Jerry Cotton Sonder-Edition 96 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 96 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Die Unterwasser-Killer

Die beiden dunklen Gestalten waren plötzlich da! Sie trugen die gleichen Taucheranzüge wie Phil und ich. Ich entdeckte die seltsame Waffe und wollte mich zur Seite werfen. Da traf mich ein Stich in die linke Brusthälfte. Undeutlich sah ich, wie auch Phil zusammenzuckte. Dann verschwamm sein Körper vor meinen Augen. Es wurde dunkel um mich, so pechschwarz wie die bodenlose Tiefe unter uns. Die Unterwasser-Killer hatten uns erwischt ...

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Unterwasser-Killer

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Bond, James – Feuerball«/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7604-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Unterwasser-Killer

Die beiden dunklen Gestalten waren plötzlich da! Sie trugen die gleichen Taucheranzüge wie Phil und ich. Ich entdeckte die seltsame Waffe und wollte mich zur Seite werfen. Da traf mich ein Stich in die linke Brusthälfte. Undeutlich sah ich, wie auch Phil zusammenzuckte. Dann verschwamm sein Körper vor meinen Augen. Es wurde dunkel um mich, so pechschwarz wie die bodenlose Tiefe unter uns. Die Unterwasser-Killer hatten uns erwischt …

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Ich klopfte mir den feinen Strandsand aus Haaren und Ohren. Müde rappelte ich mich auf und reckte die sonnengeölten Glieder. Das Klima von Louisiana machte einen fertig. Allein das Herumliegen strengte schon an.

Aber wenn ich ehrlich sein wollte, dann musste ich zugeben, dass kein wesentlicher Unterschied zum Klima in Florida bestand. Immerhin hatte ich mich von den verheißungsvollen Blicken der Reisebürofrau in Manhattan überzeugen lassen, dass Louisiana auch mal ganz schön sein würde.

»Warum immer Florida, Mister Cotton?«, hatte sie mich gefragt.

Leider hatte ich keine besonders schlagfertige Antwort parat gehabt.

Daher also Louisiana. New Orleans, genauer gesagt. Eine fantastische Mischung von Großstadtluft, Kleinstadtidylle, Mississippi, Sümpfen, Seen, Golf von Mexiko, Buchten, Badestränden, Bayous und … hinreißend gewachsenen Urlaubsgeschöpfen. Jene Wesen, die so aussahen, als seien sie eigens dafür geschaffen worden, Wasser, Wind und Sonne mit dem unvergleichlichen Hauch prickelnder Urlaubsabenteuer zu würzen.

Peggy gehörte unzweifelhaft zur Spitzenklasse dieser aufregenden Geschöpfe. Neben mir hatte sie im pulverfeinen Sand den Abdruck ihrer schwindelerregenden Körpermerkmale hinterlassen.

Sie ergriff meine Hände. »Hilf mir auf die Beine, Superman.« Ihre seeblauen Augen blitzten schalkhaft. »Meine Güte, es stimmt tatsächlich, dass G-men eine ganz besondere Ausstrahlung von Sicherheit und Geborgenheit haben.«

Ich zog sie hoch und legte warnend den Zeigefinger auf ihre weichen Lippen. »Mit der Sicherheit ist es schnell dahin, wenn du dauernd meinen Beruf in die Gegend flötest.«

»Und warum?«

»Weil dann alle möglichen Leute erfahren, wer mein Arbeitgeber ist.«

»Ist das so schlimm?«

»Normalerweise nicht. Aber ich will es dir erklären.« Ich machte eine Schulmeistermiene und blickte ernst in das betörende Seeblau ihrer Augen. »Sieh mal, Kleines, wenn die Leute …«

»Ich bin nicht klein«, protestierte sie zornig und schüttelte energisch den entzückenden Kopf mit dem kurz geschnittenen Blondhaar.

»Okay«, setzte ich von Neuem an, »wenn also die Leute sehen, dass so eine junge Frau wie du einen ausgewachsenen G-man am Gängelband hat, dann schrumpft mein Image schlagartig.«

»Du spinnst, Superman!«

»Keineswegs, Kleines. Du kennst eben das Bild nicht, das sich die Öffentlichkeit von einem Special Agent des FBI macht.«

»Meinst du? Wie sieht denn dieses Bild aus?« Peggy ließ meine Hände los und klaubte gelangweilt ihre Siebensachen vom Sand auf. Badetasche mit Sonnenbrille, Sonnenöl und was es sonst noch an Sonnenutensilien gab.

»Na ja«, meinte ich gedehnt, »ein Special Agent ist vierundzwanzig Stunden im Dienst, trinkt keinen Alkohol, gibt sich nicht mit Frauen ab und so weiter und so weiter.«

Peggy richtete sich auf und starrte mich fassungslos an. »So einer bist du?«, staunte sie mit offenem Mund. »Und ich hätte dich glatt für einen gehalten, der pro Woche mindestens zwei Frauen vernascht.«

»Siehst du«, ich grinste, »so kann man sich täuschen, Kleines.«

Peggy stieß ein glockenhelles Lachen aus. Sie antwortete nicht. Manchmal war das ihre Art. Ich hatte mich schon fast daran gewöhnt. Sie ließ mich einfach stehen und lief landeinwärts. Unter ihren nackten Füßen spritzten kleine Sandfontänen hoch.

Ich sah ihr einen Augenblick nach. Dann schnappte ich meine Sachen und schlurfte hinter ihr her.

Peggy Martin. Ein echtes Sonnenkind aus heißen Südstaatenregionen. Sie wohnte in Baton Rouge, nur rund hundert Meilen entfernt. Deshalb war mir nicht ganz klar, wieso sie ausgerechnet in New Orleans Urlaub machte. Vielleicht, um etwas zu erleben, wie man so schön sagt. Konnte sein, konnte auch nicht sein. Die Hitze setzte mir zu, ich hatte einfach keine Lust, über diesen Punkt weiter nachzudenken. Also beließ ich es bei der schlichten Feststellung, dass ich Peggy in meinem Hotel kennengelernt hatte. Vor zwei Tagen. Alles Weitere war dann ziemlich schnell gegangen. Wir hatten uns auf Anhieb verstanden, und inzwischen waren wir unzertrennlich.

An diesem Tag gehörten wir zu den letzten Nachzüglern, die den Strand zur Mittagszeit in Richtung New Orleans verließen. Bis zum Parkplatz an der Uferstraße hatten wir gut und gerne dreihundert Yards zurückzulegen. Eine mörderische Durststrecke bei der Gluthitze. Aber was nimmt man nicht alles in Kauf für ein bisschen Urlaubsfreude! Ähnliche Überlegungen musste auch der clevere Kreole angestellt haben, der seine fahrbare Eis- und Limonadenbude auf dem Parkplatz aufgebaut hatte.

Peggy erreichte die Bude mit Vorsprung. Obwohl er einiges gewohnt war, bekam er Stielaugen, als er ihren bikinienthüllten Modellkörper erblickte. Ich hatte auf diese Weise jedenfalls den Vorteil, bei meiner Ankunft sofort einen Pappbecher mit eisgekühltem Süßwasser serviert zu bekommen. Peggy sorgte schließlich für mich.

Mein Leih-Jaguar stand einsam und verlassen auf dem sonnendurchglühten Parkplatzgelände.

Er war zwar geliehen, aber trotzdem nicht schlechter als mein eigener Flitzer gleichen Typs, mit dem Phil zurzeit in New York herumkurvte. Ich hatte ein halbes Jahr vorher bestellen müssen, denn die Autovermietung verfügte nur über insgesamt zehn Jaguar E-Typ, und die mussten für sämtliche Bundesstaaten der USA reichen. Aber weil ich nun einmal nicht gerne auf den rassigen Renner britischer Machart verzichte, hatte ich auch diese Bürde auf mich genommen. Und alles in allem hatte mein Urlaub in New Orleans, der legendenumwobenen Geburtsstätte des Jazz, äußerst vielversprechend begonnen. Begonnen, wohlgemerkt! Denn volle zwanzig Tage hatte ich noch vor mir.

Der Leih-Jaguar war zitronengelb. Das Hardtop hatte ich gleich bei der Vermietung gelassen. Es war in diesen Breiten völlig überflüssig. Außerdem brauchte ich hier kein Warnlicht aufs Dach zu stellen, wie es in New York mein Beruf mit sich brachte. Ich machte Urlaub. Punktum. Es gab nichts, was mich an dieser Überzeugung zweifeln ließ.

Die Regenhaut für das Cockpit des Wagens diente uns als Sonnenschutz. Wir hatten schließlich keine Lust, unsere braun gebrannten Körper auf glühenden Sitzpolstern zu versengen.

Geschickt löste Peggy mit der Rechten das Sonnen-Regen-Verdeck. In der Linken hielt sie ihren Pappbecher mit Limonade. Jede ihrer Bewegungen zeigte mir, dass sie etwas von rassigen Sportflitzern verstand. Zumindest genauso viel wie von Männern. Eine ganze Menge also …

Ich schlürfte das sprudelnde Süßwasser hinunter, kickte den Pappbecher in einen nahegelegenen Papierkorb und schwang mich hinter das Lenkrad. Peggy hatte bereits Platz genommen. Sie hielt mir Zigarettenschachtel und Zündschlüssel entgegen.

Ich bediente mich und gönnte ihr einen dankbaren Blick. Sie ließ es noch nicht genug sein und gab mir Feuer. Ich akzeptierte auch das.

»Langsam fange ich an, zu überlegen«, brummte ich und schob den Zündschlüssel ins Schloss.

»Tatsächlich? Trotz der Hitze?«

Ich nickte. »Trotz der Hitze. Warum fragst du nicht, was ich überlege? Du fragst doch sonst so viel.« Die zweihundertfünfundsechzig Pferdestärken des Leih-Jaguar ließen ihr sattes Lied erklingen.

»Okay«, seufzte Peggy. »Also, was überlegst du?«

»Ob es sich tatsächlich lohnt, ewig Junggeselle zu bleiben.«

Sie streifte mich mit einem belustigten Blick. »Wenn du fertig überlegt hast, würde es mich interessieren, zu welchem Ergebnis du gekommen bist.« Dann widmete sie sich dem Bordradio, das sie mit raschem Knopfdruck in Betrieb setzte. Der Sender von New Orleans meldete sich, natürlich mit Jazz aus der Preservation Hall, jenem denkmalgeschützten Gebäude, in dem noch heute regelmäßig die alten Veteranen jazzen, die schon in den Zwanzigerjahren dabei waren. »Sie spielen heute«, stellte Peggy fest, »wie an jedem Mittwoch. Also gehen wir heute Abend hin. Du hast es versprochen.«

»Natürlich. Ich habe meine Absicht nicht geändert.« Ich setzte den zitronengelben Flitzer in Marsch und kam wieder zu der Überzeugung, dass man als Junggeselle doch nervenschonender lebt.

Die breite Betonfahrbahn wand sich etwa zwei Meilen weit nach Westen an den sandigen Ufern des Chandeleur Sound entlang, einer der Buchten vor New Orleans. Dann führte die Straße nach Nordwesten ins Landinnere. Wir ließen den Golf von Mexiko hinter uns und durchkreuzten kurz darauf ein dschungelähnliches Gebiet mit einem Gewirr von Kanälen und Bayous. Bayous, das sind flussähnliche Sumpfgewässer von unterschiedlichster Größe, die zu Hunderten das Mississippi-Delta mit seiner wild wuchernden Flora zerteilen. Ein Paradies für Bootsfahrer und Angler.

Die heißen Jazzrhythmen aus dem Autoradio brachen unvermittelt ab. Dafür erklang die nüchterne Stimme des Nachrichtensprechers.

»Wir unterbrechen unsere Sendung für eine wichtige Durchsage. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei der Aufklärung eines rätselhaften Falls …«

Peggy lachte auf. »Deine Kollegen wissen nicht mehr weiter, Jerry. Vielleicht solltest du dich einschalten. Mit deinen New Yorker Qualitäten hättest du doch hier einen ganz großen Auftritt …«

Ich antwortete nicht. Reflexartig drehte ich das Radio lauter. Mein Interesse war geweckt, ich konnte nichts dafür. Man kann eben doch nicht über seinen Schatten springen. Selbst dann nicht, wenn man Urlaub macht.

»… traf die Meldung vor knapp einer Stunde bei der Außenstation der Coast Guard am Chandeleur Sound ein«, dröhnte der Nachrichtensprecher, »der Fahrer eines Motorkreuzers bemerkte das mysteriöse Verschwinden eines Mädchens. Es hatte sich auf einer motorgetriebenen Badeinsel in der Bucht gesonnt. Wenige Minuten, nachdem es der Bootsfahrer mit seinem Fernglas ausgemacht hatte, war es plötzlich verschwunden. Der Mann suchte daraufhin die Umgebung der Badeinsel ab, jedoch ohne Erfolg. Coast Guard und Polizei haben Taucher eingesetzt, obwohl nach Lage der Dinge kaum angenommen werden kann, dass die junge Frau ertrunken ist. Die ersten Ermittlungen haben noch keinen Hinweis über die Ursache ihres Verschwindens erbracht. Wie inzwischen festgestellt wurde, handelt es sich bei dem Mädchen um Tracy Williams, die Tochter des Reeders Jonathan C. Williams aus New Orleans. Personen, die in den letzten Stunden mit Tracy Williams zusammen gewesen sind, werden gebeten …«

Das Radio verstummte plötzlich. Ich sah erstaunt zur Seite und stutzte.

Peggy hatte das Radio mit einer abrupten Handbewegung abgestellt. Ihr Gesicht war kreidebleich. Kraftlos ließ sie sich in den Sitz zurücksinken.

Ich steuerte den Leih-Jaguar an den Straßenrand und zog die Handbremse an. »He, was ist los, Kleines?« Ich beugte mich besorgt zur Seite. »Ist dir die Durchsage etwa auf den Magen geschlagen?«

Peggy sah mich verständnislos an. An ihrem Blick war zu erkennen, dass sie völlig geistesabwesend zu sein schien. Dann erwachte sie offenbar. »Fahr weiter«, schrie sie mich an. »Schnell! Wir müssen zur Polizei!«

Ich tat, was sie verlangte, und sagte erst einmal nichts. Sie brauchte Zeit, um sich zu beruhigen. Ich wollte ihr diese Zeit lassen, obwohl in mir die Frage brannte, was ihr merkwürdiges Verhalten mit der Radiodurchsage zu tun hatte. Okay, das Girl war auf dem Chandeleur Sound verschwunden, jener Bucht, an deren Strand auch wir in der Sonne gebraten hatten. Aber war das schon ein Grund, durchzudrehen? Peggy machte jedenfalls nicht den Eindruck eines überspannten Weibsbilds, das bei jeder Gelegenheit aus der Fassung gerät.

Ich fuhr in Richtung City.

Peggy meldete sich von selbst wieder. »Du hältst mich vielleicht für verrückt, Jerry«, murmelte sie betreten, »aber die Durchsage hat mich wirklich geschockt.«

»Warum?« Ich blickte kurz zur Seite, um mich dann wieder dem Verkehr zu widmen. Ich bog auf den Chef Menteur Highway ein, der direkt ins Zentrum von New Orleans führt.

»Tracy Williams ist meine Freundin. Ich habe heute Morgen noch mit ihr telefoniert, bevor ich mit dir hinausgefahren bin.«

Ich schluckte. Peggys Reaktion wurde auf einmal verständlich. »Aber wieso«, begann ich kopfschüttelnd, »wieso ist es so mysteriös, dass deine Freundin verschwunden ist? Immerhin ist es durchaus möglich, dass sie ertrunken ist, auch wenn es hart klingt.«

»Nein, Jerry«, widersprach Peggy, »Tracy ist eine durchtrainierte Sportlerin. Sie gehört zu den Schwimm-Assen der Collegemannschaft. Es ist völlig unmöglich, dass sie auf diese Art und Weise von ihrer Badeinsel verschwunden sein sollte.«

»Herzschlag?«, warf ich in die Debatte.

Peggy schüttelte entschlossen den Kopf. »Unmöglich. Das kann ich mir nicht vorstellen.«

»Trotzdem ist es nicht auszuschließen.«

»Hör mal, Jerry.« Sie richtete sich auf und blickte mich ernst an. Der Fahrtwind zerrte an ihrem Blondhaar. »Du bist doch selbst Polizeibeamter. Würden deine Kollegen eine Radiodurchsage machen lassen, wenn sie Tracy Williams gefunden hätten? Und wenn sie ertrunken wäre, dann hätten sie sie bereits gefunden. Denn die Bucht ist relativ flach und ohne jede Strömung. Ein wenig kenne ich mich hier schließlich aus.«

Ich dachte nach. Ganz unrecht hatte Peggy nicht. Sie hatte eigentlich sogar verdammt recht. Ich musste gestehen, dass ich der Durchsage keine große Bedeutung beigemessen hatte. Rein beruflich gesehen war es ein Fall von Hunderten, wie sie in ähnlicher Art laufend passieren. Und ansonsten … Sicherlich war auch meine Urlaubsstimmung schuld daran gewesen, dass ich nicht sofort geschaltet hatte.

»Wo ist das Hauptquartier der City Police?«, fragte ich knapp.

»In der Canal Street. Ich zeig’s dir.«

Zügig lenkte ich den gelben Flitzer durch den dichter werdenden Verkehr. Ich dachte kaum noch an Urlaub. Nur noch daran, dass ein Mensch auf ziemlich unerklärliche Weise verschwunden war und dass neben mir jemand saß, der mit ebendiesem Menschen noch vor wenigen Stunden gesprochen hatte. Ich dürfte nicht G-man sein, wenn in diesem Augenblick nicht der berufsmäßige Instinkt mein Handeln bestimmt hätte.

Wir bogen in die Claiborne Avenue ab, kreuzten die Esplanade Avenue und erreichten nach einigen kleineren Querstraßen die Canal Street, die Prachtstraße von New Orleans. Die beiden Fahrbahnhälften wurden in der Mitte von breiten Grünstreifen geteilt, die aus tropischen Gewächsen bestanden. Links und rechts erstreckten sich die malerischen Ketten von altertümlichen Straßenlampen mit gusseisernen Schnörkeln und tropfenförmigen Leuchtkörpern aus Glas. Im Hintergrund reckte sich der klotzige Wolkenkratzer des internationalen Handelszentrums von New Orleans in den strahlend blauen Himmel. Bürogebäude und Geschäftshäuser mit kaum mehr als zehn oder zwölf Stockwerken bestimmten das Bild der Canal Street.

Die Headquarters der City Police waren in einem alten Kasten mit museumsreifer Säulenfassade untergebracht. Zu beiden Seiten des Gebäudes gab es je eine Einfahrt. Die rechte führte auf den Besucherparkplatz. Ich betätigte den Blinker und rauschte hinein. Viel Publikumsverkehr schien die Polizei der Hafenstadt am Mississippi nicht zu haben. Oder es lag an der Mittagszeit. Jedenfalls herrschte auf dem Parkplatz gähnende Leere. Ich fand ein schattiges Plätzchen für meinen Leih-Jaguar.

Wir betraten das Gebäude durch den Haupteingang. Drinnen war es angenehm kühl. Der Sergeant vom Dienst saß mit seinen beiden Mitarbeitern hinter einem langen Tresen, der blank und abgewetzt war. Für unsere Strandaufmachung ernteten wir Augenbrauenzucken und Stirnrunzeln. Dabei blieb es jedoch. Die Kollegen aus New Orleans waren es eben gewohnt, mit dem Hauch der großen weiten Welt umzugehen.

Der baumlange Sergeant wirkte respekteinflößend. Seiner Figur nach hätte er in eine Football- oder Baseballmannschaft gepasst. Die Lippen in seinem kantigen Gesicht waren kaum mehr als ein waagerechter Strich. Das aschblonde Haar des Beamten war zu einem streichholzkurzen Crew Cut gestutzt.

Peggy nahm ihre Sonnenbrille ab und erklärte ihm, worum es ging. Der Sergeant wurde plötzlich hellwach. Der Routinegesichtsausdruck fiel von ihm ab.

»Sie haben also mit dieser Tracy Williams telefoniert«, wiederholte er, wie um es zu bestätigen. »Wie ist Ihr Name, Miss?«

Peggy sagte es ihm.

Seine Augenbrauen fuhren in die Höhe. Der Name Martin war hierzulande ein Begriff. Peggys einflussreicher Daddy hatte es im Laufe seiner Karriere geschafft, so ziemlich alle Hafenlagerhäuser am unteren Mississippi unter seine Kontrolle zu bringen. Und die Schifffahrt spielte in Louisiana von jeher eine bedeutende Rolle.

Der Sergeant griff zum Telefon und wählte eine dreistellige Nummer. Hausanschluss. Während er wartete, fiel sein Blick auf mich. Ich spürte, dass er versuchte, mich zu taxieren. Dann wechselte sein Blick hinüber in eine unendliche Ferne, als sich der Mann am anderen Ende meldete.

»Sergeant Ferguson hier, Sir. Bei mir hat sich eine Zeugin gemeldet, die heute Morgen mit dieser Tracy Williams telefoniert haben will. Wollen Sie mit ihr sprechen?« Kurze Pause. »In Ordnung, Sir. Ich bringe sie hinauf.« Er ließ den Hörer auf die Gabel fallen. »Captain Herman möchte sich mit Ihnen unterhalten, Miss Martin«, verkündete er, »wenn Sie mir bitte folgen wollen …« Er verließ seinen Platz hinter dem Tresen durch eine hüfthohe Schwingtür und marschierte hinüber zum Fahrstuhl.

Peggy und ich folgten ihm. Er zog die Kabinentür auf, um Peggy eintreten zu lassen. Ich schwamm in ihrem Kielwasser mit.

»Moment mal«, wunderte sich Sergeant Ferguson. »Was wollen Sie denn? Sie warten hier unten, Mister!«

»Kein Gedanke, Sergeant«, erwiderte ich höflich. »Erstens habe ich dafür gesorgt, dass Miss Martin ihre Aussage machen kann. Und zweitens gehöre ich zu Edgar Hoovers Mitarbeiterstab, zurzeit allerdings als Urlauber.«

»Hoover? Wieso? Soll das heißen, dass Sie …? Das gibt’s doch nicht!«

»Doch, doch«, ich lächelte, »Zufälle gibt’s immer. Allerdings schleppe ich in dieser Aufmachung meine Dienstmarke nicht mit mir herum. Sie können aber beim Lafitte Guest House anrufen und sich nach Jerry Cotton erkundigen. Dann wissen Sie’s.«

»Hm.« Sergeant Ferguson schüttelte ungläubig den Kopf. Dann zog er wortlos die Fahrstuhltür zu und drückte den Knopf für das zweite Stockwerk. Er schien eingesehen zu haben, dass wir nicht mit endlosen Diskussionen unsere Zeit verplempern konnten. Sehr vernünftig.

Captain Milt Herman, so stand es am Türschild, residierte auf Zimmer Nummer 225 der Police Headquarters von New Orleans. Wie weiter festzustellen war, war er der Chef der Kriminalabteilung.

Unter Führung von Sergeant Ferguson passierten wir sein Vorzimmer. Eine ältliche Sekretärin mit dicken Brillengläsern bestaunte unsere lockere Strandkleidung.

Der Captain ließ uns eintreten. Er war untersetzt, zwei oder drei Inches kleiner als ich. Mit dunkelblondem, kurzem Haar, buschigen Augenbrauen und einer etwas zu großen Knollennase machte er einen urgemütlichen Eindruck. Er trug Zivil. Grauen Flanell.

Er kam hinter seinem Schreibtisch hoch und begrüßte Peggy mit wohlwollender Miene. Seine Stimme dröhnte in tiefstem Bass. Ohne Weiteres hätte er mit Lee Marvins Schallplattenerfolgen konkurrieren können.

Er bot Peggy einen Platz im Besuchersessel an. »Und wer sind Sie?«, fuhr er mich an.

»Special Agent Jerry Cotton, FBI District New York«, stellte ich mich ordnungsgemäß vor.

Sein Unterkiefer klappte herunter.

»Das ist kein Scherz, Captain«, meldete sich Peggy zu Wort, bevor er etwas sagen konnte. »Mister Cotton hat sich freiwillig erboten, meinen privaten Beschützer zu spielen. Halten Sie das nicht für eine sinnvolle Urlaubsbeschäftigung für einen geplagten FBI Agent?«

»So kann man es ausdrücken«, fügte ich lächelnd hinzu.

Der Captain klappte den Unterkiefer wieder hoch. Er gab Sergeant Ferguson einen Wink. Der Beamte machte kehrt und schloss die Tür von draußen.

»Nehmen Sie Platz«, forderte mich der Captain auf. Dann verschwand er mit schnellen Schritten hinter seinem Schreibtisch und ließ sich in den ledergepolsterten Drehsessel sinken. »Zu Ihnen komme ich gleich«, erklärte er mir. Seine dunkelbraunen Augen blieben auf Peggy haften. »Miss Martin, Sie sagen, Sie haben mit Tracy Williams gesprochen. Wann war das?«

»Heute Morgen, Captain. Kurz bevor ich mit Mister Cotton hinausgefahren bin. Jerry und ich wohnen im selben Hotel. Tracy und ich sind seit Langem befreundet. Wenn ich in New Orleans Urlaub mache, treffen wir uns häufig. Sie wohnt ja hier.«

»Ich weiß.« Der Captain nickte. »Können Sie sich an den Zeitpunkt Ihres Telefongesprächs erinnern?«

Peggy runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht genau. Es kann so um zehn Uhr herum gewesen sein.«

»Wir sind um Viertel nach zehn abgefahren«, ergänzte ich, »vorher haben wir Kaffee getrunken. Dafür können Sie etwa eine halbe Stunde veranschlagen.«

Herman beäugte mich mit leichtem Misstrauen. Doch er musste sich eingestehen, dass meine Aussage präzise und brauchbar war. »All right«, brummte er, »worüber haben Sie mit Miss Williams gesprochen, Miss Martin?«

Peggy überlegte sekundenlang. Ich hielt ihr meine Zigarettenschachtel hin. Sie bediente sich und ließ sich von mir Feuer geben.

»Eigentlich war das Gespräch nur kurz«, meinte sie dann, »es ging darum, dass wir heute Abend gemeinsam zur Preservation Hall wollten. Ich hatte erfahren, dass Billy und De Pierce mit ihrer Band spielen. Tracy versprach mir, dass sie mitkommen wollte. Sie wusste nur noch nicht, ob sie jemanden aus ihrem Bekanntenkreis mitbringen würde.«

»Hat Ihnen Tracy Williams etwas darüber gesagt, was sie tagsüber vorhatte?«

Peggy schüttelte den Kopf. »Davon haben wir nicht gesprochen. Wenn wir uns treffen, dann meistens abends.«

Captain Herman schwieg einen Moment. Schließlich drückte er den Knopf seiner Sprechanlage und rief seine Vorzimmerdame. Peggy musste mit hinausgehen, um ihre Aussage zu Protokoll zu geben. Ich war mit Milt Herman allein.

Er sah mich forschend an. »Sie sind also FBI Agent.« Es war Feststellung und Aufforderung zugleich.

Ich nickte. »Zugegeben, Captain, es ist ein merkwürdiger Zufall, dass eine Zeugin, die eine Aussage zu machen hat, gleich mit einem G-man als Begleitschutz erscheint. Aber in diesem Fall …«

Er schnitt mir mit einer Handbewegung das Wort ab. »Sie haben nichts dagegen, dass ich Ihre Angaben überprüfe?«

»Selbstverständlich nicht. Meinen Dienstausweis habe ich leider nicht bei mir.«

Herman griff zum Telefon. Ich hörte, dass er sich von der Zentrale mit dem FBI District New Orleans verbinden ließ. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis Captain Herman die FBI-Vermittlung an der Strippe hatte. »Geben Sie mir Dupont«, verlangte er.

Ich verfolgte seine Bemühungen, meine Identität zu klären, mit einem leichten Lächeln. Übel nehmen konnte ich es ihm nicht. Schließlich konnte sich jeder Hergelaufene als FBI Agent ausgeben. Und dass ich meinen Dienstausweis nicht bei mir hatte, war mein Fehler.