Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 5 - Krimi-Serie - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 5 - Krimi-Serie E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 5: Drei actiongeladene Fälle und über 250 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

Die Jerry Cotton Sonder-Edition ist der echte Klassiker. Sie bietet dem Leser die Romane aus der Frühzeit der Serie und schickt ihn auf Zeitreise in die frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

In diesem Sammelband sind 3 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

13: Wir saßen auf dem Pulverfass

14: Der geheimnisvolle Coup

15: Tauchen in den Tod

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 555

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: javarman | mr.Timmi ISBN 978-3-7325-7029-4

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 5 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton Sonder-Edition - Folge 13Vor einem Motel war ein Truck gestohlen worden, auf dem sich 20 Kanister mit Nitroglyzerin befanden. Als wir den Truck in New York fanden, fehlten die 20 Kanister. Irgendwo in New York war der hochexplosive Sprengstoff versteckt, und es war eine tickende Zeitbombe, die tausende von Todesopfern kosten konnte ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 14Es begann alles mit einem Amtshilfeersuchen aus Georgia. Gesucht wurde Clarence Herald und man glaubte, er würde sich in New York aufhalten. Phil und ich machten uns auf den Weg und fanden ihn - als Leiche. Bald wurde aus einer Leiche eine zweite und eine dritte. Das alles schien mit einem geheimnisvollen Coup zusammenzuhängen, den irgendjemand in der Unterwelt plante ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 15Es hatte zwei Menschen das Leben gekostet, einer war der FBI-Agent Ted Robertson, bis wir die Koordinaten hatten, an denen die "Nautica" nördlich von Haiti auf dem Meeresgrund lag. In dem Schiff befanden sich Diamanten im Wert von mehreren Millionen Dollar, aber auch eine Mappe mit geheimen Dokumenten der US-Regierung. Die Diamanten interessierten uns vom FBI weniger, allerdings eine Gangsterbande um so mehr. Es begann ein tödlicher Wettlauf um die Bergung der kostbaren Fracht-Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Wir saßen auf dem Pulverfass

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

Wir saßen auf dem Pulverfass

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort: »Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Der Lastwagen war grellrot. An der Rückwand und an den Seitenwänden des geschlossenen Laderaumes warnten große weiße Buchstaben:

VORSICHT! SPRENGSTOFF! HALTEN SIE ABSTAND!

Der Wagen transportierte den empfindlichsten Sprengstoff, den die Chemie je entdeckt hat: Nitroglyzerin.

Im Licht seiner Warnlampen und Scheinwerfer rollte der Laster auf den großen Hof des Fernfahrer-Motels. Er rollte vorbei an riesigen Trucks und Lastzügen. Sie standen in langen Reihen nebeneinander, während die Fahrer im Motel ihr Abendessen einnahmen.

Der Sprengstoff rollte bis an das äußerste Endes des Hofes. Dort, von der Reihe der Trucks mehr als 200 Yards getrennt, hielt er an.

Der Fahrer stellte den Motor ab, stieg aus und verschloss den Wagen. Steifbeinig von der langen Fahrt ging er zum Motel und verschwand hinter der Eingangstür.

Zwanzig Schritte von dem Sprengstoffwagen entfernt, schoben sich zwei Männer aus dem Gebüsch der Hofumgrenzung. Der Größere von ihnen rieb sich die Hände.

»So, da wäre unser Schlitten«, flüsterte er. »Eine volle Stunde Verspätung. Ich fürchtete schon, er käme nicht mehr.«

»Warum kam er zu spät?«, fragte der Kleinere. Seine Stimme klang besorgt. »Du sagtest, er käme jeden Donnerstagabend pünktlich um zehn. Warum kommt er heute erst um elf?«

»Irgendwo und irgendwie wurde er aufgehalten! Was interessiert uns das? Hauptsache, er ist da, und wir können ihn kassieren.«

»Ob die Verspätung etwas mit der Ladung zu tun hat?«

»Wieso, Fat? Seit zwei Monaten beobachte ich den Schlitten. Fünfmal bin ich ihm die ganze Strecke nachgefahren. Ich weiß genau, was mit dem Zeug passiert. Sie beladen den Wagen am Mittwochabend. Die Nacht zum Donnerstag kutschieren sie das Nitro nach Tateville, wo sie es für die Sprengungen brauchen. Am Donnerstagmorgen entladen sie und beginnen sofort mit den Sprengungen. Der Wagen startet gegen Mittag zur Rückfahrt und ist gegen zehn Uhr hier. Wir kapern den Wagen, sobald sich die Jungs im Hotel zur Ruhe gelegt haben. Der Sprengstoffkutscher macht sich immer erst gegen neun Uhr morgens auf die Socken. Wenn wir seinen Schlitten ein oder zwei Stunden nach Mitternacht unbemerkt stehlen können, haben wir volle sieben Stunden Vorsprung. Wenn der Junge hier seinen Wagen vermisst, habe ich ihn schon in New York für meine Zwecke benutzt. Die Polizei und die Presse werden sich überschlagen. Die Cops werden sich die Haare raufen, und die Zeitungen werden schreiben: »Der raffinierteste Trick der letzten fünfzig Jahre.«

***

Der Fahrer des Sprengstoffwagens stand an der Theke des Gastraumes inmitten einer Gruppe von Truckfahrern. Er hielt ein Glas in der Hand, aus dem er von Zeit zu Zeit einen Schluck nahm.

»Ein größeres Durcheinander als dort oben habe ich noch nie gesehen«, fuhr er in seinem Bericht fort. »Sie hatten einen Wassereinbruch um drei Uhr morgens. Das Wasser platzte aus dem Berg heraus, an dem sie gerade herumbohren. Es riss das Bohrgerüst und drei Leute weg. Zwei Minuten später schwemmte es auf der Talsohle zwei Bagger und ein Dutzend Lastwagen weg. Außerdem fegte es einige tausend Kubikfuß mühsam aufgeschütteten Damms zum Teufel. Eine üble Sache, wenn Wasser in ein Staubecken platzt, solange der Damm noch nicht fertig ist. Ich wette, diese Panne verzögert die Arbeit um ein halbes Jahr.«

»Die Gesellschaft wird die Ingenieure im eigenen Saft schmoren lassen«, meinte einer der Truckfahrer. Der Nitrochauffeur grinste.

»Sie spürten den Groll schon, rannten herum und stritten sich darüber, wie sie der Katastrophe begegnen sollten. Einer von ihnen schnauzte mich an: Verschwinden Sie mit Ihrem verdammten Zeug! Es fehlt uns gerade noch, dass Sie auf Ihre Weise auch noch ein Loch in den Rest des Damms reißen.«

»Bist du dein Zeug schließlich losgeworden?«, fragte der Truckfahrer, der die Bemerkung über die Ingenieure gemacht hatte.

»Natürlich nicht! Sie hatten dort oben keine Ahnung, wann sie wieder sprengen konnten, und Lagermöglichkeiten für das Nitro besitzen sie nicht.«

»Willst du damit sagen, dass dein Wagen noch beladen ist?«, fragte der Wirt entsetzt.

Der andere nickte, als handele es sich um die harmloseste Sache der Welt. »Mit der üblichen Menge! Zwanzig Kanister zu je vier Gallonen.«

Das Lachen des Sprengstofffahrers unterbrach das betretene Schweigen. »Kerle wie Bäume und Angst wie Kinder.«

Einer der Männer brummte: »Ich bin kein Nitro-Kutscher und wollte es nie werden.«

»Und ich bin es seit zehn Jahren und will es bleiben, bis ich zu alt geworden bin, um noch ein Steuerrad zu drehen. Ihr überschätzt die Gefährlichkeit des Nitro.«

Der Wirt protestierte: »Ich hab ’ne Menge darüber gelesen! Es explodiert beim geringsten Stoß!«

»Es stimmt, das Nitro außerordentlich prompt auf Stoß und Schlag reagiert. Ich würde es nicht wagen, ein gewöhnliches Eisenfass nur zwei Yards weit zu rollen. Aber es macht mir nichts aus, 80 Gallonen über 500 Meilen zu kutschieren, wenn sie so verpackt sind wie das Nitro auf meinem Schlitten. Erstens ist jeder Behälter frei aufgehängt und von einem dicken Schaumgummipolster umgeben, zweitens handelt es sich um doppelwandige Kanister, konstruiert wie eine Thermosflasche. Das Nitro wird in gekühltem Zustand eingefüllt. Eine ordentliche Portion Kohlensäureschnee in den Zwischenräumen sorgt dafür, dass es während des Transportes kalt bleibt. In gekühltem Zustand ist das Nitro so harmlos wie eine Suppe aus Charlys Küche.«

»Wie lange hält der Schnee vor?«

»Das weiß ich nicht genau, aber ich denke, es reicht für eine Woche aus.«

Einer der Truckfahrer fragte:

»Wenn das Zeug so harmlos ist, wie du sagst, warum werdet ihr Burschen dann so verdammt hoch bezahlt?«

»Weil so viele niedrig bezahlte Burschen wie ihr die Landstraßen unsicher machen! Wenn einer von euch mit seinem Truck in meinen Schlitten donnert, dann ist es natürlich aus. Dann geht das Nitro hoch.« Er zeigte auf das Fenster, durch das in einiger Entfernung die Lichter seines Lastwagens zu sehen waren.

***

Die Zange!«, zischte der große Mann.

Sein Kumpan tastete hastig nach dem Werkzeug, erreichte es und ließ es fallen.

»Idiot!«

Die Taschenlampe flammte auf. Der Lichtkegel glitt über den Boden und erfasste die Zange. Die Männer bückten sich gleichzeitig und stießen mit den Köpfen zusammen.

»Verdammt! Mich muss der Teufel geritten haben, als ich ausgerechnet dich einsteigen ließ«, fluchte der Große.

»Entschuldige, Lew«, flüsterte der andere demütig.

Lew hantierte an der Wagentür. Es gab ein kratzendes Geräusch, als er den Haltestift aus dem Türgriff zog.

»Geschafft! Nimm das! Das Werkzeug zurück in den Koffer! Beeil dich!«

Er kletterte in das Fahrerhaus. Seine Finger glitten über die zahlreichen Knöpfe. Er wusste Bescheid, drückte zwei Hebel hoch und löschte damit die gelben Warnlichter und die Beleuchtung der Warnaufschriften.

Dann nahm er aus der Jackentasche einen flachen Schlüssel und stecke ihn ins Zündschloss. Es hatte ihn viel Mühe gekostet, diesen Schlüssel zu beschaffen. Er war nicht sicher, ob er passen würde, aber als er ihn drehte, leuchtete Öldruck- und Ladekontrolllampe auf, und der Kraftstoffanzeiger zeigte halbvoll an.

Der Mann lächelte triumphierend. Es wäre für ihn unangenehm gewesen, wenn er die Zündung hätte kurzschließen müssen, denn dann hätte die Batterie die lange Fahrt nicht überstanden. Es wäre eine Menge Zeit verloren gegangen, wenn er die vorsorglich bereitgestellten Reservebatterien hätte einbauen müssen.

Er beugte sich zur Seite und entriegelte die Tür zum Beifahrersitz.

»Wo bleibst du? Steig ein!«

Der andere war um den Wagen herumgegangen. Mit dem Koffer in der Hand stand er vor der Tür.

»Das kann schief gehen, Lew!«, flüsterte er. »Wenn nun doch von dem Zeug …«

»Steig ein oder ich drehe dir den Hals um!«

Der Kleine kletterte ins Führerhaus.

»Tür zu!«

Um keine Erschütterung zu verursachen, zog Fat die Tür so sachte zu, dass sie nicht ins Schloss fiel. Der andere griff an ihm vorbei und zog sie mit einem Ruck zu. Der Kleine zuckte bei dem leisen Geräusch zusammen.

Lew ließ den Motor anspringen. Um wenig Lärm zu machen, ließ er den Wagen mit wenig Gas an den Trucks vorbei vom Platz rollen. Er fuhr ohne Beleuchtung und schaltete die Scheinwerfer erst ein, als er eine Meile von dem Fernfahrer-Motel entfernt war.

»Gib mir ’ne Zigarette, Fat!«

»Darf man denn hier rauchen?«

Lew lachte laut. »Deine Angst ist so groß, dass man sie im Zirkus zeigen könnte. Der kleine Mann mit der größten Angst der Welt! Auf diesem Wagen kannst du rauchen, trinken und Twist tanzen.«

Lew beugte sich, ohne das Steuer loszulassen, zu ihm hinüber und schrie ihm ins Gesicht: »Dieser Karren ist leer! Wann wirst du das endlich kapieren?«

»Ich glaub es erst, wenn ich es gesehen habe«, sagte Fat hartnäckig.

Lew trat so hart in die Bremse, dass die Reifen kreischten und der Wagen schlitterte.

»Also sieh nach, Feigling!«, fauchte er. »Im Handschuhfach müssen die Schlüssel zum Laderaum liegen. Vorwärts! Vorher bist du ja doch zu nichts zu gebrauchen.«

Er kramte im Handschuhfach. »Ist er das?«, fragte er und hielt einen Schlüssel hoch.

»Keine Ahnung! Probier’s aus!«

Der Kleine stieg aus und ging nach hinten. Lew blieb sitzen und knurrte Flüche vor sich. Er war im Begriff, sich eine zweite Zigarette anzuzünden, als er Fats überkippende Stimme hörte. »Lew!«

Geschmeidig glitt er aus dem Fahrerhaus und hetzte mit drei großen Sprüngen nach hinten. »Bist du verrückt, so zu schreien?«

Ein Flügel der Ladetür stand offen. An der Decke des Laderaumes brannte eine Lampe. Lew sah braune, runde Behälter, die einzeln in Haltevorrichtungen hingen, immer vier nebeneinander und in fünf Reihen gestaffelt.

»Nitro!«, heulte Fat. Ein krampfhaftes Zittern befiel ihn.

Lew fuhr ihn an: »Die Dinger sind leer!«

Mit einem Satz sprang Lew dann auf die Ladefläche, nahm die Taschenlampe und ließ den Lichtschein auf den ersten Kanister fallen.

Mit der freien Hand griff er nach dem doppelten Hebelverschluss. Als er den Behälter berührte, spürte er die Kälte, die von seinen Wandungen ausging. Zum ersten Mal empfand er eine Art Bestürzung.

Er öffnete die Verschlüsse und klappte den Deckel hoch. Unwillkürlich stieß er einen Fluch aus, als das Licht sich in einer bräunlichen, öligen Flüssigkeit spiegelte. Kein Zweifel! Die Kanister waren randvoll mit Nitroglyzerin. Fat hörte den Fluch und bemerkte das Zögern.

»Voll!«, kreischte er. »Ich haue ab!«

Er warf sich herum, aber Lew sprang ihn von der Ladefläche herunter an, erwischte ihn an der Schulter und riss ihn zurück. Eine Sekunde später spürte Fat den Druck kräftiger Finger an der Kehle.

»Hör zu, Krosky!«, zischte ihn Lew an. »Ich habe dich nicht gezwungen mitzumachen. Ich hätte ein Dutzend Jungs finden können, die sich die Finger nach solch einem Fischzug leckten. Du hast dich aufgedrängt, hast behauptet, du wärst der beste Mann, den es gäbe, und ich habe dir geglaubt. Jetzt brauche ich dich, und du wirst bei der Stange bleiben.«

»Wir können doch die Sache nicht mit all dem Nitro auf dem Wagen starten«, jammerte Fat. »Das wäre Wahnsinn, Lew! Der ganze Straßenzug flöge dabei in die Luft! Und wir …«

Die Vorstellung überwältigte ihn und raubte ihm den Atem.

Lew lockerte den Griff. Er hatte einiges über Sprengstoffe gelesen und wusste ungefähr, wie Nitroglyzerin sich verhielt.

»Sperr deine Ohren auf, Fat! Das Zeug befindet sich in Kühlbehältern. Solange es kalt ist, ist es nicht besonders gefährlich. Wir haben Zeit genug abzuladen.«

»Ich fasse sie nicht an!«, schrie Fat.

»Okay, ich werde allein abladen.«

Der Vorschlag schien Fat einzuleuchten. »Meinetwegen«, japste er. »Ich lauf ’ne Meile voraus! Wenn du abgeladen hast, kannst du mich einholen.«

Lew schüttelte ihn. »Ich kann die Kanister nicht hier abladen. Sie würden sie auf Anhieb finden und wüssten, dass der Wagen ungefährlich ist. Nein, Fat! Wir müssen das Zeug nach New York hineinschaukeln. Ich weiß einen guten Platz, wo wir es loswerden.«

Es war zu dunkel, dass Lew das verschlagene Glitzern in Fats Augen hätte sehen können.

»Also gut! Ich glaube dir«, sagte er und seufzte. »Wenn es doch knallt, werden wir nie mehr unter Zahnschmerzen zu leiden haben.«

»Endlich vernünftig?«, knurrte Lew, wartete keine Antwort ab, sondern kletterte, sehr viel vorsichtiger als beim ersten Mal, auf die Ladefläche.

Er legte den Deckel des Behälters auf und drückte beide Hebelverschlüsse zurück. Im gleichen Augenblick hörte er ein Geräusch, und das Licht erlosch.

Er schnellte herum und prallte gegen die Tür, die Fat zugeworfen hatte. Die Flügel flogen auf. Lew stürzte auf die Straße, fiel in die Knie, sprang hoch und sah sich um. Die Dunkelheit hatte Fat schon verschluckt.

2

Zwanzig Minuten nach neun Uhr morgens fuhr ein geschlossener, grellrotlackierter Wagen durch die 14th Street in New York in Richtung Fourth Avenue.

VORSICHT! SPRENGSTOFF! HALTEN SIE ABSTAND!

warnten große Buchstaben an den Seitenwänden.

Ewa in Höhe des Block 432 erhöhte der Fahrer die Geschwindigkeit. Eine Sekunde später geschah es.

Der Wagen brach nach rechts aus, fuhr auf den Bürgersteig, kam unter dem Fauchen der Luftdruckbremsen beinahe zum Stehen, rammte aber dennoch Stoßstange und Kühler in die große Schaufensterscheibe eines Geschäftes. Glas zerprasselte klirrend.

Im Handumdrehen brach eine Panik aus.

Aus Angst vor der Explosion rannten die Leute auf den Gehsteigen nach allen Seiten weg. Die Wagen auf der Fahrbahn stoppten. Türen flogen auf. Die Fahrer verließen ihre Autos in wilder Flucht. Im Innern des Ladens, dessen Schaufenster der Sprengstoffwagen gerammt hatte, kreischten die Verkäuferinnen, liefen zu den Hinterausgängen und rissen die beiden Männer mit in die Flucht.

Schrille Alarmglocken setzten ein. Ein Verkehrspolizist, der an der nächsten Kreuzung postiert war, kämpfte sich gegen den Strom der Flüchtenden zum Unfallort. Erst als der Cop auf 200 Yards heran war, sah er, was für ein Wagen den Unfall verursacht hatte.

»Oh, verdammt«, murmelte der Polizist.

Er stürzte zur Ecke zurück und riss den Hörer vom Notruftelefon.

»Schnell!«, schrie er. »Schickt die Feuerwehr! Ein Sprengstoffwagen ist in Hedborns Juwelierladen gerast. Die Häuser müssen geräumt werden. Es kann jeden Moment eine furchtbare Explosion geben.«

***

Die Besatzungen der Streifenwagen hielten sich in angemessener Entfernung. Police Captain Roward von der City der mit dem vierten Fahrzeug in der 14th Street erschien, berührte den Arm seines Fahrers.

»Halten Sie an, Ted! Der Wagen ist mit Nitroglyzerin beladen! Er wurde in Connecticut von einem Parkplatz gestohlen. Die Meldung lief vor einer Viertelstunde ein. Die Häuser und die Straße müssen sofort geräumt werden.«

Roward organisierte den Einsatz seiner Beamten. Sie begannen damit, die Bewohner der benachbarten Häuser aus ihren Wohnungen zu holen.

Wenig später raste der erste Wagen der Feuerwehr heran. Der Police Captain sprach mit dem Einsatzleiter. »Können Sie dafür garantieren, dass Sie den Schlitten aus dem Schaufenster holen, ohne dass seine Ladung hochgeht?«

Der Feuerwehrchef zuckte mit den Schultern. »Kommt auf die Ladung an.«

»Nitroglyzerin.«

Der andere pfiff durch die Zähne. »Nitro? Unter diesen Umständen ist es ein Wunder, dass dieser Teil der 14th Street nicht längst ein Trümmerhaufen ist. Haben Sie die Gesellschaft informiert, der das Auto gehört?«

»Wird sofort geschehen.«

Roward hängte sich an das Funkgerät seines Dienstwagens, telefonierte mit zwei Stellen des Präsidiums und erhielt nach wenigen Minuten den Bescheid, Chemiker der Fabrik, die das Nitroglyzerin herstellte und verlud, würden sofort zur 14th Street gefahren. Die Räumung der Häuserblocks musste fortgesetzt werden.

Der Captain ließ diesen Teil der 14th Street sperren und sorgte dafür, dass die Bewohner bis hinter die Sperren gebracht wurden. Seien Beamten hatten eine Menge Ärger mit Fotoreportern, die ohne Rücksicht auf die Gefahr den Sprengstoffwagen aus nächster Nähe knipsen wollten.

Einer von ihnen rief dem Polizeichef zu: »He, Chef! Wo ist der Fahrer des Wagens?«

»Der Wagen wurde gestohlen! Der Mann hat sich aus dem Staub gemacht.«

»Und warum hat er den Schlitten ausgerechnet in einen Juwelierladen gelenkt?«

Roward machte sich seine eigenen Gedanken darüber, obwohl es ihm völlig unsinnig schien, einen Nitro-Laster zum Rammen eines Schaufensters zu benutzen.

Nun, der Mann war davongekommen. Ob er die Verwirrung benutzt hatte, das Schaufenster auszuräumen, würde sich herausstellen. Zunächst aber musste der Wagen unschädlich gemacht werden.

Die Chemiker der Sprengstofffabrik kamen, während die Räumung noch lief. Sie stellten sich als Dr. Smeat und Dr. Hackland vor. Smeat war ein älterer Mann, der ein wenig schmuddelig wirkte. Hackland war bedeutend jünger. Er trug eine goldgeränderte Brille und eine Bürstenfrisur.

»Ich hoffe, Sie können uns von dem verdammten Zeug aus Ihrer Giftküche befreien«, wurden sie von Roward begrüßt.

»Wir haben einen zweiten Transportwagen angefordert«, antwortete Hackland. »Sobald er hier eingetroffen ist, werden wir das Nitro umladen.«

Der Captain verzog das Gesicht.

Dr. Smeat fügte hinzu: »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wenn die Behälter intakt geblieben sind, ist das Umladen ungefährlich.«

»Soll das heißen, dass ich die Räumung der Wohnungen stoppen kann? Nichts täte ich lieber. Sie sehen, welchen Ärger meine Leute damit haben. Vorsichtsmaßnahmen sind also unnötig?«

»Das wollte ich nicht sagen, Captain. Bei Nitroglyzerin muss man immer vorsichtig sein. Es ist ja auch möglich, dass doch ein Behälter beschädigt wurde. Wenn nur etwas von dem Nitro ausgelaufen ist, dann nimmt es natürlich sofort die Temperatur seiner Umgebung an, und die Explosionsgefahr steigt. Bei einer Temperatur von null Grad ist Nitro nur halb so explosiv wie bei …«

Sein jüngerer Kollege zuckte die Achseln, drehte sich um und ging auf den Sprengstoffwagen zu. Hackland ging einmal um den Wagen herum. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte ins Fahrerhaus, dessen Tür offen stand. Dann ging er zum Heck. Er zog ein Schlüsselbund aus der Tasche, prüfte einen Schlüssel und schob ihn ins Schloss der Ladetür.

Als Hacklands Hand den Wagen berührte, wurde es totenstill. Jeder der Männer hielt den Atem an.

Roward sah, wie der Chemiker sich in den Verladeraum hineinbeugte, kurz danach aufrichtete, umdrehte und zurückkam.

»Captain, man hat Ihnen ein hohles Ei verkauft. Auf dem Wagen befindet sich nicht ein Tropfen Nitroglyzerin.«

Roward empfand ein Gefühl ungeheurer Erleichterung.

»Blasen Sie die Räumung ab!«, rief er seinem Adjutanten zu. »Lassen Sie die Autos von der Fahrbahn schaffen und bereiten Sie alles vor, damit der Verkehr freigegeben werden kann! Außerdem muss ich alle Personen sprechen, die sich in dem Juwelierladen befanden, als der Laster ins Schaufenster fuhr.«

Er wandte sich an die Chemiker. »Es scheint festzustehen, dass es sich um Raub handelt. Raffinierter Einfall von dem Burschen, einen Sprengstoffwagen zu benutzen. Es bewahrte ihn davor, dass sofort Jagd auf ihn gemacht wurde, als die Alarmglocken schrillten. Jeder hatte genug damit zu tun, sich in Sicherheit zu bringen.«

Er rückte seine Mütze aus der Stirn. »Ist das eigentlich der Wagen, der das Nitro an Bord hatte, als er gestohlen wurde?«

»Ohne Zweifel«, antwortete Hackland. »Ich überwachte die Verladung am Mittwochabend.«

»Und das Zeug wurde am Staudamm nicht abgenommen? Der Wagen machte sich mit voller Beladung auf den Rückweg?«

»Auch richtig. Ich telefonierte im Laufe des Donnerstags mit der Bauleitung und gab meine Einwilligung für den Rücktransport. Bei dem von uns benutzten Kühlsystem bestand keine Gefahr. Dass der Wagen gestohlen werden würde, konnte ich nicht ahnen.«

Roward machte eine wegwerfende Geste. »Selbstverständlich trifft Sie keine Schuld! Aber, zum Teufel, wo ist das Nitro jetzt?«

Er sah die Chemiker an, als erwarte er von ihnen ein Antwort. Er erntete nur ein Schulterzucken.

Roward gab einen wütenden Knurrlaut von sich.

»Eine Minute lang hoffte ich, die Sache ginge harmlos aus. Wir können unmöglich 80 Gallonen Nitroglyzerin in der Gegend herumliegen lassen, bis irgendwer zufällig darauftritt. Ich werde das FBI einschalten.«

3

Mr High, unser Chef, saß am Kopfende des Tisches im kleinen Konferenzsaal. Links von ihm saßen Captain Roward, der müde aussah, die Chemiker Dr. Hackland und Dr. Smeat und ein kleiner glatzköpfiger Mann mit nervösen Bewegungen. Es war Mr Herborn, der Besitzer des Juwelierladens.

Rechts vom Chef saßen Phil und ich. So wie die Dinge standen, sah es aus, als würde für uns eine Menge Arbeit aus dieser Konferenz erwachsen.

Roward hatte seinen Bericht erstattet. Nach kurzem Schweigen sagte Mr High: »Der Mann hat also achtzig Gallonen Nitroglyzerin irgendwo abgeladen. Der flüssige Sprengstoff ist in Behälter abgefüllt. Es ist nicht anzunehmen, dass die Behälter beim Abladen beschädigt wurden. Der Mann wird sehr vorsichtig damit umgegangen sein.« Er wandte sich an Dr. Hackland.

»Wie lange hält die Kohlensäure das Nitro auf so niedriger Temperatur, dass es nicht explodiert?«

»Wir wollen uns nicht missverstehen. Ich möchte noch einmal klarstellen, dass die Kälte die Explosionsgefahr des Nitroglyzerins zwar herabsetzt, aber nicht aufhebt. Bei unsachgemäßer Behandlung, schweren Stößen zum Beispiel, explodiert auch gekühltes Material.«

»Danke! Ich formuliere also meine Frage anders. Wie lange können wir mit verminderter Explosionsfähigkeit rechnen?«

»Eine Woche, von heute an gerechnet.«

Mr High dachte kurz nach.

»Dann müssen wir die Bevölkerung warnen, Bitte, stellen Sie uns Bilder der Behälter zur Verfügung! Wir werden sie vom Fernsehen ausstrahlen lasse.«

»Ein Fressen für die Zeitung«, brummte Phil.

Der Chef sah ihn und mich an. »Wir können uns natürlich nicht darauf verlassen, dass die Warnaktion Erfolg hat. Sie beide werden versuchen, das Zeug zu finden.«

Der Juwelier Herborn, dessen Bewegungen immer nervöser geworden waren, konnte sich nicht länger beherrschen. Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

»Ich höre, dass hier immer von dem Sprengstoff die Rede ist. Wollen Sie sich um meine Juwelen gar nicht kümmern? Schließlich habe ich für 60 000 Dollar Steine, Ringe und Ketten verloren. Halten Sie das für einen Pappenstiel?«

»Beruhigen Sie sich, Mister Herborn!«, mischte ich mich ein. »Der Mann, der den Sprengstoff-Truck stahl, ist derselbe, der Ihr Geschäft beraubte. Wir suchen also zwangsläufig nach Ihren Juwelen, wenn wir nach dem Nitro suchen.«

Ich wandte mich an den Police Captain. »Der Fahrer des Nitro-Lasters ist nicht gesehen worden?«

»Wir haben zwei Aussagen von Zeugen, die gesehen haben wollen, dass ein Mann im Overall aus dem Wagen sprang. Die Beschreibungen sind ungenau und praktisch wertlos.«

Meine nächste Frage galt dem Juwelier.

»Vermissen Sie ausschließlich Juwelen, aus dem Schaufenster, oder fehlt auch Schmuck aus dem Innern des Geschäftes?«

»Fast die Hälfte wurde aus den Vitrinen im Laden geraubt.«

»Hm, ich glaube nicht, dass der Täter die Nerven besaß, durch das zerbrochene Fenster in den Laden einzusteigen. Ich nehme an, dass sich ein Komplize im Geschäft befand. Wer hielt sich im Laden auf.«

»Drei Verkäuferinnen, ein Verkäufer und der Geschäftsführer. Außerdem eine Frau, die ein paar Verlobungsringe kaufen wollte. Sie wurde von dem Verkäufer bedient und war noch mit dem Aussuchen beschäftigt.«

»Eine Frau?«

Roward schüttelte den Kopf. »Diese Frau kommt als Komplizin nicht in Frage, Cotton. Nach ihren Angaben ist sie zusammen mit dem Verkäufer durch den Hinterausgang geflohen. Ich habe ihre Personalien überprüfen lassen. Sie ist mit einem Getreidehändler verheiratet, der einige Millionen Dollar schwer ist. Die Ringe kaufte sie für ihren Sohn. Außerdem sah sie nicht aus wie jemand, der blitzschnell einen Juwelenladen ausräumen könnte.«

»Haben Sie das Personal unter die Lupe genommen?«

Die Frage brachte Herborn auf die Palme. »Für mein Personal stehe ich ein«, kläffte er. »Sie werden keine Gangsterbraut unter meinen Verkäuferinnen entdecken.«

»Tut mir leid, Mister Herborn, aber wenn sich nur eine Kundin in ihrem Geschäft befand und wenn alles dafür spricht, dass diese Kundin als Komplizin ausscheidet, dann bleibt uns keine Wahl, als Ihre Angestellten ins Auge zu fassen.«

Roward suchte ein Blatt aus den mitgebrachten Papieren.

»Vielleicht kommen wir auf andere Weise weiter. Ich habe hier die Aussage der Verkäuferin Eleonor Lefield. Unmittelbar bevor der Wagen ins Schaufenster fuhr, will sie eine Frau gesehen haben, die vor der Eingangstür zum Laden stand und die Auslagen in den Seitenvitrinen betrachtete. Miss Lefield beschreibt die Frau als ziemlich groß, dunkelhaarig, ohne Hut und mit einem blauen Popelinemantel bekleidet.«

Er zeichnete einen Grundriss auf eine Blatt Papier. »Die Eingangstür zu Mister Herbons Geschäft liegt ungefähr drei Fuß zurück und seitlich vom großen Schaufenster. Sie ist ebenfalls völlig aus Glas. Mir scheint es denkbar, dass eine Komplizin im Eingang wartete und das Geschäft erst betrat, nachdem der Wagen die große Glasscheibe zertrümmert hatte.«

»Durchaus möglich«, stimmte ich zu. »Haben Sie eine Vorstellung, Roward, wer von den bekannten Jungs auf den Trick mit dem Sprengstoffwagen hat kommen können?«

Der Captain schüttelte den Kopf. »Ich habe schon darüber nachgedacht, aber ich kam zu keinem Resultat.«

***

Die Abendausgaben aller New Yorker Zeitungen brachten Bilder des Sprengstoffwagens im Schaufenster des Geschäftes. Die Journalisten hatten natürlich herausgefunden, dass der Wagen kein Nitro geladen hatte. Sie bezeichneten den Gangster als geschickten Bluffer.

»Wir können in diesem Fall nicht warten, bis der Junge versucht, seine Beute an einen Hehler zu verkaufen. Ich bin sicher, dass er kein Anfänger ist. Er wird seinen Schatz unter seiner Matratze verstecken und ein halbes Jahr darauf schlafen, bevor er sich anschickt, ihn zu Geld zu machen. Ich denke, wir sollten mit dem Admiral sprechen.«

Admiral nannten die Matrosen englischer Schiffe den Besitzer einer obskuren Kaschemme in der Nähe des 48. Piers. In den Akten der Polizei stand er unter dem Namen Hank Sullivan mit einem Dutzend Vorstrafen verzeichnet.

Allerdings hatte Sullivan seine letzte Strafe vor acht Jahren abgesessen. Seitdem bemüht er sich, mit der Polizei auf leidlich gutem Fuße zu bleiben. Aus diesem Grund waren hin und wieder bei ihm Tipps zu holen, die nirgendwo sonst zu bekommen waren.

Als wir die Kneipe betraten, war es etwa acht Uhr abends. Zu dieser Zeit war sie noch leer. Bei Sullivan begann der große Rummel nicht vor Mitternacht. Dann allerdings eignete sich sein Laden nicht mehr für brave Familienväter.

Die Kellner des Admiral, zwei ehemalige Preisboxer der Schwergewichtsklasse, standen hinter der Theke und spülten Gläser. Sullivan saß an einem Tisch und beschäftigte sich mit irgendwelchen Abrechnungen.

Außer ihm saß nur noch ein kleiner, dicklicher Mann mit Stirnglatze an einem Ecktisch, nahezu vergraben in einem Stoß Zeitungen, mit denen er ständig raschelte.

Wir setzten uns an Sullivans Tisch. Der Wirt sah auf und legte sein langes, verknittertes Gesicht in sorgenvolle Falten.

»Nicht erfreut, uns zu sehen, Admiral?«, fragte ich.

Er rückte an seiner schmalen, stramm geknoteten Krawatte. Hank tat sich einiges auf sein englisches Aussehen zugute und unterstrich es durch entsprechende Kleidung.

»Kann mich nicht erinnern, von euch jemals ’ne gute Nachricht gehört zu haben«, antwortete er. Trotz seines englischen Gehabes verriet sein Slang die Herkunft aus der Bronx.

»Hank, es handelt sich um einen Juwelenraub, 60 000 Dollar Beute, falls der beraubte Juwelier nicht übertrieben hat.«

Der Admiral nickte anerkennend. »Recht ordentlich! Wenn der Junge einen guten Hehler findet, der ihn nur mäßig übers Ohr haut, kann er 20 000 herausholen. Warum beschäftigt ihr euch damit? Ich dachte, ihr werdet zu hoch bezahlt, um 20 000 Dollar-Fälle zu klären?«

»Es kommt nicht auf die Höhe der Beute an, sondern auf die Umstände. Es handelt sich um den Raub in der 14th Street.«

Er zuckte die Schultern. »Nichts davon gehört.«

»Lassen wir den Spaß. Wir suchen den Mann nur in zweiter Linie wegen der geraubten Juwelen. Bei der Sache gerieten achtzig Gallonen Nitroglyzerin in falsche Hände. Das Zeug muss unschädlich gemacht werden, bevor damit Unheil angerichtet wird.«

»Ah, jetzt weiß ich, wovon du redest, G-man. Sie gaben eine Beschreibung der Kanister im Radio durch. Ich hörte es mit einem Ohr. Ist das Zeug wirklich so gefährlich?«

»Fast so gefährlich wie der Whisky, den du verkaufst«, sagte Phil und grinste.

»Ihr wisst, dass ich euch gern gefällig bin«, sagte der Admiral leise, »aber in diesem Fall habe ich keinen Tipp für euch.«

Für einige Minuten herrschte Schweigen. Dann sagte Phil: »Du bist zweimal wegen Hehlerei bestraft worden, Hank, Hehlerei mit gestohlenen Juwelen.«

Sullivan biss sich auf die Unterlippe. Er liebte es nicht, an seine Vorstrafen erinnert zu werden.

»Ich weiß nichts«, erklärte er knapp. Er schickte sich an, sich wieder mit seinen Abrechnungen zu beschäftigen.

Phil und ich wechselten einen Blick. Wir kannten die Bereitschaft des Admiral zu Auskünften. Wir wussten, dass er sich nur dann ein Schloss vor die Lippen hängte, wenn es sich um ein Verbrechen handelte, an dem große und gefährliche Gangführer beteiligt waren.

Der Raub in der 14th Street war aber aller Wahrscheinlichkeit nach die Tat eines Einzelgängers und seiner Komplizin. Also wusste Sullivan offenbar wirklich nichts.

Ich schob den Stuhl zurück und wollte aufstehen, als die Tür geöffnet wurde. Drei Männer betraten die Kaschemme: Larry Link und seine beiden Leibwächter. Sie hießen Tonio Arro, genannt der Tenor, und Beryl Row, den seine Kumpane wegen seiner Schlitzaugen den Tataren nannten.

Link sah Phil und mich im gleichen Augenblick, in dem wir ihn erblickten. Er stockte und hätte offenbar gern den Rückzug angetreten, entschloss sich dann aber, keine Angst zu zeigen. Er zauberte ein erfreutes Grinsen auf sein Gesicht, als sehe er in uns lang entbehrte Freunde, und marschierte auf uns zu.

»Hallo, G-men!«, jubelte er. »Nett, euch Jungs mal wieder zu begegnen. Habt ihr auch Durst?«

Larry Link galt als so übler Bursche, dass er nicht einmal bei anderen Gangstern beliebt war. Was Larry Link zu einer Besonderheit unter New Yorks Gangstern machte, war die Art, in der er seine Geschäfte betrieb.

Link kommandierte keine eingespielte Organisation. Er bezog seine Einkünfte nicht aus einem aufgebauten Racket einem Rauschgiftring oder einer Spielhöllenkette. Er war ein Wilderer im Dschungel der Unterwelt, ein Freibeuter und Pirat, der an sich riss, was ihm in die Finger geriet.

Links Name wurde im Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Verbrechen genannt, ohne dass ihm im Einzelfalle die Täterschaft nachgewiesen werden konnte. Fast immer handelte es sich um Fälle, in denen Gangster mit Gangstern wegen der Beute aus einem Verbrechen aneinander gerieten. Obwohl Link mit Sicherheit nicht an allen diesen Auseinandersetzungen beteiligt war, nannte ihn die Unterwelt: den Parasit.

Link drehte den Kopf zu Arro und Row, die links und rechts einen halben Schritt hinter ihm standen.

»Die G-men mögen uns nicht, Jungs«, sagte er. »Wir werden unseren Drink allein hinunterspülen müssen.«

»Besser so«, knurrte Row. »Ich mag die G-men auch nicht. Mit ’nem G-man neben mir an der Theke schmeckt der älteste Scotch wie Spülwasser.«

Die Burschen parkten an der Theke, wo einer von Sullivans Kellnern sich beeilte, ihre Wünsche zu erfüllen.

Der Parasit hatte sich seine Gorillas sorgfältig ausgesucht. Berryl Row kam aus der Totschlägergarde einer Gang, die Anfang der 50er Jahre das Hafenviertel terrorisiert hatte. Er war berüchtigt wegen seiner Brutalität. Er trug immer den gleichen schmutzigen Anzug, Krawatten, die Stricken ähnelten, und Schuhe, die vor Schmutz starrten. Sein Seifenverbrauch lag weit unter dem Durchschnitt. Sein Hass auf die Polizei war ungefähr so groß wie seine Abneigung gegen Waschwasser.

Sein Gefährte Tonio Arro sah aus wie eine schwarzgelockte, braunäugige Ausgabe seines Chefs. Er stammte aus New Yorks Italienerviertel, war etwa 25 Jahre alt und hielt sich für einen begnadeten Sänger. Wenn er ein gewisses Quantum Alkohol getrunken hatte, begann er unweigerlich zu singen.

Die Vorliebe für den Gesang hatte ihn jedoch nicht davon abgehalten, unter Links Obhut zu einem gefährlichen Gewaltverbrecher heranzuwachsen.

Beide Gorillas besaßen ein wenig Intelligenz, aber Link verfügte über ein vorzüglich funktionierendes Gehirn. Er brauchte Leute mit blindem Gehorsam und absoluter Skrupellosigkeit.

Während die Gangster den ersten Whisky hinuntergossen, fragte ich Sullivan: »Kommt Link oft in deinen Laden?«

»Sehr selten. Im letzten halben Jahr nicht öfter als drei- oder viermal.«

»Irgendeine Ahnung, warum er heute kommt?«

»Keine Ahnung, G-man«, antwortete er kühl, »aber wenn ihr euch mit dem Parasit anlegen wollt, lasst mich aus dem Spiel! Link ist mir zu gefährlich.«

Der dickliche Mann mit der Stirnglatze am Ecktisch machte sich bemerkbar. Er warf zwei Dollarscheine auf den Tisch und stand auf. Er stülpte einen grauen, steifen Hut über seine Glatze und durchquerte hastig das Lokal.

Mir fiel auf, dass er ungewöhnlich sorgfältig angezogen war. Er trug einen mittelgrauen Anzug, eine helle Weste und eine schwere Seidenkrawatte. Im Gegensatz zu seinem sorgfältigen Anzug waren seine spitzen Schuhe schmutzig, als wäre er über einen Acker gestampft.

»Wer ist das?«

Sullivan bewegte unmerklich die Schultern. »Ich sehe ihn heute zum ersten Mal. Scheint sich in der Tür geirrt zu haben, sitzt aber seit zwei Stunden hier.«

Als der kleine Mann die Theke passierte, drehte sich Larry Link um und sah ihm mit einer Art müden Interesses nach, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Dann grinste er zu uns herüber. »Immer noch keine Lust mitzuhalten?«

Phil und ich reagierten nicht. Der Parasit seufzte: »Die G-men verderben mir den ganzen Appetit. Los, Jungs, wir nehmen noch einen Schluck für den Weg, und dann suchen wir uns ’nen Laden mit ’ner freundlicheren Atmosphäre.«

Link bezahlte die beiden Runden. Seine Leibgardisten wischten sich über die Lippen und schoben sich grußlos zur Tür. Link winkte dem Admiral zu.

»Wenn ich sicher sein kann, keine Bullen mehr in deinem Laden zu treffen, Hank, besuche ich dich mal wieder.«

Die Tür schlug hinter ihm zu. Der Admiral sah sie mit einem Ausdruck der Besorgnis an.

»Angst vor dem Parasit?«, fragte ich. Sullivan riss sich zusammen.

»Natürlich nicht«, antwortete er würdevoll. »Außerdem besteht für ihn kein Grund, mir irgendetwas nachzutragen. Link kann schließlich nicht verlangen, dass ich G-men, die sich an meinen Tisch setzen, hinauswerfe.«

»Sprechen wir noch einmal über den Raub in der 14th Street«, schlug ich vor. »Kennst du einen Mann, der irgendwann für eine Sprengstofffabrik gearbeitet hat?«

Sullivan dachte nach. »Kilroy hatte mal einen Job bei einer Fabrik, aber Kilroy sitzt seit sechs Monaten.«

»Er kann trotzdem den Tipp geliefert haben.«

Phil notierte den Namen und erkundigte sich, wo dieser Kilroy sitze. Der Admiral nannte das Staatsgefängnis von New York.

***

Wir redeten noch zehn Minuten hin und her, aber Sullivans karge Antworten brachten uns nicht weiter. Wir standen auf.

Während ich den Admiral noch ermahnte, uns auf jeden Fall anzurufen, wenn er irgendetwas höre, schlenderte Phil zu dem Tisch hinüber, an dem der kleine glatzköpfige Mann gesessen hatte.

Er nahm eine der Zeitungen in die Hand, die der Mann zurückgelassen hatte, legte das gefaltete Blatt zurück und griff nach dem nächsten. Dann sah er auf, blickte zu mir herüber und rief: »Jerry!«

Ich ging hin, und er hielt mir ein drittes Blatt unter die Nase. Ich sah das Bild des Sprengstoffwagens mit dem Kühler im Schaufenster und die Überschrift: So wurde das Ding gedreht!

Phil nahm eine vierte Zeitung. Auch sie war so zusammengefaltet, dass der Bericht von dem Raubüberfall ins Auge sprang. Im Handumdrehen stellten wir fest, dass jedes der vierzehn verschiedenen Blätter auf eine Weise gefaltet war, die verriet, dass der glatzköpfige Bursche sich ausschließlich für Nachrichten über den Raub in der 14th Street interessiert hatte.

Sullivan, der unser Interesse an den Zeitungen bemerkte, kam zu uns.

»Irgendetwas entdeckt?«

»Du kanntest den Mann nicht, der an diesem Tisch saß?«

»Nein!«

»Wartete er auf irgendwen?«

»Kann schon sein! Er blickte auf, wenn jemand hereinkam.«

»Du sagtest, Link sei schon lange nicht mehr in deiner Kneipe gewesen?«

»Seit Monaten nicht mehr. Ich war überrascht, ihn zu sehen.«

Ich sah Phil an.

»Ich glaube, der Parasit war mit dem Mann an diesem Tisch verabredet, aber er verzichtete darauf, mit ihm zu sprechen, als er uns sah. Er redete uns laut genug als G-men an. Sein Partner kapierte, verließ den Laden, und sie werden sich draußen getroffen haben.«

»Das glaube ich auch«, sagte Phil.

***

Wir kannten die Adresse von Links Wohnung in der 36th Street. Wir fuhren sofort hin, aber wir läuteten vergeblich an der Wohnungstür.

»Warten wir«, schlug ich vor.

Fast eine Stunde lang patrouillierten wir vor dem Block auf und ab. Kurz vor zehn Uhr stoppte ein blauer Cadillac vor dem Haus. Am Steuer saß der Tatar. Larry Link und Tonio Arro stiegen aus dem Fond, warfen die Schläge zu, und der Tatar fuhr sofort weiter.

Phil und ich beschleunigten unsere Schritte, so dass wir in der Tür mit dem Gangster zusammentrafen.

Link prallte zurück, fasste sich aber sofort. »Eigentlich hatte ich für heute genug von Polizistengesichtern.«

»Es geht immer noch nicht um dich«, antwortete ich.

»Warum trittst du mir dann dauernd auf die Zehen, G-man?«

»Ich brauche den Mann, mit dem du in der Kneipe des Admiral verabredest warst.«

»Ich war mit niemandem verabredet.«

Ich entschloss mich zu einem massiven Bluff. »Du kannst bei dem Geschäft nichts mehr verdienen, Link«, sagte ich gemächlich. »Der kleine Glatzkopf hat dir einiges über die Sache in der 14th Street erzählt, aber es ist zu spät für dich, seine Informationen zu nutzen. Wir traben schon auf der gleichen Fährte. Falls du glaubst, abkassieren zu können, richte dich darauf ein, dass du selbst kassiert wirst.«

Es fiel ihm schwer, sein Gesicht zu beherrschen. In seinen Augen flammte hemmungslose Wut, aber er war zu intelligent, um seine Chancen nicht abwägen zu können.

»Wenn ihr so auf das Gequatsche eines Übergeschnappten reinfallen wollt wie ich, soll es mir recht sein.«

»Der Glatzkopf wollte wissen, wer den Juwelierladen ausgenommen hat?«

»Genau! Er faselte davon, er habe ursprünglich selbst mitmachen sollen, habe aber Angst bekommen, als sich der Sprengstoffwagen als beladen herausstellte.« Er warf mir einen lauernden Blick zu. »Die Zeitungen schreiben, der Wagen sei nicht beladen gewesen.«

Offenbar hatte Link die Radiodurchsagen noch nicht gehört. »Wo finde ich den Mann?«

»Er wohnt im Dilwood Hotel in der Bleecker Street.«

»Sein Name?«

»Du scheinst weniger zu wissen, als du vorgibst, G-man.«

»Ich weiß seinen Namen nicht, sonst aber alles über ihn.«

»Na schön. Warum soll ich dem FBI nicht auch einmal helfen? Der Schwätzer heißt Fat Krosky.«

»Am besten, du zeigst ihn uns, Link!«

»Hör zu, G-man! Ich habe heute mehr mit dir gesprochen als jemals mit einem Polizisten zuvor, aber jetzt habe ich genug. Ich beziehe mein Gehalt nicht aus der Staatskasse.«

Er wandte sich brüsk ab, stieß die Tür auf und verschwand im Flur des Hauses. Tonio Arro folgte ihm und schlug uns die Tür vor der Nase zu.

Ich stieß Phil an. »Gehen wir!«

Der Jaguar parkte einige Häuserblocks weiter. Phil nahm das Steuer.

»Fahr um den Block!«

Er gab Gas, fuhr in die nächste Querstraße hinein und bremste auf mein Zeichen.

Ich sprang aus dem Wagen. »Fahr allein zur Bleecker Street! Es kann sein, dass Link den Burschen warnt. Wir können es nicht verhindern, aber ich will den Parasit nicht aus dem Auge verlieren. Er war scharf darauf, uns loszuwerden, und ich weiß nicht, wohin er Row geschickt hat.«

Phil nickte, trat auf den Gashebel und zischte ab. Ich ging zur 36th Street zurück und hatte das Glück, kurz vor der Ecke auf ein Taxi zu stoßen, dessen Fahrer hinter dem Steuer lag und mit offenem Mund schlief.

»Lassen Sie Ihren Motor an, und warten Sie hier auf mich! Mag sein, dass es eine halbe Stunde oder länger dauert, bis ich wieder auftauche, aber warten Sie auf jeden Fall!«

»Für zehn Dollar warte ich zwei Stunden«, antwortete er. »Dann müssen Sie eine Zwischenzahlung vornehmen.«

»So lange wird es nicht dauern.«

Ich fand eine Toreinfahrt, von der aus ich Links Hauseingang gut beobachten konnte. Ich brauchte nicht zu warten. Im Gegenteil, ich kam gerade noch rechtzeitig. Denn Link und sein Gorilla kamen aus dem Haus, kaum dass ich meinen Beobachtungsposten bezogen hatte.

Offensichtlich hatten sie es mächtig eilig, denn sie bauten sich am Rand des Bürgersteigs auf und fuchtelten mit den Armen, um ein Taxi zu stoppen. Es dauerte einige Minuten, bis ein Wagen ausscherte und am Straßenrand stoppte.

Noch während die Gangster einstiegen, flitzte ich aus meinem Versteck, lief um die Ecke und riss die Tür meines Taxis auf.

»Fahren Sie los!«, rief ich und schwang mich auf den Beifahrersitz.

Der Chauffeur brachte seinen Schlitten in Gang, und der Wagen bog in die 36th Street ein, gerade als sich das Taxi der Gangster vom Straßenrand löste.

»Folgen Sie Ihrem Kollegen dort vorn!«

»Ich verstehe«, brummte der Fahrer, »aber zehn Dollar sind zu wenig, falls es gefährlich wird.«

»Es wird nicht gefährlich. Die Polizei sitzt neben Ihnen.« Ich hielt ihm den FBI-Ausweis unter die Nase. Er warf einen schrägen Blick darauf.

»In Ordnung«, brummte er. »Endlich mal ein spendabler Polizist.«

»In meiner Tasche warten noch weitere zehn Dollar auf einen Wohnungswechsel, wenn Sie den Anschluss nicht verlieren.«

»Verlassen Sie sich auf mich! Sie können ruhig ein Schläfchen machen. Ich sage Ihnen Bescheid, wenn da vorn etwas passiert.«

Ich hatte den richtigen Mann erwischt, den Prototyp eines New Yorker Taxifahrers. Er war durch nichts aus der Ruhe zu bringen.

Der Wagen mit Link und dem Tenor fuhr knapp hundert Yards vor uns. Da der Verkehr nicht sehr stark war, machte es keine Mühe, den Anschluss zu halten. Sie fuhren in Richtung Bronx, überquerten den Harlem River auf der Macombs Dam Bridge und bogen von der Jerome Avenue nach links ab.

»Sieht so aus, als wären sie gleich am Ziel«, sagte der Taxichauffeur.

Der Wagen bog in die Woodycrest Street ein, und seine Rücklichter leuchteten auf.

»Stopp! Licht aus!«

Mit einem schnellen Tritt auf die Bremse und einem Griff an den Lichtschalter folgte der Mann am Steuer meinem Befehl.

Ich drückte ihm die zweite Zehn-Dollar-Note in die Hand.

»Danke! Soll ich in der Nähe bleiben?«

»Wäre vielleicht gut. Falls Schüsse fallen, hängen Sie sich an ein Telefon, und alarmieren Sie die Polizei!«

Jetzt setzt sich das andere Taxi in Bewegung. Der Fahrer wendete. Der Wagen kam zurück und passierte uns. Im Vorbeifahren glaubte ich zu erkennen, dass er leer war. Ich stieg aus, überquerte den Bürgersteig und drückte mich an eine Hauswand.

***

Als ich fünfzig Yards an der Wand entlanggeschlichen war, sah ich unter einer Straßenlaterne einen großen Wagen, einen blauen Cadillac, Links Auto, mit ihm war Row, der Tatar, fortgefahren. Vor dem Kühler des Wagens standen drei Männer. Ich hatte also den ganzen Verein wieder beisammen.

Ich konnte hören, dass Link sprach, aber die Entfernung war zu groß, um zu verstehen, was er sagte.

Schließlich warf er seine Zigarette fort und ging mit Arro die Woodycrest Street hinauf, während Row in den Cadillac stieg. Er fuhr nur zwanzig Schritt und stoppte vor einem mehrstöckigen Mietshaus, in dessen Eingang sein Chef und sein Kollege gerade verschwanden.

Ich folgte ihnen auf leisen Sohlen. Natürlich konnte es sich um eine harmlose Angelegenheit handeln, andererseits hielt ich Link für gefährlich. Wenn ich nicht eingriff, konnte er möglicherweise einen Schaden anrichten, der nicht mehr gutzumachen war.

Ich schlich mich von hinten an den Wagen heran. Row hatte das Schaufenster heruntergekurbelt und einen Arm aufgestützt. Der Mann döste vor sich hin, so dass er mich erst bemerkte, als ich neben ihm auftauchte.

Er fuhr zusammen, warf den Kopf herum, erkannte mich nicht sofort und fauchte: »Geh zum Henker!«

»Immer langsam, Berry! Erzähl mir doch, was dein Boss in dem Haus dort treibt!«

»Das geht dich einen Dreck an!«

»Das wird sich herausstellen«, antwortete ich gelassen. »Am besten sehe ich mal nach.«

Ich beobachtete ihn scharf, aber ich konnte nur seine rechte Hand sehen, die eine Zigarette hielt und auf dem Steuerrad lag. Er handelte schnell und geschickt. Mit der linken Hand drückte er den Griff der Tür hinunter und stieß sie dann mit Wucht auf.

Ich hatte mich ein wenig vorgebeugt. So knallte mir die Tür gegen den Schädel und warf mich ein oder zwei Schritte zurück. Ich taumelte. Row schlug die rechte Hand auf den Hupenring, und das Dreiklanghorn des Cadillac dröhnte wie eine Schiffssirene.

Der Tatar trat nach mir. Ich wich dem Tritt aus und erwischte sein Bein. Er klammerte sich an das Steuerrad. Immer noch brüllte die Hupe.

Mit einem Ruck warf ich mich nach hinten. Er zappelte, aber ich zog ihn von seinem Sitz herunter. Rows Jacke verhedderte sich irgendwo, und während seine Beine und sein Unterkörper von mir aus dem Wagen gezerrt wurden, rutschten Oberkörper und Kopf in die Jacke hinein.

Schließlich musste er das Steuerrad loslassen.

Ich ließ sein Bein los. Er war wütend, zog die Knie an und sprang auf die Füße.

»Verdammter Bulle!«, knirschte er und griff mich an.

Ich blockte zwei seiner Schläge ab und konterte dann. Er flog rücklings gegen den Wagen, der in den Federn schaukelte.

Ich erwartete seinen nächsten Angriff, doch in diesem Augenblick schoben sich Link und Arro zwischen uns.

Ich nahm die Rechte zum Jackenausschnitt hoch, denn der Parasit und der Tenor hielten die rechte Hand in der Jackentasche.

»Du, G-man?«, zischte Link. »Mir scheint, du wirst übermütig. Halten FBI-Leute sich für unsterblich?«

»Willst du es ausprobieren?«, fragte ich kühl.

Er zog die Oberlippe von den Zähnen und zeigte sein Gebiss wie ein Raubtier. »Vielleicht, aber zu einem Zeitpunkt, der mir gefällt.«

»Ich möchte von dir erfahren, was du in diesem Haus gesucht hast, Link!«

»Ich hoffte, einen alten Freund hier zu treffen«, antwortete er. »Leider war es ein Irrtum. Man gab mir die falsche Adresse.«

»Gab Krosky dir die Adresse?«

»Aber nein. Damit hat es überhaupt nichts zu tun.«

»Ich werde herausfinden, bei wem du warst.«

»Ich war bei keinem. Ich sagte doch, dass die Adresse falsch war. Der Mann, den ich suchte, wohnte nicht in diesem Haus.«

Ich ließ den Gangster stehen, ging an dem Cadillac vorbei auf den Bürgersteig und hinüber zu dem Gebäude. Es war ein mittelgroßes Mietshaus. Die Haustür stand offen, und im Treppenhaus brannte Licht.

***

Ich stieg die Treppe hoch. Auf der ersten Etage stand eine ältere Frau am Geländer.

»Was ist los, junger Mann? Warum hat das Auto so schrecklich gehupt?«

»Nichts, von Bedeutung, Madam! Legen Sie sich ruhig wieder ins Bett!«

»Was soll ich in meinem Bett, wenn ich doch nicht schlafen kann? Erst das Gepolter und Geschrei über mir. Dann brüllte die Hupe, und dann rennen irgendwelche Verrückte die Treppe hinunter in einer Art, dass ich denke, dass ganze Haus stürzt ein. Aber ich werde mich beschweren! Diese Person muss aus dem Haus.«

»Von wem sprechen Sie, Madam?«

Sie stieß den runzeligen Zeigefinger gegen die Decke. »Diese Person! Diese Miss Balfor! Immer Partys! Immer Theater! Und das Licht brennt bei ihr bis in Morgen. Und ausgerechnet ich habe das Pech, unter ihr zu wohnen.«

»Wurde in der Wohnung dieser Miss Balfor geschrien?«

»Natürlich! Das ist nichts Besonderes.«

»Entschuldigen Sie!«, sagte ich hastig und sauste an ihr vorbei die Treppe zur nächsten Etage hoch.

Die Tür war verschlossen. Ich deponierte den Zeigefinger auf dem Klingelknopf und ließ ihn dort.

Die Tür wurde geöffnet. Eine mittelgroße, dunkelhaarige, ungefähr 30-jährige Frau stand vor mir. Sie besaß ein glattes, etwas ausdrucksloses Gesicht, das gut geschnitten war, aber die ersten Spuren des Verfalls zeigte. Das Schönste an ihr waren die großen dunkelbraunen Augen, in denen die Angst flackerte.

Sie hielt eine Hand gegen die Wange gepresst. Wortlos wich die Frau vor mir zurück.

Ich folgte ihr zögernd. In der Mitte der kleinen Diele drehte sie sich um und schritt durch die offene Tür in den Vorraum.

Der Raum war ziemlich groß und mit Polstermöbeln und Sesseln eingerichtet. Einer der Sessel war umgestürzt. Eine Schublade war aus einem Schrank gerissen und der Inhalt auf dem Boden verstreut.

Ich sah, dass die Frau zitterte.

»Ich habe nichts hier«, stieß sie hervor. »Lew hat den Schmuck an sich genommen. Glauben Sie mir!«

»Nehmen Sie die Hand vom Gesicht!«, sagte ich.

Langsam ließ sie die Hand von den Wangen gleiten. Sie hatte eine blutunterlaufene Stelle unterhalb des Backenknochens.

»Sie sind geschlagen worden?«

Sie antwortete nicht, aber statt der Angst zeigte sich in ihren Augen ein Ausdruck von Überraschung.

»Ich bin FBI-Agent. Nennen Sie mir Ihren Namen!«

»Grit Balfor«, antwortete sie leise.

»Miss Balfor, ich verhafte Sie wegen Beteiligung an dem Juwelenraub in der 14th Street. Sie sind die Frau, die vor dem Geschäft wartete und in den Laden eindrang, als der Sprengstoffwagen die Schaufensterscheibe zertrümmerte. Wer saß am Steuer des Lasters?«

Sie hatte sich verlorengegeben, und jemand, der aufgegeben hat, leugnet nicht länger.

»Lew«, antwortete sie leise, »Lew Hutton.«

Als sie den Namen ausgesprochen hatte, schwankte sie. Ich sprang hinzu und fing sie auf, bevor sie zusammenbrach. Ich führte sie zu einem Sessel und ließ sie hineingleiten. Sie schloss die Augen und begann zu sprechen.

»Lew wollte die Sache mit einem anderen Mann zusammen machen«, sagte sie, »aber der andere sprang in letzter Sekunde ab.«

»Hieß er Fat Krosky?«

»Ja, das ist der Name. Lew rief mich in der vergangenen Nacht an. Er beschwor mich, ihn nicht im Stich zu lassen. Er erklärte mir, dass er seinen Plan nicht aufschieben und das Unternehmen nie wieder starten könne, wenn es jetzt fehlschlug. Er schwor mir, er werde danach nie wieder eine illegale Handlung begehen. Nun, ich liebe Lew und …«, eine resignierte Handbewegung vollendete den Satz.

»Wo ist Hutton jetzt?«

Ein Schulterzucken war die Antwort.

»Ich traf ihn gegen Mittag. Ich übergab ihm die Aktentasche, die alles enthielt, was ich in dem Laden zusammengerafft hatte. Er drehte sich um und verschwand zwischen den Menschen, die die Treppe zur U-Bahn hinunterdrängten.«

»Wir werden Lewis Hutton finden, Miss Balfor. Vor zehn Minuten drangen zwei andere Männer in Ihre Wohnung ein. Sie wollten von Ihnen Huttons Aufenthalt erfahren. Sie schlugen Sie, und sie begannen damit, Ihre Wohnung zu durchsuchen, wurden aber durch ein Hupsignal gewarnt. Ich werde Sie diesen Männern gegenüberstellen.«

»Warum?«, fragte sie leise und ohne den Kopf zu drehen.

»Ihre Aussage bedeutet eine Anklage gegen die Männer wegen Erpressung, Gewaltanwendung und Nötigung.«

»Sie wollen mich als Zeugin gegen den Parasit?«

»Sie kennen Larry Link?«

Jetzt sah sie mich an.

»Hutton zeigte ihn mir einmal, als wir eine Bar besuchten, in der Link sich aufhielt. Lew nannte ihn den gefährlichsten Mann New Yorks. Er sagte: ‚Wer ihm auf die Zehen tritt, lebt nicht mehr lange.’«

Ich lächelte. »Ich gebe zu, dass Link gefährlich ist, aber Sie brauchen keine Angst vor ihm zu haben. Ich weiß nicht, welche Strafen das Gericht über Sie verhängen wird, aber ich nehme an, dass Sie am Gefängnis nicht vorbeikommen werden. Links Arm reicht nicht bis hinter die Gitter, schon gar nicht, wenn er selbst dahinter sitzt.«

»Wollen Sie mich dem Parasit gegenüberstellen? Sie können es auf der Stelle machen. Er wartet schon darauf.«

Ich trat neben sie und blickte aus dem Fenster.

Links blauer Cadillac stand noch an der gleichen Stelle. Keiner der Gangster war zu sehen, aber es war sicher, dass sie in dem Schlitten saßen und warteten.

»Ich fürchte, es wird Ihnen nicht einmal gelingen, mit mir zusammen lebendig dieses Haus zu verlassen.«

»Sie unterschätzen das FBI gewaltig. Haben Sie ein Telefon?«

Sie zeigte auf den Apparat, der auf dem Tisch neben der Tür stand.

Ich wählte unsere Nummer und ließ mich mit der Einsatzleitung verbinden.

»Cotton! Schickt mir vier oder fünf Leute zur Woodycrest Avenue. Die Hausnummer ist …«

»94«, sagte die Frau.

»94«, wiederholte ich und legte auf.

Grit Balfor stand immer noch am Fenster. Ich ging zu ihr und blickte hinaus. Der Cadillac stand unten noch an der gleichen Stelle.

Ich fasste Grit Balfors Arm und führte sie vom Fenster weg zu einem Sessel. Ich bot ihr noch einmal eine Zigarette an, die sie auch nahm.

»Ich muss Sie bitten, mir alle Einzelheiten zu erzählen, Miss Balfor. Etwas an diesem Juwelenraub ist wichtiger als die Juwelen. Hutton stahl den Sprengstoffwagen, aber er war beladen mit achtzig Gallonen Nitroglyzerin. Wissen Sie, wo das Nitroglyzerin ist?«

»Ich weiß nichts darüber. Als Lewis mich anrief, ahnte ich nicht, dass er einen Diebstahl vorbereitete, und als ich eingewilligt und versprochen hatte mitzumachen, sagte er mir lediglich, was ich tun sollte. Ich sah ihn nicht, bis er am Steuer des Lastwagens in die Schaufensterscheibe hineinfuhr, und auch da sah ich ihn nur für wenige Sekunden. Als wir uns dann am Mittag trafen, wechselte er kein Wort mit mir, sondern nahm mir nur die Aktentasche ab.«

»Wo wohnt Hutton?«

»Früher besaß er eine Appartementwohnung in der Seventh Avenue, aber er gab sie vor einigen Monaten auf. Seitdem wohnte er in Hotels, die er oft wechselte.«

»Rechneten Sie nicht damit, dass er Sie anrufen würde?«

»Selbstverständlich hoffte ich es, aber als Link hier auftauchte, wusste ich, dass wir beide verloren hatten.«

Draußen erklang das Kreischen von Autoreifen. Wagenschläge wurden aufgerissen. Ein kurzer Pfiff gellte durch die Nacht.

Ich blickte durch das Fenster. Ein FBI-Wagen stand hinter dem Cadillac, und vier unserer Leute umringten Links Schlitten.

»Wir können gehen, Miss Balfor. Schließen Sie bitte Ihre Wohnung ab, und übergeben Sie mir den Schlüssel!«

Als wir ein paar Minuten später die Straße betraten, war Larry Link aus seinem Wagen gestiegen und hatte sich in eine Fluchserie hineingekniet.

Ich winkte zwei meiner Kollegen und übergab ihnen die Frau. Sie brachten sie zum FBI-Auto.

Link brach sein Fluchen ab, als er mich sah. Er schnellte herum und fauchte: »Wenn du mich festnehmen willst, dann sage es, G-man!«

»Ich weiß genau, dass ich dich eines Tages festnehmen werde, Link, aber nicht heute. Unsere Leute kamen nur her, um dich vor Dummheiten zu bewahren.« Ich trat dicht an ihn heran. »Du kannst gehen, Larry Link.«

Er drehte sich mit einem Ruck um und warf sich hinter das Steuer seines Wagens, dass die Federn krachten. Link ließ den Motor aufheulen und sauste davon.

4

Eine Stunde nach Mitternacht heftete ich eine Protokollkopie des Geständnisses der Grit Balfor in einen Aktenordner, der die Aufschrift trug: An den Generalstaatsanwalt des US-Bundesstaates New York.

Phil rechnete. »Um neun Uhr zersplitterte die Schaufensterscheibe in der 14th Street. Um Mitternacht kannten wir die Namen aller Beteiligten. Ich finde, es ist eine gute Leistung, einen Fall innerhalb von 15 Stunden geklärt zu haben.«

»Geklärt, aber nicht erledigt. Wir haben Lewis Hutton und Fat Krosky nicht gefasst. Wir haben nicht einen Ring von der Beute wiederbeschafft. Vor allen Dingen wissen wir immer noch nicht, wo sich das Nitroglyzerin befindet.«

Phil schlug einen Schnellhefter auf, der vor ihm auf dem Tisch lag.

»Mit dem Juwelenraub scheint Hutton seiner Laufbahn die Krone aufgesetzt zu haben. Was ich hier in seinen Unterlagen lese, beweist eigentlich nur, dass er nie über einen gewöhnlichen Diebstahl hinauskam. Ich wette, wenn er die Zeitungsmeldungen liest, ist der Bursche auch noch stolz auf sich.«

»Und Krosky?«

Phil griff nach einem anderen, schmaleren Schnellhefter. »Betrügereien! Ein Fall von Heiratsschwindel. Sein größtes Geschäft brachte ihm 2000 Dollar und drei Jahre Gefängnis ein.«

»Ich mache mir Sorgen um Krosky«, sagte ich.

Phil nickte. »Alle Reviere der City Police haben sofort sein Bild bekommen. Ich nehme an, dass Kroskys Taschen ziemlich leer sind, sonst hätte er sich nie mit Hutton zusammengetan, denn Unternehmen dieser Art liegen ihm nicht. Er hat sein Gepäck im Hotel zurückgelassen. Er kann nicht einmal seinen Anzug wechseln. Wir müssten ihn schnell fassen können.«

»Ich fürchte, dass Krosky sich nicht irgendwo in New York herumtreibt, sondern dass er an einen ganz bestimmten Ort bestellt wurde. Ich fürchte weiter, dass ein ganz bestimmter Mann ihn an diesem Ort abholen wird.«

»Link?«

»Er oder einer seiner Leute. Als wir den Parasit vor seiner Wohnung stellten und als er sich nicht weigerte, sondern uns sofort Kroskys Namen nannte, glaubte ich, er habe das Spiel aufgegeben. Wahrscheinlich haben wir ihn unterschätzt. Er gab uns zwar Kroskys Adresse, warnte ihn aber eine Minute später telefonisch und nannte ihm einen Platz, wo er unterschlüpfen könnte. Krosky nahm natürlich an, und damit lag er für Link gewissermaßen im Eisschrank. Link kann ihn nach Bedarf herausholen, und wenn er ihn herausholt, dann möglicherweise nur zu dem Zweck, ihn endgültig stumm zu machen.«

»Wie finden wir Hutton? Ich glaube, das ist unser Hauptproblem. Hutton hat die Juwelen in der Tasche, und nur er weiß, wo das Nitroglyzerin steckt.«

Ich dachte ein paar Minuten lang nach. »Wir können Link dazu benutzen.«

Phil glaubte, sich verhört zu haben. »Bitte?«

»Nur Links Namen, selbstverständlich.«

Ich griff nach dem Telefon. »Verbinden Sie mich mit Captain Roward! Ich nehme an, Sie werden ihn in seiner Privatwohnung anrufen müssen.«

Meine Vermutung traf zu. Als ich Roward ein paar Minuten später an der Strippe hatte, klang seine Stimme völlig verschlafen.

»Der Mann, der den Juwelenraub ausführte, heißt Hutton«, sagte ich. »Die Frau, die ihm half, ist seine Freundin und heißt Grit Balfor.«

»Ich bewundere das FBI«, antwortete Roward, »aber wenn Sie mir das morgen früh mitgeteilt hätten, Cotton, so hätte ich Sie immer noch bewundert.«

»Die Probleme sind noch nicht gelöst. Darum rufe ich Sie an, nicht wegen der Bewunderung. Wir kennen den Namen des Mannes, aber wir wissen nicht, wo wir ihn finden können. Ich möchte mir eine Ihre Beamtinnen ausleihen. Sie soll nötigenfalls am Telefon die Rolle von Huttons Freundin spielen.«

»Wollen Sie das Mädchen etwa auch aus dem Schlaf scheuchen?«

»Es wird sich nicht vermeiden lassen. Ich weiß nicht, zu welcher Stunde Hutton auf die Idee kommt, seine Freundin anzurufen.«

Roward seufzte. »Ich rufe Sie in einer halben Stunde wieder an«, und legte auf.

»Grit Balfor war zwar der Meinung, Hutton hätte sich mit seiner Beute aus dem Staub gemacht, aber ich bin überzeugt, dass er die Frau irgendwann wieder anrufen wird. Und dann soll er glauben, dass er mit einem anderen Ganoven spricht.«

»Ich verstehe. Du willst telefonisch Links Rolle spielen. Wozu brauchst du dann Rowards Polizistin?«

»Damit meine Link-Rolle glaubwürdig wird. Soviel wir wissen, hat Hutton nie mit dem Parasit gesprochen. Für mich kommt es also nur auf den richtigen Gangstertonfall, nicht auf die Stimmlage an.« Das Telefon summte. Ich meldete mich.

»Mitten in der Nacht von ’nem Girl angerufen zu werden, das möchte ich auch mal erleben«, sagte der Kollege in der Zentrale. »Ich stelle durch.« Eine Frauenstimme sagte: »Spreche ich mit Agent Cotton?«

»Ja, Cotton am Apparat.«

»Ich bin Eve Rard! Ich rufe Sie auf Veranlassung von Captain Roward an. Er sagte, Sie hätten Verwendung für mich.«

Ihre Stimme klang nett. Sie schien mir eine Spur höher zu liegen als Grit Balfors Stimme, aber für meinen Plan war das nicht von besonderer Bedeutung.

»Sind Sie damit einverstanden, Miss Rard, dass ich Sie in zehn Minuten abhole?«

»Selbstverständlich. Meine Adresse ist: Seventh Avenue 2433.«

»Danke! Ziehen Sie bitte keine Uniform an!« Ich legte auf.

***

Die Seventh Avenue in diesem Teil Manhattans war um zwei Uhr nachts leer, aber vor dem Block 2433 stand eine Frau mit einem kleinen Koffer in der Hand.

Ich stoppte. Sie kam auf den Wagen zu. Als ich den Schlag öffnete, fragte sie: »Agent Cotton?«

»Ja. Guten Abend, Miss Rard.«

Sie stieg ein. Ich roch ihr Parfum.

»Guten Morgen, Agent Cotton«, antwortete sie lachend. »Von geregelter Dienstzeit scheint man beim FBI nicht viel zu halten.«

»Wir sind ganz verrückt danach, aber es lässt sich so selten einrichten. Tut mir trotzdem leid, dass ich Sie aus dem Schlaf geholt habe, Miss Rard.«