummings zwang sich zur Ruhe. Er legte sich ins Gras und hörte, wie der junge Mann die Stricke aus dem Wagen holte und damit zurückkehrte.

»Hände auf den Rücken, Marsmensch«, kommandierte der junge Mann. Herb Cummings gehorchte. Der junge Mann fesselte ihn gründlich und geradezu expertenhaft. Dann stopfte er dem Astronauten einen Knebel in den Mund. »Daran hat er für ein paar Stunden zu kauen.« Er richtete sich auf.

»Gute Arbeit, Pete«, lobte Gloria.

»Öffne die Wagentür«, bat er. Er bückte sich, fasste Cummings an den Füßen und schleifte ihn über den Boden bis zum Wagen. Die junge Frau öffnete die Tür. Pete hob Cummings auf, warf ihn in den dunklen Kastenaufbau und schloss die Tür.

»Schließ sie ab«, verlangte die junge Frau.