Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 2 - Krimi-Serie - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 2 - Krimi-Serie E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 2: Drei actiongeladene Fälle und über 250 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

Die Jerry Cotton Sonder-Edition ist der echte Klassiker. Sie bietet dem Leser die Romane aus der Frühzeit der Serie und schickt ihn auf Zeitreise in die frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

In diesem Sammelband sind 3 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

4: Der Feind im Dunkeln

5: Der Tod im Fernsehstudio

6: 24 Stunden für McKing

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

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Seitenzahl: 532

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: javarman | PanicAttack ISBN 978-3-7325-7026-3

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 2 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton Sonder-Edition - Folge 4Randolph Rutter, ehemals ein großer Boss der New Yorker Unterwelt, versuchte mir einen Tipp zu verkaufen. Es ging angeblich um einen großen Bankraub. Mehr wusste er nicht. Ich lachte den heruntergekommenen Ex-Gangsterboss aus. Doch dann häuften sich die Anzeichen, dass an Rutters Story vielleicht etwas dran war, und wir vom FBI standen einem Gegner gegenüber, der nicht zu greifen war ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 5Genauso wie Millionen Fernsehzuschauer wurde ich Augenzeuge eines Mordes, der direkt vor der Kamera stattfand. Wenig später befand ich mich in dem Fernsehstudio neben der Leiche - vom Täter weit und breit keine Spur. Meine Kollegen und ich begannen mit den Verhören. Als ich noch dabei war, den Hauptdarsteller Steve Robertson zu befragen, fiel mir eine an ihn gerichtete Postkarte in die Hände. Darauf stand: "Ich gratuliere zum perfekten Mord, Steve Robertson!"...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 6Todkrank wurde der Millionär McKing ins Bellevue Hospital eingeliefert. Er musste innerhalb eines Tages operiert werden, sonst gab es keine Rettung mehr für ihn. Das machten sich skrupellose Gangster zunutze und entführten McKing aus dem Krankenhaus. Ab diesem Moment lief der count-down und Phil und ich mussten den Millionär innerhalb von 24 Stunden finden, sonst...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Der Feind im Dunkeln

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Vorschau

Der Feind im Dunkeln

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: »Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Als mein Feuerzeug aufflammte, sah ich das Gesicht – ein hohlwangiges, stoppelbärtiges, verdrecktes Gesicht mit ausgedörrten Lippen und angstvoll flackernden Augen.

Der Mann, dem dieses Gesicht gehörte, war einst New Yorks erfolgreichster Gangster gewesen. Jetzt war er ein Wrack. Jetzt war Randolph Ruller am Ende.

Die Flamme meines Feuerzeugs erlosch. Es wurde wieder stockfinster in dem Schuppen, in dem es nach Teer, Moder und Brackwasser roch.

»Schieß los, Randolph«, sagte ich in die Dunkelheit. »Am Telefon hast du mir eine sensationelle Story versprochen. Ich hoffe, du hast mich nicht wegen irgendeinem Unsinn in den Hafen gelotst.«

»Nein nein«, krächzte er. »Es lohnt sich für euch. Was zahlt denn das FBI für ’nen Tipp über einen geplanten Bankraub?«

»Nichts«, antwortete ich.

»Habe es nur mal versucht. Ich weiß, dass ihr keinen Cent locker macht. Aber ich liefere euch den Kerl umsonst.«

Er machte eine Pause. Ich hörte, wie er sich am Kopf kratzte. »Du kennst doch meine Geschichte, Cotton? Du weißt auf welch schäbige Weise James Morleigh mich ausgebootet hat?«

Ich seufzte. Beinahe jeder Polizist in New York kennt die Story, wie Randolph Ruller von seinem Partner James Morleigh vor zwei Jahren kalt gestellt worden war. Wahrscheinlich entsprach die Geschichte sogar der Wahrheit, aber gegen Morleigh lagen keine Beweise vor, und man konnte ihn nicht vor den Richter bringen.

»Das war damals so«, krächzte Ruller. »Morleigh war nur ’ne Laus, die vor Hunger nicht schlafen konnte. Als er mir über den Weg lief, da …«

Ich hörte nicht weiter zu. Ich wusste, dass Ruller vor rund drei Jahren zwei Dutzend Spielhöllen besessen hatte. Morleigh war als Partner in das Geschäft eingestiegen. Innerhalb von drei Monaten hatte er Rullers Bankhalter, Leibwächter und Kunden auf seine Seite gebracht, und Randolph war in hohem Bogen aus dem Unternehmen geflogen.

»Hör schon auf!«, sagte ich. »Das ist alles Vergangenheit. Du hast nie handfestes Material gegen Morleigh liefern können. Außerdem hat die New Yorker Polizei deinem Ex-Partner im Lauf der Jahre mächtig die Flügel gestutzt. Die Cops haben das Unternehmen lahm gelegt. Sie haben die meisten Spielhöllen ausgehoben. Morleigh verdient mit dem Rest kaum noch die Butter auf dem Brot.«

»Genau, G-man«, flüsterte Ruller. »Darum wirft er sich auf ein anderes Geschäft, ein Geschäft, bei dem ein dickes Dollarpaket zu holen ist. Er plant einen Bankraub!«

»Bei welcher Bank? Wann? Wo? Wie?«

»Er und seine Leute haben einen Tunnel bis unter die Bank gegraben. Sie haben ihn soweit vorgetrieben, dass es nur noch wenige Tage dauern kann, bis sie das Tresorgewölbe aufknacken. Morleigh rechnet damit, dass er ein oder zwei Millionen Dollar kassieren kann. Aber ich will nicht, dass der Lump einen großen Fischzug macht.«

Ich war enttäuscht. Das FBI und die City Police von New York erreichen jede Woche mehr als hundert Informationen über geplante Verbrechen. Nur knapp fünf Prozent aller Nachrichten erweisen sich als stichhaltig, und Rullers Story zeigte die Merkmale einer Information, die zu den restlichen fünfundneunzig Prozent gehört.

Banken lassen sich heutzutage auch von unten nicht mehr mit Aussichten auf Erfolg anbohren. Die meisten Tresore sind mit so empfindlichen Alarmanlagen gespickt, dass die Sirenen schon losheulen, wenn jemand in der Nähe der Tresore nur niest.

»Auf welche Bank soll Morleigh es abgesehen haben?«

»Ich weiß es nicht, G-man. Morleigh soll in der Nähe der Bank ein Gelände gepachtet haben, auf dem früher eine Baustoff-Firma untergebracht war. Morleigh gibt vor, er wolle den Handel mit Baustoffen wieder aufnehmen. Auf diese Weise fällt es nicht auf, wenn sie die Erde aus dem Gang abfahren und Holz und Baugeräte heranschaffen. Verstehst du, G-man?«

»Ich verstehe, aber in New York gibt es tausende Firmen, die mit Baumaterial handeln, und es gibt eine Menge Bankfilialen. Welche Bank, Ruller? Welche Baustoffhandlung?«

»G-man, mir haben drei Jungs, die für Morleigh arbeiten, die Sache erzählt. Sie haben in dem Tunnel gebuddelt. Sie haben mir alle Einzelheiten beschrieben!«

»Nur die Adresse nannten sie dir nicht.«

»Selbstverständlich nicht. Sie wollten ja nichts verpfeifen. Sie erzählten mir nur davon, weil sie getrunken hatten und ihre Zungen nicht im Zaum halten konnten.«

»Wie heißen sie?«

»Ich weiß nur ihre Vornamen. Zwei der Kerle sind Brüder. Der Ältere heißt Less, der Jüngere Frank. Den dritten nannten sie Chuck. Chuck ist ein großer, blonder Bursche, Less und Frank dagegen sind schwarzhaarig. Less hat eine Narbe unter dem linken Auge, und das Augenlid hängt ein wenig. Less mag Mitte Dreißig sein, die beiden anderen etwa fünf Jahre jünger.«

»Sind es New Yorker?«

»Keine Ahnung. Früher bin ich ihnen nie begegnet.«

»Wo hast du sie getroffen?«

»Im Lucas Inn, in der 94th Street. Sie setzten sich meinen Tisch.«

»Hast du ihnen von deinem Streit mit Morleigh erzählt?«

»Natürlich! Dadurch kamen wir ja auf Morleigh zu sprechen. Sie lachten sich halb tot, als sie meine Geschichte hörten. Im Laufe des Abends rückten sie mit dem geplanten Bankraub heraus.«

Der Ex-Gangster tat mir fast leid. Da war er in einer Kaschemme an ein paar Burschen geraten, hatte in seinem Hass auf Morleigh geschimpft, und die Jungs hatten ihm, Ruller, zum Spaß ein Märchen erzählt.

»Tut mir leid, Ruller«, sagte ich, »aber an der Sache ist bestimmt nichts dran. Die drei haben dich auf den Arm genommen.«

»Das kann nicht wahr sein, G-man. Sie haben genau berichtet, in allen Einzelheiten. Der Tunnel soll beinahe so hoch sein, dass ein Mann darin stehen kann. Sie haben ihn mit Holz verschalt und mit Balken abgestützt. Sie haben …«

»Sie haben dir die Einzelheiten vorgelogen, Ruller«, unterbrach ich ihn. »Die Einzelheiten und die ganze Geschichte. Ich kann damit nichts anfangen. Soll ich Morleigh sagen: Du baust einen unterirdischen Gang, um eine Bank auszurauben. Leider weiß ich nicht, wo? Tut mir leid, Ruller. Aber mit der Geschichte kann ich Morleigh nicht an den Kragen.«

Ich ließ mein Feuerzeug aufflammen und ging zur Tür des Schuppens. Ruller folgte mir. Wir traten ins Freie, auf das 28. Pier, das Ruller als Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Ich ging am Rand des Piers entlang. Ruller war stehen geblieben. Ungefähr dreißig Fuß unter mir schimmerte das schwarze Wasser des Hafens. Der Widerschein der Bogenlampen malte glänzende Kreise auf die Fläche.

Ungefähr dreißig Schritte hatte ich mich von dem Schuppen entfernt, als Ruller rief: »G-man!«

Ich drehte mich um.

»Ich habe noch was zu sagen, G-man!«, rief er und kam mir nach.

Zehn Yards vor mir musste er den Lichtschein einer Bogenlampe passieren.

Die Schüsse fielen, als Ruller genau unter der Lampe stand.

Es waren die hellen, peitschenden Schläge von Gewehrschüssen. Der Schütze musste sich draußen auf dem Wasser befinden. Die Kugeln warfen Ruller gegen den Mast der Bogenlampe. Dann sank der Ex-Gangster langsam in sich zusammen.

Mit einem Sprung war ich am äußeren Rand des Piers, den 38er in der Hand.

Auf dem Wasser ertönte das Brummen eines Motors. Ich strengte meine Augen an, aber ich sah nichts. Der Kahn fuhr offenbar ohne Lichter davon. Einmal glaubte ich das weiße Schäumen seiner Kielwelle zu sehen. Dann wurde das Motorengeräusch schwächer und war bald nicht mehr zu vernehmen.

Ich ging zu dem reglosen Mann. Vorsichtig hob ich seinen Kopf. Die Augen waren starr. Randolph Ruller war tot. War sein Tod ein Beweis dafür, dass seine Geschichte stimmte? Ich wusste es nicht, aber ich wollte James Morleigh sprechen, noch in dieser Nacht.

2

Um drei Uhr morgens fuhren Phil und ich langsam durch die fast menschenleere Bethune Street in Greenwich Village. Vor fünf Stunden hatten die Gewehrschüsse Randolph Ruller auf das Pflaster des 28. Piers gestreckt. Fünf Stunden hatten wir gebraucht, um festzustellen, wo James Morleigh seine Spielhölle betrieb. Die letzte, die ihm geblieben war.

Die Chance, Morleigh in dem Laden anzutreffen, war gering.

Die Besitzer von Spielclubs vermeiden es, ihre Unternehmen aufzusuchen. Morleigh hatte man nie beweisen können, dass er der Besitzer der vielen illegalen Spielclubs gewesen war, die die Stadt in den letzten zwei Jahren aufgespürt und dicht gemacht hatte.

»Das müsste der Laden sein«, sagte Phil. »Der Junge dort sieht wie ein Aufpasser aus.«

Der Mann, den Phil meinte, stand an eine Hauswand gelehnt und wandte den Kopf mit der Regelmäßigkeit eines Uhrpendels nach rechts und links.

Ich bog in die nächste Querstraße ein und stoppte meinen Jaguar. Wir stiegen aus.

Wir traten in einen noch geöffneten Drugstore, in dem sich als einziger Gast ein betrunkener Seemann an der Theke festhielt.

Phil rief Lieutenant Welfare vom 15. Revier an und sagte ihm, er möge seine Leute herschicken, aber erst eingreifen, wenn er unser Zeichen bekäme. Alles Übrige war vorher verabredet worden. Wir waren nur vorausgefahren, um die Lage zu sondieren. Es wäre sinnlos gewesen, mit Sirenengeheul und Rotlicht aufzumarschieren. Wir wären in ein leeres Nest gestoßen. Denn ein zweiter Ausgang gehört zu einem Spielclub wie gezinkte Karten. Der Aufpasser musste möglichst schnell mattgesetzt werden.

Phil ging voran. Ich folgte ihm in zwanzig Schritt Abstand, wechselte auf die andere Straßenseite hinüber und ging im Schlenderschritt weiter.

Im spärlichen Schein einer Straßenlaterne sah ich, wie Phil an dem Aufpasser vorüberging, dann eine blitzschnelle Kehrtwendung machte, auf den Mann zusprang und sich vor ihm aufbaute.

Ich hetzte in langen Sprüngen quer über die Straße.

Phil hielt dem Burschen den FBI-Ausweis unter die Nase. Der Kerl war vor Schreck wie gelähmt.

»Wenn er nun einen Pfiff von sich gibt«, flüsterte Phil, »geht der ganze Verein stiften.«

Mein Freund trat dicht an den Jungen heran. Er hatte ein gewöhnliches, bleiches Gesicht und unruhige Augen.

»Das ist eine Polizeiaktion«, sagte Phil. »Wenn du versuchst, deine Leute zu warnen, verstößt du gegen zwei Dutzend Paragrafen und wirst nicht sehr glimpflich davonkommen, verstanden?«

Der Aufpasser nickte.

»Wo ist der Spielclub?«, fragte ich.

»Im Keller!«

»Gibt’s hier noch einen Aufpasser?«

»Nein.«

»Gibt’s sonst noch eine Warnvorrichtung?«

Er antwortete wieder mit »Nein«, aber er wich meinem Blick aus. Er war ein miserabler Lügner.

Ich legte ihm die Hand auf die Schulter.

»Freund«, sagte ich sanft, »du ahnst nicht, welcher Unterschied zwischen den vier Wochen Gefängnis besteht, die du wahrscheinlich bekommen wirst, weil du hier den Aufpasser gespielt hast, und den zwei Jahren, die du bekommen kannst, wenn du dich querlegst. Also?«

Er schluckte. »Die oberste Treppenstufe hat einen Klingelkontakt. Man darf sie nicht berühren. Die Gäste wissen das.«

»Sehr gut«, lobte ich. »Jetzt zeig uns den Weg!«

Phil nahm den Burschen am Arm. Ich überzeugte mich davon, dass ich den Haussuchungsbefehl bei mir hatte und knipste dann die Taschenlampe an.

Der Weg führte durch den Hausflur bis zu einer Tür, hinter der die Kellertreppe lag. Ich leuchtete die oberste Treppenstufe ab und sah einen Draht. Die Warnanlage war primitiv, aber sicherlich wirkungsvoll. Wir stiegen die Treppe hinab, ohne die oberste Stufe zu berühren. Wir gelangten in einen Gang. Nach wenigen Schritten kamen wir an eine Ecke, hinter der Stimmen, das Klappern von Würfeln und das Klirren von Gläsern erklang.

Ich lugte um die Ecke. Der Gang setzte sich noch einige Yards fort und mündete an einer Tür, die geöffnet war. Licht fiel auf den Gang. Ich sah die Rücken einiger Leute, die sich um einen Tisch drängten.

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Als Phil und ich in den Raum platzten, wurden nur die zwei Bankhalter am Kartentisch und am Roulette nervös. Sie erkannten uns als Polizisten. Die Spieler hielten uns für Kollegen, zumindest bis ich rief: »FBI! Jeder bleibt auf seinem Platz. Wegen Beteiligung an verbotenem Glücksspiel stelle ich Sie vorläufig unter Arrest!«

Alle Gesichter im Kellerraum wandten sich uns zu.

Morleigh hatte sich mit der Ausstattung des Raums nicht viel Mühe gegeben. Es war nichts als ein gewöhnlicher, großer Keller. In der Mitte stand ein primitiver Roulettetisch, dessen Kugel sicherlich in die Löcher dirigiert werden konnte, die der Croupier für richtig hielt. Daneben befand sich ein Tisch für die Kartenspiele, und die beiden Burschen, die Morleigh als Bankhalter dorthin gesetzt hatte, waren berüchtigte Kartengeber. Wer an diesen beiden Tischen spielte, verlor sein Geld mit Sicherheit.

An einem dritten Tisch wurde gewürfelt, vermutlich ohne Betrug, denn hier gab es keinen Bankhalter. Die Besucher spielten gegeneinander.

Schließlich gab es noch eine Art Bar. Sie bestand aus einem über zwei Stühle gelegten Brett, ein paar Flaschen, einem Dutzend Gläser und einem Eimer mit Wasser, in dem die Gläser gespült wurden.

Morleighs Unternehmen war nicht sonderlich gut besucht. Die Bankhalter und den Jungen hinter der Bretterbar mitgerechnet, mochten sich etwa zwanzig Personen in dem Keller aufhalten.

Unser Erscheinen löste keine große Aufregung aus. Nur einige Frauen redeten nervös auf ihre Begleiter ein.

Morleighs Bankhalter saßen still hinter ihren Tischen. James Morleigh sah ich nicht.

Ich wandte mich an einen der Bankhalter. »Wo ist Morleigh? Es handelt sich um Mord.«

Der Gefragte wurde blass, schob mit fahriger Geste den grünen Schutzschirm aus der Stirn und beteuerte mit schriller Stimme, er habe den Namen Morleigh noch nie in seinem Leben gehört.

»Hol bitte die Cops!«, sagte ich zu Phil. Mein Freund deponierte den Aufpasser in einer Ecke und verschwand im Kellergang.

Ich trat an den Tisch, an dem gewürfelt worden war. Sechs Männer standen dort. Ich blickte jedem ins Gesicht.

Einer der Männer war schwarzhaarig und hatte eine Narbe unter dem linken Auge. Das Augenlid hing ein wenig herab, so dass es einen Teil der Iris verdeckte.

Der Mann sah genau so aus, wie Randolph Ruller jenen Less beschrieben hatte.

»Wir wissen, dass du für Morleigh arbeitest«, sagte ich.

»Das stimmt nicht«, antwortete er. Er hatte eine merkwürdig ausdruckslose Stimme.

»Ich will sehen, was du in den Taschen trägst. Nimm die Arme hoch!«

Sein Mundwinkel zog sich herab. »Ein Bulle allein kann mich nicht einschüchtern«, sagte er. »Nicht mal ein G-man.«

Er schlug so blitzartig zu, dass ich nur noch den Oberkörper zurückreißen konnte, um dem Schlag die volle Wirkung zu nehmen. Dennoch wurde ich zurückgeworfen. Ein Sternschnuppenregen ging vor meinen Augen nieder. Durch das Gefunkel sah ich, dass die Hand des Burschen zum Jackenausschnitt hochzuckte.

Jetzt war ich schneller. Ich hielt die 38er schon in der Hand, als seine Finger gerade im Jackenausschnitt verschwanden.

»Keine Bewegung!«, fauchte ich. »Und ihr da! Und du … Halt!«

Ich musste schießen, denn auf der anderen Seite des Würfeltisches hatte ein Mann, schwarzhaarig wie Less, aber mit schmalerem Gesicht und hellen Augen, eine schwere Pistole aus der Tasche gerissen.

Der Schuss dröhnte in dem Keller wie ein Donnerschlag. Ich hatte instinktiv auf den Arm des Mannes gezielt, aber ich traf nicht den Arm, sondern die Kanone. Ich schoss dem Kerl die Pistole aus der Hand, ohne dass er dabei auch nur einen Fingernagel verlor.

Seine Hand zuckte zurück, als hätte er einen elektrischen Schlag erhalten. Die Waffe klirrte auf den Boden. Frauen kreischten.

»Ruhe!«, brüllte ich, und sie verstummten.

Ich wagte es nicht, die beiden Kerle aus den Augen zu lassen. Wie hatte Ruller sie genannt? Less und Frank. Man sah, dass sie Brüder waren. Ihre Gesichter ähnelten sich stark. Aber Less’ Augen waren braun und hatten einen Drillbohrerblick, während Franks Augen grau und wie Eis waren.

Ich hatte die Kerle noch nie gesehen. Von den beiden ging eine Gefährlichkeit aus, die mich zur Vorsicht mahnte.

»Pfoten hoch!«, befahl ich schneidend.

Less Hand lag im Jackenausschnitt, als wäre sie festgeleimt.

»Ich schieße«, sagte ich. »Also …«

Der Blick des Gangsters glitt von mir ab und richtete sich auf irgendetwas hinter mir.

Im gleichen Augenblick schrie eine Frau hinter mir gellend auf. Der Schrei erstarb in einem Gurgeln.

»Nein … Hilfe! Nein …«

Ich warf den Kopf herum.

Unmittelbar neben dem Roulettetisch wand sich eine Frau im Arm eines Mannes. Der Kerl hatte sie von hinten an sich gerissen. Er hatte einen Arm um sie geschlungen und presste sie so an sich, dass sie ihn mit ihrem Körper deckte. Das Schlimmste aber war, dass er in der freien Hand ein Messer hielt, das er der Frau an die Kehle gesetzt hatte.

»Wie gefällt dir das G-man?«, schrie er. »Lass deine Kanone fallen, oder ich schneide dieser unschuldigen Taube die Kehle durch. Das kommt dann auf dein Konto!«

Die Frau wurde plötzlich ohnmächtig. Ihr Kopf fiel nach hinten, an die Schulter ihres Peinigers. Das also war Chuck, der dritte Mann, von dem Randolph Ruller gesprochen hatte.

Mein Finger lag am Abzug der Smith & Wesson. Aber ich wagte nicht zu schießen. Ich musste Zeit gewinnen. Phil und die Cops konnten jeden Augenblick kommen.

»Du bringst dich auf den elektrischen Stuhl, Chuck!«, sagte ich.

Der Blonde zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte.

»Weg mit der Kanone!«, brüllte er.

Ich sah, wie er das Messer fester gegen den Hals der Frau presste und ließ meine Waffe fallen.

Chuck riss den Mund auf und lachte grölend. Im gleichen Augenblick warf sich Less gegen mich. Instinktiv versuchte ich, dem Schlag auszuweichen, aber es war zu spät. Irgendetwas krachte gegen meinen Schädel. In meinem Gehirn gab es einen Kurzschluss.

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Das erste Lämpchen, das unter meinem Schädeldach wieder aufleuchtete, war eine trübselige Funzel. Ganz allmählich erst wurde es heller, aber gleichzeitig schienen in meinem Kopf einige Düsenjägerstaffeln zu starten. Undeutlich sah ich die Umrisse eines Mannes vor mir.

»Schlucken Sie das hier!«, sagte er, steckte mir eine Tablette in den Mund und goss eine Ladung Wasser hinterher.

»Gratuliere Ihnen zur Härte Ihres Kopfes«, sagte der Mann. »Ohne die Härte und ohne Ihren Hut hätten Sie sich eine schwere Gehirnerschütterung geholt.«

»Sollen wir ihn auf die Füße stellen, Doc?«, hörte ich Phils Stimme hinter mir.

Ich versuchte, den Kopf zu drehen. »Die Frau?«, brachte ich mühsam hervor.

»Nervenschock«, antwortete der Arzt, »sonst nichts.«

Nach einiger Zeit ging es mir besser.

Phil half mir auf die Füße. Wir befanden uns immer noch in dem Keller, aber außer uns hielt sich niemand mehr darin auf.

»Die Cops haben die Leute abtransportiert.«

»Hör zu, Phil. Die Burschen, die es mir besorgten, waren …«

Phil winkte ab.

»Ich weiß alles. Es gab Zeugen genug. Wir kamen drei Minuten, nachdem sie dich flachgelegt hatten.«

»Ihr habt sie?«

Er schüttelte den Kopf und zeigte auf eine Stahltür im Hintergrund.

»Der zweite Ausgang. Er führt durch den Heizungskeller in den Hinterhof des Nachbarhauses. Sie sprangen über ein paar Hofmauern und waren verschwunden, bevor wir erschienen. Wir haben den Block abgeriegelt. Ergebnislos.«

»Ich habe nie unheimlicheren Burschen gegenübergestanden«, sagte ich. »Ich kann’s nicht beschreiben. Aber sie sind so gefährlich, dass man es förmlich riecht.«

Ich tastete an meinem Kopf. über der linken Schläfe wuchs eine gewaltige Beule.

»Ich kann von Glück sagen, dass ich mit dem Ding davongekommen bin. Ich habe mit einer Kugel gerechnet.«

»Es waren zuviel Zeugen dabei.«

»Das hätte sie nicht gestört. Ich vermute, Less rechnete damit, dass du und die Cops schon nahe waren. Ein Schuss hätte euch in Galopp versetzt.«

Phil rieb sich das Kinn. »Woher hat Morleigh die Höllensöhne? Und wozu braucht er sie?«

»Um eine Bank auszunehmen. Ich glaube jetzt, dass Ruller recht hat.«

»Also müssen wir James Morleigh auftreiben.«

»Ich hoffe, er weiß bereits, dass es mit seiner Spielhölle aus ist. Noch im Lauf des Vormittags wird er einen Anwalt schicken, der sich der gefassten Bankhalter annimmt, damit die Jungs nicht auf den Gedanken kommen, ihren Chef zu verpfeifen. Wenn wir dem Anwalt klar machen können, dass es nicht um illegales Glücksspiel, sondern um Mord geht, wird er uns hoffentlich sagen, wo James Morleigh zu finden ist.«

3

Ich lag auf der Couch in unserem Büro und hatte einen überdimensionalen Eisbeutel auf dem Kopf. Ich hatte ein paar Stunden geschlafen. Das Schrillen des Telefons weckte mich. Phil nahm den Hörer ab.

»Die Vernehmungsgruppe, Jerry«, meldete er. »Der Anwalt, der die Bankhalter verteidigt, ist da.«

»Sie sollen ihn herschicken.«

Ein paar Minuten später führte einer unserer Leute den Rechtsanwalt ins Zimmer, einen dicken, jovialen Burschen mit einer mächtigen Aktentasche unter dem Arm.

»Hallo!«, grüßte er und machte ein so fröhliches Gesicht, als käme er, um mit uns einen Wochenendausflug zu besprechen. »Ich habe den Auftrag, einigen Jungs beizustehen, die sich anscheinend ein bisschen die Finger verbrannt haben. Es sind …« Er kramte in seiner Aktentasche, murmelte Verwünschungen gegen seine Sekretärin, die anscheinend wieder alles durcheinander geworfen hatte, und zerrte schließlich eine Liste ans Licht, von der er die Namen von Morleighs Handlangern ablas.

Dann strahlte er uns wie die aufgehende Sonne an.

»Ich hoffe, Sie erheben keinen Einspruch, wenn ich beim Untersuchungsrichter die Freilassung gegen Kaution beantrage.«

»Wer hat sie beauftragt?«

Die Sonne verfinsterte sich. »Sie wissen, dass ich nicht verpflichtet bin, meinen Auftraggeber zu nennen. Warum fragen Sie?«

»Weil es um die Aufklärung eines Mordes geht und weil ein schweres Verbrechen verhindert werden soll. Ihr Auftraggeber hat vermutlich seine Hand im Spiel.«

Der Rechtsanwalt zerrte nervös an seinem Schlips. »Das kann ich mir kaum vorstellen, G-man.«

»Hören Sie sich die Einzelheiten an!« Ich erzählte ihm Rullers Story und wie der abgetakelte Gangster vor meinen Augen erschossen worden war.

Der Anwalt wurde bleich wie eine getünchte Wand. »Davon hatte ich keine Ahnung.«

»Das glaube ich Ihnen. Aber jetzt sagen Sie uns, ob Morleigh Ihr Auftraggeber ist und wo wir ihn finden können.«

»Morleigh gab mir den Auftrag heute Morgen telefonisch durch, und er nannte mir eine Nummer, unter der ich ihn erreichen kann.«

Wieder kramte er lange in seiner Aktentasche, bis er einen Notizzettel fand. Er schob ihn mir über den Tisch zu. »Hier ist die Nummer.«

Fünf Minuten später wussten wir, dass es die Nummer einer Kneipe in der 106th Street war.

»Stellen Sie bitte vorläufig keine Anträge auf Freilassung gegen Kaution«, sagte ich dem dicken Anwalt. »Wir müssten nämlich wegen des ungeklärten Mordes Einspruch erheben.«

»Ich gebe das gesamte Mandat zurück«, erklärte er und verabschiedete sich.

;

Die Kneipe war eine Kaschemme billigster Sorte, ein finsteres, schmutziges Loch mit acht Tischen und einer Theke, an der nicht einmal der Ausschankhahn für das Bier geputzt war.

Der Kerl hinter der Theke sah so schmutzig aus wie sein Unternehmen. Er begann an der Unterlippe zu kauen, als er uns sah.

»Wann kommt Morleigh?«, fragte ich.

»Kenne niemanden, der so heißt«, knurrte der Wirt.

»Okay, warten wir also ab, bis er hereinspaziert. Bring uns zwei Tassen Kaffee, aber spül die Tassen vorher gründlich.«

Ungefähr zwei Stunden später betraten drei Männer die Kneipe. Wir hatten einen Tisch gewählt, der vom Eingang aus nicht sofort gesehen werden konnte.

»Anruf für mich, Harry?«, fragte der erste der Ankömmlinge.

Der Keeper zwinkerte verzweifelt mit den Augen, aber ehe die Burschen begriffen, standen wir schon hinter ihnen.

Der Mann, der nach dem Anruf gefragt hatte, war James Morleigh. Er war ein großer, hagerer Bursche mit verbogener Figur. Er hatte schmale Schultern, lange, hängende Arme, große Plattfüße und einen Spitzbauch.

Die Männer in seiner Begleitung waren Kleiderschrank-Typen vom üblichen Gorilla-Zuschnitt. Ich kannte sie. Es waren Sal Wave und Morris Hunt. Beide hatten für die Merry-Gang gearbeitet und beachtliche Zuchthausstrafen erhalten, nachdem wir Jack Merry zur Strecke gebracht und seine Bande hatten auffliegen lassen.

In Morleighs Gesicht zuckte es. Unser Anblick bereitete ihm die gleiche Freude wie der Biss in eine saure Zitrone.

Phil stand schon neben der Tür, um den dreien den Rückweg abzuschneiden.

»Setz dich doch, James!«, sagte ich und zeigte auf einen Stuhl an meinem Tisch.

Zögernd watschelte er auf seinen Plattfüßen heran. Ich setzte mich. Er blieb vor meinem Stuhl stehen.

»Was willst du von mir, Agent?«

»Letzte Grüße von deinem Freund Ruller überbringen.«

Morleigh lachte meckernd auf.

»Der Schwätzer!«, sagte er verächtlich. »Du vergeudest deine Zeit, wenn du dich um seinen Unsinn kümmerst.«

»Ich sagte: letzte Grüße. Ruller ist tot.«

Der Spielhöllenbesitzer ließ sich auf einen Stuhl nieder.

»Soll ich deswegen weinen?«, erkundigte er sich höhnisch. »So gut standen wir nicht miteinander, dass ich ihm nachtrauere.«

»Die Art seines Todes interessiert dich nicht?«

Morleigh presste die Lippen aufeinander und beobachtete mich angestrengt. Er war nicht dumm.

»Ruller interessiert mich überhaupt nicht«, antwortete er schließlich.

»Warum wurde er dann erschossen, gerade als er mir einige interessante Dinge über dich erzählte?«

Sein Gesicht nahm einen Ausdruck an, der mich an eine Ratte denken ließ, die sich in die Enge getrieben fühlt.

»Seit zwei Jahren erzählt Ruller immer und überall Geschichten über mich. Er dichtet mir mehr Verbrechen an, als Capone, Luciano und Dillinger insgesamt begangen haben. Nicht einmal ein Verkehrspolizist glaubt ihm sein Geschwätz.«

»Auch ich hätte ihm seine Story nicht abgekauft, Morleigh, aber dann setzte jemand einen blutigen Punkt darunter. Sie erschossen Ruller vor meinen Augen im Hafen. Sie benutzten ein Gewehr, wahrscheinlich mit aufmontiertem Zielfernrohr. Ruller blieb keine Chance.«

Morleigh wurde blass. »Willst du mir einen Mord anhängen, Agent?«

Ich beugte mich vor. »Zunächst einmal will ich wissen, wo ihr den unterirdischen Gang gebuddelt habt.«

Hätte ich mit einer Keule zugeschlagen, er hätte nicht deutlicher Wirkung zeigen können. Sein Oberkörper sank gegen die Stuhllehne, seine Hände glitten von der Tischplatte. Er musste nach Luft schnappen, bevor er hervorstoßen konnte: »Unsinn! Geschwätz!«

»Ein paar Millionen im Keller einer Bank lohnen den Aufwand«, fuhr ich fort. »Und es gibt Leute, die begehen wegen der Millionen auch einen Mord.«

»Millionen?«, murmelte Morleigh. »Bank?« Er erholte sich von dem Schock so plötzlich, als wäre ein Eimer eiskaltes Wasser auf ihn geschüttet worden. Er gab sogar ein meckerndes Lachen von sich.

»Rullers Geschwätz, wie, Agent? Kein Wort davon ist wahr! Du vergeudest deine Zeit. Ich sagte es schon.«

»Versuch nicht, mich zu bluffen, Morleigh! Du hast eine Baustoffhandlung gemietet oder gekauft, Gelände, das neben einem Bankgebäude liegt. Das Loch, das du in die Erde gebuddelt hast, ist so gut wie fertig.«

Wieder zeichnete sich Unsicherheit in seinem Gesicht ab, aber er erlitt keinen zweiten Schock.

»Wo hat Ruller die Story aufgegabelt?«

»Drei Jungs erzählten sie ihm, Jungs, die für dich arbeiten: Less, Frank und Chuck. Drei Jungs, die ich gestern in deiner Spielhölle in der Bethune Street fand, Morleigh. Deine Leute also!«

Er dachte ein paar Sekunden lang nach. Dann sagte er: »Ich kenne keine Burschen, die Less, Frank und Chuck heißen.«

»Sie standen in deinem Keller. Sie setzten mich matt.«

»Ich habe nichts mit dem Keller in der Bethune Street zu schaffen«, zeterte er. »Du hast kein Recht, mich einer ungesetzlichen Sache zu beschuldigen, wenn du nichts beweisen kannst.«

Ich winkte ab.

»Schön, reden wir nicht davon! Ich weiß, dass ich dich nicht festnehmen kann, solange deine Bankhalter nicht gegen dich aussagen, aber unter Mordverdacht kann ich dich vorläufig festnehmen.«

»Wann wurde Ruller erschossen?«, fragte er hastig.

»Ziemlich genau um zehn Uhr in der vergangenen Nacht.«

»Ich habe ein Alibi«, verkündete er triumphierend. »Gestern Abend um zehn Uhr saß ich im Candis Club, Westliche 33rd Street.« Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter auf seine beiden Leibgardisten. »Sie waren dabei.«

»Wave und Hunt würden auch beschwören, dass du mit des Teufels Großmutter zu Abend gegessen hast.«

»Du kannst das Clubpersonal fragen. Die Kellner und die Bargirls kennen mich. Ich bringe dir ein Dutzend Leute, die meine Anwesenheit im Club bestätigen können.«

Trotzdem konnte Ruller in Morleighs Auftrag ermordet worden sein. Dass er selbst in dem Boot gesessen hatte, hatte ich ohnehin nicht angenommen. Aber ein Alibi nahm mir die Möglichkeit, ihn vorläufig festzunehmen. Ich gab Phil einen Wink. Er ging zur Theke.

»Schieb mir das Telefon her!«, sagte er zu dem Keeper. »Kennst du die Nummer vom Candis Club?«, fragte er Morleigh.

Der Gangster verneinte.

»Also auch ein Telefonbuch!«, forderte Phil von dem Wirt.

Während Phil das Telefonbuch wälzte, nahm ich mir Morleigh noch einmal vor.

»Die New Yorker Polizei hat unter deinen Spielhöllen mächtig aufgeräumt. Ich glaube, der Laden, der gestern aufflog, war dein letztes Unternehmen.«

»Ich habe kein illegales Glücksspiel betrieben«, protestierte Morleigh empört.

»Große Geschäfte waren jedenfalls damit nicht mehr zu machen«, fuhr ich ungerührt fort. »Du hast dich umgestellt und steigst in eine Branche ein, in der Geld auf rauere, aber raschere Art verdient wird.«

»Deine Behauptungen verstoßen …«, schnaubte er.

Ich zeigte auf Sal Wave und Morris Hunt.

»Die beiden Jungs, die du dir zugelegt hast, sind so gut wie ein Beweis.« Ich winkte ihnen. »Kommt her!«

Wave und Hunt hatten bisher reglos vor der Theke gestanden. Jetzt tauschten sie einen Blick, Hunt zuckte die Schultern. Beide kamen in einer Haltung herangeschlendert, die ausdrücken sollte, dass ein FBI-Beamter für sie nur ein lausiger Schnüffler war.

»Denk nur nicht, wir ließen uns von dir anzapfen, Agent«, grunzte Wave, ein knochiger, rothaariger Mann mit Schaufelhänden.

Ich wandte mich wieder an Morleigh.

»Du hast zwei Jahre lang auf Gorillas verzichtet. Was du brauchst, waren ein paar stämmige Burschen für deine Spielclubs, um die Kunden an die Luft zu setzen, denen deine Bankhalter das Geld zu rabiat abgenommen hatten. Jetzt tauchen Typen wie Wave und Hunt neben dir auf. Wave stand einmal wegen Mordes vor Gericht. Er musste aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Hunt saß fünfzehn Jahre im Zuchthaus wegen brutaler Gewaltverbrechen. Damals, als die Merry-Gang eine Konkurrenz-Gang niederwalzte, galt er als einer der Hauptbeteiligten.«

Morris Hunt ruckte unruhig mit dem Kopf, als ich seinen Lebenslauf skizzierte. Er war mittelgroß, hatte eine Figur, die so eckig war wie eine Transformatorenstation, ein breitflächiges Gesicht und schwarze, krause Haare, die er mit Pomade zu bändigen versuchte. Im Gegensatz zu Wave, der einen fleckigen, abgewetzten Anzug trug, war Hunt fast elegant. Seine Manschettenknöpfe waren so groß wie Kieselsteine, und die Krawatte war so grell wie eine Explosion.

»Shut up«, bellte er mich an. »Kann dein Polizistengewäsch nicht hören.«

Ich achtete nicht auf ihn.

»Was willst du mit den Typen, Morleigh?«, fragte ich.

Morleigh nagte an der Unterlippe. »Soll ich mir Polizisten als Freunde suchen?«

»Du tätest besser daran.«

Phil, der während dieses Gesprächs telefoniert hatte, legte jetzt auf, kam an den Tisch und musterte Morleigh unfreundlich.

»Er scheint die Wahrheit gesagt zu haben«, sagte er. »Gestern saßen er und seine neuen Leibgardisten im Candis Club. Der Geschäftsführer bestätigte es.«

Morleigh stand auf. »Geh nächstens sparsamer mit deinen Verdächtigungen um, Agent.«

Ich erhob mich ebenfalls.

»Less hat eine Narbe unter dem linken Auge. Frank ist sein Bruder, und Chuck ist ein großer Kerl mit kurz geschorenen, fast weißblonden Haaren. Alle drei habe ich gesehen. Es ist klar, dass wir sie eines Tages finden werden. Wenn sich dann herausstellt, dass du ihr Auftraggeber bist, Morleigh, dann sitzt du neben ihnen auf dem elektrischen Stuhl, falls sie es waren, die Randolph Ruller umbrachten.«

»Ich sage es dir noch einmal, ich kenne die Männer nicht, und sie arbeiten nicht für mich.«

»Eines Tages werden wir es genau wissen, und falls in den nächsten Wochen eine Bank von unten aufgebrochen werden sollte, dann werden wir dich so schnell verhaften, dass du dir von der Beute nicht einmal eine Schachtel Zigaretten kaufen kannst. Wo wohnst du?«

Mit finsterem Gesicht antwortete er: »West 34th Street 1814.«

»Du wirst noch eine Vorladung zur Vernehmung wegen des Spielclubs in der Bethune Street erhalten.«

»An dem Angelhaken zerrt ihr mich nicht ins Gefängnis.«

»Das wird sich finden.«

Ich wandte mich an Wave und Hunt. »Ihr habt bisher Glück gehabt und seid am elektrischen Stuhl vorbeigekommen. Strapaziert euer Glück nicht zu sehr und lasst endlich die Finger von heißen Sachen.«

Wave und Hunt grinsten, und der rothaarige Sal grunzte: »Gehen wir irgendwohin, Chef, wo es einen guten Schnaps gibt. Der Anblick eines Polizisten schlägt mir immer auf den Magen.«

Phil und ich sahen dem Trio nach, als es die Kaschemme verließ. Sie stiegen in einen schwarzen Mercury und brausten davon.

»Morleigh scheint die drei unheimlichen Jungs tatsächlich nicht zu kennen«, stellte Phil fest. »Seine Reaktion auf deine Frage klang natürlich.«

»Findest du! Er fiel fast vom Stuhl, als ich von dem unterirdischen Gang sprach.«

»Aber er gewann seine Sicherheit rasch zurück.«

»Stimmt«, sagte ich nachdenklich. »An irgendeiner Kleinigkeit muss er gemerkt haben, dass wir nicht annähernd so gut informiert sind, wie er im ersten Augenblick befürchtete. Das gab ihm seine Sicherheit zurück.«

»Du sprachst von Millionen«, sagte Phil lachend. »Vielleicht rechnet Morleigh nur mit ein paar Hunderttausend Dollars.«

»Er weiß jetzt, dass wir ihn fassen, falls aus einem Banktresor nur zehn Dollar geklaut werden.« Ich warf ein paar Nickel für den Kaffee auf den Schanktisch. Dann verließen wir die Kneipe und gingen zum Jaguar, der ein paar Häuserblocks entfernt parkte. Wir kamen an der kleinen Filiale einer Bank vorbei. Phil blieb stehen und sah lange auf das Firmenschild.

»Irgendwo in New York gibt’s also einen Bau wie diesen, der von unten schon angenagt ist.«

Ich fasste ihn am Arm und zog ihn weiter.

»Vielleicht hat Morleigh recht. Vielleicht hat Ruller wirklich Unsinn geredet.«

»Ein blödes Gefühl, dass wir das erst erfahren werden, wenn das Verbrechen bereits geschehen ist.«

»Sei beruhigt«, sagte ich. »In den nächsten zwölf Monaten wagt es Morleigh nicht, eine Bank zu knacken.«

4

Die drei Männer, die morgens um sieben Uhr die Treppe zum Keller des Gebäudes West 104th Street Nr. 304 hinuntergingen, waren der Buchhalter William Horsefield, der Kassenchef Paul Angeford und der Angestellte einer Detektivagentur Henry Longville.

Horsefield und Angeford waren Angestellte der West Clothes Inc., einer Kleiderfabrik, die einem gewissen Jonny Merchant gehörte. Er gehörte noch zu jenem altmodischen Schlag von Unternehmern, der seinen Arbeitern und Angestellten die Löhne in Bargeld auszahlte und nicht wie sonst allgemein üblich in Schecks.

Das Geld wurde jeweils am Abend vor dem Zahltag in einem Geldtransportwagen gebracht, über Nacht in den Tresor des Bürogebäudes eingeschlossen und am Morgen des Zahltages von dem Buchhaltungs- und dem Kassenchef zur Auszahlung herausgeholt. Die Überwachung durch eine Detektivagentur war eingeführt worden, um an der Versicherungsprämien zu sparen.

Die Angestellten der Firma hatten die Prozedur seit Jahren vorgenommen. Sie war für sie eine Routinearbeit.

Henry Longville von der Detektiv-Agentur, ein noch junger Mann, sah gelangweilt zu.

Die Stahltür wurde aufgeschlossen. Horsefield und Angeford drückten sie auf. Fast gleichzeitig betraten die drei Männer den Tresorraum. Die Blicke des Buchhalters fielen auf ein gähnendes Loch in der Mauer unmittelbar neben dem schweren Panzerschrank. Herausgebrochene Steine und Mörtelbrocken lagen davor.

Horsefield machte eine erschrockene Bewegung. Vielleicht wollte er aus dem Tresorkeller fliehen, aber seine Reaktion kam zu spät.

Drei Männer, jeder durch einen tief in die Stirn gezogenen Hut und durch einen bis an die Augen hoch gezogenen Schal unkenntlich gemacht, stürzten sich auf Horsefield, Angeford und Longville.

Blitzschnell wurden Horsefield und Angeford in den Tresorkeller hineingezerrt.

Longville, der Angestellte der Detektivagentur, wurde niedergeschlagen, ehe er eine Abwehrbewegung machen konnte. Der Gangster, der ihm den Lauf der Pistole gegen den Kopf geschlagen hatte, warf sich dann gegen die Stahltür und drückte sie zu.

Der Mann, der den Kassenchef hineingezerrt hatte, stieß diesem den Lauf der Pistole in die Magengrube, Angeford fühlte, wie seine Knie weich wurden.

Er hob die Arme.

»Stell die Kombination ein!«, zischte der Gangster. Ein Stoß warf den Kassenchef gegen den Panzerschrank, einen modernen, übermannsgroßen Tresor, den ein Kombinationsschloss sicherte. Angeford kannte nur die erste Hälfte der Buchstaben- und Ziffernkombination. Den zweiten Teil wusste Horsefield.

»Ich … kann nicht …«, stammelte Angeford.

Ein brutaler Schlag traf sein Gesicht. Sein Kopf schlug gegen die Panzertür.

»Die Kombination!«, fauchte der Gangster. »Ich lege dich auf der Stelle um, wenn du dich weigerst.«

Das Gesicht des Gangsters war Angeford sehr nahe. Obwohl er nur die Augen und einen schmalen Streifen der Stirn sah, bemerkte er, dass das linke Augenlid des Gangsters herabhing und einen Teil der Iris bedeckte. Trotz seiner Aufregung und Angst prägte er sich diese Besonderheit ein.

Angeford leistete nicht länger Widerstand. Er wandte sich dem Kombinationsschloss zu und stellte den Teil der Ziffern und Buchstaben ein, den er kannte. Mechanisch bewegte er den Nebenhebel, der sich nur drehen ließ, wenn die richtige Kombination eingestellt war. Der Hebel schnappte mit einem leisen Klicken ein.

Der Gangster riss Angeford vom Panzerschrank weg. »Der andere!«

Horsefield wurde zu dem Tresor gestoßen.

William Horsefield war ein schmächtiger Mann von fünfzig Jahren. Auch ihn schüttelte die Angst, dennoch flüsterte er: »Ich weigere mich!«

Wieder schlug der Gangster zu. Horsefield brach unter dem Hieb vor dem Schrank in die Knie.

»Nein …«, stöhnte er. »Ich kann das nicht …«

Der Gangster packte ihn an den Jackenaufschlägen und riss ihn hoch. Er drückte ihn gegen die Tresortür und schlug zu.

»Stell die Kombination ein! Sonst legen wir euch um!« Jeder Schlag warf Horsefields Kopf gegen den Stahl.

»Nein …«, stöhnte der Gepeinigte. »Nein …«

Der Gangster zischte einen Fluch. Halblaut rief er: »Chuck!«

Der Gerufene griff in die Tasche. Er zog ein Schnappmesser hervor und drückte auf den Knopf. Mit leisem Schnappen schoss die Klinge heraus. Langsam ging der Gangster auf Horsefield zu.

Der Buchhalter riss die Augen auf. Seine Blicke hingen an dem Stahl.

»Ich werde es nicht tun«, flüsterte er mit bebenden Lippen.

»Um Himmels Willen, William!«, rief Angeford. »Wir werden alle umgebracht. Es ist nicht Ihr Geld. Denken Sie an meine Kinder!«

Der Zuruf brach Horsefields Widerstand. Horsefield, der Witwer und kinderlos war, liebte die beiden Kinder seines jüngeren Kollegen als wären sie seine eigenen.

Der Anführer der Bande stoppte Chuck durch eine Handbewegung.

Der Buchhalter schloss für einen Moment die Augen. Dann drehte er sich mit einer müden Bewegung um. Wie blind tastete er nach dem Schloss und stellte die zweite Hälfte der Kombination ein.

Der Gangführer drückte den Nebenhebel. Der Hebel rastete in die zweite Kombination ein.

Der Gangster drehte das Rad. Es ließ sich bewegen. Als es anschlug, zog der Verbrecher. Mit einem leisen Knarren öffnete sich die schwere Tür.

Der Verbrecher mit dem Messer lachte auf.

»Halt den Mund!«, zischte der Gangster, der sich als Schläger betätigt hatte.

Die Lohngelder befanden sich in drei kleinen Leinensäcken. Sie waren nicht schwer, denn sie enthielten ausschließlich Papiergeld.

Der Anführer packte zwei Säcke.

»Nimm den dritten!«, rief er dem Gangster zu, den er mit Chuck angesprochen hatte.

Chuck steckte das Messer ein. Als er nach dem Geldsack greifen wollte, rief der zweite Gangster, der bislang untätig dabeigestanden hatte: »Achtung!«

Die beiden Verbrecher am Tresor fuhren herum, während der dritte mit einem Panthersatz auf den Angestellten der Detektiv-Agentur zusprang.

Longville war wieder zu sich gekommen. Ohne sich auffällig zu bewegen, hatte er versucht, die Pistole zu ziehen, die er unter der Achsel in einem Halfter trug. Schon lagen seine Finger am Griff der Waffe, als der dritte Gangster seinen Warnruf ausstieß und sich auf Longville warf.

Longville versuchte, die Waffe zu ziehen. Er bekam sie nicht frei, ließ den Griff fahren und schleuderte die Hände hoch, um den Hieb des Angreifers abzufangen. Der Detektiv konnte den ersten Hieb abwehren, versuchte, den Gangster zu fassen, griff nach dessen Gesicht, erwischte den Shawl und riss ihn herunter.

Für einen Sekundenbruchteil sah Longville ein schmales, noch junges Gesicht mit hellen, eisigen Augen. Dann traf ein Schlag seinen Kopf und löschte sein Bewusstsein aus.

Der andere holte zum dritten Mal aus.

»Halt!«, schrie der Anführer. »Willst du ihn umbringen?«

Der Ruf kam zu spät. Auch der dritte Schlag traf den schon reglosen Longville.

Der Gangster mit dem hängenden Augenlid trat seinem Kumpan in die Seite.

»Du weißt doch, dass er leben soll!«, fauchte er.

Der andere sprang auf die Füße.

»Soll ich mich von ihm killen lassen?«, zischte er wütend.

»Jetzt raus hier!«, befahl der Anführer. »Hat alles schon zu lange gedauert.«

Eine Kopfbewegung genügte. Der Gangster, der Chuck genannt wurde, packte Horsefield mit der freien Hand und zerrte ihn zu dem Mauerdurchbruch. Der andere Gangster stieß Angeford durch die Öffnung.

Der Gang, der sich dahinter öffnete, war etwas weniger als mannshoch. Angeford knallte mit dem Kopf heftig gegen einen Balken, wollte stehen bleiben, wurde aber mit Fußtritten und Faustschlägen vorwärts getrieben. Den Kopf eingezogen, taumelte Angeford in die Finsternis des Ganges hinein. Vor ihm flackerte zwar das Licht einer Taschenlampe, aber der Schein reichte nicht aus, um auch ihm den Weg zu zeigen.

Nach etwa zehn Yards endete der Gang in einer rechteckigen Grube. Von oben fiel spärliches Licht hinein.

Als Letzter kam der Gangster, der Chuck genannt wurde, aus dem Gang in die Grube. Der Bandenchef nickte ihm zu.

Chuck übergab den Geldsack dem Kumpan, der rasch eine steile Leiter hochstieg und die Grube verließ. Der Anführer des Trios folgte ihm.

Nur Chuck blieb in der Grube zurück.

Angeford sah, wie der Verbrecher eine Waffe zog, eine schwere Pistole, deren Mündung einen merkwürdigen Aufsatz trug. Angeford begriff, dass Horsefield und er getötet werden sollten.

Horsefield stand an der gegenüberliegenden Wand der Grube, und das rettete Angeford.

Als die Schüsse fielen, die der Schalldämpfer-Aufsatz zu einem schwachen Plopp dämpfte, als Horsefield zusammensank, stieß Angeford sich von der Wand ab und versuchte, auf dem einzigen Weg zu fliehen, der ihm blieb. Er stürzte zurück in den Gang.

Weit kam er nicht. Der Gangster schwang herum und feuerte. Angeford spürte den Schlag der Kugel und stürzte zu Boden.

5

Das Telefon läutete. Ich setzte die Kaffeetasse zurück und nahm den Hörer ab.

»Guten Morgen, Jerry«, hörte ich die Stimme unseres Chefs. »Ich las vor einer Woche Ihren Bericht von der Ermordung Randolph Rullers. Jerry, das Verbrechen, von dem Ruller sprach, ist begangen worden.«

»An welcher Bank?«

»Keine Bank. Sie holten sich den Kassenbestand einer Kleiderfabrik, der West Clothes Inc. West 104th Street 304. Ich erhielt die Nachricht der City Police vor fünf Minuten. Das Verbrechen geschah vor etwa einer halben Stunde. Die Räuber begingen mindestens einen Mord.«

»Ich fahre sofort los, Chef! Bitte, rufen Sie Phil an. Ich hole ihn ab. Und erwirken sie einen Haftbefehl gegen James Morleigh und einen Durchsuchungsbefehl für seine Wohnung!«

»Geht in Ordnung, Jerry!«

Ich legte auf, stürzte den restlichen Inhalt der Kaffeetasse hinunter, schnallte das Halfter um, fuhr in die Jacke und stürmte aus der Wohnung.

Phil stand auf der Straße. Ich bremste den Jaguar. Mein Freund sprang auf den Beifahrersitz, bevor der Schlitten richtig stand. Ich gab wieder Gas.

Der Block der 104th Street bot das übliche Bild, das immer entsteht, wenn in New York Gangster zugeschlagen haben.

Eine Kette von Polizisten hielt die Neugierigen zurück. Die Blitzlichter der Reporter flammten auf. Eine Reihe von Polizeifahrzeugen stand auf dem Bürgersteig.

Wir mussten den Jaguar reichlich hundert Yards entfernt parken. Zu Fuß zwängten wir uns durch die Menge der Neugierigen, erreichten die Kette der Cops und zeigten unsere Ausweise. Dann gingen wir auf das Gebäude der West Clothes Inc. zu, doch bevor wir es erreichten, blieben wir wie auf Kommando stehen.

Ein hoher Bretterzaun schirmte das Gelände, das rechts neben der Kleiderfabrik lag, gegen die Straße ab. Die Buchstaben einer verblassten Reklameschrift waren noch gut zu entziffern: Prompte Lieferung von Baumaterial aller Art.

»Rullers Baustoffgroßhandlung«, stellte Phil fest.

Wir betraten das Gelände durch ein großes Tor. Es wimmelte hier von Polizisten in Uniform und Kriminalbeamten in Zivil. Ich sah Lieutenant Whoole von der Mordkommission.

»Leiten Sie die Untersuchung, Whoole?«

Der Lieutenant sah auf. »Hallo, Cotton! Hallo, Decker! Ich das ein FBI-Fall?«

»Wahrscheinlich wird es einer. Noch genauer: Es war schon einer. Wir bekamen Wind von der Sache, aber die Information war nicht genau.«

»Brutale Burschen, die hier am Werk waren«, sagte der Lieutenant. »Sie schossen nieder und schlugen zusammen, was ihnen in die Quere kam. Außerdem wussten sie genau Bescheid.«

»Benutzten sie einen unterirdischen Gang?«, fragte Phil.

Whoole nickte und zeigte auf eine primitive Baracke, die ungefähr in der Mitte des Grundstücks stand. »Dort legten sie den Einstieg an. Kommen Sie!«

Er führte uns zu der Baracke, aber kurz davor blieb er stehen und zeigte auf eine Segeltuchdecke, unter der sich die Umrisse eines menschlichen Körpers abzeichneten.

»Wir fanden ihn an der gleichen Stelle. Ich glaube, dass es einer der Gangster ist. Unser Doc sagt, der Mann wäre seit mindestens fünf Stunden tot. Er müsste also reichlich vier Stunden vor dem Raub umgebracht worden sein.«

»Kann ich ihn sehen?«

»Selbstverständlich.« Whoole zog das Segeltuch vom Körper des Ermordeten.

Der Mann trug einen dunkelblauen, eleganten Anzug mit dick wattierten Schultern und einer ungewöhnlich langen Jacke. Die spitzen, zweifarbigen Schuhe des Unglücklichen hatte ich schon einmal gesehen, ebenso das krause, schwarze, pomadisierte Haar.

Das Gesicht des Toten war entstellt. Dennoch erkannte ich Morris Hunt, den ich zuletzt an James Morleighs Seite gesehen hatte.

Der Erdboden unter dem Oberkörper des Gangsters war dunkel verfärbt. Ich sah Whoole fragend an. Der Lieutenant verstand. Er machte eine bezeichnende Handbewegung.

»Sie schnitten ihm die Kehle durch«, sagte er leise. »Einen anderen Mann haben sie erschossen.«

Der Erschossene lag im Inneren der Baracke, auf dem Grund einer etwa zehn Fuß tiefen Grube.

»Er war der Buchhaltungschef der West Clothes Inc.«, erklärte Whoole. »Er und der Kassenchef Paul Angeford hatten die Aufgabe, an den Zahltagen das Geld aus dem Tresor zu holen. Ich nehme an, dass die Gangster die beiden Männer zwangen, den Tresor zu öffnen, sie dann hierher schleppten und niederschossen. Horsefield wurde getötet, aber Angeford hatte Glück gehabt. Er bekam zwei Kugeln in die rechte Schulter. Die Verbrecher ließen ihn liegen. Wahrscheinlich glaubten sie, er sei tot. Vernehmen konnten wir ihn noch nicht. Er wurde sofort in ein Krankenhaus gebracht.«

Eine Holzleiter lehnte am Rande der Grube. Wir stiegen hinab. In der linken Wand war der Eingang zum Stollen.

Der Lieutenant knipste eine Taschenlampe an und ging voran. Der Stollen war sorgfältig abgestützt, die Wände waren zum Teil mit Brettern verschalt.

»Sorgfältige Arbeit«, stellte Phil fest. »Sie müssen wochenlang daran gearbeitet haben.«

Der Gang war nur kurz. Er endete vor einer Mauer, in die ein niedriges Loch gebrochen war. Die herausgebrochenen Steine türmten sich im Gang.

»Das haben sie in der vergangenen Nacht erledigt«, sagte Whoole. »Auch ein Beweis für ihre ausgezeichneten Informationen. Das Gebäude der Firma ist alt, und das Fundament besteht aus Ziegelsteinen, nicht aus Beton. Ziegelsteine lassen sich ohne viel Lärm herausbrechen. Bei Beton hätten sie einen Presslufthammer gebraucht, und der Krach hätte jeden Nachtwächter aus dem Schlaf geschreckt.«

Der Lieutenant zwängte sich durch das Mauerloch. Wir folgten ihm. In dem Kellerraum dahinter hielten sich Polizisten und Zivilisten auf. Ein Arzt bemühte sich um einen Mann, der reglos auf der Erde lag.

»Wie geht es ihm, Doc?«, fragte Whoole.

»Eine Gehirnerschütterung hat er auf jeden Fall«, antwortete der Arzt. »Besser, wir warten noch etwas, bis wir ihn transportieren.«

»Wer ist der Mann?«, fragte ich.

»Der Angestellte einer Detektiv-Agentur. Er war engagiert, um die Lohnauszahlung zu überwachen.«

Whoole sah mich bedeutungsvoll an. »Er ist der Einzige, auf den nicht geschossen wurde.«

»Was wollen Sie damit sagen, Lieutenant?«, bellte ein Mann, der offenbar Whooles Worte gehört hatte. Er baute sich vor dem Lieutenant auf.

»Henry ist ein zuverlässiger Junge. Sonst hätte ich ihn nicht mit diesem Job beauftragt.«

»Wer sind Sie?«, fragte ich.

Der Mann wandte sich mit einem Ruck zu mir um. Es war ein stämmiger Bursche mit dichtem, kurz geschnittenem, eisgrauem Haar und einem kantigen Gesicht.

»Wer sind Sie?«, fragte er.

»FBI!«

Er knurrte. »Ach so! Entschuldigen Sie, wenn ich grob wurde, aber ich kann es nicht zulassen, dass Henry beschuldigt wird. Das fällt auf mich zurück. Ich bin Melville Jones, und mir gehört die Agentur. Longville ist mein Angestellter.« Seine Stimme hob sich von neuem. »Ich selbst habe Henry für die Arbeit empfohlen, und ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er absolut zuverlässig ist. Er und ich, wir überwachen die Lohnauszahlung abwechselnd. Ich weiß genau, dass nur ein Mann mit reiner Weste …«

»Sie wissen also auch, wie die Auszahlung und der Geldtransport hier gehandhabt werden, Mister Jones?«, unterbrach ich ihn. Er presste die Lippen seines breiten Mundes aufeinander. Seine Augen verengten sich. Er musterte mich misstrauisch.

»Natürlich!«, knurrte er.

Ich wandte mich ab und warf einen flüchtigen Blick auf den Panzerschrank. Der Kasten war so massiv, dass der Versuch, ihn gewaltsam zu öffnen, bestimmt gescheitert wäre. Die Gangster mussten das gewusst haben. Und deshalb hatten sie die Angestellten gezwungen, den Schrank zu öffnen.

»Wie hoch war die Beute?«, fragte ich Whoole.

Ein kleiner, dicklicher Mann drängte sich zwischen uns. »Einhundertzwanzigtausend Dollar«, sprudelte er hervor. »Das Geld für alle Mitarbeiter. Ich bin ruiniert.«

»Sind Sie der Besitzer?«

»Ja, Jonny Merchant ist mein Name.«

»Nicht versichert, Mister Merchant?«

Er starrte mich an, als hätte ich ihn auf einen völlig neuen Gedanken gebracht.

»Doch«, stammelte er. »Doch, ich glaube, wir sind versichert.« Dann aber huschte wieder ein Schatten über sein Gesicht. »Hoffentlich sind die Prämien rechtzeitig bezahlt worden« Er stürzte davon, um sich zu vergewissern.

Ich wandte mich an den Lieutenant. »Wir werden versuchen, den Mann dingfest zu machen, der vor etwa einer Woche beschuldigt wurde, ein Verbrechen wie dieses hier zu planen. Damals war allerdings von einer Bank die Rede. Der Mann heißt James Morleigh.«

»Morleigh?«, wiederholte der Lieutenant. »Meinen Sie den Burschen, der die Spielhöllen aufzog?«

»Ja, er scheint sich umgestellt zu haben. Der tote Gangster heißt Morris Hunt. Ich sah ihn vor acht Tagen, als er noch Morleighs Gorilla war.«

Whoole schnippte mit den Fingern.

»Das scheint mir ein Beweis zu sein. Wäre nicht das erste Mal, dass sich Gangster wegen der Verteilung der Beute in die Haare geraten.«

»Ihr Arzt hat festgestellt«, sagte ich, »dass Morris Hunt etwa fünf Stunden vor dem Raub getötet wurde.«

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Wir fuhren zum Hauptquartier, um den Haft- und den Durchsuchungsbefehl abzuholen. Dann fuhren wir weiter zur 34th Street.

Nummer 1814 war ein großer, moderner Wohnblock. Morleigh hatte eine Etage gemietet.

Wir läuteten vergeblich. Niemand öffnete. Wir suchten den Hausverwalter auf.

»Mister Morleigh hat die Wohnung in aller Frühe verlassen«, beantwortete er unsere Fragen. »Es muss so gegen fünf gewesen sein. Mein Schlafzimmerfenster weist zum Hof. Ich wurde wach, als ein Wagen aus der Garage geholt wurde. Ich stand auf und blickte aus dem Fenster. Es war Morleighs Wagen.«

»Ein schwarzer Mercury?«

»Ja.«

»War Morleigh allein?«

»Das weiß ich nicht.«

»Danke! Öffnen Sie uns jetzt bitte Morleighs Wohnung. Hier ist der richterliche Haussuchungsbefehl.«

Ein paar Minuten später standen wir in Morleighs eleganter Behausung. Wir suchten zwei Stunden lang, fanden aber nichts von Bedeutung, abgesehen von einer Schachtel mit Pistolenmunition vom Kaliber 32, Die gebräuchlichste Waffe mit diesem Kaliber ist eine Smith & Wesson, die aber nur selten von Verbrechern benutzt wird, weil sie klobig ist und daher nicht unauffällig unter der Jacke getragen werden kann.

Die Schachtel mit der Munition lag in einer Schublade des Schreibtisches unter einem Stapel Briefpapier. Einige Patronen fehlten, genug um das Magazin einer Pistole zu füllen.

Lassen wir jetzt eine Fahndung nach Morleigh anrollen?«, fragte Phil, als wir die Durchsuchung beendet hatten.

»Ja«, antwortete ich, »und zwar sofort.«

Wir fuhren zum Hauptquartier zurück, verfassten die entsprechenden Telegramme für alle Polizeidienststellen, für die Hafen- und Zollbehörden.

Als die Aktion rollte, suchten wir den Tatort zum zweiten Mal auf. Die Mordkommission hatte die Arbeit beendet.

Einige Polizisten bewachten das Gebäude der Kleiderfabrik und das angrenzende Gelände der Baustoffhandlung.

Wir fanden Lieutenant Whoole in seinem Büro im Dienstgebäude der Mordkommission 4.

»Ich habe gerade mit dem Krankenhaus telefoniert, in das der verwundete Kassenchef gebracht wurde. Die Ärzte haben ihm die Kugeln aus der Schulter geholt. Es geht ihm gut. Wir können ihn in einer Stunde vernehmen.«

»Und der Detektiv?«

»Er liegt im gleichen Krankenhaus, aber er ist noch bewusstlos.«

»Kennen Sie den Chef der Detektiv-Agentur, diesen Melville Jones, der sich dagegen verwahrte, dass Sie seinen Mann verdächtigen?«

»Nein, ich habe ihn nie vorher gesehen. Irgendwer wird ihn angerufen haben, nachdem man das Verbrechen entdeckt hatte.«

»Haben Sie festgestellt, wem das Gelände der Baustoffhandlung gehört?«

»Einer Konkursverwaltung. Die Handlung ging Pleite. Der Konkursverwalter verpachtete das Gelände vor einigen Monaten an einen Mann, der sich James Miller nannte.«

»Wenigstens der Vorname stimmt überein. Haben Sie keine Personenbeschreibung bekommen?«

»Der Konkursverwalter hat den Mann nie gesehen. Das Mietangebot wurde schriftlich gemacht. Die Pachtsumme wurde monatlich überwiesen.«

»Auf diesem Weg ist also nichts zu erreichen.«

»Glauben Sie immer noch nicht, dass Morleigh die Sache organisiert hat?«, fragte Whoole.

»Nur einige Punkte scheinen mir ungeklärt. Fahren wir zum Krankenhaus, Lieutenant!«

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Die Kugeln lagen in einer kleinen, weißen Pappschachtel, auf Watte gebettet, als wären sie etwas Kostbares. Der Arzt, der sie aus Angefords Schulter geholt hatte, gab uns die Schachtel.

Phil und ich brauchen eine Kugel nicht zu wiegen oder nachzumessen, um das Kaliber festzustellen. Wir haben soviel Erfahrung, dass ein Blick genügt.

»Kaliber zweiunddreißig«, stellte ich fest.

»Wenn wir jetzt noch die dazugehörende Waffe unter Morleighs Achsel finden, dann gibt es keinen Zweifel mehr darüber, wer wegen Mordes auf den elektrischen Stuhl geschickt wird«, meinte Phil.

»Sie können jetzt mit Mister Angeford sprechen«, erklärte der Arzt, »aber nur für wenige Minuten.«

Der Verwundete war blass und noch etwas benommen von den Betäubungsmitteln.

»Können Sie uns einige Fragen beantworten, Mister Angeford?«

Er nickte schwach.

»Wieviel Gangster waren es?«

»Drei.«

»Maskiert?«

»Ja, aber … der Detektiv riss einem die Maske herunter, als sie miteinander kämpften.«

»Können Sie den Gangster beschreiben?«

»Jung … schwarze Haare … helle Augen.«

»Haben Sie irgendwelche besonderen Kennzeichen an den anderen bemerkt?«

»Der Anführer … sein Augenlid hing herunter.«

»Danke! Das ist wichtig. Sonst noch etwas?«

»Einer wurde Chuck genannt.«

»Sehr gut, Mister Angeford. Wir kennen die Verbrecher, und wir werden sie bald gefasst haben. Bitte, denken Sie nach, ob sonst noch etwas geschah, das von Bedeutung sein könnte.«

Das Sprechen fiel ihm schwer. »Als Longville zum zweiten Male niedergeschlagen wurde, schrie der Anführer den Gangster an, Longville dürfe nicht umgebracht werden.«

»Das genügt für heute, Mister Angeford. Ich wünsche Ihnen eine rasche Genesung.«

»Wie geht es Horsefield?«, stieg er mühsam hervor.

Der Arzt hüstelte warnend.

»Sie meinen Ihren Kollegen? Die Ärzte bemühen sich sehr um ihn.«

Als wir auf dem Gang standen, fragte ich den Arzt: »Können wir auch den Angestellten der Detektiv-Agentur sprechen?«

»Ich fürchte, nein, aber ich will nachsehen. Er liegt in einem Zimmer der dritten Etage. Sie können mitkommen.«

Vor der Tür eines Krankenzimmers stand eine Schwester und wehrte mit ausgebreiteten Armen einen stämmigen Mann mit kurz geschorenen, grauen Haaren ab.

Als wir näher kamen, bellte der Graukopf den Arzt an: »Warum darf ich mich nicht um Longville kümmern?«

Es war Melville Jones, der Inhaber der Detektiv-Agentur.

»Longville braucht Ruhe!« Der Arzt verschwand mit der Schwester in dem Krankenzimmer.

»Beantworten Sie mir bitte gleich einige Fragen, Mister Jones«, sagte ich. »Ich hätte Sie ohnedies aufgesucht.«

»Schießen Sie los«, sagte er finster.

»Seit wann arbeitet Longville für Sie?«

»Seit ungefähr einem halben Jahr.«

»Und seit wann besitzen Sie die Agentur?«

»Seit zwanzig Jahren.«

»Haben Sie die Agentur gegründet?«

»Gegründet wurde sie von Thomas Derwey. Ich bin Derweys Partner.«

»Seit wann überwacht Ihre Firma die Lohnauszahlung der West Clothes Inc.?«

»Seit fünf Jahren.«

»Was wissen Sie über Longvilles Privatleben?«

Jones wurde schon wieder hitzig. »Zum Teufel! Er ist ein anständiger Junge. Er hat auf irgendeinem College irgendetwas studiert. Er ist solide, spart sein Geld, verkehrt nur mit ordentlichen Leuten.«

»Verheiratet?«

»Nein!«

»Kennen Sie James Morleigh?«

»Nie gehört.« Aber dann stockte er und fragte: »Hat der irgendetwas mit Spielen zu tun?«

»Genau!«

»Mir fällt ein, dass wir vor drei oder vier Monaten den Auftrag einer Frau angenommen haben. Wir sollten feststellen, wo sich ihr Mann herumtreibt und sein Geld durch den Schornstein jagt. Wir fanden heraus, dass der Mann dem Spiel verfallen war und illegale Clubs besuchte, die einem gewissen Morleigh gehören sollen.« Wuchtig schlug er mit der Faust in die linke Handfläche. »Aber was hat das mit einem Kassenraub zu tun?«

»Wer stellte die Nachforschungen an?«

Melville Jones zögerte mit der Antwort. »Henry Longville«, knurrte er schließlich.

Der Arzt kam aus dem Krankenzimmer.

»Tut mir leid, aber vor morgen können Sie Mister Longville nicht sprechen.«

Wir verließen das Krankenhaus. Jones ging mit uns.

»Agent, Sie sollten Henry nicht verdächtigen«, sagte er zu mir. »Ich weiß, dass der Junge in Ordnung ist.«

»Wir werden jeden sorgfältig überprüfen und niemanden beschuldigen, bevor nicht Beweise gegen ihn vorliegen.«

Ein Zeitungsjunge mit den Mittagsausgaben kam an uns vorbei. »Lohngeldraub durch unterirdischen Gang!«, schrie er. »Zwei Tote! Über hunderttausend Dollar Beute!«

Mir schien, als zuckte Jones bei dem Geschrei des Zeitungsboys zusammen. Er setzte noch einmal zum Sprechen an, wandte sich dann aber wortlos ab und ging davon.

6

Der Anruf kam am späten Nachmittag, und die Stimme des Mannes zitterte so, dass ich sie nicht sofort erkannte. »Spreche ich mit Agent Cotton?«

»Ja, Wer sind Sie?«

»Morleigh! Agent, ich habe die Sache in der 104th Street nicht gemacht.«

Ich gab Phil ein Zeichen, den zweiten Hörer zu nehmen und sagte ruhig: »Okay, Morleigh. Wenn du eine weiße Weste hast, dann komm her, und wir unterhalten uns über die Sache.«

»Aber ihr verdächtigt mich!«, schrie er.

»Du kannst den Verdacht zerstreuen. Der Raub wurde gegen sieben Uhr morgens durchgeführt. Wo warst du um diese Zeit?«

»In Syosset.«

»Was wolltest du morgens um diese Zeit in Syosset?«

»Ich wollte einen Mann sprechen. Er hatte mich telefonisch hinbestellt, aber er kam nicht.«

»Wer ist der Mann?«

»Der Bursche, der mich ’reinlegen will«, kreischte Morleigh. »Er hat den Kassenraub organisiert, und jetzt will er ihn mir anhängen.« Seine Stimme wurde schrill vor Wut. »Ich lege ihn um, wenn er mir über den Weg läuft.«

»Das würde dich auf den elektrischen Stuhl bringen, Morleigh. Besser, du arbeitest mit uns zusammen. Erklär mir die Geschichte!«

Ich konnte sein Keuchen hören. Er schwieg.

»Morleigh, sagte ich vorsichtig, »du scheinst ziemlich tief in der Tinte zu sitzen, und ich fürchte, ohne unsere Hilfe kommst du nicht heraus.«

»Aber ich habe nichts damit zu tun«, jammerte er.

»Die Tatsachen sprechen gegen dich. Ruller beschuldigte dich des Verbrechens, das jetzt begangen wurde. In deiner Spielhölle trafen wir die drei Burschen, von denen Ruller die Geschichte erfahren hatte. Die gleichen Männer führten den Raub aus und verübten die Morde.«

»Ich kenne die Kerle nicht. Ich habe es dir schon einmal gesagt.«

»Aber du kannst nicht leugnen, dass du Morris Hunt kennst.«

»Was ist mit Hunt?«

»Wir fanden seine Leiche auf dem Grundstück, von dem aus der Gang gegraben wurde.«

Morleigh stieß einen röchelnden Laut aus.

»Es spricht noch mehr gegen dich«, fuhr ich fort. »Der Mann, der vermutlich den Tätern die Informationen lieferte, kam vor einigen Monaten mit einer deiner Spielhöllen in Berührung. Er kann dabei Kontakt mit dir aufgenommen haben.«