Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 3 - Krimi-Serie - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 3 - Krimi-Serie E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 3: Drei actiongeladene Fälle und über 250 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

Die Jerry Cotton Sonder-Edition ist der echte Klassiker. Sie bietet dem Leser die Romane aus der Frühzeit der Serie und schickt ihn auf Zeitreise in die frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

In diesem Sammelband sind 3 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

7: Tödlicher "Schnee"

8: Gastspiel des Todes

9: Heiße Juwelen

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 574

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: javarman | Black creater ISBN 978-3-7325-7027-0

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 3 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton Sonder-Edition - Folge 7Phil und ich waren einer Rauschgiftbande auf der Spur. Ich hatte dabei die Rolle des Undercover-Agenten übernommen. In dieser Rolle geriet ich ins Visier einer jugendlichen Schlägerbande und musste mir eine Abreibung von ihnen gefallen lassen. Stück für Stück kamen wir an den Boss der Rauschgift-Dealer heran, doch der hatte immer noch ein Ass im Ärmel ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 8Zweimal landeten skrupellose Gangster einen großen Coup. In Los Angeles und Boston raubten sie die Gäste eines Luxushotels aus. Als sie das gleiche in Baltimore versuchten, gab es einen Zwischenfall und es blieb eine Leiche zurück. Phil und ich machten uns daran, den Fall zu klären und herauszufinden, wie die Leiche von Baltimore in das Schema von Los Angeles und Boston passte...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 9Ganz New York war entzückt von Prinzessin Li-Di-Nan. Noch entzückter waren New Yorks Gangster von der Halskette der Prinzessin, die aus wertvollen Smaragden bestand. Es waren Millionen, die sie um den Hals hängen hatte. Dann wurde das Schmuckstück geraubt und das FBI hatte 60 Stunden, um es wiederzubeschaffen. 60 Stunden, in denen Phil und ich keinen Schlaf, aber mehrfach fast den Tod fanden...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Tödlicher »Schnee«

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Vorschau

Tödlicher »Schnee«

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: »Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Sie standen vor dem East Side Airline Terminal und blickten mir entgegen. Es war morgens gegen acht, und sie waren zu dritt. Ihre jungen Gesichter waren ausdruckslos.

Als ich nur noch ein paar Schritte vom Haupteingang entfernt war, vertrat mir der Kleinste der drei den Weg. Der Bursche hatte die Daumen in den Gürtel gehakt, wippte auf den Zehenspitzen und brummelte: »Eh, Mister! ’n Morgen. Mister, wir sind pleite.«

Ich blieb stehen und sah sie mir genauer an. Alle drei trugen Jeans und schwarze Lederjacken und hatten den Kragen hochgeklappt. Der Kleine vor mir mochte 18 sein, die beiden anderen offenbar etwas älter.

»Sie ziehen aber eine schlechte Nummer ab, Mister«, brummte der Kleine, als ich keine Antwort gab. »Schwerhörige mögen wir nicht leiden, Mister. Trotzdem will ich es noch mal sagen, Mister. Wir sind pleite, Mister.«

Bei dem Auftrag, den ich zu erledigen hatte, durfte ich kein Aufsehen erregen. Also trat ich einen Schritt nach links, um an dem Jungen vorbeizugehen. Aber er machte ebenfalls einen Schritt zur Seite und stand wieder genau vor mir.

»Schlecht, Mister, schlecht für Sie, dass Sie so schwerhörig sind. Wir sind pleite, Mister. Wir wollen doch nur zehn Dollar, Mister. Zehn Bucks, zehn Scheinchen pro Nase – und wir sind drei.«

Er starrte mir in die Augen, zog dann langsam ein Schnappmesser aus der Tasche und ließ die Klinge aus dem Griff hervorschießen. Sie war zweischneidig, blank und an der Spitze nachgeschärft.

Ich schüttelte den Kopf. »Ihr habt euch den Falschen ausgesucht. Ich bin schon mit Burschen fertig geworden, um die ihr einen großen Bogen machen würdet.«

Der Kleine drehte den Kopf ein Stück zur Seite.

»Hast du’s gehört, Nat? Der Bursche ist eine große Nummer! Du musst jetzt anfangen zu zittern, Nat. Na ja, Mister. Ich glaube, wir lassen uns mal zeigen, was für eine tolle Nummer Sie sind.«

»Sicher doch, Kurt«, piepste einer der beiden Großen mit überraschend heller Stimme. »Wird bestimmt ein Mordsspaß.«

Der Kleine sah mich wieder an. Im selben Augenblick spürte ich die Spitze seines Messers einen Fingerbreit unterhalb meines Gürtels.

»Wir wollen kein Aufsehen, Mister. Wir gehen jetzt zusammen in den Waschraum, und wenn Sie unterwegs auch nur husten, haben Sie mein Messer im Bauch. Und zwei andere im Rücken, Mister.«

Sie warteten keine Antwort ab, sondern drängten mich nach rechts, wo die Herrentoiletten waren. Der rege Verkehr des Busbahnhofs strömte an uns vorbei. Alle hatten es eilig. Niemand kümmerte sich um uns.

In den Toiletten- und Waschräumen herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Das ganze Jahr lief der Betrieb hier 24 Stunden am Tag. Ein alter Farbiger hielt Seife und Handtücher bereit, trotz des Automaten, der kostenlos Papiertücher ausgab, die aber niemand benutzen wollte.

Nat, der Bursche mit der hohen Stimme, tippte dem Alten auf die Schulter.

»Hallo, Opa! Wir kommen vom Amt für öffentliche Hygiene. Die Bude hier muss desinfiziert werden. Zehn Minuten geschlossen. Irgendwelche Fragen?«

Der Alte schien die Burschen zu kennen. Wortlos zog er unter dem Tisch ein Schild hervor. Es hatte eine große schwarze Aufschrift: Wegen Reinigung geschlossen – benutzen Sie die Toiletten am Nordeingang. Wortlos klemmte er sich das Schild unter den Arm. Als der Farbige an mir vorbeischlurfte, senkte er den Kopf.

Es dauerte knapp zwei Minuten, bis niemand mehr hier war außer mir und den drei jungen Burschen. Der Kleine übernahm wieder die Rolle des Sprechers.

»Uns ist’s egal, Mister. Wir reißen uns nicht drum, Sie weich zu kochen. Aber es macht uns auch nichts aus, wenn Sie es unbedingt haben wollen. Trotzdem sind wir friedliche Jungs. 70 Dollar und wir sind die dicksten Freunde, Mister.«

»Keine 70 Cent«, sagte ich.

Das letzte Wort war noch auf meinen Lippen, als mir etwas auf die rechte Schulter dröhnte. Ich warf mich herum. Nat hatte einen kurzen, schwarzen Gummiknüppel in der Hand und grinste hämisch. Mein rechter Arm hing wie leblos an mir herab. Ich duckte mich, um dem Kleinen auszuweichen. Aber der Dritte schlug mir irgendetwas Hartes mitten auf den Kopf.

Dunkle Nebelschwaden schienen durch meinen Kopf zu wogen. Ich rutschte auf den glatten Fliesen aus und schlug mit der Stirn auf den Boden. Der Gummiknüppel traf mich hinter dem linken Ohr und dann noch einmal im Genick. Ich fühlte nichts mehr.

***

Es war morgens gegen halb acht, als bei Phil Decker das Telefon klingelte. Mein Freund lief ins Wohnzimmer, nahm den Hörer ab und meldete sich.

»Hallo, Decker?«, drang es an Phils Ohr.

»Ja, hier ist Phil Decker. Mit wem spreche ich?«

»Hier spricht Lieutenant Easton, Mordkommission Manhattan-Süd.«

»Guten Morgen, Easton, erzählen Sie mir, was Sie auf dem Herzen haben. Ich bin ganz Ohr.«

»Kennen Sie einen Nick Borris?«

»Kennen ist zu viel gesagt. Ich hatte ein paar Mal mit ihm zu tun. Dienstlich, natürlich. Borris ist ein windiger Typ, arbeitsscheu und trunksüchtig.«

»Arbeitet er für das FBI?«

»Was heißt bei einem Burschen wie Borris schon arbeitet? Ab und zu schnappt er was auf, wovon er glaubt, es könnte uns interessieren. Wir hören es uns an, prüfen es und bezahlen einen Fünfer dafür, wenn die Information etwas wert ist.«

»Können Sie Borris beschreiben?«

»Ich will es versuchen. Er muss aussehen wie 50, ist aber bedeutend jünger. Haare grau und kurz, Ohrläppchen angewachsen, sternförmige Tätowierung auf dem linken Unterarm und …«

»Genügt«, unterbrach Easton. »Er ist es.«

»Wer ist was?«

»Der Tote, mit dem wir uns zur Zeit beschäftigen, scheint dieser Borris zu sein. Jemand hat ihm heute Nacht ein Acht-Zoll-Messer in den Rücken gestoßen.«

»Wo?«

»In seinem Zimmer. Man fand ihn auf seinem Stuhl sitzend, den Oberkörper auf den Tisch gesunken und das besagte Messer im Rücken.«

»Das interessiert mich«, erwiderte Phil rasch. »Sind Sie noch am Tatort?«

»Aber ja. Wir haben wenigstens noch zwei Stunden hier zu tun.«

»East 14th Street, ja?«

»Richtig!«

»Ich komme mit einem Taxi. Spätestens in einer halben Stunde bin ich da.«

»Das wäre nett, Decker. Also bis nachher!«

Phil ließ den Hörer sinken und rieb sich über das unrasierte Kinn.

Wenige Minuten nach acht Uhr kam Phil in der 14th Street an. Er stieg aus dem Taxi und sah sich um. In der halb offenen Haustür lehnte Detective Sergeant Edwin Schulz, der mit seinen 200 Pfund und seiner Größe von über sechs Fuß den freien Raum zwischen Hauswand und rechtem Türflügel völlig ausfüllte.

Ein Cop stand auf halber Höhe der Treppe und widerstand hartnäckig einer Schar von Reportern, die ins Haus wollte und noch nicht hinein durfte. Als sie das Taxi halten hörten, warfen sie sich herum wie hungrige Hyänen, die eine neue Beute entdeckt haben. Sammy Deler, der Polizeireporter der Morning Tribune, erkannte Phil sofort.

»Hallo, Agent!«, rief er und stürmte Phil entgegen. »Was ist hier los? Wieso interessiert sich das FBI für den Fall?«

Im Nu sah sich Phil von den Reportern umringt.

Phil lächelte. »Ich weiß noch nicht, was überhaupt los ist. Lieutenant Easton rief mich an. Gestern Abend versuchte ein gewisser Nick Borris dem FBI angebliche Informationen über ein paar Jugendliche zu verkaufen, die eine Bande organisieren wollten. Wir sind dabei, diese Informationen zu prüfen, und es hat sich immerhin schon rausgestellt, dass wahrscheinlich alles eine Erfindung von diesem Borris war. Jetzt hörte ich, dass dieser Nick Borris ermordet worden sein soll. Lieutenant Easton möchte, dass ich ihn identifiziere, weil ich wahrscheinlich die letzte Amtsperson bin, die mit Borris gesprochen hat.«

»Das lohnt sich kaum, es auch nur zu erwähnen«, brummte einer der Reporter enttäuscht. »Haben Sie keine Ahnung, Agent, warum man diesen Borris umgebracht haben könnte?«

Phil zuckte die Achseln.

»Vielleicht, weil er sich zu wichtig tat.«

Die Reporter ließen Phil vorbei und begannen wieder, auf den Cop einzureden, der die Treppe bewachte.

»Sie sollten Märchentante werden«, raunte Ed Schulz, als Phil an der Haustür ankam. »Kommen Sie rein! Der Lieutenant wartet schon. Ich glaube, wir haben eine kleine Überraschung für Sie.«

Sie durchquerten einen düsteren Flur. Tapetenfetzen hingen von den Wänden. Auf dem Fußboden lagen ausgetretene Zigarettenstummel und die zerknüllten Papierhüllen von Kaugummi. Am Ende des Ganges bewachte ein Cop eine halb offen stehende Tür.

»Da drin«, sagte Schulz. »Gehen Sie ruhig rein! Der Spurensicherungsdienst hat schon gearbeitet. Ich muss wieder raus und den Reportern endlich was erzählen.«

Phil nickte und trat über die Schwelle. Das Zimmer war ärmlich eingerichtet und roch muffig. Außer Lieutenant Easton waren noch zwei Mitarbeiter der Mordabteilung anwesend. In der Mitte des Raums stand ein Tisch mit einer fleckigen Papiertischdecke, auf der ein blutbeflecktes, langes Messer lag. Der einzigen Tür gegenüber stand ein Bett. Darauf lag Nick Borris. Er lag auf dem Rücken.

»Tag, Decker«, brummte Easton. »Ist er das?«

Phil nickte.

»Feige kann er nicht gewesen sein«, fuhr Easton fort. »Er scheint gewusst zu haben, dass seine letzten Minuten geschlagen hatten.«

»Wieso?«

»Er zündete sich eine Zigarette an, obwohl der Mörder hinter ihm stand. Aber Borris benutzte das ausgeblasene Streichholz als Bleistift. Sehen Sie hier! Er wollte offenbar einen Hinweis auf seinen Mörder hinterlassen. Und er fing es geschickt an. Er kritzelte seinen Tipp für uns so nahe an der Tischkante auf die Papierdecke, dass er es mit seinem Oberkörper verdecken musste, wenn sie ihn umbrachten und er nach vorn auf den Tisch fiel. Da, lesen Sie!«

Phil trat neben den Stuhl, der hinter dem Tisch stand. Auf der fleckigen Papierdecke waren schwarz, zittrig und stellenweise sehr dünn die Linien von ein paar Buchstaben zu erkennen. Sie bildeten kein vollständiges Wort, sondern lauteten: Syndi.

Phils Gesicht blieb unbewegt. »Da gibt es nur eine Erklärung«, murmelte er dumpf.

Easton nickte. »Ja. Wir haben offenbar ins größte Wespennest gefasst, das es in der ganzen Stadt gibt, ins Gangster-Syndikat!«

2

»Es tut mir sehr leid, Sir«, versicherte der alte, weißhaarige Farbige von der Herrentoilette im East Side Airline Terminal. Er hielt mir ein Glas Wasser hin.

»Schon gut, schon gut«, sagte ich. Es klang sehr undeutlich, denn meine Lippen waren geschwollen. »Sie konnten mir nicht helfen. Die drei Halunken hätten Sie genauso zusammengeschlagen wie mich.«

»Ja, Sir. Deshalb bin ich auch hinausgegangen. Aber ich habe gleich einen Patrolman gesucht.«

Er zeigte auf den baumlangen, uniformierten Polizisten, den er mitgebracht hatte. Der Mann hatte die Nummer 4642 auf seinem Dienstabzeichen, und nach einem kurzen Blick in sein markantes Gesicht wusste ich, dass mich dieser Mann kennen musste. Er hatte Phil und mir mal bei einer FBI-Aktion im Central Park geholfen. Hoffentlich wusste er es nicht mehr.

»Sie sehen aber aus, Mister!«, sagte der Cop. »Sicher haben Sie scheußliche Schmerzen, was?«

»Na ja«, sagte ich, nicht mehr. Was sollte ich schon sagen? Ich fühlte mich haargenau so, wie man sich nach einer solchen Behandlung eben fühlt.

»Kannten Sie die drei Burschen?«, fragte der Cop und zückte sein Notizbuch.

»Einer wurde Nat, der andere Kurt gerufen. Der Name des Dritten fiel nicht. Eine Beschreibung kann ich Ihnen geben.«

Er notierte sie sich.

»Sie sind ein guter Beobachter, Sir«, sagte er dann. »Die Beschreibung ist ausgezeichnet.«

»Ich hatte ja ausreichend Zeit, mir die Burschen anzusehen.«

»Sicher, sicher. Wie ist eigentlich Ihr Name, Mister?«

»Al Hicks«, sagte ich, ohne eine Sekunde zu zögern. Dabei beschloss ich, dem Cop später bei der ersten Gelegenheit meinen wahren Namen zu sagen. Jetzt durfte ich das auf keinen Fall tun, denn zu viele Neugierige standen um uns herum.

»Hicks? Hicks? Haben wir uns nicht schon mal gesehen, Sir? Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«

»Kaum möglich«, erwiderte ich. »Bin vor neun Tagen erst aus Kanada gekommen. Ich habe im Wald gearbeitet, in einem Holzfäller-Camp. Ich hatte einen Vertrag über fünf Jahre, aber ich habe nur vier durchgehalten. Man wird ja verrückt: immer nur Wald und 16 Männer und Bohnen mit Speck.«

»Kann ich verstehen, Sir. Ich war zwei Jahre in einem Camp am Jalu. Allerdings gab es bei uns die Bohnen ohne Speck.«

Ich war froh, dass ich ihn auf ein anderes Thema gebracht hatte. Er sagte noch ein paar Worte über seine Camp-Zeit, dann drängten sich plötzlich zwei weiß bekittelte Männer durch die Menge.

»Ach ja«, sagte der Cop, »Ich habe die nächste Rettungsstation angerufen, als Sie bewusstlos waren. In dem Aufzug können Sie sich nicht auf die Straße wagen.«

Ich wollte eigentlich dagegen protestieren, aber ich sah ein, dass er recht hatte. Von meiner Kleidung waren nur noch Fetzen übrig geblieben. Das Messer des kleinen Gangsters hatte keinen Quadratfuß Stoff unbeschädigt gelassen. Sogar die Socken und die Schuhbänder waren zerfetzt.

Ich suchte meine Taschen ab. Mein Geld fehlte. Aber der Führerschein, der Reisepass und die Sozialversicherungskarte waren noch da. Sie lauteten auf den Namen, den ich seit neun Tagen führte, auf Al Hicks. Das Hauptquartier in Washington hatte die Papiere besorgt.

Ich musste mich auf die Trage legen. Die beiden weiß bekittelten Männer zogen mir eine Decke über den Körper. Zwei Minuten später rollten wir in einem Krankenwagen durch die New Yorker Straßen. Der Cop hockte neben meiner Trage und schob mir eine angezündete Zigarette zwischen die Lippen.

»Ihr Geld ist weg, was?«, erkundigte er sich.

Ich nickte.

»Viel?«, fragte er.

»Ungefähr 70 Dollar.« Ich lachte. »Das entsprach übrigens ihrer letzten Forderung. Erst wollten sie nur 30, dann 70. Ich wollte ihnen natürlich nichts geben. Leider zog ich den kürzeren, weil ich sie für halbwegs fair hielt.«

»Faire Gangster gibt es nicht«, stellte der Cop fest.

In der Rettungsstation machte sich ein junger Arzt wortlos über mich her. Er pinselte Jod, schnitt Pflaster und verzog keine Miene, wenn ich fluchte, weil das Jod in meinen Wunden brannte. Als er fertig war, sagte er: »Sie werden jetzt zum Bellevue Hospital der New Yorker Universitätsklinik gebracht.«

»Was soll ich da?«

»Sie werden ein schönes Bett zugewiesen bekommen und sich ein paar Tage lang entspannen und erholen.«

Ein paar Tage lang! Der Bursche hatte Nerven. Um zehn Uhr an diesem Vormittag sollte unser erster großer Coup in der Morphium-Sache erfolgen, die wir gerade bearbeiteten. Und der ganze Coup war nur dafür geplant, mir in meiner neuen Rolle eine gewisse Chance zu geben. Wenn ich mich wegen einiger Kratzer ins Krankenhaus legte, konnten wir alles abblasen und in 14 Tagen das ganze mühselige Unternehmen von vorn beginnen.

»Haben Sie denn für einen geplagten Zeitgenossen wenigstens einen Tropfen Whisky in Ihrem Hygienemuseum?«, fragte ich.

Er lächelte.

»Den habe ich. Aber bleiben Sie liegen!«

Er ging hinaus. Ich sah mich in dem weiß gekachelten, vor Sauberkeit blitzenden Behandlungszimmer der Rettungsstation um.

Der junge Arzt kam mit einer Tasse zurück, deren Henkel abgebrochen war. Es tröstete mich, dass es in dieser Stätte perfekter Sauberkeit und Ordnung etwas gab, das nicht in Ordnung war.

»Den Whisky schenkte uns zu Weihnachten ein Mann, der hier behandelt wurde, als er einen schweren Verkehrsunfall hatte. Uralter schottischer Whisky. Ich genehmige mir nur bei ganz besonderen Anlässen einen Schluck.«

»Bin ich ein besonderer Anlass?«, fragte ich.

»Ich denke schon, Sir. Sie haben zwar gesagt, dass Ihr Name Al Hicks wäre, aber das weiß ich besser.«

»Vergessen Sie sofort alles, was Sie in dieser Beziehung zu wissen glauben, Doc!«, bat ich. »Ich habe meine Gründe.«

»Das habe ich mir gedacht. Sie können beruhigt sein. Sogar auf dem Einlieferungsschein steht Al Hicks. Übrigens, mein Name ist Peter Lawrence. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mister Al Hicks.«

Ich stemmte mich vorsichtig auf der Lederüberzogenen Pritsche in die Höhe und nahm ihm die Tasse ab.

»Ganz meinerseits, Mister Lawrence. Wenn ich eine bestimmte Sache erledigt habe, rufe ich Sie an, dann revanchiere ich mich mit ’nem Whisky.«

Ich trank einen Schluck, setzte die Tasse ab, blickte den Arzt an und meinte: »Leider habe ich keine Zeit, um mich in einem Bett im Bellevue Hospital auszuruhen.«

»Und warum nicht?«

»Tja, sehen Sie, Doc. Was würden Sie als Arzt für wichtiger halten? Die Möglichkeit, gewissen Gaunern das Handwerk zu legen, die mit Morphium ein ganzes Stadtviertel verseuchen, oder die völlig überflüssige Bettruhe für einen Mann, der sich bereits wieder fit fühlt?«

»Ich müsste wohl sagen, es wäre wichtiger, diesen Rauschgifthyänen das Handwerk zu legen. Zumal Sie außer den Kratzern keine Verletzungen erlitten haben.«

»Cheerio«, sagte ich und trank den Whisky aus. »Leider hab ich’s eilig.«

»Es gibt in unserem Waschraum eine Tür, die auf den Hof führt. Von da aus kann man in die Nebenstraße gelangen. Dort steht mein Wagen. Sie können ihn nehmen, aber bitte bringen Sie ihn innerhalb von zwei Stunden wieder zurück!«

»Vielen Dank für alles.« Ich drückte ihm die Hand, drehte mich um und ging mit etwas steifen Beinen hinaus. Er rief mir nach, welche Tür in den Waschraum führte. Ich fand sie sofort. Durch die Seitentür kam ich auf den Hof.

Ein uralter, klappriger Ford stand vor einem geöffneten Metalltor. Der Zündschlüssel steckte im Schloss. Ich stieg ein, ließ den Motor an und rollte hinaus. Bis zum Beginn unserer Aktion blieben mir keine 90 Minuten mehr, und ich hatte noch viel zu tun.

***

Es war 8 Uhr 47, als sich Phil zum Distriktchef des New Yorker FBI begab. Mr High saß an seinem Schreibtisch und arbeitete. Als Phil eintrat, schob der Chef den Papierkram beiseite und fragte freundlich: »Hallo, Phil, haben Sie Neuigkeiten?«

Phil ließ sich in den Besuchersessel vor dem Schreibtisch fallen und nickte bedrückt. »Schlechte Neuigkeiten, Chef. Sehr schlechte.«

Mr Highs Gesicht verfinsterte sich.

»Etwas ist schief gegangen, Chef«, murmelte Phil. »Nick Borris ist tot, Chef.«

Plötzlich herrschte eine beklemmende Stille. In Mr Highs Gesicht zeichnete sich die Reaktion ab, die Phils Mitteilung bei ihm hervorgerufen hatte: ein ungläubiges Erschrecken. Lange sprachen die beiden Männer nicht.

»Er hat uns eine Nachricht hinterlassen, Chef«, fuhr Phil schließlich fort. »Offenbar wollte er uns damit sagen, wo wir seinen Mörder zu suchen haben: beim Syndikat.«

»Wer bearbeitet den Fall?«, erkundigte sich Mr High.

»Harry Easton.«

»Easton? Ist das nicht … »

»Der junge Lieutenant, den seine Kollegen Cleary nennen, weil bei ihm am Ende immer alles klar ist. Er hat bisher jeden seiner Mordfälle aufgeklärt.«

»Das will noch nicht viel heißen, Phil. Er ist ja erst seit knapp einem Jahr Leiter einer Mordkommission.«

»Aber er gilt allgemein als einer der fähigsten Köpfe, Chef.«

»Das will ich keineswegs bezweifeln, Phil. Trotzdem erwäge ich, ob wir den Fall an uns ziehen, ob wir einen FBI-Fall daraus machen.«

Phil zuckte die Achseln. »Wir müssten dann unsere Karten aufdecken. Wenn wir der City Police einen Mordfall abnehmen, werden wir erklären müssen, aus welchen Gründen es zu einem FBI-Fall wird. Wenn wir es tun, bekommt auch die Presse Wind davon. Und wenn es erst einmal in allen Zeitungen steht, ist der Tipp, den Nick uns hinterließ, wertlos. Dann haben die Gauner vom Syndikat ausreichend Zeit, sich abzuschirmen. Außerdem sind wir durch die Morphium-Aktion im Augenblick voll ausgelastet, Chef. Wir werden unter Umständen jeden verfügbaren Mann darauf ansetzen müssen. Es sei denn, wir verschieben die Morphium-Geschichte und kümmern uns erst mal um den Mordfall Nick Borris.«

»Das können wir nicht mehr tun, Phil, das wissen Sie so gut wie ich. Wir stecken schon zu weit drin.«

»Dann schlage ich vor, wir versuchen die Morphium-Sache innerhalb einer Woche abzuwickeln. Wenn die Mordkommission bis dahin Nicks Mörder noch nicht ermittelt hat, können wir uns immer noch einschalten.«

Mr High stand auf. »Also gut. Machen wir es so.«

»Vielleicht sind wir schon bald fertig, Chef. Es hängt davon ab, ob Jerry heute Vormittag richtig zum Zug kommt. Um elf Uhr werden wir das wissen.«

Phil besprach noch ein paar Einzelheiten des Einsatzes mit dem Chef, verließ ihn dann und erledigte noch ein paar Dinge im Dienstgebäude, bevor er mit einem Dienstwagen, der nicht als FBI-Fahrzeug zu erkennen war, zum Grand Central Terminal fuhr, wo er den Wagen auf einem Parkplatz abstellte.

Phil betrat kurz darauf durch einen Hintereingang Pelzer’s Stationery in der 44th Street.

»Oh, hallo, Mister Decker«, sagte der alte, kurzsichtige Terry Siegel, als er Phil im Waschraum traf. »Werden Sie uns noch lange mit Ihrer Gegenwart erfreuen?«

Phil wusch sich die Hände und blickte den alten Mann prüfend an, der als Geschäftsführer tätig war und als Einziger wusste, dass Phil kein Angestellter von Pelzers Schreibwarengeschäft, sondern ein FBI-Agent war.

»Ich hoffe, dass wir in spätestens einer Woche fertig sind. Vielleicht sogar früher.«

Der Alte nickte und trat näher an Phil heran.

»Sie dürfen wohl nicht über die Gründe sprechen, weshalb Sie bei uns als Verkäufer in Erscheinung treten, was?«

»Tut mir leid«, erwiderte Phil. »Wir sind vereidigt auch auf Verschwiegenheit, Mister Siegel.«

»Natürlich, natürlich«, murmelte der Alte. »Macht es Ihnen etwas aus, mir einen hartnäckigen Kunden abzunehmen? Er will einen Atlas kaufen, und ich habe ihm bereits ein Dutzend verschiedene Ausgaben vorgelegt, aber nichts sagt ihm zu.«

»Gern, Mister Siegel. Soll ich ihm noch mehr Atlanten zeigen?«

»Wenn er die ganz großen Ausgaben sehen will, tun Sie es, Mister Decker. Ich wünschte, er kaufte die große Prachtausgabe der Geografischen Gesellschaft. Dieses meisterhafte Werk der Kartografie lässt sich leider nur sehr schwer verkaufen. Wenn Sie es schaffen, gebe ich Ihnen – nun sagen wir: zehn Prozent.«

Phil grinste belustigt.

»Schade, Mister Siegel. Ich bin G-man, ich darf so etwas nicht annehmen. Die Steuerzahler kommen für mein Gehalt auf, und irgendwelche Nebeneinnahmen sind absolut unerwünscht.«

Er ging mit dem Geschäftsführer in die Verkaufsräume. Im hinteren Zimmer saß Mr Canine in einem bequemen Sessel und blätterte in den Kartenwerken. Canine wohnte nur einen Block weiter, schien wohlhabend zu sein und widmete seine Zeit vor allem dem geografischen Studium.

»Guten Morgen, Mister Canine«, sagte Phil höflich. »Der Chef bat mich, Ihnen die großen Atlanten zu zeigen, die er Ihnen noch nicht vorgelegt hat. Vor allem gibt es da eine Prachtausgabe der Geografischen Gesellschaft.«

Canine hob den Kopf. Die dunklen Gläser seiner Brille schimmerten bläulich.

»Eine solche Ausgabe würde mich interessieren.«

Phil stieg eine kleine Trittleiter hinauf und zog den schweren Atlas aus seinem Schuber. Canine pfiff leise durch die Zähne, als er anfing, den Atlas durchzublättern.

Es war fast halb zehn, und Phil spürte, wie eine leichte Nervosität in ihm aufkam. Hundertmal hatte er den Plan für den Großeinsatz mit dem Einsatzleiter, dem Chef der Fahndungsabteilung, dem Leiter der Fahrbereitschaft und mit Mr High durchgesprochen. Keinem war ein Wunder Punkt aufgefallen. Und trotzdem konnte der Plan einen Fehler haben.

»Ein paar Comics, Mister«, ertönte eine leise Stimme und riss Phil aus seinen Gedanken. »Ich möchte mir ein paar Hefte ansehen, Mister. Können Sie mir welche zeigen, Mister?«

Phil sah den Burschen an, der an ihn herangetreten war. Er mochte 18 oder 19 Jahre alt sein, trug eine enge Hose und eine schwarze Lederjacke und wippte auf den Zehenspitzen. Dicht hinter ihm standen zwei etwas ältere Ausgaben seines Typs in der gleichen Kleidung.

Wortlos legte Phil einen Stapel von Comics auf den Ladentisch. Die drei Beinahe-Uniformierten machten sich darüber her. Phil wandte sich an den nächsten Kunden. Es war ein ungefähr 30-jähriger Mann.

»Guten Morgen. Mein Name ist Philip Ronker«, sagte der hagere Mann und stellte eine Kofferschreibmaschine auf den Tisch. »Ich hatte mir gestern am späten Nachmittag diese Maschine hier bei Ihnen ausgeliehen. Ich muss nämlich meine Doktorarbeit ins Reine schreiben. Aber die Remington hier hat einen kleinen Fehler. Mit der Zeileneinstellung klappt irgendwas nicht.«

»Wir geben Ihnen eine andere Maschine, Mister Ronker«, erwiderte Phil höflich. »Hoffentlich haben Sie sich nicht zu lange mit dieser hier herumgeärgert.«

Phil nahm die Reiseschreibmaschine und brachte sie hinüber in die Werkstatt. Auf dem Rückweg holte er aus dem Regal der Leihmaschinen eine andere und händigte sie dem Studenten aus. Dabei entging ihm, dass sein kurzes Gespräch mit Phil Ronker genau beobachtet worden war.

3

»Wie sehen Sie denn aus, Mister Hicks?«, rief Mrs Hopkins, meine resolute Zimmerwirtin aus der Third Avenue. Sie stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte missbilligend den Kopf. »Sie sollten aber wirklich allmählich aus dem Alter heraus sein, wo sich Männer herumprügeln.«

»Ich gebe Ihnen völlig Recht, Mrs Hopkins«, sagte ich und ging durch den langen Flur auf die Tür zu meinem möblierten Zimmer zu. »Aber machen Sie es mal ein paar jungen Straßenräubern klar, dass man keinen Wert mehr auf Kraftproben legt. Diese Burschen sind ja auf beiden Ohren taub, solange Sie nicht von blanken Dollars reden.«

»Man hat Sie überfallen, Mister Hicks?«

Ich nickte. »Können Sie mir rasch eine Tasse Kaffee machen?«

»In drei Minuten ist er fertig, Mister Hicks.«

»Danke. Ich komme dann rüber in die Küche.«

Ich schloss mein Zimmer auf, während Mrs Hopkins zur Küche eilte. Die Frau war seit sechs Jahren Witwe und brachte sich und ihre Tochter mit der Vermietung von vier möblierten Zimmern durch. Ihre 17-jährige Tochter Peggy saß irgendwo in einem Büro.

In meinem Zimmer warf ich die Reste meiner zerfetzten Kleidung in die Ecke neben der Tür, zog mir einen hellgrauen Anzug an und band mir eine schwarze, schmale Krawatte um.

Als ich die Küche betrat, stand der Kaffee bereits auf dem Tisch. Mrs Hopkins hatte sich ebenfalls eine Tasse eingeschenkt.

Zehn Minuten nach neun verließ ich die Wohnung und brachte den alten, klappernden Wagen des jungen Arztes zurück auf den Hof der Rettungsstation.

Dann setzte ich mich in Bewegung, um dem East Side Airline Terminal meinen zweiten Besuch an diesem Morgen abzustatten. Ich hatte mir wieder 70 Dollar eingesteckt.

Von den drei Rowdys, die mich überfallen hatten, war nichts zu sehen. Der Betrieb in dem Omnibus-Bahnhof, der ausschließlich für die östlichen Flugplätze geschaffen worden war, hatte sich verstärkt.

Ich trat an den Zeitungsstand. Die junge Verkäuferin sah mich fragend an.

Chinese-American Weekly, sagte ich.

Sie zog die hübschen Augenbrauen hoch. Aus ihren braunen Augen traf mich ein verwunderter Blick. Ich konnte mir denken, worüber sie überrascht war. Ich hatte eine Zeitschrift in chinesischer Sprache verlangt. Es gab sicherlich nicht viele Weiße, die diese Zeitschrift kauften.

»25 Cent, Sir«, sagte das Mädchen und reichte mir die Zeitschrift.

Ich bezahlte mit einem Dollarschein und ließ das Wechselgeld in die Hosentasche gleiten. Rasch verließ ich dann den Busbahnhof.

Kurz nach halb zehn betrat ich Pelzer’s Stationery in der 44th Street. Phil nahm gerade von einem älteren Gentleman, der eine bläulich schimmernde Brille trug, mehrere Geldscheine in Empfang.

Wie jemand, der sich nicht entscheiden kann, drehte ich den Ständer mit den farbigen Ansichtskarten. Wenige Augenblicke später stand Phil neben mir.

»Die Karten vom Empire State Building kann ich Ihnen auch in einem größeren Format zeigen«, sagte er.

»Ach ja, bitte«, brummte ich.

Wir zogen uns in die hinterste Ecke des Ladens zurück, wo wir verhältnismäßig weit von den anderen Kunden entfernt waren. Phil fächerte ein Sortiment farbiger Ansichtskarten im Großformat auseinander. Ich ließ mir Zeit.

»Wie siehst du denn aus?«, fragte mein Freund leise. »Sind sie dir auf die Schliche gekommen?«

»Unsinn«, erwiderte ich ebenso leise. »Ein paar blutjunge Straßengangster. Sie brauchten Geld und wollten es ausgerechnet von mir.«

»Ich dachte schon, unsere Aktion müsste in letzter Minute abgeblasen werden.«

»Von mir aus nicht.«

»Gut. Dann bleibt es bei dem, was wir heute Nacht besprochen haben. Und noch eins, Jerry: Wenn du in den nächsten Tagen in Gefahr geraten solltest, versuch, hierherzukommen. Ein Kollege wird ständig hier sein. Kauf eine Ansichtskarte und verlange eine Briefmarke: Luftpost nach Europa. Dann wissen wir Bescheid und werden dich schärfer im Auge behalten.«

»Luftpost nach Europa«, wiederholte ich. »Okay. Das ist alles?«

»Von uns aus, ja. Um Punkt zehn sind wir da. Aber wir warten, bis du wieder rauskommst. Dann entgeht uns keine Maus mehr.«

»Okay.«

Ich zog eine Karte mit der Prometheus-Statue aus dem Stapel. »Ich nehme diese hier«, sagte ich und

drückte ihm eine Münze in die Hand.

***

Mein nächstes Ziel war die Halfmoon Bar. Vor neun Tagen hatte ich dort mit den Stammgästen gezecht und mich angefreundet, so dass ich jetzt mit lautem Hallo begrüßt wurde.

Trotz der frühen Morgenstunde herrschte schon starker Betrieb. Beinahe alle Nischen ringsum an den Wänden waren besetzt aber man konnte die Gesichter dieser Leute nicht erkennen, denn die Bar war nur von einem matten Zwielicht erfüllt.

T. B. Briscoe junior, ein 26-jähriger Playboy, der nichts weiter zu tun hatte, als das Geld seines immer noch zwölf Stunden am Tag schuftenden Daddys durchzubringen, schlug mir auf die Schulter, dass es knallte.

»Hallo, Holzfäller!«, rief er aufgeräumt. »Was trinken die Holzfäller heute?«

»Erst mal ein Bier. Ich habe Durst.«

»Haben dich die Cops durch die Mangel gedreht«, wollte er wissen, indem er auf meine Pflaster zeigte.

»Ich habe noch nie einen Mann gesehen, den die Cops durch die Mangel gedreht hätten«, erwiderte ich. »Alle Leute behaupten das zwar dauernd, aber ich möchte mal einem begegnen, dem das passiert ist.«

»Unser Holzfäller ist zum Streiten aufgelegt.« T. B. Briscoe junior lachte dröhnend und wandte sich an den Besitzer, der hinter der Theke die Dienste des Keepers versah. »Also, Longobardi, alter Halsabschneider, gib unserem Holzfäller eine Büchse Bier! Haben der Herr besondere Wünsche?«

»Ja«, sagte ich. »Carlsberg.«

»Aus dir wird nie ein richtiger Yankee!«, meinte der junge Nichtsnutz kopfschüttelnd. »Ausländisches Bier trinken! Wo bleibt die heimische Wirtschaft?«

Er lachte, schwatzte noch ein paar Minuten mit mir, dann murmelte er eine Entschuldigung und verschwand in einer der Nischen. Unterdessen hatte sich Longobardi um meine Bestellung gekümmert. Ein blitzendes Glas und eine eiskalte Büchse Bier standen vor mir. Der kleine, dicke, ewig schwitzende Barbesitzer lächelte.

Elf Minuten vor zehn vernahm ich eine weibliche, sehr junge Stimme hinter mir.

»Ach bitte, können Sie mir fünf Dollar wechseln? Ich möchte Zigaretten aus dem Automaten ziehen, aber ich habe kein Kleingeld.«

Ich hob den Kopf und blickte in das Spiegelglas hinter der Bar. Nein, ich hatte mich nicht getäuscht. Peggy Hopkins stand hinter mir und streckte an meiner linken Schulter vorbei Longobardi eine Fünfer-Note hin. Ich senkte den Kopf und wartete.

Der Barbesitzer kurbelte an seiner Registrierkasse, zählte bedächtig fünf Ein-Dollar-Scheine ab und warf den Fünfer hinein. Vor Peggys Augen zählte er die Einer auf den Tisch. Ich griff schnell zu, fegte sie zusammen und drehte mich um.

»Viel Geld für eine junge Lady«, sagte ich.

Jetzt erst erkannte mich das Töchterlein meiner Wirtin. Ihre Nasenspitze färbte sich plötzlich weiß.

»Oh, Mister Hicks!«, rief das Girl erschrocken. »Lieber Himmel, verraten Sie mich nur nicht!«

Ich schob ihr das Geld in die Hand.

»Ich schweige«, gelobte ich. »Aber nehmen Sie beim Rauchen eine Zigarettenspitze, Peggy! Sonst kommt Ihre Mutter eines Tages doch dahinter, weil Sie nämlich gelbe Finger kriegen.«

»Ich rauche immer mit einer Spitze«, erwiderte Peggy. »Wissen Sie, Mister Hicks, in meinem Büro kann ich’s nicht aushalten, ohne ab und zu mal eine Zigarette zu rauchen. Und bitte, sagen Sie meiner Mutter nicht, dass ich ganz allein in eine Bar kam!«

»Ich sage nichts.«

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte mir einen Kuss auf die rechte Wange.

»Sie sind nett«, sagte sie. »Auf Wiedersehen, Mister Hicks.«

»So long, Peggy«, murmelte ich und sah ihr nach, bis sie auf ihren Zehn-Zentimeter-Absätzen hinausgestöckelt war. Im Grunde war sie sicher ein nettes Mädchen. Wenn sie nur nicht gerade fünf Dollar gewechselt hätte!

Ich trank mein Bier aus. Es war sechs Minuten vor zehn. Longobardi verschwand durch die Tür, die in die Küche zu führen schien. Ein Mann kam von der Straße herein und setzte sich an einen Tisch. Der Mann war Steve Dillaggio, der mit seinem flachsblonden, dünnen Haar aussah wie ein Schwede, obgleich er in Italien geboren war.

Steve musste mich bemerkt haben, aber er verriet es mit keinem Wimpernzucken. Bei der rothaarigen Serviererin bestellte er einen Martini Dry und die Morgenzeitungen.

Es war vier Minuten vor zehn, als Longobardi mit vier großen Zigarrenkisten unter dem Arm zurückkam. Er schob die Kästen in das Glasregal unter dem Spiegel. Ich sagte Longobardi, dass ich mein Bier bezahlen wollte.

»Das werden Sie doch Mr Briscoe junior nicht antun wollen! Er hat es für Sie bestellt, Mister Hicks!«

»Fein, dann revanchiere ich mich beim nächsten Mal. Bis heute Abend! Ich will mir endlich mal die Stadt ein bisschen ansehen. Sonst fahre ich eines Tages zurück in den Wald und habe von New York nichts weiter gesehen als Longobardis berühmtes Etablissement.«

Ich rutschte von meinem Barhocker und ging hinaus auf die Straße. Wie zufällig blieb ich vor der Tür stehen, zündete mir eine Zigarette an und blickte mich kurz um. Einem scharfen Beobachter musste auffallen, dass es plötzlich zu viele Männer hier in der Gegend gab, die nichts Besonderes zu tun hatten und entweder Zeitung lesend an den Hauswänden lehnten oder in kleinen Gruppen zusammenstanden und sich scheinbar unterhielten.

Ich schleuderte das Streichholz weg, machte kehrt und ging wieder in das Lokal zurück. Longobardi redete gerade auf einen älteren Mann ein. Ich packte den Barbesitzer am Ärmel und zog ihn zur Seite.

»Entschuldigung«, murmelte ich dabei. Dann brachte ich meinen Mund nahe an sein Ohr. »Draußen geht etwas vor, Longobardi. Geht mich nichts an, aber ich wollt’s Ihnen sagen.«

Er schluckte, räusperte sich, war merklich blass geworden und krächzte halblaut: »Was meinen Sie?«

»Sieht so aus, als hätten Detectives Ihre Luxuskneipe umstellt, Longobardi. Können Sie sich einen Grund denken?«

In die kleine, dicke Gestalt kam jähe Bewegung.

»Warten Sie eine Sekunde!«, zischte er, verschwand durch die Tür zur Küche und war tatsächlich in überraschend kurzer Zeit wieder da. Aber jetzt hielt er ein Päckchen in der Hand, das in dickes, graues Packpapier eingeschlagen war.

»Verschwinden Sie mit dem Päckchen, Hicks!«, stieß er hervor. »Es wird für Sie was dabei herausspringen! Ich melde mich bei Ihnen, wenn die Luft wieder rein ist. Ich weiß ja, wo Sie wohnen. Los, Hicks, tun Sie mir den Gefallen, ja? Sie sind fremd in New York, kein Cop und kein Detective kennt Sie. Los, Hicks, hauen Sie mit dem Zeug ab! Schnell!«

Ich tat, als ob ich mir’s einen Augenblick überlegen müsste, dann nickte ich.

»Na gut. Weil Sie so gutes Bier verkaufen, und weil mir’s in Ihrer Bude gefällt. Junge, Junge, Sie sind aber einer! Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass Sie krumme Dinger machen, Longobardi.«

Ich griff nach dem Päckchen, als ob es Dynamit enthielte. Longobardi drängte mich schon auf die Tür zu. Ich schob mir das Päckchen unters Jackett und drückte es mit dem linken Arm gegen meine Rippen.

Als ich auf den Gehsteig vor der Bar trat, hielt eine dunkle Limousine am Straßenrand. Mr High und mein Freund Phil Decker stiegen aus. Sie gingen an mir vorbei, ohne mich anzublicken. Gleich drauf hörte ich, wie Phil ein Signal pfiff.

Und im nächsten Augenblick hatten die vielen Männer in der Nachbarschaft kein Interesse mehr an ihren Zeitungen oder an ihren Diskussionen. Von allen Seiten strebten sie auf den Eingang der Halfmoon Bar zu. Ich machte mich aus dem Staube. Mit anderthalb Kilo Morphium unter dem Arm.

***

In der Bar hatte sich eine beklemmende Stille ausgebreitet. Als Phil quer durch das Lokal zu der hohen Theke ging, hörte man das leise Knarren seiner Schuhe.

Phil zückte ein Etui, klappte es auf und hielt es dem dicken, kleinen Barbesitzer hin.

»Ich bin Special Agent des FBI. Wenn Sie sich bitte überzeugen wollen.«

Longobardi riss die Augen weit auf, reckte sich hoch und starrte auf den blaugoldenen Stern und den Dienstausweis mit dem kleinen Lichtbild.

»Ja«, krächzte er heiser. »Ja, es stimmt.«

Phil steckte das Etui wieder ein und zog dafür seine Brieftasche. Er entnahm ihr ein rotes Formular und faltete es auseinander.

»Sie sind Dominick Longobardi?«

»Ja, Sir, ja, der bin ich.«

»Sie sind der Besitzer dieses Lokals?«

»Ja.«

»Hier ist ein richterlicher Haussuchungsbefehl, unterzeichnet von Richter Johnson vom Bundesgericht in New York und von Richter Wayne vom ersten Kriminalgericht der Stadt New York. Der Befehl ermächtigt das FBI, Ihr Haus und alle darin befindlichen Personen zu durchsuchen. Wie Sie aus dem Zusatz auf der unteren Hälfte des Formulars erkennen können, sind wir auch berechtigt, jede hier anwesende Person festzunehmen und einem Haftrichter vorzuführen.«

»Was ist los?«, gellte eine schneidende Stimme aus einer der Nischen.

Phil drehte sich um.

T. B. Briscoe junior stand mit hochrotem Kopf da, starrte Phil ein paar Sekunden ungläubig an und kam dann auf ihn zu.

»Was für Manieren sind denn das?«, rief er wütend. »Durchsuchungen? Festnehmen? Sie sind ja verrückt! Sie können nicht einfach ein Dutzend Leute festnehmen!«

»Nach dem uns erteilten richterlichen Befehl sind wir dazu nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Der Bundesanwalt hat uns beauftragt.«

»Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte Briscoe höhnisch.

»Nein. Im Übrigen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie das Gespräch zwischen Mister Longobardi und mir nicht unterbrechen würden. Wir beide werden uns schon noch unterhalten, verlassen Sie sich drauf!«

Phil wollte sich umdrehen und wieder der Theke zuwenden, aber Briscoe hielt ihn am Rockaufschlag fest. Sein Gesicht war verzerrt.

»Ich bin Thomas Bryan Briscoe junior«, tobte er. »Ist Ihnen das ein Begriff, Sie Schnüffler?«

Phil wischte die Hand des Jungen von seinem Jackett. »Ich möchte jetzt erst mit Mister Longobardi sprechen«, erklärte er.

»Und ich, verdammt noch mal, ich will mit Ihnen sprechen! Haben Sie das kapiert? Meinetwegen können Sie Polizeichef von sonst wo sein, mir haben Sie nicht zu befehlen! Ich werde jetzt dieses Lokal verlassen. Ist das klar?«

»Nein, Sie werden hier bleiben, bis wir Sie durchsucht und unsere Entscheidung gefällt haben, ob Sie festzunehmen sind oder nicht.«

»Ich möchte den sehen, der mich daran hindern will, auf der Stelle zu gehen!«

»Sie sehen ihn bereits, nämlich mich. Hören Sie auf, sich wie ein Schwachsinniger zu betragen!«

Briscoe schnaufte. »Haben Sie Schwachsinniger zu mir gesagt?«, kreischte er schrill.

»Nein. Ich habe Ihr Benehmen mit dem eines Schwachsinnigen verglichen.«

»Das wird Ihnen leid tun, Sie Idiot!«

Briscoe hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, da holte er auch schon aus und schlug Phil die Faust ins Gesicht. Phil stolperte einen Schritt zurück und stieß mit dem Rücken gegen die Theke. Briscoe setzte nach und holte wieder aus.

Dann ging es blitzschnell. Briscoes Faust befand sich plötzlich zwischen Phils Händen. Es gab eine sehr schnelle, ruckartige Drehung. Briscoe stieß einen Schrei aus. Der rechte Arm war ihm von Phil auf den Rücken gedreht worden.

Mein Freund hielt den Playboy eisern fest, der ihm jetzt den Rücken zuwandte und sich nicht zu rühren wagte, da die Gefahr bestand, dass er sich den Arm auskugelte.

»Es sind immer Leute wie Sie, Mister Briscoe«, sagte Phil. »Leute wie Sie, die uns zwingen, Gewalt anzuwenden. Aber Sie sollen nicht glauben, dass Sie uns in irgendeiner Form einschüchtern könnten. Steve und George, untersucht Mister Briscoe als Ersten!«

Dillaggio und Baker nahmen den Burschen in den Polizeigriff und fingen an, ihn zu durchsuchen.

Longobardi stöhnte. »Was soll denn das nur bedeuten? Ich habe doch alle Steuern bezahlt! Ich bin den Gesetzen getreulich nachgekommen! Wirklich, Sir, ich verstehe das nicht!«

»Wir werden uns dazu noch äußern, Mister Longobardi.«

Phil drehte sich um und sah zu, wie der widerstrebende junge Mann durchsucht wurde. Es dauerte nicht lange, bis George Baker ein längliches, schwarzes Etui zutage förderte. Er reichte es Phil, der es sofort öffnete.

Das Etui enthielt eine Injektionsspritze mit mehreren auswechselbaren Nadeln und einen kleinen Plastikbeutel. Phil zog den Beutel auf und fuhr mit angefeuchteten Fingern hinein. Etwas weißes Pulver, von dem der Beutel etwa fünf bis acht Gramm enthielt, blieb an Phils Finger haften. Mein Freund probierte es mit der Zungenspitze. Es schmeckte stark bitter.

»Lasst ihn los«, sagte Phil.

T. B. Briscoe junior rieb sich das gerötete Handgelenk. Keuchend starrte er auf das geöffnete Etui in Phils Händen.

»Sie sind verhaftet wegen Vergehen gegen das Rauschgiftgesetz«, erklärte Phil. »Wir behalten uns vor, weitere Beschuldigungen gegen Sie vorzubringen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass alles, was Sie von jetzt ab tun oder sagen, gegen Sie verwendet werden kann.«

Mit einer hastigen Bewegung fuhr Briscoes Rechte in die Jacketttasche, die ein wenig ausbeulte. Blitzschnell hatte er eine kleine, kurzläufige Pistole herausgerissen.

»Ihr mich verhaften!«, höhnte er. »Da müssen schon andere Leute kommen. Los, geben Sie mir das Etui wieder! Oder ich jage Ihnen eine Kugel in den Bauch!«

Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung wies Phil die zwei Kollegen an, stehen zu bleiben und vorläufig nicht einzugreifen. Langsam legte er das Etui mit dem kleinen Beutel hinter sich auf den Bartisch.

»Das Rauschgiftgesetz, Mister Briscoe«, sagte er gedehnt, »sieht Zuchthausstrafen für diejenigen vor, die ihm zuwiderhandeln. Auf Mord, Mister Briscoe, steht jedoch die Todesstrafe. Im Bundesstaat New York wird sie durch den elektrischen Stuhl vollstreckt. Wollen Sie auf den Stuhl?«

Langsam ging er auf den Burschen zu. »Geben Sie mir die Waffe«, sagte Phil und streckte den rechten Arm aus.

»Ich schieße«, stieß Briscoe heiser hervor. »Lassen Sie mich in Ruhe, oder ich schieße Sie über den Haufen!«

»Denken Sie an den elektrischen Stuhl«, warnte Phil. Für einen Herzschlag sah es aus, als wollte Briscoe aufgeben. Die Hand mit der Pistole sackte herab. Aber dann, plötzlich und unerwartet wie ein jäher Blitz, schoss die Hand wieder in die Höhe.

Phil sprang vor, packte mit beiden Händen das Gelenk, warf sich herum und riss den Arm des jungen Burschen mit. Ein Schuss löste sich und fuhr in den Verputz der Decke. Briscoe schrie schrill und durchdringend. Die Waffe polterte zu Boden. Phil ließ ihn los.

Der junge Bursche starrte mit geweiteten Augen vor sich hin. Dann lief ein Beben durch seinen Körper, und ein trockenes Schluchzen drang aus seinem weit geöffneten Mund.

Dominick Longobardi war kreidebleich. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn und glitzerte im Widerschein der brennenden Lampen, die über der Theke hingen. Wortlos ging Phil zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter.

4

Der Laden war so verkommen, dass kein Reiseführer gewagt hätte, es in der Spalte Hotel zu erwähnen. Dennoch nannte sich die Bude Hotel, allerdings fehlte von den Neonbuchstaben das T.

Als ich mich in die dunkle Halle begab, brauchte ich einen Augenblick, bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. In einem Sessel räkelte sich ein finster blickender Bursche mit einer brandroten Narbe an der rechten Schläfe. Er sah mich misstrauisch an, und ich tat dasselbe.

»Oh, hallo, Mister Hicks!«, ertönte eine ölige Stimme.

Ich marschierte zu der Empfangsloge. Ein hoch aufgeschossener, spindeldürrer Bursche mit eiförmiger, glänzender Glatze verzog sein Gesicht und zeigte mir zwei Zahnlücken.

»Tag, Buffalo Bill«, sagte ich und lehnte mich auf den Tisch. »Gut gefrühstückt?«

»Wie immer, Mr Hicks! Sie waren schon seit zwei Tagen nicht mehr bei uns!«

Ich nickte. »Ist Linda oben?«

»Aber ja, Mister Hicks!«

»Na fein. Ich geh mal rauf.«

»Selbstverständlich, Mister Hicks. Möchten Sie vielleicht was zu trinken mitnehmen?«

Mein Magen zog sich zusammen. Mir fiel ein, was der Kerl mir beim letzten Mal als Whisky angedreht hatte. Eine Art Brennspiritus oder ein Rattenvertilgungsmittel. Jedenfalls keinen Alkohol.

»Nicht so früh«, wehrte ich ab. »Man soll sich die besten Genüsse für den Abend aufheben.«

»Wie wahr, wie wahr!«, stimmte der Dürre zu.

Ich ging zur Treppe. Ich setzte misstrauisch den Fuß auf die unterste Stufe. Als ich ihr mein Körpergewicht anvertraute, protestierte sie quietschend. Mit der gebotenen Vorsicht stieg ich die Treppe hinauf. Ich erreichte das Obergeschoss. Hier war es etwas heller.

Die sechste Tür auf der linken Seite trug die Nummer 19, und dort blieb ich stehen und klopfte.

»Wer ist da?«, ertönte eine weibliche Stimme.

»Der Holzfäller«, erwiderte ich.

»Oh, Al, Liebling!«, flötete die Frau, Schritte wurden laut und dann ging die Tür auf. »Hallo, Sweetheart!«

Eine stark geschminkte, nach süßlichem Parfüm duftende Frau von ungefähr 25 Jahren erschien in der Türöffnung. Sie trug einen knallroten Pullover und einen kanariengelben Rock. Ich grinste sie an und betrat das Zimmer.

Sie schloss die Tür hinter mir und hängte ein Handtuch über die Klinke, so dass es das Schlüsselloch verdeckte. Ich zog wortlos mein Päckchen unter dem Jackett hervor und legte es auf den Tisch. Auf ein freies Blatt in meinem Taschenkalender kritzelte ich ein paar Zeilen, riss die Seite heraus und gab sie ihr. Sie las, nickte und verbrannte die Mitteilung in einem Aschenbecher, wo sie die schwarze Asche schließlich zu Pulver zerrieb.

Zehn Minuten lang schwatzten wir belangloses Zeug für die Ohren, die möglicherweise hinter der geschlossenen Verbindungstür lauschten. Dann konnte ich mich verabschieden, nachdem wir für den späten Nachmittag eine Verabredung getroffen hatten.

In der dunklen Eingangshalle brachte Buffalo Bill sein Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass ich schon wieder gehen wollte.

»An den Abend denken!«, mahnte ich mit erhobenem Zeigefinger.

»Ach ja, ach ja!«, stotterte er schnell.

Draußen auf der Straße sah ich mich gelangweilt um. Der Himmel war blassblau. Ein sanfter Wind strich durch die Häuserschluchten. Ich schlenderte langsam dahin und kam gegen halb zwölf in die Gegend, wo ich zurzeit wohnte. Mrs Hopkins war nicht zu Hause, aber ich durfte ihre Küche benutzen. Ich holte mir zwei Sandwiches und eine Dose Bier. Dann legte ich mich aufs Bett und schlief zwei Stunden.

Bis zum Abend würde alles ruhig bleiben. Selbst eine vorzüglich funktionierende Organisation braucht Zeit, um sich einer Lage anzupassen, die durch jähe Festnahmen und Durchsuchungen entstanden ist. Aber ab heute Abend stand mir einige Aufregung bevor.

Als ich aufwachte, grübelte ich eine Weile darüber nach, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich mir eine Pistole mitgebracht hätte. Aber dann entschied ich mich doch dafür, weiter ohne Waffe auszukommen.

Im nächsten Drugstore kaufte ich einen großen Umschlag mit einer Briefmarke. Ich schob die chinesische Zeitschrift hinein, die ich mir am Zeitschriftenstand im East Side Airlines Terminal gekauft hatte, schrieb eine Nachricht und klebte den Umschlag zu.

Ich adressierte den Umschlag an das District Office und der nächste Briefkasten nahm die Sendung auf. Nachdem ich mir eine Zigarette angesteckt hatte, beschloss ich, jemanden anzurufen.

Ich ging durch die 38th Street und betrat ein lang gestrecktes Gebäude. Mit den Händen in den Hosentaschen bummelte ich herum und hielt Ausschau. Später begab ich mich in eine Telefonzelle, warf eine Münze ein und wählte LE 5-7700. Myrna Sanders, die junge Telefonistin, meldete sich.

»Hallo, Myrna! Hier ist Jerry. Ist Phil im Haus?«

»Ich glaube ja. Aber er wird mit den Vernehmungen beschäftigt sein. Er brachte mehr als ein Dutzend festgenommene Personen mit, und inzwischen wimmelt es in den Korridoren von Rechtsanwälten und Angehörigen.«

»Okay, ich will ihn nicht stören. Verbinden Sie mich mit Sam Steinberg, wenn das möglich ist.«

»Einen Augenblick!«

»Hallo, Jerry? Hier ist Sam. Was gibt es?«

»Nimm einen Zettel und notiere dir drei Beschreibungen, Sam! Seht zu, ob wir Material über diese drei Burschen haben! Falls etwas vorliegt, lasst mir eine Abschrift zukommen.«

»Okay, Jerry. Ich bin bereit.«

Ich konzentrierte mich auf das Bild, das ich von meinen drei 70-Dollar-Freunden in Erinnerung hatte.

Als ich die Telefonzelle verließ, hielt ich Ausschau nach einem Drugstore und entdeckte einen am anderen Ende der Halle. Ich ging hinein und kaufte mir ein Päckchen Zigaretten.

Als ich den Drugstore verlassen wollte, sah ich sie.

Sie standen im Hintergrund des Ladens. Ich nahm die Hände aus den Taschen und ging auf die Burschen zu. Ich beobachtete sie fast zwei Minuten lang, bevor mich der Kleine bemerkte.

»Eh, Nat!«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Hallo, Ben! Seht, wer da ist!«

Nun wandten sich auch die beiden Größeren mir zu. Ihre Gesichter verfinsterten sich, als sie mich erkannten. Und ihre Hände verschwanden sofort in den Taschen, wo sie ihre Messer und Totschläger verbargen.

»Hallo, Mister«, näselte der Kleine, während sich seine Augen verengten. »Wollen Sie was Bestimmtes, Mister?«

»Ja«, sagte ich. »Ich will euch einen guten Rat geben: Legt mein Geld gut an! Wenn ich es mir nämlich zurückhole, werden einige Zinsen fällig.«

Ich ließ sie stehen und ging hinaus.

***

Phil saß an seinem Schreibtisch, steckte sich eine Zigarette an und brütete nachdenklich vor sich hin. Ein Klopfen brachte ihn in die Wirklichkeit zurück.

»Ja, bitte!«, rief Phil.

Steve Dillaggio kam herein, strich sich durch sein flachsblondes Haar und zog die Krawatte gerade.

»Nanu?«, staunte Phil. »Hattest du eine handgreifliche Auseinandersetzung?«

»Der Bruder eines Burschen, den wir wegen des Besitzes von 16 Ampullen Morphium festgenommen haben, ging auf mich los wie ein Stier. Besonders schien er sich für meine Krawatte zu interessieren.«

»Und?«

»Ich habe ihm klar gemacht, dass es ihn einige Monate kosten kann, wenn er nicht vernünftig wird.«

»Es wird nicht der Letzte sein, der auf uns losgeht. Bist du soweit?«

»Klar, Phil. Deswegen komme ich ja.«

»Geh ins Nebenzimmer, aber lass die Tür einen Spalt offen, damit du hörst, wenn es Zeit wird für deinen Auftritt.«

Dillaggio verschwand im benachbarten Office. Über das Haustelefon wies Phil an, ihm Dominick Longobardi vorzuführen. Wenige Minuten später wurde der dicke Barbesitzer hereingeführt.

»Nehmen Sie Platz, Mister Longobardi!«, sagte Phil höflich.

Der kleine Mann setzte sich ächzend, zog ein seidenes Ziertuch aus der Brusttasche und tupfte sich den Schweiß ab.

»Heiß heute«, sagte er und schielte zu Phil.

»Ja?«, murmelte Phil uninteressiert, während er in einer Akte blätterte, die gar nichts mit dem Fall zu tun hatte.

Longobardis Gesicht verfinsterte sich. Er starrte auf seine Schuhspitzen und blieb eine Weile still, wobei er allerdings ungeduldig auf seinem Stuhl herumrutschte. Gerade als er etwas sagen wollte, weil ihm das Schweigen an die Nerven ging, kam Phil ihm zuvor.

»Im Eifer des Einsatzes, Mister Longobardi«, erklärte Phil freundlich, »also im Eifer der Durchsuchung und der Festnahmen habe ich anscheinend vergessen, Ihnen den Grund für unsere Maßnahmen zu sagen. Oder tat ich das?«

»Nein«, rief Longobardi schnell, »nein, Agent, Sie sagten nichts.«

Phil nickte. Er nahm den Durchsuchungsbefehl, faltete ihn auseinander und studierte ihn so gründlich, als hätte er ihn noch nie gesehen. Dann klappte er ihn wieder zusammen und sagte: »Also, was ich sagen wollte, Mister Longobardi: Das ist eine böse Sache. Das kann ins Auge gehen.«

Der Barbesitzer fuhr sich mit der Zunge ein paar Mal über die Lippen und räusperte sich wenigstens sechsmal, bevor er heiser hervorstieß:

»Ich, also ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Agent. Das Ganze muss ein Irrtum sein! Ein schrecklicher Irrtum!«

»Irrtümer können überall auftreten«, räumte Phil ein. »Aber bevor zwei Richter von zwei voneinander unabhängigen Gerichten den Durchsuchungsbefehl unterschreiben, haben sie das vorliegende Material sehr gründlich in Augenschein genommen und geprüft, Mister Longobardi.«

»Nun ja, Sir, das will ich ja nicht bestreiten. Trotzdem können sich doch auch zwei Richter einmal irren, nicht wahr? Was wird mir denn zur Last gelegt?«

Phil stand auf.

»Sie handeln mit Rauschgift, Longobardi«, sagte er eisig.

»Ich?« Der Kleine sprang auf. Seine Miene sollte ausdrücken, dass er sich gekränkt fühlte. »Das ist eine infame Lüge! Ich verkaufe warme und kalte Speisen, Wein, Bier, Schnaps und Limonade, Zigarren und Zigaretten, alles zum sofortigen Verbrauch. Aber Rauschgift! Das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück!«

Longobardi ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Phil beobachtete den Barbesitzer. Er war nervös, daran gab es keinen Zweifel. Aber er war nicht ängstlich. Er schien sich sicher zu fühlen.

»Ich möchte meinen Anwalt anrufen«, sagte Longobardi plötzlich.

Die Bitte kam so unerwartet, dass Phil überrascht war. Wenn Longobardi mit seinem Anwalt sprechen wollte, was man ihm nicht verwehren konnte, so hätte er das längst tun können. Die meisten der festgenommen Personen hatten sofort nach ihrer Einlieferung im Zellentrakt ihre Anwälte und Angehörigen verständigen lassen. Wieso hatte es Longobardi noch nicht getan?

»Das Recht steht Ihnen zu«, murmelte Phil, ging zum Schreibtisch und nahm den Telefonhörer. »Sagen Sie mir seinen Namen und seine Anschrift, damit ich Sie verbinden lassen kann!«

»Es ist George Hamilton aus Spuyten-Duyvil, der Südecke der Bronx. Die Nummer ist MU 3-2156.«

Phil notierte die Nummer und gab sie an Myrna Sanders, die Telefonistin vom Tagdienst weiter.

Nachdem Myrna gewählt und verbunden hatte, hörte Phil in der Leitung das Rufzeichen. Gleich darauf ertönte eine männliche Stimme:

»Hallo?«

»Ist dort das Büro von Rechtsanwalt Hamilton?«, fragte Phil.

»Ja. Worum handelt es sich?«

»Einen Augenblick, Mister Dominick Longobardi möchte Sie sprechen.«

Phil reichte dem Barbesitzer den Hörer.

»George?«, krächzte Longobardi, räusperte sich und fuhr fort: »Bist du es, George? Hör zu, ich habe eine Bitte. Du musst meine Vertretung übernehmen. Das FBI hat in meinem Lokal eine Razzia veranstaltet, eine Haussuchung. Ich soll mit Rauschgift handeln. Alle sind festgenommen worden: Ich, die Serviererin, die Gäste, einfach alle. Wenn ich dir das am Telefon ausführlich erklären soll, reden wir heute Abend noch. – Gut, ja, ich verlasse mich auf dich. Danke. Wiedersehen, George, Wiedersehen.«

Er reichte den Hörer zurück, und Phil legte ihn auf. Dabei fragte er lächelnd: »Sie sind also unschuldig, Mister Longobardi?«

»Selbstverständlich, Agent!«, rief der Barbesitzer im Brustton der Überzeugung.

»So, so«, murmelte Phil. »Sie sagten vorhin, dass Sie auch Zigarren verkaufen. Handelt es sich dabei nur um eine bestimmte Sorte?«

»Natürlich nicht! Mein Sortiment umfasst zehn oder zwölf Preislagen.«

»Verkaufen Sie auch Forster-McLeen Zigarren’?«

»Ja, diese Marke führen wir. Obgleich es eine seltene Marke ist, geht sie bei uns recht gut.«

Phil sah den Barbesitzer genau an. Aber Longobardis Gesicht war voll Ahnungslosigkeit. War es möglich? Wusste dieser Mann tatsächlich nicht, was in seinem Lokal vor sich ging?

»Wir haben vier Kisten dieser Zigarren bei Ihnen beschlagnahmt, Mister Longobardi«, sagte Phil.

»Zigarren? Aber warum denn? Wieso werden meine Zigarren beschlagnahmt?«

Die Tür zum Nebenzimmer ging auf. Steve Dillaggio kam herein.

»Hallo, Mister Longobardi«, sagte er freundlich. »Erinnern Sie sich, dass Sie gegen zehn Uhr aus der Küche mit vier Kisten Forster-McLeen Zigarren’ ins Lokal kamen und diese Kisten in das Glasregal hinter der Bar stellten?«

»Natürlich erinnere ich mich!«

»Fein. Waren es vielleicht diese vier Kisten hier?« Dillaggio brachte seine scheinbar auf dem Rücken verschränkten Hände nach vorn und stellte vier Zigarrenkisten auf den Tisch. Longobardi schien nicht im Mindesten beeindruckt.

»Gut möglich, dass es diese waren«, gab er zu.

»Es sind diese Kisten, Longobardi. Ich sah Sie mit diesen Kisten aus der Küche ins Lokal kommen, und ich habe diese Kisten beschlagnahmt. Darf ich Ihnen eine solche Zigarre anbieten?«

»Danke, ich rauche keine Zigarren.«

»Schade. Sie sollten sich gerade diese Zigarren mal ganz genau ansehen. Sehen Sie nur, was sie für schöne Bauchbinden haben! Es ist nur seltsam, dass diese Bauchbinden alle so fest auf dem Deckblatt kleben. Man muss das Deckblatt zerreißen, wenn man die Bauchbinde abstreifen will.«

Dillaggio hatte eine der Zigarren herausgenommen und riss den rotgoldenen Papierstreifen ab. Als die Bauchbinde entfernt war, genügte ein leichter Druck, und die Zigarre brach dort auseinander, wo vorher der Papierstreifen gesessen hatte.

»Was sagen Sie dazu?«, fragte Dillaggio. »In der Zigarre befinden sich zwei Ampullen! Ist das eine Überraschung? Was mag bloß in den Ampullen sein? Am Ende gar Morphium?«

Der Barbesitzer sprang auf. Aus weit geöffneten Augen starrte er auf die Spitzen der beiden Ampullen, die aus den Teilen der Zigarre hervorlugten.

»Die Serviererin!«, keuchte er. »Holen Sie meine Serviererin! Holen Sie diese rothaarige Hexe!«

5

Detective Lieutenant Harry Easton blieb stehen. Er zog ein Streichholzheftchen aus der Hosentasche und las die Reklameaufschrift. Dann blickte er hinüber auf die andere Straßenseite.

»Da drüben ist es«, sagte er.

»Ja.« Detective Ed Schulz nickte. »Das ist es. Glauben Sie, dass uns die Streichhölzer weiterhelfen?«

»Versuchen müssen wir es. Kommen Sie, Ed!«

Sie überquerten die Straße und betraten das große Lokal. Es war gerade Lunchzeit in den benachbarten Fabriken und Büros. Frauen und Männer drängten sich eifrig schwatzend zu den Buffets, um ihre Kunststofftabletts mit dem Schnellimbiss abzuholen, denn hier herrschte Selbstbedienung. Die lange Theke war in sechs Schalter gegliedert, und an jedem gab es eine bestimmte Mahlzeit, die auf einem großen, von der Decke herabhängenden Plakat genau beschrieben wurde und mit dem Preis ausgezeichnet war.

»Was nehmen wir, Ed?«, fragte Harry Easton.

»Ein kräftiges Steak ist immer eine reelle Sache«, meinte der Sergeant und leckte sich die Lippen. »Abgesehen davon, dass ein einziges Steak für einen Mann wie mich ein bisschen wenig ist.«

»Kann ich mir denken.« Der Lieutenant schmunzelte. »Dann wollen wir uns anstellen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn ich Ihnen tragen helfen soll!«

»Schön wär’s«, seufzte der Sergeant. »Wenn ich nur genug Geld hätte, Harry, ich wette, dass ich vier von diesen Dingern mühelos verputzen könnte.«

Sie reihten sich in die Schlange vor dem Schalter ein, wo Steaks ausgegeben wurden. Es ging langsam, aber stetig voran. Vor Easton stand ein hagerer, junger Mann von etwa 30 Jahren. Als er an der Reihe war, sagte er zu der jungen Frau hinter dem Schalter: »Hallo, Jane!«

Eine jähe Röte schoss der hübschen Frau in die Wangen. Sieh an, dachte Easton, Romanzen am Massenabfertigungsschalter! Wo sich heutzutage nicht überall zarte Bande anknüpfen!

»Kommst du mit deiner Doktorarbeit gut voran, Philip?«, fragte sie.

Donnerwetter, dachte Easton. Doktorarbeit! Und ich hatte ihn für einen Hilfsarbeiter gehalten.

»Es geht schneller, als ich erwartet habe«, hörte Easton den jungen Mann erwidern. »Ich bin bei den Dosierungen, vielleicht kannst du dich erinnern.«

»Aber natürlich: Einzeldosis, Maximaldosis und so weiter. Noch mehr Chips, Philip?«

»Nein, danke, du mästest mich ja! Bleibt es bei heute Abend?«

Die Frau nickte und schenkte ihm einen liebevollen Blick.

Easton trat an den Schalter, denn der junge Mann war mit seinem Tablett davongegangen, um einen freien Platz zu suchen. Easton und Schutz bekamen ihre Portionen, suchten sich zwei Plätze und verzehrten schweigend ihr Essen.

Allmählich leerte sich das Lokal. Die Mittagsstunde war vorüber, und in den Fabriken und Büros ging die Arbeit weiter. Während sich Easton eine Zigarette ansteckte, holte Schulz von einem Schalter zwei Tassen Kaffee mit Milch und Zucker.

»Ziemlich große Bude hier«, murmelte Easton.

»Ja. Leider. Je größer so eine Bude ist, desto schwieriger wird es, was herauszukriegen.«

»Beim Essenausteilen gab es keine Streichhölzer.«

»Ich hätte mich auch gewundert. Wissen Sie, Harry, was ich annehme?«

»Sagen Sie es mir!«

»Der Betrieb ist hier so durchrationalisiert, dass sie wahrscheinlich auch eine besondere Ausgabe für Zigaretten und Zigarren haben.«

»Gut möglich. Da hinten sind ja noch ein paar Räume. Sehen wir uns mal um!«

Sie tranken den Kaffee aus und schlenderten an zwei Pfeilern vorbei in die hinten gelegenen Räume. Den Getränkeausschank fanden sie im zweiten Raum.

»Da drüben«, raunte Easton und zeigte in die Richtung. »Da drüben ist der Stand für die Zigaretten, Ed.«