Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 1 - Krimi-Serie - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 1 - Krimi-Serie E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 1: Drei actiongeladene Fälle und über 250 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

Die Jerry Cotton Sonder-Edition ist der echte Klassiker. Sie bietet dem Leser die Romane aus der Frühzeit der Serie und schickt ihn auf Zeitreise in die frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

In diesem Sammelband sind 3 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

1: Ein teuflischer Plan

2: Mordnacht in Manhattan

3: Der Tod für 20 Dollar

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

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Seitenzahl: 476

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: javarman | PanicAttack ISBN 978-3-7325-7011-9

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 1 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton Sonder-Edition - Folge 11963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war. Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: "Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert." Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer 80seitigen Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend. Ein teuflischer Plan. Jede Faser meines Körpers sträubte sich gegen meinen Verdacht. Es durfte nicht wahr sein, dass die Kidnapper aus dem Umfeld kamen, in dem ich sie vermutete. Fieberhaft arbeitete das FBI an der Lösung des Falls. Bis zuletzt hoffte ich, dass ich mich irrte. Aber zwei schlaflose Nächte später wussten wir alle, das meine schlimmsten Befürchtungen eingetroffen waren ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 2Jeder Gangster wusste es: Wer einen Polizisten tötet, der wird gejagt bis ans Ende der Welt. Gleiches gilt - wenn nicht sogar noch mehr - für den, der einen FBI-Agent umbringt. Dennoch standen Phil und ich vor der Leiche eines Kollegen. Nun begann eine gnadenlose Jagd, doch der geheimnisvolle Mörder schaffte es immer wieder durch das ausgeworfene Netz des FBI zu schlüpfen ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 3In einem schäbigen Schnapsladen wurde der Besitzer ermordet. Ein völlig überflüssiges Verbrechen, bei dem es augenscheinlich um 20 Dollar ging. Als aber eine Zeugin gefoltert wurde und sich zwei Verbrecherbande zu bekriegen begannen, wurde uns klar, dass mehr als lumpige 20 Dollar dahinterstecken musste. Phil und ich gerieten in einen Strudel, der uns immer schneller der Katastrophe entgegen zog ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Ein teuflischer Plan

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Vorschau

Ein teuflischer Plan

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: »Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

»Hallo, Joe!«, sagte ich zu dem alten Henderson, der die Waffenkammer des New Yorker FBI verwaltet. »Phil und ich, wir brauchen etwas Besonderes. Eine Waffe mit kleinem Kaliber.«

»Wozu?«

»Wir müssen einen steckbrieflich gesuchten Mörder aus einem überfüllten Lokal herausholen. Wenn er uns zwingt, von der Waffe Gebrauch zu machen, müssen unsere Geschosse in seinem Körper stecken bleiben. Damit niemand verletzt wird, der zufällig hinter ihm steht.«

Joe nickte und verschwand zwischen den hohen Regalen seines Waffenlagers. Mit zwei kleinen Revolvern kam er zurück.

»Bis auf zwanzig Schritt sind die Dinger zuverlässig.«

»Das ist das Richtige für uns«, sagte mein Freund Phil Decker.

Joe lud die Waffen, während ich sie im Ausgabebuch quittierte. Nachdem auch Phil unterschrieben hatte, winkten wir Joe zu und verließen die Waffenkammer.

Mein roter Jaguar stand im Hof des FBI-Gebäudes. Schweigend stiegen wir ein. Ich klemmte mich hinters Steuer und startete den Wagen. Wir fuhren durch die Ausfahrt und dann nach Süden in Richtung Bowery.

Wir ließen den Jaguar ein kurzes Stück vor dem Restaurant stehen und gingen zu Fuß weiter. Um kein Aufsehen zu erregen, trennten wir uns, denn auch der dümmste Tramp weiß, dass Detectives nur zu zweit in die Bowery, in die übelste Straße der Downtown von Manhattan, kommen.

Bettler, Tramps und Trunkenbolde lagen in der Sonne und schnarchten. Obwohl es früher Vormittag war, torkelten andere auf der Suche nach einer Kneipe umher, in der sie noch einen Schluck Fusel auf Kredit bekamen.

Der Patrolman Nummer 3421 stand vor einem Obstkarren und unterhielt sich mit dessen Besitzer.

Ich ging an dem Polizisten vorbei und streifte ihn leicht mit dem rechten Ellenbogen. Ungefähr zehn Schritte weiter betrat ich einen dunklen Hauseingang. Niemand war zu sehen. Ich brauchte nur wenige Augenblicke zu warten, bis der Polizist auftauchte. Ich zeigte ihm meinen Ausweis. Der Patrolman nickte.

»Ist er noch drin?«, fragte ich leise.

»Ja, Agent«, flüsterte er.

»Sind Sie ganz sicher, dass es Duff Cool ist?«

»Ja, Agent. Ich habe das Bild auf dem Steckbrief gut im Gedächtnis. Dass Cool es wagt, sich an eine Theke zu stellen, finde ich allerdings überraschend.«

»Beschreiben Sie mir das Innere des Lokals!«

Er tat es. Dann ließ ich mir schildern, wo Duff Cool in dem Augenblick gestanden hatte, als der Polizist ihn zufällig entdeckt hatte.

»Okay«, murmelte ich. »Das wär’s wohl. Warten Sie hier zwei Minuten, bevor Sie auf die Straße treten.«

Ich verließ den Flur.

Aus einem geöffneten Fenster auf der gegenüberliegenden Straßenseite hallte die Stimme eines Radiosprechers. Er verkündete, dass es in New York genau zwölf Uhr mittags sei.

***

Um zwölf nahm die Telefonistin Myrna Sanders in der Zentrale des New Yorker Field Office einen Anruf entgegen.

Eine heisere Männerstimme war am anderen Ende der Leitung.

»Ich … eh … ich möchte – ich möchte ein Kidnapping melden! Eine Kindesentführung!«

Myrna fuhr zusammen. Ihre Stupsnase wurde weiß vor Aufregung.

»Bitte, bleiben Sie am Apparat! Ich verbinde weiter!«

Schnell schob sie zwei Bananenstecker in ein rot umrandetes Lochpaar und drückte die Taste eines an die Telefonleitung angeschlossenen Tonbandgerätes. Dann rief Myrna den Chef des New Yorker FBI-District, Mr High, an.

Der Chef meldete sich. »High. Was ist los?«

»Kidnapping, Mister High! Das Tonband läuft bereits. Ich verbinde!«

Der Chef wiederholte seinen Namen. Er nahm den Hörer in die Linke und zog Block und Bleistift heran. Eine aufgeregte Männerstimme gellte aus dem Hörer:

»Ich möchte eine Kindesentführung melden! Kommen Sie sofort! Es muss sofort etwas unternommen werden! Jede Minute ist kostbar!«

»Augenblick! Mit wem spreche ich?«

»Hier ist John Edward Hayes.«

»Hayes? Von der großen Schuhfabrik?«

»Ich bin der Besitzer. Schicken Sie sofort Ihre Leute!«

»Wer ist entführt worden?«

»Mein Junge!«

»Woher wissen Sie das?«

»Weil mich die Kidnapper gerade angerufen haben!«

»Von wo sprechen Sie, Mister Hayes?«

»Von der Fernsprechzelle in einem Drugstore. Ich dachte, es wäre besser, wenn ich nicht von meinem Büro aus anrufe.«

»Das war richtig. Hören Sie jetzt genau zu, Mister Hayes! Es ist wichtig, dass die Kidnapper nichts von unserer Verbindung erfahren. Ist Ihnen das klar?«

»Wollen Sie sagen, dass …«

»Alle Kidnapper drohen mit der Ermordung des Kindes, wenn die Polizei eingeschaltet wird, Mister Hayes. Ich bin verpflichtet, Ihnen das zu sagen.«

»So … ja …«

»Wollen Sie, dass das FBI eingreift?«

»Können Ihre Leute denn heimlich arbeiten?«

»Sie können es. Aber ich kann nicht dafür garantieren, dass es den Kidnappern verborgen bleibt.«

»Trotzdem … Schicken Sie Ihre Leute. Meine Hauptverwaltung liegt in der Downtown, es ist das Hayes Building in der Cliff Street.«

»Wo sind Sie jetzt?«

»Gegenüber dem Verwaltungsgebäude.«

»Von dort ist es nicht weit bis zur Wall Street. Lassen Sie sich von Ihrem Chauffeur zur New Yorker Börse fahren. Verhalten Sie sich so, als müssten Sie trotz der Sorge um Ihr Kind ein wichtiges Börsengeschäft abwickeln. In der Börse lassen Sie sich von einem der Börsendiener an den Aktienhändler James Donnagan verweisen. Sagen Sie Donnagan, dass ich Sie geschickt habe. Alles Weitere wird sich dann ergeben. Ist das klar?«

»Absolut klar. Ich fahre sofort zur Börse.«

»Okay! Und lassen Sie den Kopf nicht hängen.«

Mr High legte den Hörer auf die Gabel. Dann drückte er auf die Taste seines Vorzimmermikrofons:

»Den Einsatzleiter, die Chefs der Bereitschaften, die Fahrbereitschaft und den Leiter des Fahndungsdienstes bitte sofort zu mir!«

Dann blickte er auf die Schreibtischuhr. Es war drei Minuten nach zwölf.

2

Wir standen im Schatten einer Einfahrt, um unser Vorgehen zu besprechen.

»Eins verstehe ich nicht«, brummte mein Freund Phil. »Als sie den Tankstellenpächter in Tennessee ermordeten, waren sie zu dritt; Duff Cool, Joe Weisman und Tonio Farelli. Cool steht dort drüben in der Kneipe – wenn sich der Cop nicht geirrt hat. Aber wo sind die anderen beiden?«

Ich zuckte mit den Schultern.

»Vielleicht haben sie sich gleich nach dem Überfall getrennt. Vielleicht sind die anderen beiden auch in der Kneipe, ohne dass der Cop sie entdeckte. Wir werden ja sehen. Wie lange brauchst du, um von hinten in die Kneipe zu kommen?«

»Zwei Minuten etwa.«

»Sagen wir drei. Ich habe jetzt genau zwölf Uhr fünf. Ich warte bis zwölf Uhr acht. Dann betrete ich die Kneipe.«

»Okay.«

Phil verschwand in der Einfahrt, in der Gerümpel lag, kreischende Kinder spielten und Mülltonnen standen. Ich steckte mir eine Zigarette an und wartete.

Für New Yorker Verhältnisse war es ein schöner Tag. Der Himmel war blau. Über den Spitzen der Wolkenkratzer segelten ein paar winzige weiße Wolken geruhsam gen Westen.

Die Temperatur war angenehm.

Ich sah auf die Uhr. Noch anderthalb Minuten. Ich machte den letzten Zug aus der Zigarette und schnippte sie dann fort.

Noch eine Minute.

Wenn die Gangster zu dritt in der Kneipe saßen, konnte es gefährlich für uns werden.

Noch zwanzig Sekunden. Ob Phil in dem Wirrwarr der Höfe und Mauern den hinteren Eingang der Kneipe gefunden hatte?

Jetzt war es soweit. Ich betrat die Kneipe.

Die Luft war zum Schneiden dick. Rauchschwaden hingen in der Luft. Dazu kamen die Ausdünstungen schwitzender Männer und der Geruch von schalem Bier und Fusel. Hastig steckte ich mir eine Zigarette an.

Die Bude war voll. An einem Tisch saßen vier Tramps und ließen eine Ginflasche von Mund zu Mund wandern. An einem Spielautomat lehnte mit stumpfsinnigem Gesicht eine Frau von etwa fünfzig Jahren. Ihre Augen sahen starr auf die kreisenden Scheiben.

Mein Blick wanderte durch den Raum.

Sechs Chinesen, zwei Mestizen mit ihren Mädchen, ein betrunkener Matrose, vier Hafenarbeiter, Tramps, Obdachlose und grell geschminkte Mädchen. Keine Spur von Joe Weisman. Keine Spur von Tonio Farelli.

Aber Duff Cool stand an der Theke. Jetzt drehte er sich um. Ich blickte schnell in eine andere Richtung, fühlte aber, dass er mich ansah.

Langsam schob ich mich zwischen den Tischreihen hindurch und stellte mich an die Theke.

Von Phil war nichts zu sehen. Hatte er den hinteren Eingang noch nicht gefunden? Oder war er aufgehalten worden? Von Weisman und Farelli?

»Einen Whisky«, sagte ich. »Pur. Scotch, wenn’s geht.«

»Ich habe nur Bourbon.«

Der Wirt, ein Kerl im Netzhemd, mit schwarz behaarten, muskulösen Armen, starrte mich böse an.

»Dann eben Bourbon«, sagte ich.

Duff Cool befand sich links von mir. Zwischen uns standen zwei Männer. Ich musterte sie aus den Augenwinkeln. Ausgeschlossen, das konnten nicht seine Komplicen sein. Keine Ähnlichkeit.

Der Riese hinter der Theke schob mir den Bourbon zu und verlangte einen halben Dollar. Ich gab ihm die Münze. Den Whisky kippte ich in einem Zug hinunter. Als ich das Glas absetzte, trat Phil durch die Hintertür.

Ich schob die rechte Hand in die Rocktasche und schloss die Finger um den Kolben des kleinen Revolvers. Ich drückte die Mündung gegen den seidigen, kühlen Stoff der Tasche, trat mit zwei Schritten an Cool heran und legte ihm die linke Hand auf die Schulter.

»Duff Cool«, sagte ich halblaut, »Sie sind verhaftet.« Duff Cool schien unter meiner Hand zu erstarren. Plötzlich aber wirbelte er herum.

Wuchtig krachte seine Faust in meinen Magen.

Ich taumelte zurück. Cool jagte an mir vorbei.

»Stehen bleiben, Cool!«, gellte Phils Stimme.

Cool warf sich herum. Er hielt eine 38er in der Hand, die Mündung war auf mich gerichtet.

Für den Bruchteil einer Sekunde blickte ich in das schwarze Loch, dann warf ich mich zur Seite, neben einen viereckigen Pfeiler.

Im selben Augenblick peitschte ein Schuss auf.

Cools schwere 38er polterte zu Boden. Phils Kugel hatte die Hand des Mörders getroffen.

Duff Cool drehte sich um und hetzte auf die Tür zu. Ich riss einen Stuhl empor und schleuderte ihn durch die Luft. Er landete in Cools Kniekehlen.

Krachend stürzte der Mörder zu Boden.

Phil und ich, wir waren gleichzeitig bei ihm.

3

»So«, sagte ich.

Duff Cool saß jetzt neben mir im Jaguar. Hinter ihm, auf dem Notsitz, hockte Phil.

Wir hatten Cool die Pistole abgenommen sowie einen Totschläger und ein Schnappmesser aus seiner Hosentasche gefischt.

Jetzt hielt er die Hände im Schoß und war mit Handschellen gefesselt. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.

»Wo sind die anderen beiden, Cool?«, fragte Phil.

»Sucht sie doch!«, knurrte er.

In diesem Augenblick leuchtete das Ruflämpchen am Sprechfunkgerät auf. Ich schaltete den Hörer und den Lautsprecher ein, so dass Phil mithören konnte.

»Hier Wagen Cotton«, sagte ich. »Was gibt es?«

»Funkleitstelle. Hallo, Jerry! Seid ihr mit eurer Geschichte fertig?«

»Wir haben Cool. Phil hat ihm in die Hand geschossen. Wir haben ihn provisorisch verbunden, aber es ist besser, wenn er sofort in ärztliche Behandlung kommt. Sagen Sie unserem Doc Bescheid.«

»Bringen Sie Cool zum nächsten Polizeirevier. Für Sie und Phil liegt etwas Anderes vor. Auftrag von Mr High. Ihr beide sollt unverzüglich zur Börse fahren, dort am linken Seiteneingang zweimal kurz und dreimal lang klopfen.«

»Und dann?«

»Wendet euch an James Donnagan; der erklärt alles.«

»Okay. Noch etwas?«

»Nein, das war alles. Ende.«

Ich legte den Hörer zurück.

Ein paar Minuten später lieferten wir Cool auf einem Revier der Stadtpolizei ab.

Dann fuhren wir zur Börse.

Wir fanden die Seitentür und wurden von James Donnagan eingelassen.

Er war ein G-Man gewesen, bis er von einem Onkel eine Makleragentur geerbt hatte und in das Geschäft eingestiegen war.

Aus alter Kollegialität arbeitete er noch mit uns zusammen, wenn wir einmal einen Fachmann für Börsenfragen brauchten.

»Hallo, James!«, sagte Phil. »Du bist dicker geworden! Es wird höchste Zeit, dass du dich mal wieder körperlich betätigst.«

»Zeit müsste man haben. Aber mich wundert’s, dass ihr so gut gelaunt seid.«

»Warum nicht?«

»Na, mit einem Kidnapping am Hals.«

Wir blieben wie angewurzelt stehen.

»Was sagst du?«, fragte Phil und runzelte die Stirn.

»Ein Kidnapping«, wiederholte Donnagan.

»Hast du schlecht geschlafen?«, brummte ich. »Der Chef schickt uns doch nicht wegen einer Kindesentführung zur Börse!«

»Doch! Denn der Vater des entführten Kindes sitzt in der nächsten Etage in einem unserer Sprechzimmer. Er soll möglichst unauffällig mit euch zusammengebracht werden.«

»Das hat uns gerade noch gefehlt«, seufzte Phil. »Ein Kidnapping! Wann ist das Kind entführt worden?«

»Zwischen elf und elf Uhr dreißig.«

»Und wo?«

»Es muss in der City gewesen sein, aber genau weiß ich es nicht. Dieser Hayes ist erst vor ein paar Minuten gekommen.«

»Hayes? Der Vater des Kindes?«

»Ja, der Inhaber der Schuhfabrik.«

»Wie alt ist das Kind?«

»Keine Ahnung.«

Inzwischen waren wir eine breite, mit einem roten Teppich ausgelegte Treppe hinaufgeeilt. Dann betraten wir einen kleinen Raum, in dem es einen runden Tisch, fünf Sessel und einen unförmigen Standaschenbecher gab.

Vor dem Fenster stand ein etwa vierzigjähriger Mann. Er war mittelgroß und schmal. Seine Nase war klein und zierlich. Er hatte buschige Augenbrauen und stahlgraue, harte Augen.

Donnagan stellte uns vor. Dann sagte er: »Ich habe um zwölf eine Verabredung zum Essen. Ihr braucht mich ja jetzt ohnehin nicht mehr. Mister Hayes verlässt die Börse am besten wieder durch die Halle. Den Weg kennt er. Ihr beide nehmt die Seitentür.«

»Okay, James. Vielen Dank für deine Hilfe.«

»Keine Ursache.«

Er winkte uns zu und verließ den Raum. Phil zeigte stumm auf die Sessel. Wir setzten uns. Mr Hayes schnippte nervös mit den Fingern.

»Bitte, Mister Hayes«, sagte Phil, »schildern Sie uns alles der Reihe nach!«

»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich war im Büro, als das Telefon klingelte. Die Frau in der Vermittlung sagte, Flush wollte mich sprechen.«

»Wer ist das?«

»Der Hauslehrer meines Jungen.«

»Wie lange ist Flush schon bei Ihnen?«

»Seit drei Jahren. Er ist ein sehr tüchtiger Erzieher.«

»Beschreiben Sie ihn!«

»Er ist fünfundvierzig Jahre alt, wirkt aber jünger. Er ist etwa so groß wie Sie und breit in den Schultern. Er ist ein Sportsmann. Das macht offenbar Eindruck auf Kinder. Unser Johnny ist jedenfalls begeistert von seinem Lehrer.«

»Was geschah weiter?«

»Ich nahm das Gespräch an. Aber es war gar nicht Flush, sondern ein Unbekannter. Ich weiß nur, dass es eine Männerstimme war. Aber sie war so verstellt, dass ich Mühe hatte, die Worte zu verstehen.«

»Verstellt? Wie kommen Sie darauf?«

»Sie klang völlig unnatürlich! Sehr dumpf, sehr tief und sehr lang gezogen. Ganz unnatürlich.«

»Würden Sie die Stimme wiedererkennen?«

»Bestimmt!«

»Was sagte der Mann?«

»Er sagte nur: ›Hayes, wir haben Ihren Jungen! Sie hören von uns.‹ Das war alles. Dann legte er auf.«

»Bleiben wir bei dieser Stimme. Hatte sie irgendetwas Charakteristisches? Wurde irgendein Wort mit ungewöhnlicher Betonung ausgesprochen, mit fremdländischem Akzent?«

»Nein, davon habe ich nichts gemerkt.«

»Haben Sie die Äußerung genau wiedergegeben?«

»Ja, ich glaube schon.«

»Was taten Sie danach?«

»Ich rief zu Hause an. Jane, das Kindermädchen, war am Apparat. Ich befahl ihr, in allen Räumen und im Garten nach Johnny zu suchen. Sie tat es, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie wieder ans Telefon kam und mir meldete, dass Johnny nicht zu finden sei.«

»Hätte nicht das Kindermädchen wissen müssen, wo der Junge war?«

»Sicher. Das sagte ich ihr auch. Aber Jane erwiderte, dass meine Frau, der Hauslehrer und Johnny in die Stadt gefahren seien.«

»Wann erhielten Sie diese Auskunft?«

»Etwa zehn Minuten vor zwölf.«

»Wann hatten die Kidnapper angerufen?«

»Vielleicht zehn Minuten vorher. Ich kann’s nicht genau sagen. Ich war so aufgeregt, dass ich nicht auf die Uhr gesehen habe.«

»Das ist begreiflich. Erzählen Sie weiter! Was taten Sie nach dem Gespräch mit dem Kindermädchen?«

»Ich habe eine Weile nachgedacht. Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Natürlich versuchte ich mir einzureden, jemand habe sich einen albernen Scherz mit mir erlaubt. Aber die Stimme hatte mir nicht nach einem dummen Ulk geklungen. Schließlich entschloss ich mich, das FBI zu verständigen. Aber ich hielt es für richtiger, nicht aus meinem Büro anzurufen.«

»Befürchten Sie, dass man Ihr Telefon angezapft hat?«

»Nein! Ich habe volles Vertrauen zu meinen Mitarbeitern. Aber es schien mir doch ratsamer, von einer neutralen Stelle aus anzurufen. Ich möchte Johnny nicht in Gefahr bringen.«

»Haben Sie zufällig ein Bild von dem Jungen bei sich?«

Hayes zog seine Brieftasche hervor.

»Ein paar Fotos von meiner Familie trage ich immer bei mir. Dies zum Beispiel. Es wurde erst vor einigen Wochen aufgenommen. Wir hatten gerade den neuen Wagen bekommen. Mein Junge liebt Autos. Der Knirps versteht mehr davon als ich.«

Mit väterlichem Stolz zeigte er uns eine Aufnahme. Vor einem großen, offenbar zweifarbigen Cadillac Eldorado stand John Edward Hayes mit seiner Frau, zwischen ihnen der kleine Johnny.

»Ach ja«, murmelte Hayes, »das Bild hat übrigens Flush aufgenommen.«

»Ist das der Wagen, mit dem die drei heute Vormittag unterwegs sind?«

»Ich weiß nicht, ob sie den Cadillac oder den Sedan genommen haben.«

»Mister Hayes, wir müssen unbedingt mit Ihrer Frau und dem Hauslehrer sprechen. Aber das muss unauffällig geschehen. Haben Sie Verwandte außerhalb von New York?«

»Verwandte? Nein. Aber einen guten Bekannten! Jack Morton. Wir waren zusammen auf der Universität. Er lebt jetzt in Kalifornien.«

»Großartig«, sagte Phil erleichtert.

»Wieso?«, fragte Hayes verständnislos.

»Jack Morton wird im Laufe des Nachmittags bei Ihnen aufkreuzen, Mister Hayes«, erklärte ich ihm.

»Jack?«, rief er. »Wir haben uns seit dem Ende der Universitätszeit jedes Jahr von Neuem einen Besuch versprochen. Es ist nie etwas daraus geworden. Warum sollte Jack ausgerechnet jetzt nach New York kommen?«

»Es wird nicht der richtige Jack Morton sein, sondern ein G-man, der sich als Ihr Freund ausgeben wird. Wir müssen jemanden in Ihrem Haus haben, den wir ständig erreichen können und der mit den Mitgliedern Ihrer Familie und des Personals sprechen kann, ohne dass er sich als G-man zu erkennen gibt. Dass der richtige Morton noch nie bei Ihnen war, erleichtert unser Vorhaben ungemein. Denn niemand vom Personal kennt den richtigen Jack Morton!«

»Das ist wahr«, murmelte Hayes. »Er könnte ja völlig überraschend zu Besuch kommen? So was gibt es doch!«

»Natürlich! Und seien Sie überzeugt, dass unser Mann echt wirken wird. An seinem Wagen werden Nummernschilder aus Kalifornien sein. Jetzt beschreiben Sie Jack Morton. Erzählen Sie uns das Wichtigste aus seinem Leben.«

Hayes erzählte, und Phil machte sich eifrig Notizen.

4

Alan Gayton stand in der East 11th Street und wartete gespannt auf das seltsamste Abenteuer seines Lebens.

Verabredungsgemäß rollte kurz nach drei Uhr nachmittags ein schwerer Lastwagen heran.

Der Truck hielt, aus dem Führerhaus kletterte ein grauhaariger Mann, ging auf Alan zu und begrüßte ihn. »Hallo, mein Junge!«

»Hallo, Boss!« Alan Gayton grinste.

»Startklar?«

»Sicher.«

»Kommen Sie ins Führerhaus.«

Alan nickte und kletterte nach dem Boss in das Führerhaus. Als er die Tür hinter sich zugezogen hatte, reichte ihm der Grauhaarige ein Päckchen.

»Da ist alles drin, was Sie brauchen. Der Kraftfahrzeugschein, ein Führerschein auf Ihren Namen und ein Anstellungsvertrag zu einer Firma, zu der wir Beziehungen haben. Falls Sie jemand fragen sollte: Sie haben heute Morgen erst bei dieser Firma angefangen, klar?«

»Klar. Ich werde die Daten und Namen auswendig lernen.«

»Gut. Sie waren beim Militär doch Panzerfahrer?«

»Ja!«

»Na, hoffentlich nützt Ihnen das was bei dem bevorstehenden Abenteuer. Wir haben die Stoßstange mit einem schmalen Stahlträger unterlegt und erheblich verstärkt. Sie sind also hier drin verhältnismäßig sicher. Trotzdem müssen Sie höllisch aufpassen. Niemand kann voraussagen, ob sich nicht der Motorblock ins Führerhaus schiebt. Wenn Sie dann nicht schnell genug die Beine wegziehen, werden sie zerquetscht.

»Ich werde aufpassen.«

»Okay. Sie wissen ja, worum es geht. Machen Sie’s gut, mein Junge. Die anderen verlassen sich auf Sie!«

»Okay, okay.«

Der Grauhaarige schüttelte Alan ernst die Hand, sprang dann auf die Straße und verschwand im Strom der Passanten.

Alan Gayton blätterte in den Papieren und prägte sich ein, was er für nötig hielt.

Dann stieg er aus und sah sich suchend um.

Eine Kneipe lag nur ein paar Schritte entfernt.

Sie war nicht gut besucht.

Alan stellte sich an die Theke und ließ sich von einer mürrischen, älteren Frau zweimal einen Whisky einschenken. Dazu trank er zwei Büchsen Bier.

»Geben Sie mir eine Büchse mit«, sagte er, als er zahlte. Dann verließ er die Kneipe und ging zu dem Lastwagen. Die Büchse Bier legte er auf den Beifahrersitz. Er startete den schweren Lastwagen und fädelte sich in den Verkehrsstrom ein.

Ein kurzes Stück vor seinem Ziel hielt er an und trank das Bier aus der Büchse.

Er fuhr wieder an und sah dann sein Ziel ungefähr hundertvierzig Yards entfernt auf der rechten Straßenseite.

Es war der Mast einer gusseisernen Straßenlaterne. Alan gab Gas, konzentrierte sich, riss das Steuer plötzlich herum, trat das Gaspedal noch ein Stück tiefer und rammte die Laterne.

Es gab einen fast explosionsartigen Krach.

Stahl kreischte, Blech quietschte. Mit einem Knistern zersprang die Windschutzscheibe. Das Dach des Führerhauses wurde um fast einen Fuß eingedrückt.

Alan bekam einen harten Schlag gegen die Brust, der ihm den Atem nahm. Trotzdem riss er die Beine hoch und warf sich seitwärts auf den Sitz. Die Windschutzscheibe war jetzt ein Geflecht von Rissen.

Draußen hörte Alan laute Stimmen, aber sie drangen nur in sein Unterbewusstsein. Er war benommen, und die Schmerzen in seiner Brust wurden stärker.

Der Aufprall hatte ihn gegen das Steuerrad geschleudert.

Er tastete die Rippen ab. Zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. Wahrscheinlich nur eine starke Prellung.

Die linke Tür ließ sich nicht öffnen. Alan rutschte nach rechts hinüber und versuchte es dort.

Er gab der Tür mit der Schulter einen Stoß. Sie flog auf. Alan kletterte aufs Trittbrett und sah hinab auf die gaffende Menschenmenge, die sich im Nu angesammelt hatte.

Dann sprang er hinab auf die Straße.

»Da haben Sie aber Glück gehabt, junger Mann!«, sagte ein Mann, der einen Regenschirm trug.

»So-so was!«, brummte Alan mit schwerer Zunge. »Ich kann … hupps! … kann überhaupt nicht verstehen, wo die Laterne hier auf einmal her … hicks … herkommt. Vorhin stand sie viel weiter da drüben!«

Die Umstehenden lachten.

Zugleich aber fühlte Alan, dass ihn jemand von hinten am rechten Ellenbogen packte. Alan wandte den Kopf und blickte über die Schulter. Ein baumlanger Polizist stand hinter ihm.

»Hauchen Sie mich mal an!«, forderte er barsch.

Alan blies ihm eine Wolke Bieratem ins Gesicht.

Der Cop fuhr entsetzt zurück.

5

Ray Cubiczek lehnte jetzt mit dem Rücken am Aktenschrank und bemühte sich, die Schwäche in seinen Gliedern und die Übelkeit in seinem Magen niederzukämpfen. Er wusste nicht, wie lange er ohnmächtig gewesen war.

Dann taumelte Cubiczek zum Schreibtisch und griff zum Telefon.

Er nahm den Hörer ab und lauschte fast eine Minute lang.

Dann wurde ihm klar, dass die Leitung tot war. Jetzt sah er, dass die Anschlussleitung durchgeschnitten war. Er konnte den Überfall nicht melden.

Langsam schwankte Cubiczek durch das Zimmer.

Er erreichte die Tür und öffnete sie.

Dann wurde ihm schwarz vor Augen.

Er taumelte noch zwei Schritte vorwärts, dann stieß sein Fuß ins Leere.

Cubiczek spürte nicht mehr, wie er die Treppe hinabstürzte.

Das geschah um zwölf Uhr sieben.

***

Detektiv-Sergeant Bill Salthurst war 54 Jahre alt, unmäßig dick und seit achtundzwanzig Jahren bei der Kriminalabteilung der Stadtpolizei beschäftigt. Er hatte bisweilen einen unverwüstlichen Humor, aber das war seinem neuen Vorgesetzten, Captain Drywater, noch nicht bekannt, der Salthurst gerade zu sich befohlen hatte.

Salthurst setzte sich. Der Stuhl ächzte bedenklich.

Während der neue Captain ungeduldig auf den Bericht wartete, stopfte sich Salthurst seine kurze Stummelpfeife.

»Ich bin gespannt, wann Sie endlich soweit sind!«, schnaufte der Captain.

»Gleich«, sagte Salthurst. »Der Mann heißt übrigens Cubiczek.«

»Wer, zum Teufel, heißt Cutschitschek?«

»Cubiczek«, verbesserte Salthurst gelassen. »Ray Cubiczek. Das ist der Mann, der überfallen wurde. In seinem Office. Als er sich bemerkbar machen wollte, versagten ihm die Kräfte, und er stürzte die Treppe hinab. Er ist immer noch bewusstlos.«

»Mann, versuchen Sie doch mal, einen zusammenhängenden Bericht zu geben!«

»Also«, brummte Salthurst. »Cubiczek hat das Inkasso-Büro von irgendeiner Versicherungsgesellschaft. Übermorgen hätte er das letzte Quartal abrechnen müssen. Gestern und heute sind von seinen Kunden etwa elftausend Dollar eingezahlt worden.«

»Woher wissen Sie das?«

»Ich habe die Beträge auf den Durchschriften der Empfangsquittungen zusammengerechnet.«

»Und das Geld ist verschwunden?«

»Ja!«

»Was haben Sie, Salthurst, verdammt noch mal, zwei bis drei Stunden lang mit zwei Mitarbeitern am Tatort gemacht? Haben Sie Fingerabdrücke gesichert?«

»Ich nicht. Das hat Jimmy getan.«

»Haben Sie mit Hausbewohnern gesprochen?«

»Ich nicht. Das hat Ralph getan.«

»Haben Sie andere Spuren gesichert?«

»Ich nicht.«

»Was, zum Henker, haben denn Sie getan?«

»Ich habe nachgedacht.«

»Ach nein!«, höhnte der Captain. »Und was ist dabei herausgekommen?«

Salthurst blies Rauchwolken in die Luft. Bescheiden sagte er:

»Ich weiß jetzt, wer den Überfall ausgeführt hat.«

***

»Guten Tag«, sagten Phil und ich gleichzeitig.

Die Sekretärin hob den Kopf und sah uns durch die dicken Gläser ihrer Hornbrille frostig an.

»Wir möchten den Geschäftsführer sprechen«, sagte ich.

»Ausgeschlossen!«, erklärte sie. »Mister McKenzie ist heute nicht zu sprechen.« Sie wandte sich ihrer elektrischen Schreibmaschine zu und fing an, auf die Tasten zu hämmern. »Wenn Sie einen Job suchen«, fügte sie herablassend hinzu, ohne mit der Tipperei innezuhalten, »wenden Sie sich an den Personalchef.«

Phil deutete mit dem Kopf auf eine Tür. Manager stand in großen goldenen Buchstaben darauf.

Wir marschierten auf die Tür zu und rissen sie auf. Im selben Augenblick stieß die Sekretärin einen Schrei aus und fuhr in die Höhe.

Wir betraten das Office des Managers, ohne uns weiter um die Sekretärin zu kümmern.

Während Phil die Tür hinter sich zuzog, trat ich an den Schreibtisch. Seine schwarze, makellos blanke Platte war fast so groß wie die Bühne eines Nachtklubs.

Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann unbestimmbaren Alters. Er hatte die Augenbrauen zusammengezogen und musterte uns mit dem Interesse, das eine Klapperschlange ihrer nächsten Mahlzeit entgegenbringt.

»Sind Sie Mister McKenzie?«, fragte ich.

Er nickte unmerklich.

»Sie sind der Manager dieses Hotels?«

Wieder ein Nicken. Ich zog einen Scheck aus der Brieftasche und schob ihn über den Schreibtisch.

»Würden Sie mir bitte sagen, worum es geht?«

»Gern«, erwiderte ich. »Gewisse Dienststellen der Regierung haben geheime statistische Erhebungen in New York anzustellen. Mehr kann ich nicht sagen.«

»Das genügt mir.«

»Wir brauchen sechs nebeneinander liegende Zimmer, die von keinem Unbefugten betreten werden können. In einem Raum muss ein Fernschreiber angeschlossen werden. Außerdem sind sechs Telefonanschlüsse erforderlich, die nicht auf den Namen des Hotels laufen.«

»Kein Problem«, erklärte McKenzie. »Wir haben im G-Flügel im vierten Stock schon Tagungen von Industriellen gehabt, die noch ganz andere Wünsche hatten. Wann wollen Ihre Leute einziehen?«

»Sofort!«

»So schnell schließt Ihnen keine Telefongesellschaft die Leitungen an! Die Nummern sind zwar für uns reserviert, aber die Anschlüsse sind stillgelegt.«

»Keine Angst«, beruhigte ich ihn. »Das geht in Ordnung. Für uns wird das sofort erledigt. Noch eins: Wenn die Presse ein Sterbenswörtchen erfährt, wird der Scheck gesperrt.«

Er nickte.

Kurze Zeit später bezog die Sonderkommission für den Fall Kidnapping Hayes einen Flügel in einem Hotel, das sich ein Gehaltsempfänger wie unsereiner sonst nur von der Straße her ansehen kann.

Wenn die Kidnapper das Field Office beobachteten, würde ihnen dort nichts auffallen.

Dort blieb alles wie gewöhnlich. Die dreiundvierzig Agents, die außer Phil und mir zur Kommission gehörten, waren heute Morgen erst mit zwei Sonderflugzeugen aus Detroit und Washington gekommen.

Der Kampf um das Leben eines Kindes konnte beginnen.

6

Fast eine Stunde verging damit, die Kollegen für die Routinearbeiten einzuteilen, die in einem solchen Fall erforderlich sind.

Dann sagte Phil: »Es ist zwanzig Minuten nach vier, Jerry. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir ihn noch in seinem Office.«

Ich stand auf. »Okay, gehen wir. Hier läuft ja der Betrieb.«

Wir fuhren mit dem Lift hinab, benutzten den Ausgang zum Hof und stiegen in eine Dienstlimousine. Nichts an ihr verriet, dass es sich um ein Polizeifahrzeug handelte.

Viertel vor fünf betraten wir das Lager des Papierwarengroßhändlers Robert S. Gail.

Es bestand aus einem riesigen Raum mit langen Reihen von Regalen. Hinter dem Ladentisch stand Eddy Fisher. Er war sechsmal vorbestraft und wog zweihundertzwanzig Pfund.

»Was kann ich für euch tun, Jungs?«, brummte er.

Wir traten an den Ladentisch heran und flankten blitzschnell über die Theke: Jetzt stand Phil links neben Eddy, ich rechts.

Der Dicke war so überrascht, dass er keine Bewegung machte.

»Sei schön brav, Eddy«, warnte Phil. »Sonst hast du die nächsten achtzehn Monate weg wegen unerlaubten Waffenbesitzes im Wiederholungsfall.«

Ich griff in seine linke Achselhöhle. Was sich dort unter dem Jackett verbarg, war bestimmt kein Dauerlutscher. Eddy schielte von Phil zu mir.

»Was ist denn los? Ich habe Bewährungsfrist! Alles ordnungsgemäß! Ich kann’s euch beweisen!«

»Die Leute vom Gnadenausschuss kannten dich eben nicht, Eddy«, sagte Phil. »Wenn die wüssten, dass du trotz Bewährungsfrist schon wieder eine Kanone durch die Gegend schaukelst …«

»Was wollt ihr eigentlich von mir?«, brummte Eddy ängstlich.

»Bring uns zu deinem Boss«, sagte Phil.

Eddy wand sich wie ein getretener Wurm. »Der Boss ist nicht da!«

Ich zuckte mit den Schultern. »Na schön. Dann setz deinen Hut auf, schließ die Tür ab und komm mit.«

»Wohin?«

»Zum Schnellgericht. Verbotener Waffenbesitz während der Bewährung. Bin gespannt, wie viele Monate sie draus machen.«

»Jungs«, sagte er weinerlich und ließ die massigen Schultern hängen. »Lasst doch den Unsinn! Ihr wisst genau, dass ich noch nie geschossen habe. Ist doch nur so ’ne dumme Angewohnheit von mir, eine Kanone herumzuschleppen.«

Er sagte die Wahrheit. Eddy konnte zwanzig Einbrüche ausführen und fünfzehnmal dabei erwischt werden, er brachte es nie fertig, die Pistole abzudrücken, obgleich er immer damit herumfuchtelte.

Sein Pech war in diesem Fall, dass er Bewährung hatte und wir seine Unterstützung brauchten.

»Was macht die Familie, Eddy?«, fragte ich.

»Ella hat gesagt, dass sie mich rausschmeißt, endgültig rausschmeißt, wenn ich noch einmal in den Knast muss.«

»Dann kann sie jetzt schon deine Koffer packen«, sagte ich hart.

Er presste die Lippen aufeinander. Es sah aus, als ob der Koloss jeden Augenblick zu weinen beginnen würde.

»Es sei denn«, sagte ich, »du bringst uns zu deinem Boss. Dann vergessen wir, dass du eine Pistole trägst. Vorausgesetzt, du wirfst das Ding in den nächsten Gully.«

Eddy war kreidebleich geworden. »Ich schmeiße die Kanone in den East River, noch heute Abend! Mein Ehrenwort, Agent! Und zum Boss geht’s …« Er brach ab, ging quer durch das große Lager, durch zwei kleinere Räume und endlich eine kurze Treppe hinauf. Wir folgten ihm. Eddy zog eine Tür auf. Wir traten über die Schwelle, und dann standen wir Robert S. Gail gegenüber.

Von ihm hieß es seit einiger Zeit, er sei der größte Hehler New Yorks.

Gail war klein, hager und unscheinbar. Seine stahlgrauen Augen hatten einen stechenden Blick. Gail hockte in einem Drehstuhl.

»Was ist los, Eddy?«, fragte er mit hoher, keifender Stimme.

Ich trat zwei Schritte vor.

»FBI, Mister Gail. Sie haben uns angerufen und um unseren Besuch gebeten.«

»Ich?«, kreischte er überrascht.

»Ja!«

»Seid ihr verrückt? Schert euch raus. Ich habe niemand angerufen.«

Ich drehte mich um und sah Eddy an.

»Geh wieder schön an deine Arbeit, Eddy. Wir wollen mal sehen, was Mister Gail von uns möchte.«

Eddy verschwand wie der Blitz. Phil zog die Tür hinter ihm zu, drehte den Schlüssel zweimal, zog ihn ab und steckte ihn in die Tasche.

***

»Ki-kindesentführung!«, stotterte Gail erschrocken. »Verdammt! Welcher Idiot soll das gewesen sein?«

Wir spürten, dass er von diesem Verbrechen keine Ahnung hatte.

Enttäuscht drehte ich mich um und ging zum Fenster.

Wir hatten einige Hoffnung auf Gail gesetzt. Es hieß, dass er über alle Vorgänge in der Unterwelt immer glänzend informiert sei.

»Hören Sie, Gail«, sagte Phil. »Es gibt niemanden außer Ihnen, der davon weiß, dass das FBI einen Kidnapping-Fall bearbeitet. Wenn es die Kidnapper erfahren, bringen sie vielleicht das Kind um. Wenn sie es erfahren, können sie es nur von Ihnen gehört haben. Dann, Gail, möchte ich nicht in Ihrer Haut stecken.«

Gail war aschfahl geworden. »So was«, brummte er. »Eine Kindesentführung. Ich möchte wissen, welche Idioten dafür verantwortlich sind.«

»Das möchten wir auch wissen, Gail«, sagte ich. »Und Sie werden sich alle Mühe geben, es für das FBI herauszufinden. Der kleinste Tipp genügt uns. Und wehe Ihnen, wenn Sie nicht alle Ihre Beziehungen spielen lassen.«

»Beziehungen?«

»Stellen Sie sich nicht dumm! Das FBI weiß ganz genau, dass Sie sechzig bis siebzig Prozent der New Yorker Hehler-Geschäfte abwickeln.«

Er wurde bockig, weil es jetzt um seine Haut ging. »Wenn Sie solche Behauptungen aufstellen, werde ich Sie verklagen müssen«, keifte er. »Das ist Beleidigung, üble Nachrede, Geschäftsschädigung, Verleumdung …«

Er verstummte, als er mich ansah.

»Was denn noch?«, fragte ich leise.

»Eh … ich weiß nicht …«, stotterte er.

»Sie kommen auch noch an die Reihe, Gail«, versprach ich. »Aber den Zeitpunkt bestimmen wir. Jetzt gebe ich Ihnen den guten Rat, Ihre Beziehungen spielen zu lassen und die ganze Unterwelt zu mobilisieren, ohne dass dabei jemand von den Absichten des FBI erfährt. Entweder bringt ihr uns das Kind und die Kidnapper innerhalb kürzester Zeit, oder das FBI muss New York auf den Kopf stellen. Ob euch das angenehm ist, müsst ihr selbst entscheiden. Wenn wir nämlich etwas auf den Kopf stellen, Gail, dann finden wir jede gestohlene Nagelfeile. Von größeren Objekten ganz zu schweigen. Also geben Sie sich Mühe, wenn Sie noch ein paar Monate frei herumlaufen wollen. Komm, Phil.«

Wir verließen ihn.

Als wir zurückfuhren, meinte Phil zweifelnd:

»Ob es etwas hilft, dass wir Gail alarmiert haben?«

»Viele Gangster werden jetzt in ihren eigenen Reihen nachforschen. Sie haben Möglichkeiten, die für uns ausscheiden.«

Phil nickte und griff zum Sprechfunkgerät, da das Ruflämpchen aufleuchtete.

»Decker«, sagte er in den Hörer. »Was ist los?«

»Leitstelle. Cotton und Decker sollen sofort ins Field Office kommen. Sehr dringend. Nach Eintreffen Meldung bei Mister High!«

»Verstanden«, erwiderte Phil. »Wir sind in zehn Minuten da.«

»Da muss etwas passiert sein«, brummte ich und trat kräftiger auf das Gaspedal.

Bis zum Field Office sprachen wir kein Wort. Als wir im Hof ankamen und aus dem Wagen sprangen, kam ein Kollege auf uns zu.

»Ihr habt doch Duff Cool festgenommen?«

»Ja, warum?«

»Er hat vor einer Viertelstunde gestanden, dass Weisman und Farelli in New York sind. Er hat auf sie in der Kneipe gewartet, wo ihr ihn verhaftet habt.«

Ich winkte ab.

»Weisman und Farelli interessieren uns nicht mehr. Hast du eine Ahnung, was der Chef von uns will?«

»Nein.«

Schnell überquerten wir den Hof, gingen durch die Halle und fuhren mit dem Lift hinauf. Als wir das Arbeitszimmer des Chefs betraten, sahen wir den Arzt.

Er stand vor der Couch im Hintergrund des Zimmers und beugte sich über eine blonde Frau. Sie war ungefähr vierzig Jahre alt. Ihr raffiniert geschnittenes, hellgraues Kostüm konnte nur aus einem Luxusgeschäft der Fifth Avenue stammen. Die Frau hielt die Augen geschlossen. Ihr Gesicht war verzerrt, der Atem kam stoßweise.

Mr High blickte uns entgegen und sagte: »Sie ist völlig fertig. Nervenzusammenbruch.«

»Wer ist sie?«, fragte Phil.

»Mrs Hayes, die Mutter des entführten Kindes!«

7

»Ich glaub’s nicht«, sagte der Chef der Dynston-Gang. »Ich kann es nicht glauben.«

Robert S. Gail blieb vor ihm stehen. Er hatte sein Jackett aufgeknöpft und schob die Daumen in die Ärmelausschnitte der Weste.

»So!«, meckerte er. »Du glaubst es nicht! Mister Dynston glaubt mir nicht!«

»So war’s nicht gemeint«, brummte der Gangsterchef. »Sicherlich lügst du nicht. Aber woher willst du wissen, dass deine Informationen stimmen?«

Gail stampfte wütend mit dem Fuß auf.

»Wenn ich falsche Informationen bekäme, Dynston, säßen wir alle schon seit Monaten hinter Schloss und Riegel! Du kannst unbesorgt deinen Kopf gegen einen Silberdollar wetten, meine Informationen stimmen.«

Dynston reckte die breiten Schultern und schob sein kantiges Kinn angriffslustig vor.

»Dann muss der Kidnapper ein verdammter Idiot gewesen sein!«, fluchte er. »Eine Kindesentführung! Warum verübt er nicht gleich ein Attentat auf den Präsidenten?«

»Endlich kapierst du, worum es geht«, rief Gail. »Das FBI hat sich noch nicht eingeschaltet. Vielleicht weiß der FBI noch gar nichts davon –«

Dynston stutzte.

»Aber woher weißt du es?«, unterbrach er.

»Woher weiß ich es?«, äffte Gail ihn nach. »Hast du je gefragt, woher ich meine Informationen kriege? Meinst du, ich würde es dir auf die Nase binden? Ich habe Beziehungen. Jedenfalls ist der Junge des Schuhkönigs Hayes gekidnappt worden. Solange die Eltern es geheim halten, kann nichts passieren. Aber wenn sie die Nerven verlieren und es an die große Glocke hängen, dann ist der Teufel los.«

»Dann wimmelt es hier von G-men«, stöhnte Dynston. »Es wäre nicht auszudenken! Und es kann gar nicht ausbleiben, dass sie dabei über Dinge stolpern, die uns das Genick brechen können.«

»Endlich ist bei dir der Nickel gefallen. Genau das ist es, was ich befürchte.«

»Vielleicht sollten wir kurzerhand für ein paar Tage aus New York verschwinden«, meinte Dynston. »Irgendwo Urlaub machen. Was meinst du?«

»Das geht nicht«, seufzte Gail. »Ich kann nicht vier Lastwagen mit heißer Ware mitnehmen!«

»Daran habe ich nicht gedacht. Verdammt, das ist ein Dreck, den uns diese Idioten eingebrockt haben! Das Geschäft lief gerade so schön!«

»Wenn es weiterlaufen soll, wirst du in den nächsten Stunden viel tun müssen, Dynston.«

»Ich? Viel tun? Wieso?«

»Du musst die Kidnapper finden!«

»Die Kidnapper finden?«

Gail nickte. »Begreife doch! Sobald sich das FBI einschaltet, und ich möchte wetten, dass es sich irgendwann einschalten wird, ist in New York der Teufel los! Du weißt doch, wie diese G-men sind; sie schnüffeln in den dunkelsten Ecken herum. Deshalb müssen wir ihnen zuvorkommen! Wir müssen die Kidnapper aufspüren.«

»Na ja, vielleicht hört man was. Aber große Hoffnungen mache ich mir nicht.«

»Setz deine Jungs ein! Schick sie in alle Kaschemmen zwischen Harlem River und Battery. Und, Dynston, denk daran, dass es in unserem Interesse ist.«

***

»Stellen Sie Ihre Fragen«, raunte uns Mr High zu.

Ich nickte. Wir traten zu Mrs Hayes, die auf der Couch saß und jetzt ruhiger atmete.

»Mrs Hayes«, sagte ich. »Mein Name ist Cotton, ich bin ein G-man. Das ist mein Kollege Phil Decker. Wir würden gern wissen, warum Sie her gekommen sind.«

Sie sah mich an. Trotz ihrer vierzig Jahre war sie noch immer eine bemerkenswert jugendliche Frau.

»Mein Sohn ist entführt worden«, stieß sie hervor.

»Entführt? Sind sie sicher?«

»Absolut sicher.«

»Weiß Ihr Mann schon davon?«, fragte Phil.

»Nein. Ich habe seit ein paar Stunden immer wieder versucht, John zu erreichen. Es war nicht möglich. Zuerst hieß es, er sei an der Börse. Als ich dort anrief, konnte man ihn nicht finden. So ging es den ganzen Nachmittag. Ich wusste mir zu guter Letzt keinen Rat mehr. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen. Kindesentführung, das ist doch ein Fall für den FBI, nicht wahr?«

»Ja. Aber Sie müssen sich darüber klar sein, dass eine Kindesentführung eine sehr heikle Angelegenheit ist. Die Kidnapper drohen oft mit der Ermordung des Kindes, falls die Polizei eingeschaltet wird.«

»Ich weiß«, murmelte sie. »Ich habe davon gelesen. Aber ich habe auch gelesen, dass entführte Kinder getötet wurden, obwohl das FBI nicht eingeschaltet worden ist. Was ist nun richtig?«

»Beides«, erwiderte ich. »Man kann’s nie voraussagen. Aber meiner Meinung nach sind die Chancen für Ihr Kind größer, wenn das FBI den Fall übernimmt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass es für das Kind zwei besonders gefährliche Zeitabschnitte gibt: Die erste Stunde nach der Entführung und die Zeit nach der Übergabe des Lösegeldes. In der Zwischenzeit müssen sie bestrebt sein, das Kind am Leben zu erhalten, denn die Eltern könnten ja als Beweis dafür, dass es noch lebt, die Stimme des Kindes hören wollen. Andernfalls weigern sie sich, das Lösegeld zu zahlen.«

In die Augen der Frau trat ein Hoffnungsschimmer. »Das leuchtet mir ein. Sie meinen also, wir sollten verlangen, dass uns …«

»Darauf werden wir noch kommen«, unterbrach Phil. »Zunächst möchte ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, Mrs Hayes. Das FBI übernimmt den Fall. Natürlich wird niemand erfahren, dass wir Ihren Sohn und die Entführer suchen. Auch Sie werden nicht darüber sprechen. Das ist unsere Bedingung. Sind Sie einverstanden?«

»Aber ja, selbstverständlich.«

»Übrigens können wir Ihnen jetzt sagen, dass wir bereits mit Ihrem Mann gesprochen haben.«

Phil berichtete von unserer Zusammenkunft an der Börse. Dann kamen wir endlich dazu, die für uns wichtigsten Fragen zu stellen.

»Schildern Sie uns, bitte, wie es zu der Entführung kam«, bat Phil.

»Johnny erschien mir in den letzten Tagen ein bisschen kränklich. Deshalb fuhr ich mit ihm in die Stadt zu unserem Hausarzt.«

»Weshalb ließen Sie den Arzt nicht in die Wohnung kommen?«

»Ich dachte, eine Untersuchung könnte ein Arzt besser in seiner Praxis vornehmen.«

»Natürlich«, sagte ich. »Das ist einleuchtend. Wer ist der Arzt?«

»Doktor Ferwood in der Park Avenue.«

»Gut. Sie brachten also Ihren Sohn zum Arzt. War noch jemand bei Ihnen?«

»Ja. Mister Flush, unser Hauslehrer. Als wir bei Doktor Ferwood ankamen, sagte er uns, dass die Untersuchung eine Stunde dauern könnte. Daraufhin beschlossen Mister Flush und ich, in der Zwischenzeit ein paar Besorgungen in der City zu machen.«

»Bleibt eine Mutter nicht gewöhnlich bei ihrem Kind, wenn ein Arzt es untersucht?«

»Ich wollte dabei bleiben, aber Doktor Ferwood sagte, er wäre lieber mit Johnny allein.«

Phil warf mir einen kurzen Blick zu. Offenbar kam auch ihm das Verhalten des Arztes seltsam vor.

»Begründete Doktor Ferwood diese Bitte?«, fragte ich.

»Er kennt Johnny seit der Geburt, und er versteht sich großartig mit ihm. Vielleicht glaubte er, Johnny könnte unbefangener sprechen, wenn sie allein wären.«

»Hm. Also Sie verließen mit Mister Flush die Praxis. Wohin gingen Sie?«

»Mister Flush bat mich, beim Kauf der Lehrbücher dabei zu sein. Wir gingen in die Buchhandlung Snackson, Bryght & Cawish in der Park Avenue. Danach begleitete mich Mister Flush zu meinem Kosmetiksalon und dann zum Wagen zurück. Wir waren ungefähr eine Stunde unterwegs. Als wir zurückkamen, war Johnny verschwunden.«

»Bitte, genaue Angaben!«

»Doktor Ferwood hatte die Untersuchung abgeschlossen und seine Sprechstundenhilfe beauftragt, mit Johnny bis zu unserer Rückkehr zu spielen.«

»Wie heißt die Sprechstundenhilfe?«

»Ich kenne nur den Vornamen: Marry. Sie ist ein junges Ding aus der Provinz, ein bisschen naiv, aber sehr nett.«

»Wie lange ist sie schon bei Doktor Ferwood?«

»Noch nicht lange. Höchstens ein paar Monate.«

»Wie verschwand Johnny?«

»Marry sagte, unser Chauffeur sei gekommen, um Johnny zu holen. Er hatte behauptet, Mister Flush hätte ihn geschickt, um Johnny abzuholen. Ich sei im Kosmetiksalon aufgehalten worden.«

»Der Kidnapper gab sich also für Ihren Chauffeur aus?«

»Ja.«

»Ihr Chauffeur kann es nicht gewesen sein?«

»Ganz sicher nicht. Jackson, das ist unser Fahrer, ist klein und vollschlank. Der Mann aber, den Marry uns beschrieb, war groß und hager.«

»Dieser Mann sagte also, dass Sie noch im Kosmetiksalon seien?«

»Ja. Dadurch fiel Marry auf den Schwindel herein. Sie hatte gehört, dass ich von dem Kosmetiksalon sprach, bevor wir die Praxis verließen.«

»Dann ist dieser Mister X ja ausgezeichnet informiert gewesen«, stellte Mr High plötzlich fest. »Es sieht beinahe so aus, als ob es jemand aus Ihrer nächsten Nähe ist, Mrs Hayes.«

Die Frau sah uns erschrocken an. Ihre Lippen zitterten schwach. »Das ist doch nicht möglich!«

»Wir werden ja sehen«, schaltete ich mich wieder ein. »Nur noch eine letzte Frage, Mrs Hayes: Haben sich die Entführer schon bei Ihnen gemeldet?«

Statt einer Antwort griff sie nach ihrer Handtasche, klappte sie auf und hielt mir wortlos einen weißen Briefumschlag hin.

Phil nahm eine kleine Pinzette von Mr Highs Schreibtisch und fasste damit den Umschlag an einer Ecke.

Gespannt beobachteten wir Phil, der den Brief behutsam aus dem Umschlag zupfte.

Der Bogen war einmal gefaltet. Es war weißes, am Rande gefasertes Briefpapier. Der Text war mit Maschine geschrieben. Er lautete:

 

Wenn Sie Ihr Kind wiedersehen wollen, kostet Sie das eine Million Dollar in kleinen, nicht fortlaufend nummerierten Scheinen. Wir melden uns wieder. Halten Sie das Geld bereit.

 

Während wir noch auf den Brief starrten, schrillte das Telefon. Mr High nahm den Hörer ab, lauschte einen Moment und reichte ihn dann mir herüber.

»Für Sie, Jerry.«

Ich meldete mich.

»Hallo, Jerry! Hier ist James Donnagen. Was macht eure Sache?«

»Wir haben einen Brief, in dem das Lösegeld gefordert wird. Eine Million. Wir werden jetzt die üblichen Untersuchungen vornehmen lassen. Du kennst das ja. Weshalb rufst du an?«

»Du erinnerst dich, dass ich heute Mittag zum Essen verabredet war?«

»Ja, du hast etwas davon erwähnt. Warum?«

»Der Mann, mit dem ich verabredet war, ist nicht gekommen. Für mich war es eine sehr wichtige Verabredung, und deshalb habe ich bis jetzt versucht, diesen Mann zu erreichen. Aber er ist wie vom Erdboden verschluckt. Weder in seiner Wohnung noch in seinem Office hat man eine Ahnung, wo er sein könnte.«

»Für Vermisstenanzeigen ist die Stadtpolizei zuständig, James.«

»Abwarten! Du weißt ja noch gar nicht, um wen es sich handelt. Der Mann, der seit heute Mittag spurlos verschwunden ist, heißt Stanley Earns. Er ist ein Onkel des entführten Kindes.«

8

Der Mann hatte flachsblondes Haar, ein sonnengebräuntes Gesicht und wasserhelle Augen.

Er trug eine marineblaue Jacke, hellgraue Hosen und die kleine blaue Tasche einer Fluggesellschaft.

Er stand an der Haustür und sagte:

»Schönes Kind, Sie erleben einen einmaligen Auftritt! Jack Morton, die Attraktion aller kalifornischen Salons, hat sich herabgelassen und ist nach New York gekommen, in den übervölkerten Osten. Er hat sich nicht gescheut, seine Benzinkutsche tausende von Meilen eigenhändig zu steuern. Melden Sie meinem alten Freund John Edward Hayes, dass ihm die Überraschung des Jahres bevorsteht!«

Ann Leaves, das Hausmädchen der Hayes, kicherte. »Können Sie auch ein vernünftiges Wort sprechen?«

Jack Morton seufzte. »Kindchen, deutlicher kann man sich ja gar nicht ausdrücken! Sie kennen John Edward Hayes, ja?«

»Aber natürlich, er ist doch mein Chef!«

»Hat er Ihnen schon mal erzählt, dass er studiert hat?«

»Nein, Sir.«

»Der gute, alte John! Bescheiden wie immer. Er hat, Kindchen, er hat tatsächlich. Und was glauben Sie, mit wem er auf der Universität immer zusammen war? Sie werden’s nicht erraten. Mit mir. Mit seinem alten Freund Jack. Und nun benachrichtigen Sie ihn davon, dass ich vor der Haustür stehe und ein Obdach suche.«

»Sie wollen hier bleiben?«

»Erraten. Für mindestens drei Wochen.«

Ann Leavens schob die Unterlippe vor. »Okay, ich melde Sie an!«, sagte sie und drehte sich um. Aber nach drei Schritten blieb sie stehen, wandte sich wieder der Tür zu und meinte: »Es ist ja niemand hier. Der Chef ist noch im Betrieb, und die Gnädige ist weggefahren.«

»Verreist?«

»Nein, nur mal in die Stadt. Es ist wegen der – aber darüber darf ich nicht sprechen.«

»Worüber dürfen Sie nicht reden, Kindchen?«

»Über die Entführung«, sagte das Mädchen prompt.

Morton verdrehte die Augen.

»Entführung? Sehr romantisch! Wer ist entführt worden! Johns Frau?«

»Aber nein! Johnny ist gekidnappt worden! Aber verraten Sie mich ja nicht! Ich soll zu keinem Menschen ein Sterbenswörtchen sagen!«

»Ich halte dicht«, versprach Morton. »Aber meinen Sie nicht, dass wir uns im Hause viel besser unterhalten könnten?«

»Na ja, kommen Sie rein. Wenn Sie ein Studienfreund vom Chef sind, wird er wohl nichts dagegen haben.«

Jack Morton folgte dem Mädchen in die Diele und von da aus in ein geräumiges Wohnzimmer, wo er sich kurzerhand auf einer Couch ausstreckte.

»Ich bin die letzten zweihundert Meilen ohne Pause gefahren. Ich bin völlig erledigt. Gibt’s hier einen Kaffee?«

»Ich mache einen. Zigaretten stehen auf dem Tischchen da drüben, Mister –«

»Morton, Jack Morton.«

»Ach ja, Mister Morton. Also ich mache Kaffee. Bin gleich wieder da.«

Jack nickte, schloss die Augen und blieb liegen, bis das Hausmädchen den Raum verlassen hatte.

Aber kaum war die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, da erhob er sich und trat zu dem kleinen Schreibtisch neben einem der großen Fenster.

Dort stand eine kleine Reiseschreibmaschine. Jack Morton setzte sich an die Maschine und tippte eine knappe Minute. Dann steckte er den Bogen in die Brusttasche und legte sich wieder auf die Couch.

Kurz darauf kam das Mädchen mit einem Tablett zurück.

Als sie ihm den Kaffee einschenkte, fragte Jack Morton wie nebenbei: »Das mit der Kindesentführung vorhin war natürlich ein Witz, nicht wahr?«

»Nein, Sir! Es ist wahr! Johnny ist heute Morgen gekidnappt worden. Die Gnädige war außer sich, das kann ich Ihnen sagen!«

»Dann bin ich ja im richtigen Augenblick gekommen«, sagte Morton. »Ich werde die Sache in die Hand nehmen.«

»Sind Sie ein Polizist?«

»Nur nebenbei. Aus Passion. Fangen wir gleich an, Kindchen. Wie heißen Sie eigentlich?«

»Ann Leavens.«

»Hübscher Name. Wo waren Sie heute Vormittag, Ann?«

»Ich war hier, den ganzen Vormittag.«

»Wer war noch im Hause?«

»Der alte George Batton.«

»Wer ist das?«

»Der Koch. Er hilft auch bei den übrigen Arbeiten im Haus.«

»Aha. Wer wohnt sonst noch hier?«

»Jane Morgan, das Kindermädchen. Eine sehr arrogante Person.«

»War sie heute Vormittag zu Hause?«

»Einmal ist sie weggegangen.«

»Wann?«

»Gegen halb zwölf.«

»Sagte sie, wohin sie ging?«

»Nein. Sie blieb aber nicht lange weg. Höchstens eine Viertelstunde.«

»Gut. Zählen Sie auf, wer noch hier wohnt.«

»Thomas Hayes. Das ist ein Neffe vom Chef. Er ist ein Windhund, Sir. Ein sehr leichtsinniger Kerl. Jede Woche gibt es seinetwegen mindestens einmal Ärger.«

»Ärger mit wem?«

»Mit dem Chef. Thomas Hayes gibt zu viel Geld aus und macht dauernd Schulden.«

»Interessant«, bemerkte Morton. »War er heute Vormittag zu Hause?«

»Nein. Er ist erst um halb eins gekommen.«

»Sahen Sie ihn kommen?«

»Ja. Er war aufgeregt. Bestimmt hat er wieder mit einem seiner Gläubiger Streit gehabt.«

»Sprach er mit Ihnen?«

»Der? Der spricht doch nicht mit dem Personal.«

»Wen haben wir denn noch im Hause?«

»Nur noch Mister Flush.«

»Flush? Wer ist das?«

»Johnnys Hauslehrer. Mister Flush ist der gescheiteste Mann, den ich kenne. Er weiß einfach alles. Wenn ich mit einem Kreuzworträtsel nicht weiterkomme, frage ich Mister Flush. Er weiß es bestimmt.«

***

Als der Lastwagen hielt und fünf Arbeiter des städtischen Bauamtes auf die Straße sprangen, rief ihnen ein uniformierter Polizist zu: »Na, endlich!«

»Was endlich?«, fragte der älteste Arbeiter.

Der Cop zeigte auf die Laterne, die krumm gebogen war und über die Straße ragte.

»Ihr seid doch gekommen, um dieses Verkehrshindernis zu beseitigen, oder?«

»Warum wohl sonst?«

»Na also! Dann kann ich’s ja dem Captain endlich melden.«

»In spätestens drei Tagen steht eine neue Laterne hier«, versprach der Arbeiter.

»In drei Tagen? Dauert das so lange?«

»Wir werden Tag und Nacht arbeiten müssen, wenn wir es in drei Tagen schaffen wollen«, erwiderte der Arbeiter und strich über seinen grauen Schnauzbart. »Es ist ja nicht damit getan, dass wir das verbogene Ding ausbuddeln. Die Anschlüsse müssen neu gelegt werden.«

»Wird wohl so sein«, sagte der Cop. »Jedenfalls wird es Zeit, dass das Ding verschwindet. Ich gehe zurück zum Revier. So long, Boys!«

»So long, Officer!«

Die fünf Arbeiter betrachteten den verbogenen Mast der Laterne.

»Saubere Arbeit«, sagte einer.

Und die anderen lächelten wie in einem geheimen Einverständnis.

Das Haus der Hayes lag knapp sechzig Yards von der Stelle entfernt, wo sie ihr Bauzelt aufschlugen.

9

»Hören Sie, Tony«, sagte ich zu einem Kollegen im Hotel, in dem wir unser Hauptquartier aufgeschlagen hatten. »Es ist notwendig, dass wir einen Mann in die Straße bekommen, in der die Hayes wohnen, falls sie das Haus beobachten.«

»Gut, aber wie?«

»Wir haben uns etwas einfallen lassen«, sagte Phil schmunzelnd. »Hier ist eine Lizenz als Privatdetektiv für Sie. Versuchen Sie, irgendwo in der Straße ein Zimmer zu kriegen. Und dann treiben Sie sich überall dort herum, wo die Hayes einkaufen lassen. Fragen Sie die Nachbarn aus und die Verkäuferinnen, die Zeitungsboten und den Milchmann. Und das Personal der Hayes, wenn es sich außerhalb des Hauses sehen lässt. Verhalten Sie sich so, als seien Sie von Hayes engagiert worden, weil er seiner Frau nicht traut, verstehen Sie?«

Unser Kollege grinste. »Verstanden!«

»Wir müssen herausfinden, mit welchen Leuten Mitglieder des Personals verkehren. Mit wem ist beispielsweise das Kindermädchen befreundet? Sitzt irgendwer vom Personal in einer finanziellen Klemme? Sie wissen ja, worauf es in solchen Fällen ankommt. Vor allem müssen wir wissen, ob in der Nachbarschaft der Hayes innerhalb der letzten Monate ein Fremder zugezogen ist. Die Kidnapper scheinen nämlich verdammt gut über die persönlichen Verhältnisse der Hayes unterrichtet zu sein. Entweder hat einer wochenlang die Hayes beobachtet, oder jemand im Hause macht mit den Entführern gemeinsame Sache.«

»Okay. Wann soll ich mich melden?«

»Rufen Sie täglich zweimal hier an. Morgens um neun und nachmittags um fünf. Lassen Sie ihren Revolver mit dem FBI-Prägestempel hier und nehmen Sie diese Waffe. Hier ist auch ein Waffenschein mit Ihrer neuen Berufsbezeichnung.«

»Das klappt mal wieder«, lächelte unser Kollege, steckte alles ein und machte sich auf den Weg.

Kaum hatte er das Zimmer verlassen, meinte Phil: »Jerry, mir ist etwas eingefallen. Wenn jemand aus dem Haus mit den Kidnappern unter einer Decke steckt, konnte dieser Jemand auch das Telefon im Haus anzapfen.«

»Richtig! Wir sollten das nachprüfen lassen.«

»Okay. Ich fahre zu einem leitenden Mann der Telefongesellschaft und sorge dafür, dass noch heute Abend Fachleute der Gesellschaft die Leitung nachprüfen.«

»Gut. Sieh zu, dass du in ungefähr einer Stunde wieder hier bist.«

Phil verließ unser Office.

Ich suchte im Nebenzimmer den Detroiter Kollegen auf, der für unsere Verbindung zu Jack Morton zuständig war.

»Also«, sagte ich, »was ist los? Ist Morton endlich im Haus?«

»Er hat es schon vor achtzig Minuten betreten. Seine erste Meldung erwarten wir um acht Uhr, also in einer knappen Stunde. Wenn er um acht Uhr keine Gelegenheit findet, sich zu melden, warten wir bis neun, dann bis zehn und so fort. Er ist gut ausgerüstet. Wir haben ihn mit einem Walkie-Talkie ausgerüstet.«

»Ich möchte von allen Gesprächen mit Morton Tonbandaufnahmen haben«, wies ich den Kollegen an.

»Geht in Ordnung, Cotton.«

»Wie ist die Verbindung mit unseren Posten?«

»Funktioniert ausgezeichnet.«

Ich ging zurück in mein Zimmer, setzte mich an den Schreibtisch und steckte mir eine Zigarette an.

Vor mir lag eine lange Liste, auf der ich notiert hatte, welche Schritte bisher unternommen worden waren.

Die Liste umfasste schon 104 Punkte.

Während ich auf das Blatt starrte, klingelte das Telefon. Es war der Leiter unseres Labors im Field Office.

»Wir haben das Papier des Kidnapper-Briefs untersucht. Du kannst es in jedem Warenhaus der Stadt und in einigen hundert Papierwarenhandlungen kriegen. Durchschnittsware.«

»Pech! Auf was für einer Maschine ist der Brief geschrieben worden?«

»Kleine Remington. Perlschrift. Eine moderne Maschine, nicht älter als drei Jahre. Die Taste mit dem A ist verbogen, der Buchstabe sitzt einen halben Millimeter unter der Zeile. Außerdem haben unsere Experten ein Gutachten erstellt über die Person, die den Brief getippt hat.«

»Lass hören!«

»Es handelt sich um jemand, der an Schreibmaschinen nicht geübt ist. Also bestimmt keine Stenotypistin. Für die Anschläge wurde zu viel Kraft aufgewendet. Der Schreiber beherrscht auch das Zehnfinger-System nicht.«

»Woraus schließt man das?«