Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 7 - Krimi-Serie - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 7 - Krimi-Serie E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 7: Drei actiongeladene Fälle und über 250 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

Die Jerry Cotton Sonder-Edition ist der echte Klassiker. Sie bietet dem Leser die Romane aus der Frühzeit der Serie und schickt ihn auf Zeitreise in die frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

In diesem Sammelband sind 3 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

19: Wer zahlt - der lebt

20: Ein Erpresser zu viel

21: Dynamit in schwarzer Seide

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 555

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: javarman | PanicAttack ISBN 978-3-7325-7031-7

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sonder-Edition Sammelband 7 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton Sonder-Edition - Folge 19Zwei Tote führten uns auf die Spur einer Erpresserband, aber so sehr wir uns auch bemühten, wir bekamen sie nicht zu fassen. Ein letzter Ausweg blieb uns noch, wir mussten jemand in die Bande einschleusen. Ich ging als G-man Jerry Cotton ins Gefängnis und kam kurz darauf als Jack Fenton, ein Spezialist für Erpressungen, wieder heraus ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 20Die Firma Hobarth Development wurde von einer Explosion erschüttert, die fast 30 Menschen das Leben kostete. Schnell stellte sich heraus, dass es ein geplanter Anschlag war, und die Spur führte zu Paul Bowman aus der Forschungsabteilung der Firma. Bevor wir ihn allerdings befragen konnten war er auch tot - ermordet. Phil und ich stießen auf ein geheimes Projekt, für das einige Leute bereit waren, über Leichen zu gehen ...Jetzt lesen
Jerry Cotton Sonder-Edition - Folge 21Im Restaurant "Meal Point" waren gefälschte 5-Dollar-Noten aufgetaucht. Als Kellner getarnt überwachte ich das Lokal, um denjenigen zu finden, von dem die Blüten stammten. Eine Leiche brachte uns auf eine andere Spur, die in die "Blue Moon Bar" führte, und plötzlich entwickelten sich die Dinge schneller, als wir reagieren konnten. In den Mittelpunkt rückte eine Frau, die man nur als pures Dynamit bezeichnen konnte ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

XXXXXXXXXX

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

Wer zahlt – der lebt

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Ich saß an diesem Abend endlich wieder einmal vor meinem Fernseher und sah mir einen spannenden Film an.

»Verdammt«, knurrte ich, als es an meiner Wohnungstür läutete.

Ich riss sie auf. Mein erster Blick fiel auf eine Blutlache, die bis zu meiner Tür reichte. Und dann sah ich den Mann, der hier verblutet war. Gleichzeitig hörte ich die aufgeregte Stimme von Mr Sullivan, meinem Nachbarn, der am ganzen Leib zitterte und kaum ein klares Wort hervorbrachte.

»Mister Cotton, eine Leiche vor Ihrer Tür!«

»Das sehe ich.« Ich beugte mich einen Augenblick über den leblosen Körper. Es genügte, um mir Klarheit zu verschaffen, dass dieser Mann tot war. Ich drehte den Kopf, der schlaff auf die linke Seite gefallen war, und stieß einen erstaunten Ruf aus.

»Kennen Sie ihn?«, stammelte Sullivan aufgeregt.

»Es ist John Carmichel. Er hat das Delikatessengeschäft zwei Blocks weiter.«

»Schrecklich«, jammerte Sullivan. »Und genau vor Ihrer Tür! Haben Sie nichts gehört?«

Ich antwortete nicht auf die Frage, sondern bat ihn, hier zu warten und alles unverändert zu lassen. Inzwischen trat ich in meine Wohnung und rief die Mordkommission an.

Ich hatte keinen Schuss gehört, obwohl er unmittelbar vor meiner Tür abgefeuert worden sein musste. Es war unmöglich, dass sich Carmichel noch weit geschleppt haben konnte.

»Haben Sie denn etwas gehört, Sullivan?«, fragte ich zurück. »Bei mir war der Fernsehapparat so laut eingestellt.«

»Ich war gar nicht zu Hause«, murmelte er. »Als ich aus dem Lift trat, sah ich ihn liegen.«

Ich holte Sullivan einen Whisky, der ihm half, den ersten Schock zu überwinden.

»Haben Sie niemand unten im Haus getroffen?«, fragte ich. »Vermutlich ist der Mörder mit dem Lift hinuntergefahren.«

Sullivan schüttelte den Kopf.

Aber die Erwähnung des Lifts brachte mich auf eine Idee. Ich drückte auf den Knopf und holte mir die Kabine heran, die inzwischen schon wieder durch die Stockwerke geschwirrt war. Vielleicht hatte Carmichels Mörder eine Spur hinterlassen. Vielleicht gab uns ein Tropfen Blut einen Fingerzeig, dass der Mord im Lift geschehen war.

Doch obwohl ich den Lift genau absuchte, fand ich nichts außer Straßenschmutz und ein paar Fetzen Papier.

Inzwischen war die Mordkommission erschienen. Ich kannte Lieutenant Murphy, der sie leitete.

»Haben Sie ihn in Notwehr erschossen, Jerry?«, fragte Murphy.

Ich schüttelte den Kopf. »Habe keine Ahnung, wie er hierher kommt.«

»Sie kennen den Mann?«

Ich gab ihm den Namen von John Carmichel und erzählte Murphy, was ich über den Kaufmann wusste.

»Verheiratet?«, fragte der Lieutenant.

»Ja«, sagte ich und dachte daran, dass die Ehe der Carmichels auf mich immer einen sehr glücklichen Eindruck gemacht hatte.

»Es sieht doch ganz so aus, Jerry«, stellte Murphy fest, während die Männer der Mordkommission mit Blitzlichtern und Messungen die übliche Routinearbeit durchführten, »als ob Carmichel zu Ihnen wollte.«

Auf diese Idee war ich auch schon gekommen. Carmichel hatte gewusst, dass ich G-man bin. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, was er bei mir gewollt hatte.

»Jemand wollte verhindern, dass Carmichel mir etwas anvertraute. Deshalb erschoss er ihn, bevor er an meiner Tür läuten konnte.«

»So muss es gewesen sein, Jerry.«

»Merkwürdig, dass ich keinen Schuss gehört habe.«

»Vielleicht hat der Täter einen Schalldämpfer benutzt«, meinte Murphy.

Das klang wahrscheinlich. Bei dem Lärm des Fernsehers hatte ich dieses Geräusch bestimmt überhört, obwohl ich für Schüsse von Berufs wegen einen sechsten Sinn habe.

Murphy wechselte ein paar Worte mit seinen Leuten, die die Spuren untersucht hatten. Dann kam er zu mir zurück.

»Sieht ganz so aus«, berichtete er, »als ob Carmichel die Treppen hinaufgelaufen ist. Er hat vielleicht 80 Sekunden für den Weg benötigt. Inzwischen muss der Mörder den Lift genommen haben. Er ließ ihn hier halten, und als Carmichel nichtsahnend um die Ecke kam und auf Ihre Tür zuging, lief er genau in den Tod.«

»So wird es wohl gewesen sein«, stimmte ich zu. »Wenn ich nur die geringste Vermutung hätte, was er bei mir gewollt hat.«

»Bestimmt eine mächtig faule Sache, in der er sich mit Ihnen privat beraten wollte. Das ist meine Idee. Aber da war jemand, der von diesem Gespräch eine Enthüllung befürchten musste.«

»Stimmt auffallend – nur: Was für eine Enthüllung? Wenn wir das wüssten, hätten wir auch den Mörder.«

Inzwischen hatten sie Carmichels Leiche auf eine Bahre gelegt und in den Lift getragen. Spuren gab es nicht.

Lieutenant Murphy verabschiedete sich.

»So long.« Ich winkte ihm zu und schloss die Tür hinter mir. In meiner Wohnung goss ich mir einen großen Whisky ein und dachte lange nach.

***

Mitten in der Nacht wurde ich von einem gellenden Läuten an meiner Wohnungstür aus dem Schlaf gerissen. Nachdem ich die Nachttischlampe angeknipst hatte, stellte ich fest, dass es drei Uhr morgens war, also nicht gerade die Zeit, in der man von Freunden besucht wird.

Ärgerlich trabte ich im Bademantel zur Tür. »Wer ist da?«, fragte ich.

»Polizei. Öffnen Sie, Mister Cotton!«

Es waren zwei Cops vom nächsten Revier, die vor der Tür standen.

»Kommen Sie herein!«, forderte ich sie auf, nachdem ich die Tür geöffnet hatte.

Die beiden verhielten sich ganz dienstlich. Ich kannte sie nicht, und allem Anschein nach hatten sie keine Ahnung, wer ich war.

»Gehört der rote Jaguar vor dem Haus Ihnen?«, fragte der eine der beiden mit strenger Stimme.

»Wenn Sie nichts dagegen haben.«

»Dann muss ich Sie bitten, mir den Kofferraum Ihres Wagens zu öffnen.«

Ich starrte den Uniformierten verblüfft an. »Und deshalb kommen Sie mitten in der Nacht? Was sollen solche Scherze?«

»Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit!«, ordnete der Cop an.

»Wie lange haben Sie schon geschlafen?«, fragte der andere.

»Gut drei Stunden«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Was wollen Sie eigentlich? Worauf soll das alles hinaus?«

»Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren, Mister Cotton. Falls Sie es nicht schon selbst wissen.«

Sie ließen mich nicht aus den Augen, während ich mich anzog und ihnen auf die Straße folgte. Ich hatte beschlossen, erst einmal abzuwarten und ihnen meinen Dienstausweis erst dann unter die Nase zu halten, wenn es erforderlich wurde.

Sie machten es ganz wichtig. Einer von den Cops lief an meiner Seite, der andere hinter mir. Ich wette, er hatte sogar die Hand an seiner Pistole.

Ich zog den Wagenschlüssel aus meinem Sakko und öffnete den Kofferraum.

»Bitte, Gentlemen«, sagte ich einladend, während ich die Haube des Kofferraumes gelassen öffnete.

Was ich erblickte, gab mir mindestens den gleichen Schock wie den beiden Cops, die etwas Ähnliches schon vermutet hatten.

Zum zweiten Male innerhalb von fünf Stunden sah ich mich einer Leiche gegenüber. Der Mann im Kofferraum meines Jaguar war tot. Die bläuliche Färbung seines Gesichts ließ erkennen, dass er erdrosselt worden war.

»Wer ist das?«, stieß ich hervor.

»Das wollen wir gerade von Ihnen wissen«, sagten die Cops unheilvoll. »Wer ist der Mann?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich wahrheitsgemäß, während ich überlegte, wie die Leiche in meinen Kofferraum gekommen war.

»Und Sie wissen natürlich auch nicht, wie er da hingekommen ist?«, fragte einer der Cops.

»Nein, bestimmt nicht.«

»Wer verfügt außer Ihnen über die Schlüssel für den Kofferraum?«, fragte der andere Polizist.

Die Art ihrer Fragen ließ keinen Zweifel, dass sie mich mit ziemlicher Sicherheit für den Mörder hielten.

»Niemand außer mir«, sagte ich und wollte in die Tasche fassen, um ihnen meinen Dienstausweis zu präsentieren.

Aber dazu ließen sie es nicht kommen.

»Hands up!«, befahlen sie.

»Machen Sie keinen Unsinn! Ich bin G-man.«

»Auf den Leim gehen wir Ihnen nicht«, sagte einer der Cops. »Sie kommen jetzt mit aufs Revier, und dann werden wir sehen, was an Ihren Ausreden dran ist.«

So kam es, dass ich in dieser Nacht zum zweiten Mal die Freude hatte, Lieutenant Murphy zu sehen.

»Was ist denn mit Ihnen los, Jerry?«, fragte er, als er sah, dass die Cops mich nicht losließen.

»Mordverdacht«, erklärte einer von ihnen.

»Unsinn«, knurrte Murphy die beiden an. »überlegt ein bisschen, bevor ihr einen G-man unter Mordverdacht stellt!«

Sie blickten ziemlich betreten vor sich hin, als Murphy ihnen auseinander setzte, wer ich war. Jetzt rückten sie auch mit dem heraus, was geschehen war.

Sie hatten im Revier einen anonymen Anruf bekommen, dass in dem roten Jaguar, der einem Mr Cotton gehöre, eine Leiche zu finden sei.

Ganz hatten sie die Nachricht nicht geglaubt. Aber als sie stimmte, mussten sie mich natürlich für verdächtig halten. Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen.

»Kennen Sie diesen Toten?«, fragte mich Murphy.

Aber diesmal musste ich es verneinen. Ich hatte ihn noch nie gesehen.

»Viele Leichen in Ihrer Nähe, Jerry«, sagte Murphy. »Sieht so aus, als ob die Gangster Ihnen einen Mord in die Schuhe schieben wollen.«

Der Arzt hatte die Untersuchung des Toten beendet. »Erdrosselt«, stellte er fest und bestätigte meine eigene Diagnose. »Ich würde als Zeit etwa Mitternacht annehmen.«

»Ihr Wagen steht natürlich schon den ganzen Abend vor dem Haus?«, wollte Murphy wissen.

Das konnte ich nur bestätigen.

»Ich wette«, sagte ich, »dass der Mann irgendwo erwürgt worden ist und dass man ihn später in meinen Wagen verstaut hat. Ob die Kerle im Ernst glaubten, dass sie mich verdächtigen können?«

»Warum nicht?«, meinte Murphy. »Schließlich ist auch ein G-man ein Mensch, der einmal in Verdacht geraten kann. Es war einfach ihr Pech, dass ich Sie genau genug kenne. Das konnten die Brüder natürlich vorher nicht wissen.«

»Sieht mir doch ganz so aus«, stellte ich fest, »als wollte irgendjemand mich ausschalten. Muss ganz schönes Dynamit sein, mit dem Carmichel zu mir kommen wollte. Sind Sie schon weitergekommen? Irgendwo ist da etwas mächtig faul!«

»Mrs Carmichel ist völlig zusammengebrochen«, berichtete Murphy. »Sie wusste, dass ihr Mann zu Ihnen gehen wollte. Aber sie hatte keine Ahnung, warum. Sie meinte nur, ihr Mann wäre seit ein paar Tagen außerordentlich nervös gewesen. Etwas Neues konnte sie uns nicht sagen.«

»Es stimmte also«, murmelte ich, »dass Carmichel zu mir wollte. Ob er etwas von einem Verbrechen wusste? Jedenfalls brachte man ihn zum Schweigen. Und mich wollte man außer Gefecht setzen, obwohl Carmichel kein Wort mit mir sprechen konnte.«

»Allmählich frage ich mich«, meinte Murphy, »ob es nicht doch das Klügste wäre, wenn Sie an unseren Ermittlungen teilnehmen.«

Einer von Murphys Leuten unterbrach unser Gespräch.

»Das haben wir in seiner Tasche gefunden«, berichtete er. Er hielt eine Luger-Pistole in der Hand.

Ich starrte darauf. Es war nicht so ungewöhnlich, dass ein Ermordeter eine Waffe in der Tasche hatte. Aber mir kam eine merkwürdige Idee. Ich nahm die Pistole vorsichtig in die Hand und öffnete das Magazin.

Während ich die Patronen Stück für Stück in meine Hand fallen ließ, blickte ich Murphy an. Wir zählten beide und stellten fest, dass eine Patrone fehlte.

»Untersuchen Sie sie genau!«, riet ich Murphy. »Ich gehe jede Wette ein, dass das die Waffe ist, mit der Carmichel erschossen wurde. Der Mörder hat noch keine Zeit gehabt, die verschossene Patrone wieder zu ergänzen. Und jemand hat inzwischen dafür gesorgt, dass ihn das gleiche Schicksal ereilt wie sein Opfer.«

»Rache?«, fragte Murphy zweifelnd.

Ich schüttelte den Kopf.

»Vorsicht. Der Mörder wusste zuviel. Das kostete ihn das Leben. Wir sind einer gewaltigen Teufelei auf der Spur. Der Fehler ist nur, dass wir keine Ahnung haben, was bei diesen Morden gespielt wird.«

2

Nach dieser unruhigen Nacht gönnte ich mir morgens eine Stunde länger Schlaf. Ich stand unter der Dusche und ließ das Wasser eiskalt auf mich herunterprasseln, als das Telefon schrillte.

Ich meldete mich und vernahm am anderen Ende eine kummervolle, kaum verständliche Stimme.

»Mister Cotton, hier ist Mrs Carmichel. Ich habe eine große Bitte an Sie.«

»Mein aufrichtiges Beileid, Mrs Carmichel«, antwortete ich, »natürlich helfe ich Ihnen.«

Ich merkte ihr die Erleichterung an, als sie fortfuhr. »Würden Sie wohl nachher bei mir vorbeikommen? Ich möchte Sie um Ihren Rat bitten.«

»In einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«

Um bis zu Carmichels Geschäft zu kommen, lohnte es sich nicht, den Jaguar flottzumachen. Der Rollladen des Geschäfts war heruntergelassen, das Geschäft war geschlossen. Ich klingelte an der Wohnung.

Mit verweinten Augen und ratloser Miene öffnete mir Mrs Carmichel. Sie war Anfang 30, blond und hübsch.

»Ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie kommen«, sagte sie und bat mich in die Wohnung.

Ich lehnte den Drink ab, den sie mir anbot, und blickte sie erwartungsvoll an.

»Johns Ende ist so schrecklich für mich«, begann sie. »Ich kann es noch gar nicht fassen, dass er nie mehr …«

Ihre Stimme versagte, und Tränen traten in ihre Augen.

»Sie können sicher sein«, sagte ich beruhigend, »dass alles getan wird, um seinen Tod zu sühnen. Es sieht so aus, als ob der Mörder bereits das gleiche Schicksal gehabt hat.«

»Aber warum hat er es getan? Warum nur? John hatte keine Feinde!«

»Mrs Carmichel«, sagte ich behutsam, »ich bin ziemlich sicher, dass Ihr Mann etwas wusste, was er mir um keinen Preis anvertrauen wollte. Haben Sie eine Ahnung, was es gewesen sein könnte?«

Sie hatte sich wieder gefasst.

»Das ist ja der Grund, warum ich Sie gebeten habe, Mister Cotton. Sie sind G-man. Sie können mir einen Rat geben. Sie verstehen mehr davon.«

Ich war mächtig gespannt, was sie mir zu sagen hatte. Sie machte es ziemlich umständlich, aber der Kern der Sache war, dass Carmichel in den letzten Wochen mehrfach Briefe bekommen hatte, die ihn in höchste Nervosität versetzten.

»Haben Sie eine Ahnung, wo die Briefe sind?«, wollte ich wissen.

»Ich will Ihnen zeigen, wo er seine Korrespondenz aufbewahrt. Natürlich weiß ich nicht, welche Briefe es waren. Aber vielleicht finden Sie es heraus …«

»Haben Sie der Polizei davon erzählt?«, erkundigte ich mich.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich war so durcheinander«, murmelte sie entschuldigend. »Außerdem«, sie zögerte einen Augenblick, »ich befürchtete, in den Briefen könne etwas stehen, das John in ein falsches Licht bringen würde. Aber dann habe ich mir überlegt, dass Sie am besten beurteilen könnten … John hatte Vertrauen zu Ihnen. Das ist die Hauptsache.«

Ich streifte Mrs Carmichel mit einem Blick. Wenn die Briefe wirklich etwas zu bedeuten hatten, dann war es leichtsinnig von ihr, sie hier liegen zu lassen. Vermutlich hatte nur die Anwesenheit der Cops in der letzten Nacht verhindert, dass die Gangster, die Carmichel umgebracht hatten, sich durch einen Einbruch die Briefe beschafften.

Ohne Zögern setzte ich mich an Carmichels Schreibtisch und wühlte mich durch einen beträchtlichen Stapel Briefe.

Carmichel war nicht sehr ordentlich gewesen. Die Briefe waren nicht abgeheftet oder nach dem Datum geordnet. Anscheinend hatte er unangenehme Briefe irgendwo in dem Stapel verschwinden lassen.

Plötzlich stieß ich auf eine Notiz, die aus dem Rahmen fiel. Auf einem Blatt stand nur eine Zeile, mit Maschine geschrieben. Letzter Termin 16. September.

Es war der heutige Tag. Heute war ein Ultimatum abgelaufen, das man Carmichel gestellt hatte. Im letzten Augenblick begab er sich zu mir. Und der Absender des Briefes musste ihn beobachtet haben.

Ich legte das Blatt beiseite und wühlte den Papierberg erneut durch. Jetzt ahnte ich schon, was hier gespielt wurde. Das sah mächtig nach Erpressung aus.

Nach ein paar Minuten anstrengender Suche stieß ich auf das nächste Blatt. Es unterschied sich nicht von dem anderen. Nur schien Carmichel es wütend zusammengeknittert und dann wieder geglättet zu haben.

Der Text war nicht weniger deutlich, aber ohne den geringsten Anhaltspunkt. Sie wissen, worum es für Sie geht. Seien Sie vernünftig!

Wenn noch weitere Briefe gekommen waren, dann musste Carmichel sie vernichtet haben. Denn ich fand nichts mehr.

Fragend blickte mich Mrs Carmichel an.

»Ihr Mann wurde offenbar erpresst«, sagte ich. »Wie hoch ist Ihr Bankkonto?«

Sie hatte die Auszüge zur Stelle. Anscheinend verwaltete sie die Finanzen.

Immerhin hatten die Carmichels die Kleinigkeit von 36.000 Dollar auf dem Konto, so dass sich der Fischzug für den Erpresser schon gelohnt hätte.

»Gibt es etwas im Leben Ihres Mannes, weswegen man ihn erpressen könnte? Eine Ungesetzlichkeit, etwas, dessen Bekanntwerden ihm Schwierigkeiten bereitet hätte?«

Ärgerlich krauste sie die Stirn.

»Das halte ich für ganz unmöglich. Ich kenne John seit acht Jahren. Aber ich wüsste nichts.«

»Und vorher? Was hat er Ihnen von seinem früheren Leben erzählt?«

Sie gab mir einen Abriss seines Lebens, aber das lieferte mir keinerlei Anhaltspunkt.

»Trotzdem«, sagte ich, »muss es irgendetwas gegeben haben. Wenn er Sie nicht eingeweiht hat, dann bedeutete es, dass er es auch vor Ihnen geheim halten wollte.«

Unter Tränen nickte sie. Sie tat mir leid. Aber es hatte keinen Zweck, dass ich vor ihr Verstecken spielte.

»Hören Sie«, erklärte ich ihr, »es könnte sein, dass der Erpresser den Versuch macht, in der nächsten Nacht diese beiden Briefe wiederzuholen. Es kann ja auch sein, dass er noch andere geschrieben hat, die Ihr Mann vernichtet hat. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder verständige ich die Polizei und sorge dafür, dass ein Posten vor Ihrer Wohnung aufgestellt wird. Oder ich komme am Abend hierher und warte auf den Burschen. Was ziehen Sie vor?«

Sie zögerte nicht eine Sekunde.

»Nicht die Polizei«, bat sie. »Zu Ihnen habe ich volles Vertrauen. Vielleicht gelingt es, den Kerl zu fassen.«

Mir war es recht.

Als ich in mein Office kam, fand ich eine Nachricht von Lieutenant Murphy vor. Ich sollte ihn anrufen. Das tat ich auch.

»Sie hatten recht, Jerry«, sagte er am Telefon. »Carmichel wurde mit der Luger erschossen, die wir bei dem Mann in Ihrem Kofferraum fanden. Unsere Sachverständigen haben es genau festgestellt.«

»Und wissen Sie schon, wer der Tote in meinem Jaguar ist?«

»Bisher noch nicht«, antwortete Murphy. »Aber wir haben schon eine Menge Ermittlungen laufen.«

»Wie ist es, Murphy«, fragte ich, »bin ich bei Ihren Ermittlungen dabei?«

Er geriet etwas in Verlegenheit.

»Offiziell können wir Sie nicht hinzuziehen, Jerry«, erklärte er, »das könnte so aussehen, als ob wir mit den Fällen nicht fertig werden. Aber mein Chef hat nichts dagegen, wenn Sie die Nase mit drin haben.«

»Okay«, sagte ich, »mehr wollte ich gar nicht. Die Verantwortung liegt bei Ihnen. Ich habe schon etwas Wichtiges bei Mrs Carmichel entdeckt.« Ich erzählte es ihm und legte dann auf. Anschließend meldete ich mich bei Mr High, und informierte ihn. Er hatte nichts dagegen, dass ich an den Ermittlungen teilnahm.

***

Ich hatte den ganzen Nachmittag vor mir und wollte ihn gut ausnützen.

Zuerst legte ich unserem Schreibmaschinenexperten die beiden Briefe vor. Er sollte mir verraten, mit was für einer Maschine sie geschrieben worden waren.

Mein Kollege Wills beäugte die beiden Sätze ein paar Mal mit der Lupe, zog dann Tabellen zu Rate, und es dauerte keine zehn Minuten, bis er mir eine präzise Antwort gab.

»Geschrieben ist das mit einer Underwood, Modell 1958. Sie hat einen kleinen Defekt, da, sehen Sie, Jerry, wo das e etwas hakt.«

Er zeigte mir, worauf es ankam, und wenn ich ganz genau hinsah, konnte ich es auch erkennen.

Dann machte ich einen Besuch, den ich mir schon in Carmichels Wohnung vorgenommen hatte.

Unter den Briefen, die ich gesichtet hatte, war auch das Schreiben eines alten Schulfreundes von John Carmichel gewesen. Der Mann wohnte nicht weit von New York. Sicher würde er mir etwas über Carmichels Leben erzählen können.

Ich klemmte mich hinter das Steuer meines roten Jaguar und verließ die City in westlicher Richtung.

Ich nahm den New Jersey Turnpike, der mich fast zwei Dollar an Maut kostete, mir aber als Express Highway eine Geschwindigkeit von rund 70 Meilen erlaubte.

Das waren zwar für meinen Jaguar nur kleine Fische, aber ich hütete mich, das Gaspedal noch stärker durchzutreten. Der Turnpike wendete sich dann in südliche Richtung, bis ich die Abfahrt nach Princeton, dem kleinen Universitätsstädtchen, erwischte.

Ich traf Albert Meredith und seine Frau Lucy zu Hause an.

Sie hatten die Nachricht von Carmichels Tod bereits in den Zeitungen gelesen und fragten viel. Ich sagte ihnen genauso viel, wie mir gut erschien.

Dann erkundigte ich mich nach dem Toten. »Sie kennen John Carmichel also seit Ihrer Schulzeit?«

»Ja. Wir stammen beide aus Ohio, und zwar aus einem kleinen Städtchen zwischen Dayton und Cincinnati.«

»Hatten Sie seitdem ständig Kontakt mit Carmichel?«

»Das ist zuviel gesagt – es sind immerhin über 25 Jahre seitdem vergangen. Wir verließen nach der Schule unsere Heimatstadt.«

»Wohin ging Carmichel?«

Meredith zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht mehr so genau. Immerhin – gelegentlich trafen wir uns – wenn wir zufällig wieder daheim waren. Sie wissen ja, wie so etwas ist.«

»Und was wissen Sie über ihn?«

»Ich erinnere mich, dass mir meine Eltern erzählten, dass er genau wie ich 1943 Soldat wurde. Nach dem Krieg hatte ich jede Verbindung mit ihm verloren. Dazu kam das Gerücht …«

Er zögerte einen Augenblick.

»Was für ein Gerücht?«

»Von den Toten soll man nur Gutes reden«, murmelte er. »Aber wenn Sie meinen, dass es für Sie nützlich ist: Kurz und gut, in meiner Heimatstadt ging das Gerücht um, dass er wegen Desertion ins Gefängnis gekommen wäre.«

Unwillkürlich stieß ich einen Pfiff aus.

»Bringt Sie das weiter?«, fragte Meredith gespannt.

»Wissen Sie das genau?«, erkundigte ich mich. »Es könnte genau der Punkt sein, der zu Carmichels Tod geführt hat. Was, meinen Sie, würden wohl die Kunden eines gut gehenden Geschäfts von dem Inhaber halten, wenn sie erfahren, dass er desertiert ist?«

Diesmal war es Mrs Meredith, die die Antwort übernahm. »Sie würden ihn glatt boykottieren«, erklärte sie unverzüglich.

»Genau das«, stimmte ich zu. »Mit der Bekanntgabe dieses Makels konnte man den armen Carmichel ganz schön unter Druck setzen. Ich möchte wetten, dass dies geschehen ist.«

»Aber wer kann davon gewusst haben?«, fragte Albert Meredith, dem das Schicksal seines Schulfreundes sehr nahe ging.

»Sie sagen selbst, dass man in Ihrem Heimatstädtchen Bescheid wusste. Aber vor allem natürlich die früheren Kriegskameraden von Carmichel. Bestimmt hat der Fall damals eine Menge Staub in seiner Einheit aufgewirbelt. Also haben viele Menschen davon gewusst. Da braucht nur einer darunter zu sein, der aus seinem Wissen Geld schlagen will.«

»Aber das heißt«, sagte Meredith, »dass es unendlich schwierig sein wird, den Mann zu finden, der John die Daumenschrauben ansetzte und ihn zuletzt sogar beseitigen ließ.«

»Sie sagen es. Und weil vermutlich nur Carmichel den Namen des Erpressers kannte, musste er in dem Augenblick sterben, als er sein Wissen an einen Dritten, nämlich mich, weitergeben wollte.«

Das klang leider nur allzu logisch. Ich stellte Albert Meredith noch eine Reihe von Fragen nach Leuten, die vielleicht Bescheid gewusst hatten, aber das führte nicht viel weiter.

So fand ich mich am späten Nachmittag wieder auf der Rückfahrt nach New York. Zwar etwas klüger als vorher, aber von meinem Ziel noch weit entfernt.

Bevor ich meinen Nachtdienst bei Mrs Carmichel antrat, machte ich noch eine Stippvisite in meinem Büro.

Murphy hatte schon wieder angerufen.

Ich ließ ihn mir an die Strippe geben.

»Wir wissen, wer der Tote in Ihrem Kofferraum ist«, trompetete er mir entgegen.

»Gratuliere. Ging ja schnell. Lassen Sie mich tippen! Einer aus dem Album?«

Es lag nahe, dass in einem solchen Fall zunächst die Verbrecheralben durchgekämmt wurden.

Murphy gab mir recht.

»Der Mann hieß Bob Grimmond und hatte schon ein paar Vorstrafen auf dem Buckel. Darunter eine Beteiligung an einem bewaffneten Raubüberfall.«

»Das bestätigt uns, dass eine Gang hinter Carmichels Tod steckt. Ich glaube, das Ganze ist verzwickter, als es anfangs aussah.«

***

Es war ein nebliger Septemberabend, als ich meinen Jaguar wie üblich vor meiner Wohnung parkte. Ich wollte die Gangster nicht darauf aufmerksam machen, dass ich in Wahrheit in Carmichels Wohnung sein würde.

Durch den Vordereingang betrat ich das Haus, knipste in meiner Wohnung die Lichter an und verließ das Gebäude dann durch den hinteren Ausgang.

Niemand verfolgte mich, als ich die Rückseite der Carmichel-Wohnung erreichte. Ich huschte ins Haus und drückte auf die Klingel.

Alles blieb still. War die Frau da? Ich hatte mein Kommen doch angekündigt. Während ich erneut läutete, presste ich mein Ohr an die Tür.

Ein Geräusch, als ob jemand durch die Räume hastete, drang an mein Ohr. Irgendetwas stimmte hier nicht.

Ich verzichtete darauf, erneut zu klingeln. Stattdessen drückte ich auf die Klinke. Die Tür gab nach. Es gefiel mir gar nicht, dass von Mrs Carmichel kein Lebenszeichen kam. Schnell trat ich ein. Das Licht brannte – das erleichterte mir die Orientierung.

Vorsichtig zog ich die erste Tür auf, der Blick genügte mir. Das Zimmer war leer. Ich preschte hinein.

Es sah aus, als ob die Wohnung auf den Kopf gestellt worden war. Jemand hatte hier das Unterste zuoberst gekehrt. Ich konnte mir vorstellen, was er gesucht hatte.

In diesem Augenblick verlöschte das Licht. Mit einem Sprung war ich an der Wand, um Rückendeckung zuhaben. Aber nichts geschah. Warteten sie im Nebenzimmer auf mich?

Ich packte meine Taschenlampe, um mich in der Finsternis zurechtzufinden. Vorsichtig trat ich den Rückzug in den Flur an. Kein Geräusch durfte verraten, wohin ich mich bewegte.

Der Flur war immer noch leer. Ich peilte die Lage. Wenn der ungebetene Besucher mich erwartete, würde er annehmen, dass ich aus dem Zimmer kam.

Ein Blick durchs Schlüsselloch in den anschließenden Raum zeigte mir, dass er dunkel war. Ich drückte vorsichtig auf die Klinke und stieß die Tür auf. Jetzt musste der Angriff erfolgen.

Aber nichts geschah. Aus der Deckung, in der ich mich befand, ließ ich den grellen Strahl meiner Lampe ins Zimmer fallen. Auch hier herrschte eine wüste Unordnung. Aber niemand war da.

Wer sich in der Wohnung befand, musste im dritten Raum, dem Schlafzimmer, zu finden sein.

Ich ging nach der gleichen Taktik vor und stieß die Tür auf. Im Strahl meiner Lampe erkannte ich die leblose Gestalt von Mrs Carmichel, die gefesselt auf dem Bett lag.

Vor dem Fenster im Hintergrund des Raumes blähte sich ein Vorhang. Im Nu war ich im Raum. Ein rascher Blick überzeugte mich, dass er leer war.

Meinen Smith & Wesson in der Rechten, die Taschenlampe griffbereit, fasste ich nach Mrs Carmichels Puls. Er schlug. Das beruhigte mich.

Ich stürzte ans Fenster. Ohne ein Ziel zu bieten, ließ ich meine Lampe den Hof erhellen. Der Strahl erfasste noch einen letzten Sprung eines Mannes, der sich davonmachte. Ich schwang mich aufs Fensterbrett und setzte in den Hof hinunter.

Der Kerl hatte vielleicht 40 Yards Vorsprung. Aber als ich den Hof hinter mir hatte und von hier die Straße erreichte, war mir klar, dass ich keine Chance hatte.

Der knappe Vorsprung hatte dem Mann genügt, um sich unter die Fußgänger zu mischen oder in einen bereitstehenden Wagen zu steigen.

Der Verkehr brandete die Straße entlang. Es war aussichtslos, auf gut Glück hier einen Mann zu suchen, von dem ich nicht einmal das Gesicht hatte erkennen können. Die Erpresser waren mir zuvorgekommen und hatten es riskiert, in der ersten Dämmerung die Wohnung der Carmichels zu durchwühlen.

Ich kehrte zu Mrs Carmichel zurück und löste ihre Fesseln. Man hatte ihr ein Taschentuch in den Mund gestopft, um sie am Schreien zu hindern.

Als sie mit Hilfe von kaltem Wasser allmählich wieder zu sich kam, konnte sie berichten, was geschehen war.

»Er läutete«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Der Mann erklärte, er habe ein Telegramm für mich, dessen Empfang ich bestätigen müsse. Kaum hatte ich geöffnet, als er sich auf mich stürzte und mich würgte, bis ich ohnmächtig war. Alles andere weiß ich nicht mehr.«

Sie zitterte.

Ich flößte ihr einen Whisky ein, der sie wieder einigermaßen auf die Füße brachte.

Dann blickte ich mich in den Räumen um. Der Gangster hatte ganze Arbeit geleistet und war mit der Durchsuchung fast fertig gewesen, als ich auftauchte.

»Glauben Sie, dass der Mann noch einmal zurückkehrt?«, fragte Mrs Carmichel ängstlich.

»Keine Sorge«, beruhigte ich sie. »Selbstverständlich bleibe ich hier. Und für die nächsten Tage sorge ich dafür, dass sie Polizeischutz bekommen.«

3

Im Pentagon in Washington saß Clive Lane bewegungslos hinter seinem Schreibtisch und starrte auf zwei Briefbogen, die vor ihm lagen.

Er kannte ihren Inhalt längst auswendig. Aber alles kam ihm unwirklich und unfassbar vor.

Als das Telefon klingelte, fuhr er zusammen. Seine Hand zitterte, als er nach dem Hörer griff und sich meldete.

»Nun, Lane, wie steht es?«, fragte die Stimme, die durch den Hörer an sein Ohr drang.

»Hören Sie«, sagte Clive Lane hastig, »Sie müssen vernünftig sein. Ich habe Ihnen schon 10.000 gegeben. Ich kann jetzt nicht mehr auftreiben.«

»Reden Sie keinen Unsinn! Das Vermögen Ihrer Frau beträgt das Vielfache. Lassen Sie sich die Bucks von ihr geben!«

»Aber das ist unmöglich!«, stöhnte Lane. »Ich müsste ihr erzählen, wofür ich das Geld …«

»Und warum tun Sie’s nicht? Ihre Ehe und Ihre Stellung müssten ihr das wert sein. Wollen Sie warten, bis wir ihr und Ihrem Chef mitteilen, dass Sie ein Bigamist sind?«

»Sie müssen mir Zeit lassen«, flehte Lane. »Haben Sie Mitleid. Sie bekommen alles, was Sie wollen. Aber ich muss es erst auftreiben – irgendwie. Geben Sie mir zwei oder drei Wochen!«

»Nein!«, entschied die unbarmherzige Stimme. »Wir haben lange genug gewartet. Sie wissen, was für Sie auf dem Spiel steht. Heute war der letzte Termin. Länger können Sie uns nicht hinhalten. Entweder Sie zahlen, oder Sie müssen die Folgen tragen.«

»Ich flehe Sie an«, stammelte Lane, »haben Sie doch Verständnis! Nur ein paar Tage …«

Aber es kam keine Antwort mehr. Der Anrufer hatte nach seinen letzten Worten das Gespräch beendet.

»Hallo«, jammerte Lane, »hören Sie nicht?«

Die Leitung blieb stumm.

Als ob der Hörer aus Blei wäre, ließ Lane ihn schwer auf die Gabel fallen.

Mit zittrigen Knien erhob er sich und wankte durch das Büro.

Seine Lippen bebten, als er am Fenster stand und hinausblickte.

Langsam schob er sich an seinen Schreibtisch zurück. Sein Blick glitt über die beiden Briefe, die vor ihm lagen.

Dann öffnete er die Schublade seines Schreibtisches.

Er fasste weit hinein und zog einen Revolver heraus und schob mit schwerem Finger den Sicherungsriegel zurück.

Sein Gesicht bekam einen entschlossenen Ausdruck, und ein letztes Mal blickte er auf das Foto seiner Frau, das in einem silbernen Rahmen auf dem Schreibtisch stand.

***

In einem unscheinbaren Backsteinhaus in Riverdale, unweit des Hudson, saßen drei Männer zusammen.

Das Wort führte der größte von ihnen, ein Mann mit pechschwarzen Haaren, die auffällig abstachen von einer feuerroten Narbe auf der Stirn.

Mac Flanaggan, den sie Mac the Knife nannten, war mit seinen Leuten unzufrieden.

»Ist euch klar«, trumpfte er auf, »dass uns die beiden letzten Fische glatt entkommen sind, ohne dass wir einen Buck gesehen haben?«

»Die reden nicht mehr«, wandte Bud Myers ein. Er war klein und hatte ein verschlagenes Gesicht.

»Aber sie zahlen auch nicht, du Trottel!«, fuhr Mac ihn an. »Wenn wir bei Carmichel nicht aufgepasst hätten, wären sie George vermutlich längst auf der Spur. Und damit uns allen!«

»Ich war von Anfang an dagegen, Carmichel die Daumenschrauben anzusetzen«, rechtfertigte sich George Ryan, der ein Durchschnittsgesicht hatte und sich elegant kleidete.

»Aber du hast es dann doch gemacht«, wies Mac Flanaggan ihn zurecht. »Und vermutlich so ungeschickt, dass dein alter Kriegskamerad auf die Idee kommen konnte, den G-man ins Spiel zu bringen.«

»Aber ich habe aufgepasst«, wandte Bud Myers ein.

»Riskier keine große Lippe! Ich möchte wissen, was du Lane im Pentagon erzählt hast, dass er auf die Idee kam, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen! Wenn das das FBI nicht auf die Palme bringt, dann fress ich einen Besen. Verdammte Stümperei!«

»Aber du hast mir selbst gesagt, Boss, dass ich mich auf nichts einlassen soll. Natürlich hab ich ihm die Hölle heiß gemacht!«

»Das Ergebnis siehst du jetzt. Wir hatten die beiden so schön im Griff. Warum, glaubst du, bin ich hinter der ersten Ehe von diesem Lane her gewesen, wenn ihr alles verderbt?«

»Du tust uns Unrecht, Boss«, versuchte nun auch Ryan sich zu rechtfertigen. »Gut, wir haben zwei Pannen gehabt. Aber das kann immer mal vorkommen. Bud konnte nicht ahnen, dass der Eierkopf im Pentagon so zarte Nerven hat. Die Bullen vom FBI werden bestimmt denken, dass er was mit Spionage zu tun hatte. Sie werden nie auf die richtige Spur kommen.«

»Und unsere Briefe? Hast du die vergessen? Du hast es ja nicht einmal geschafft, sie in Carmichels Wohnung aufzutreiben!«

»Er hat sie bestimmt verbrannt. Ich habe jede Ecke abgesucht.«

»Wahrscheinlich liegen sie längst bei den Cops und werden dort mit der Lupe untersucht. Verdammt, ihr seid wirklich für diesen Job nicht clever genug. Noch so eine Pleite, und wir können einpacken. Ein Jammer, dass ich das Wiesel nicht hier habe mit dem hätte ich so was nicht erlebt.«

»Fenton kocht auch nur mit Wasser«, behauptete Bud Myers kühn. »Sonst hätten sie ihn nicht geschnappt und drei Jahre ins Kittchen geschickt.«

»Du weißt genau, dass er verpfiffen worden ist. Dagegen ist jeder machtlos. Aber er war der beste Mann für den Job, den ich kenne. Leider kann ich nicht warten, bis sie ihn wieder freilassen. Wir brauchen Bucks, auch ohne Fenton. Und ich will verdammt sein, wenn ich mich noch einmal auf euch verlasse! Bei unserem neuen Ding bleibt ihr schön im Hintergrund, und ich ziehe die Drähte selbst!«

»Du hast einen neuen Fisch an der Angel, Boss?«, fragte George Ryan eifrig.

»Was denkst du? Glaubt ihr, ich drehe Daumen, während ihr die Karre in den Dreck fahrt? Viele Leute haben einen dunklen Punkt in ihrem Leben. Man muss ihn nur herauskriegen. Was denkt ihr, wen wir uns jetzt vorknöpfen?«

Sie starrten ihn an. Mac Flanaggan ließ seine Komplizen ein paar Sekunden im Ungewissen.

»Nun sprich schon, Boss!«, mahnte George Ryan.

»Aber merkt euch«, warnte Mac the Knife, »dass nichts geschieht ohne meinen Befehl! Wenn einer von euch wieder nicht spurt, sind wir geschiedene Leute. Verstanden?«

»Klar, Boss!«

»Also«, fuhr Flanaggan fort, und seine Stimme wurde zu einem geheimnisvollen Flüstern, »jetzt ist Mrs Eleanor Benson an der Reihe.«

Die Gangster blickten wie gebannt auf ihn.

»Die Erbin von Schokoladen-Benson?«, fragte Bud Myers.

»Genau die«, bestätigte Flanaggan. »Ich schätze sie auf sieben Millionen Bucks. Und ein Teil davon wird unsere Kasse wieder aufbessern.«

»Und was weißt du von ihr?«, erkundigte sich George Ryan gespannt.

Flanaggan lachte heiser auf. »Mrs Benson wird sich wundern, wenn ich sie daran erinnere, dass das uneheliche Kind, das sie vor 17 Jahren zur Welt brachte, nur darauf wartet, sie kennen zu lernen.«

***

Der Selbstmord von Clive Lane schlug im Pentagon wie eine Bombe ein.

Gerüchte jagten durch das Haus. War Lane ein feindlicher Agent gewesen? Hatte eine fremde Macht ihn beseitigt und den Mord als Selbstmord getarnt? Stand eine Liebesaffäre dahinter?

Der Verteidigungsminister ordnete an, dass das FBI den Fall gründlich untersuchen sollte.

So erschien ein Kollege aus Washington, der G-man Jack Robertson, auf der Bildfläche.

Als Erstes wurden ihm die beiden Briefe übergeben, die bis dahin in einem Safe verschlossen worden waren.

Ihr Text war ziemlich rätselhaft. Bisheriges genügt nicht, Anruf abwarten.

Der Zweite trug die Mitteilung: Warten nicht länger. Morgen letzter Anruf.

Robertson knöpfte sich Lanes Sekretärin vor und erfuhr, dass der Beamte in den letzten Tagen sichtlich nervös gewesen war.

»Es gibt zwei Möglichkeiten«, setzte Robertson dem Verteidigungsminister auseinander, der seinen Bericht erwartete. »Entweder es handelt sich um Spionage, was der Text der Briefe ohne weiteres zulassen würde. Oder es handelt sich um Erpressung.«

Der Apparat des FBI begann anzulaufen. Überallhin liefen die Anfragen nach Hinweisen auf Clive Lane. Als Telefotos gingen die beiden Erpresserbriefe an alle örtlichen FBI-Büros.

»Merkwürdig«, stellte Mr High fest, der mich in sein Office geholt hatte, »wie ähnlich der Erpresserbrief bei Lane dem von Carmichel ist.«

Er reichte mir das Telefoto über den Tisch.

Ich nahm die Maschinenschrift unter die Lupe. Dabei erinnerte ich mich, was mir unser Fachmann erzählt hatte.

Wenn man genau hinsah, konnte man auch bei diesem Brief das hängende e erkennen, auf das Wills mich hingewiesen hatte.

Ich zeigte es Mr High. Er rief Wills zu uns. Der brauchte nur einen Blick darauf zu werfen, um meine Vermutung zu bestätigen.

»Das bringt die ganze Sache in ein neues Licht«, sagte Mr High nachdenklich. »In Washington gehen sie davon aus, dass der Fall isoliert behandelt werden müsse. Aber ich habe den Eindruck …«

»… dass hier eine Erpresserbande am Werk ist, die nur zufällig auf den Beamten im Verteidigungsministerium gestoßen ist«, ergänzte ich den Satz von Mr High.

Der Chef nickte. »Wir haben keine Ahnung, wie weit die Erpresser ihr Netz gespannt haben.«

»Es handelt sich vermutlich um eine ganze Gang von Erpressern«, sagte ich.

»Also eine Sache für uns«, ergänzte Mr High. »Auch ohne den politisch wichtigen Mister Lane. Was würden Sie davon halten, Jerry, wenn ich in Washington anrege, dass Sie die Ermittlungen übernehmen. Schließlich haben Sie schon ein paar Zipfel in der Hand. Und in Washington weiß noch keiner, dass hier mehr als der Fall Lane auf dem Spiel steht.«

4

Als mir am nächsten Morgen Mr High mitteilte, dass Washington mir die Aufklärung der Erpressungen, denen auch Clive Lane zum Opfer gefallen war, übertragen hatte, lief alles wie am Schnürchen ab.

»Sie haben freie Hand, Jerry«, bestätigte mir unser Chef, als ich ihm meine Pläne schilderte. »Sie können sich vorstellen, dass Washington Klarheit haben muss.«

»Und Robertson?«, wollte ich wissen.

»Wird lediglich das Vorleben Lanes untersuchen. Vielleicht können Ihnen seine Ergebnisse nützlich sein.«

Mein erster Weg von Mr High führte mich in unser Archiv. »Ich habe eine schwierige Frage für euch«, erklärte ich den Kollegen.

»Schieß los, Jerry!«, sagte Paul Warner, der seine Familienalben beinahe auswendig kannte.

»Ich brauche alle Angaben über Erpresser, die gegenwärtig irgendwo in den Staaten eingebuchtet sind.«

»Das nennst du schwierig, Jerry? Du kannst warten.«

Er gab seinen Mitarbeitern ein paar Anweisungen. Schon in den nächsten fünf Minuten flatterten die ersten Karteikarten vor mir auf den Tisch.

Es war eine stolze Sammlung. Darunter waren auch kleine Fische, schmierige Existenzen, die für ein paar Bucks ihre Mitmenschen drangsalierten.

Aber da waren auch ein paar ausgekochte Gangster. Auf die kam es mir an. Das waren Burschen, die die Erpressung zu einer ausgekochten Kunst gemacht hatten, die Millionäre unter Druck setzten und insgeheim bestimmt irgendwo ein stattliches Bankkonto angehäuft hatten.

Nach einer Stunde hatte ich meine Kollektion vollständig.

»Du hast dir die besten Kunden ausgesucht«, stellte Warner lobend fest.

Er betrachtete die Karten der Gangster, die ich in die engere Wahl genommen hatte.

»Das Foto von Jenkins«, bemerkte er, »ist schon etwas älteren Datums. Er ist inzwischen fett geworden – ein Mann in den 50ern!«

»Genügt mir, Paul«, sagte ich und legte die Kartei beiseite.

»Das ist Mulligan«, fuhr der Kollege fort. »Der hat noch etwas vor sich. Seine letzte Bestrafung liegt erst ein paar Monate zurück. Er wird Jahre warten müssen, bis er wieder auf die Menschheit losgelassen wird.«

»Schade«, sagte ich, »der gefiel mir ganz gut. Aber unter diesen Umständen kann ich ihn nicht gebrauchen.« Ich musste auch diese Karte weglegen.

Allmählich wurde die Auswahl kleiner.

»Das ist ein ganz gefährlicher Bursche«, stellte Warner fest, als er zur nächsten Karte griff. »Jack Fenton, genannt das Wiesel.«

»Woher kommt der Spitzname?«

»Sie nennen ihn so, weil er clever und geschmeidig wie ein Wiesel ist. Flink und kaum zu fassen. Sieht beinahe aus wie ein anständiger Mensch. Aber gerissen ist er wie kaum ein zweiter. Ein Wunder, dass er das letzte Mal überführt werden konnte. Ich wette, so schnell fassen sie ihn nicht wieder, wenn er in einem halben Jahr frei sein wird.«

Zufrieden nickte ich.

»Der gefällt mir. Der kommt in die engere Wahl. Gib mir bitte alles mit, was du über Jack Fenton hast!«

Ich bekam einen dicken Band mit Gerichtsakten, Presseberichten und natürlich auch Fotos, nach dem ich einen ganzen Roman hätte schreiben können.

»Steht auch drin, wo Fenton seine Strafe absitzt?«, fragte ich.

»Bestimmt. Ich glaube, sie haben ihn in Boston geschnappt. Und dort in der Nähe sitzt er auf Nummer sicher.«

***

Jack Fenton das Wiesel teilte seine Zelle mit zwei Ganoven, von denen der eine – Tim Garland – wegen Hochstapelei verurteilt war, während der andere – Fred Hamilton – ein halbes Dutzend Jahre wegen eines Raubüberfalls abzusitzen hatte.

Die drei waren gerade mal wieder dabei, sich gegenseitig ihre Pläne anzuvertrauen, die sie nach ihrer Entlassung durchführen wollten.

»Ich hab genug«, erklärte Garland. »Mit ein paar tausend Bucks mach ich eine Kneipe auf. Es kann eine ganz kleine sein. Aber hierher bringen mich keine zehn Pferde zurück.«

Fenton wollte gerade etwas erwidern, als die Schlüssel in der Tür klirrten.

»Los, Fenton«, sagte der Wärter, »du hast Besuch. Komm mit!«

»Besuch – ich?«, staunte Fenton. »Wer ist es denn?«

»Keine Ahnung«, sagte der Wärter. »Was ist nun – kommst du, oder kommst du nicht?«

Fenton erhob sich, zuckte mit den Achseln und ging vor dem Wärter her.

Der Wärter brachte ihn zunächst in den Raum, in dem er, durch ein Gitter getrennt, mit einem Besucher sprechen konnte. Dann entfernte sich der Wärter, wie ihm aufgetragen war. Gespannt sah Fenton sich um, wer ihn wohl sprechen wollte. Aber niemand war zu sehen.

Dann kam ein anderer Wärter. »Mitkommen!«, befahl er.

Fenton starrte ihn an. »Ich habe Besuch«, murrte er. »Deshalb haben sie mich doch aus der Zelle geholt.«

»Das war ein Irrtum«, sagte der Wärter.

Fenton begriff nichts mehr. Man führte ihn in einen abgelegenen Raum, zog ihm einen Mantel über und legte ihm Handschellen an.

»Was soll das«, protestierte Fenton. »Das könnt ihr mit mir nicht machen!«

Aber niemand hörte auf ihn. Durch eine Seitentür schob man ihn aus dem Gefängnis und in einen bereitstehenden Wagen.

»Meine Sachen«, krakeelte Fenton. »Ihr könnt mich nicht abtransportieren ohne meine Sachen. Alles ist noch in der Zelle!«

Aber da steckte er schon in dem Gefängnistransportwagen, von einem bewaffneten Polizisten bewacht.

Ein paar Stunden später fand er sich in einem anderen Gefängnis in einer Einzelzelle wieder, die so gelegen war, dass er keine Möglichkeit hatte, durch Klopfzeichen seine Mitgefangenen zu verständigen.

Jack Fenton das Wiesel musste für kurze Zeit von der Bildfläche verschwinden.

***

Ich saß im Büro des Gefängnisdirektors. Direktor Spruce konnte den Blick nicht von mir wenden.

»Hören Sie, Agent«, sagte er, »wenn ich nicht genau wüsste, dass Sie Jerry Cotton sind, glauben könnte ich’s nicht.«

»Umso besser«, antwortete ich. »Aber sagen Sie, Mister Spruce, Sie haben doch Fenton ein paar Mal gesehen. Gibt es noch irgendeinen Unterschied?«

Er ging um mich herum, schüttelte ein paar Mal fassungslos den Kopf und lachte dann.

»Ehrlich gesagt, Sie sehen dem Kerl ähnlich wie ein Ei dem anderen.«

Das konnte ich mir denken. Wir hatten einen Maskenbildner, der für das FBI arbeitet, und der Mann hatte mein Äußeres mit allerlei Tricks nach den Fotos genau auf Jack Fenton getrimmt. Zum Glück hatten wir die gleiche Größe und waren auch etwa im gleichen Alter.

»Die Frage ist nur«, sagte ich, »ob ich die beiden Gangster in der Zelle, Garland und Hamilton, auch täuschen kann.«

»Als ich von Ihrem Plan hörte«, sagte Direktor Spruce, »habe ich sofort eine schwächere Birne in die Zellenlampe schrauben lassen, während die drei im Hof waren. Sie haben erst gemeutert, es aber dann hingenommen. Sie stehen also nicht im Jupiterlicht. Aber wenn ich Sie so sehe, glaube ich fast, das wäre nicht nötig gewesen.«

»Die einzige Gefahr«, wandte ich ein, »besteht darin, dass die drei über Themen gesprochen haben, von denen ich keine Ahnung habe.«

»Es ist ja nur kurze Zeit«, sagte der Direktor tröstend.

Das Telefon läutete. Spruce hob ab.

»Well«, sagte er. »Schicken Sie den Wärter her!«

Er legte den Hörer auf die Gabel und blickte mich an.

»Es ist soweit, Agent«, kündigte er an. »Gleich wird der Wärter kommen und Sie holen. Er hat keine Ahnung und hält Sie für Fenton.«

Ich erhob mich und stellte mich hinter den Schreibtisch von Spruce, als hätte ich eben eine Mitteilung von ihm erhalten.

Schon klopfte es. Der Wärter trat ein.

»Nehmen Sie Fenton wieder mit!«, sagte Spruce.

Der Wärter schenkte mir kaum einen Blick.

»Also los, gehen wir!«, sagte er.

Ich spürte den besorgten Blick des Direktors, als ich gehorsam vor dem Wärter den Gang entlangtrabte.

Zum Glück hatte ich im Zimmer von Direktor Spruce den Lageplan des Gefängnisses studiert, so dass ich meinen Weg in die richtige Zelle fand, ohne dass der Wärter irgendeinen Verdacht schöpfte. Vor der Tür blieb ich gehorsam stehen und wartete, bis der Wärter mir öffnete.

Jetzt kamen die Augenblicke, von denen alles abhing. Gespannt blickten mir Garland und Hamilton entgegen, als ich mich in ihre Zelle hineintrollte.

»Was war los, Wiesel?«, fiel Garland mit der ersten Frage über mich her.

»Wer war dein Besuch? Ein Girl?«, fügte Hamilton gespannt hinzu.

»Unsinn«, kaute ich durch die Zähne. »Mein Anwalt war’s. Die schönste Überraschung meines Lebens.«

Sie waren so gespannt, dass keiner der beiden etwas merkte. Mit jeder Minute, die ich länger in der Zelle war, wuchsen meine Chancen.

»Dein Anwalt? Was wollte er?«

»Sie haben sich verrechnet«, sagte ich. »Haben die Untersuchungshaft zu kurz berücksichtigt. In ein paar Tagen komme ich frei.«

»Mensch, Wiesel, hast du einen Dusel!«

»Ist mir gar nicht so recht«, murrte ich. »Ich hatte hier noch ein paar Sachen zu erledigen. Die schaff ich jetzt nicht mehr.«

»Hängt es mit dem Kerl zusammen, der dich verpfiffen hat?«, wollte Hamilton wissen.

»Auch das«, sagte ich wegwerfend. »Halb so wichtig.«

»Nanu«, sagte Garland, »vorhin wolltest du ihn noch durch die Mangel drehen. Und jetzt …«

Ich merkte, dass ich einen Fehler gemacht hatte. »Das steht ohnehin fest. Das ist das Erste, was ich mir vornehme. Aber da gibt es noch ein paar andere Maschen, auf die ich reisen wollte, wen ich draußen war. Brauchte ein paar Informationen dazu. Jetzt wird die Zeit dafür zu knapp.«

»Hast du einen Dusel«, sagte Hamilton neidisch. »Ich wünschte, bei mir hätten sie sich um ein paar Jahre geirrt.«

»Man muss eben clever sein«, bemerkte ich lakonisch. »Und den richtigen Anwalt haben.«

»Gestern warst du noch stinksauer auf ihn«, stellte Garland fest.

»Gestern«, sagte ich gelassen, »ist nicht heute. Da dachte ich ja noch nicht daran, dass er mir ein halbes Jahr ersparen würde.«

Sie bombardierten mich mit Fragen darüber, was ich draußen anfangen wollte.

Aber ich hütete mich, allzu viel auszupacken. Nur über eins ließ ich keinen Zweifel, nämlich dass ich wieder groß einsteigen wollte, und es dabei so schlau anfangen würde, dass sie mich nicht wieder schnappen würden.

***

Mrs Eleanor Benson war eine nicht allzu große, etwas untersetzte Lady von Anfang 40. Ihre Kosmetikerin hatte es fertig gebracht, sie erheblich jünger erscheinen zu lassen.

Da die Schokoladenfabrik in den Händen guter Manager ausgezeichnet aufgehoben war, sah Eleanor Benson den Sinn ihres Lebens darin, in der Gesellschaft New Yorks die Rolle zu spielen, die ihren Millionen zukam.

Keine Aufführung in der Metropolitan Oper, keine Premiere am Broadway, keine Party unter den oberen Zehntausend und keine Modenschau der führenden Häuser, bei denen Eleanor nicht dabei war. Sehen und gesehen werden – das war ihr Lebensinhalt.

Zu diesem Zweck unterhielt sie einen ganzen Fuhrpark, der aus einer großen Cadillac-Limousine, einem Maserati-Sportwagen und einem Bentley bestand.

Sie liebte es, selbst zu fahren, obwohl natürlich ein Chauffeur zur Verfügung stand. Jedenfalls konnte man annehmen, dass dort, wo einer ihrer Wagen zu erblicken war, auch Mrs Benson in der Nähe war.

Das war es ungefähr, was Mac the Knife seinen beiden Kumpanen auseinander setzte.

»Wir brauchen nur auf ihren Wagen zu achten, dann haben wir das Erste schon geschafft. Etwas Seelenmassage wird der Lady guttun.«

»Wer von uns soll das machen?«, wollte Ryan wissen. Flannagans Blick lief forschend zwischen seinen beiden Komplizen hin und her.

»Ich bin nicht sicher, ob nicht einer von euch auch diese einfache Sache vermasselt«, brummte er unentschlossen.

Dann nickte er Bud Myers zu.

»Gnade dir, wenn etwas schief geht, Bud! Ich werde in der Nähe sein und dich beobachten. Die Benson wird bestimmt heute beim Empfang sein, den die Gräfin Radziwil gibt. Im Waldorf-Astoria. Du hältst dich am Parkplatz auf und sorgst dafür, dass du den Wagen der Benson ausfindig machen kannst. Du weißt, welche Modelle in Frage kommen. Den Maserati wird sie heute bestimmt nicht nehmen. Also Cadillac oder Bentley.«

»Ist klar, Boss«, stimmte Myers zu. »Die Bombe brauch ich noch.«

»Das wird bestimmt eine Bombe für sie sein«, stimmte Flanaggan zu und holte einen Bogen aus der Tasche.

»Hier, den praktizierst du der Schokoladentante auf den Sitz, oder wenn es nicht anders geht, unter die Scheibenwischer. Das wird ihr einheizen!«

Sechs Stunden später erlitt Eleanor Benson, als sie in ihren Cadillac stieg und sich nach einigen Cocktails höchst angeregt und unternehmungslustig fühlte, den Schock ihres Lebens.

Ihre Hände begannen zu zittern, als sie die Botschaft las, die sie in ihrem Wagen gefunden hatte.

Haben Sie Ihr Kind vergessen, Mrs Benson? Sie werden bald mehr von ihm hören!

Was die geschickten Hände der Kosmetikerin geglättet hatten, war mit einem Schlag verschwunden. Tiefe Falten warfen ihre Schatten über Mrs Bensons Gesicht, das bleich wie Kalk war.

Es dauerte Minuten, bis sie sich wieder so weit gefasst hatte, dass sie den Wagen vom Parkplatz steuern konnte.

5

Obwohl meine Zeit im Gefängnis von Boston kurz bemessen war, kam sie mir mächtig lang vor. Denn ich musste jeden Augenblick mich in der Gewalt haben, um nicht aus der Rolle zu fallen.

Das hörte selbst in der Nacht nicht auf.

Nachdem ich meine erste Nacht in der Zelle verbracht hatte, betrachtete mich Hamilton mit einiger Verwunderung und meinte: »Diese bevorstehende Entlassung hat Wunder bei dir gewirkt, Wiesel. Diese Nacht hast du zum ersten Mal nicht geschnarcht.«

Das stand natürlich auch in den FBI-Akten über Fenton nicht, dass er schnarchte, sonst hätte ich mir im Verlauf der Nacht bestimmt ein paar passende Schnarchtöne abgerungen. Ich bekam spitz, an wieviel Kleinigkeiten es hängen kann, wenn man in die Identität eines anderen schlüpfen will.

Während wir unseren Spaziergang über den Hof machten, merkte ich, dass die Nachricht von meiner bevorstehenden Entlassung schon die Runde gemacht hatte.

Am Tage meiner Entlassung ließ Spruce mich zu sich kommen. Er schickte den Wärter weg, als ich in sein Zimmer getreten war, und blickte mich gespannt an.

»Etwas schief gegangen?«, fragte er.

»Alles okay.«

»Ich habe Blut und Wasser geschwitzt«, bekannte er ehrlich.

»Ein Zuckerschlecken war es für mich nicht. Sie sollten es selbst mal versuchen. Sie würden in zwei Tagen viel über Ihr Gefängnis erfahren.«

Er lächelte etwas säuerlich. »Gibt es noch etwas, was ich für Sie tun kann?«

»Lassen Sie alles so laufen, als ob ich wahrhaftig Jack Fenton wäre! Was macht er überhaupt? Haben Sie Nachricht?«

»Erst war er wütend«, berichtete Spruce. »Natürlich konnte er sich keinen Reim auf alles machen. Aber wie ich hörte, haben sie ihm durch eine spezielle Verpflegung die Einzelzelle etwas versüßt.«

»Es ist das Wichtigste, dass über Fenton nicht die geringste Nachricht hinausdringen kann. Es würde all meine Pläne zunichte machen und mich sogar in Gefahr bringen.«

Der Direktor versicherte mir, alles würde glatt gehen.

Dann klingelte er nach dem Wärter, und ich wurde zur Entlassung gebracht.

Schließlich stand ich einsam und verlassen vor dem düsteren Portal des Gefängnisses und blinzelte unternehmungslustig in die Welt.

Betriebskapital hatte ich fürs erste, so dass ich mich in Boston in den Zug setzen und die Fahrt nach New York antreten konnte.

Gut, dass der richtige Fenton in seinem Gewahrsam keine Zeitungen zu lesen bekam. Sonst hätte er sicher einen Tobsuchtsanfall über die Meldungen bekommen, die in ein paar New Yorker Blättern erschienen.

Sie waren nicht besonders groß aufgemacht, aber ich war sicher, dass ihr Inhalt den Gangstern, auf die es mir ankam, nicht verborgen bleiben würde.

Jack Fenton, in der Unterwelt als das Wiesel bekannt, ist soeben aus der Strafanstalt Boston entlassen worden. Der wegen Erpressung verurteilte Gangster brauchte von drei Jahren, zu denen er verurteilt war, nur zweieinhalb zu verbüßen. aber die Gründe der Strafmilderung wurde nichts bekannt gegeben.

Das war die Begleitmusik, mit der sich mein Start in der New Yorker Gangsterwelt vollziehen konnte.

***

Mir war klar, dass mein erster Weg genau dorthin führen musste, wohin sich auch der richtige Jack Fenton begeben hätte: zu seinem Girl, das ihn, wie er sicher hoffte, ungeduldig und in fester Treue erwartete.

Ann Seymour, die beim Prozess gegen Fenton zu seinen Gunsten ausgesagt hatte und um ein Haar einem Meineid entgangen war, ließ mich diesem Besuch mit besonderem Vergnügen entgegensehen.

Sie war eine dralle Blondine, die als Tänzerin in gewissen Lokalen gesucht war.

Aber auch hier würde ich es nicht leicht haben, dass meine Maskerade nicht durchschaut werden konnte. Denn niemand als das Girl konnte Fenton besser kennen. Ich war mächtig gespannt, ob die blonde Ann die Nachricht in der Presse entdeckt hatte und ihren Darling bereits ungeduldig erwartete.

Die Adresse in der Bronx war mir aus den Akten bekannt.

Als ich am Abend im Grand Central Terminal meinen Zug verließ und mich im Menschengewühl durch die große Haupthalle gedrängt hatte, schnappte ich mir zuerst ein Taxi und gab Anns Adresse an.

Es war mir klar, dass jetzt das große Abenteuer erst richtig begann. Und ich bedauerte, dass ich nicht im FBI-Gebäude angerufen hatte, um zu erfahren, ob es bereits etwas Neues über die Erpresser gab.

Das Taxi hielt schließlich vor einem Apartmenthaus in der Nähe des Bronx Park. Ich bezahlte den Fahrer und schlenderte auf den Eingang zu. Ich huschte im Lift ins vierte Stockwerk.

Ich hielt mich nicht damit auf zu klingeln, sondern legte die Hand auf die Klinke. Die Tür war unverschlossen. Ich trat ein. Schnell stellte ich fest, dass sich in der Wohnung niemand aufhielt. Außer einer schwülen Parfümwolke, die die ganze Wohnung überlagerte, war nichts zu bemerken.

Sicher war Ann Seymour in irgendeinem Night-Club. Mir konnte es nur recht sein.

Ich warf mein Sakko über einen Stuhl und sah mich zuerst einmal in der Wohnung um.

Sicher würde Ann erst in den frühen Morgenstunden zu Hause aufkreuzen. Ich setzte mich vor den Fernseher und wartete. Da in Anns Apartment das Telefon nicht fehlte, konnte ich der Versuchung doch nicht widerstehen, meinen Auftritt in meiner Dienststelle anzukündigen.

Ich hatte Glück – mein Freund Phil Decker war gerade mit dem Nachtdienst an der Reihe.

»Hallo Jerry«, rief er, »haben sie dich entlassen?«

»Mir hat’s gereicht«, sagte ich knurrig. »Ich warte bei der blonden Ann, dass sie nach Hause kommt.«

»Du bist zu beneiden!«, war Phils Kommentar.

»Scherz beiseite, Phil. Das Girl kann jeden Augenblick kommen, und wer weiß, wann ich wieder zum Telefonieren komme. Was gibt es Neues in der Sache?«

»Eigentlich wenig«, berichtete Phil. »Robertson hat vermutlich das Geheimnis von Lane entdeckt. Es sieht so aus, als ob er während des Kriegs eine Französin geheiratet hat. Dann hielt er sie wohl für tot, kehrte zurück und heiratete schließlich erneut. Aber das Mädchen lebte, und irgendjemand muss Wind davon bekommen haben, dass er sie unterstützt. Natürlich hatte sie mit der Erpressung nichts zu tun.«

Ich stieß einen Pfiff aus. Das erklärte die Panik, die Lane ergriffen hatte. Ein Verfahren wegen Bigamie hätte wahrscheinlich nicht nur seine Stellung, sondern auch seine Ehe erledigt.

Phil erzählte mir noch ein paar Einzelheiten, und wir verabredeten ein Kennwort, unter dem wir in Verbindung bleiben konnten.

»Damit dein Fehlen nicht auffällt«, fügte er hinzu, »bin ich offiziell mit dem Fall betraut. Sozusagen der obere Teil des Eisbergs.«

Ich musste bis drei Uhr morgens warten, bis Ann Seymour auf der Bildfläche erschien.

Aber ihre Liebe zu Jack Fenton schien nicht mehr allzu feurig zu sein, denn sie kam nicht allein.

Ich hörte die Stimmen an der Tür und ging ins Bad.

Sie schwirrten ins vordere Zimmer, und Ann mischte einen Drink. »Cheerio, Darling«, zwitscherte sie.

Der Man schien im Zimmer umherzugehen. Ann kicherte verliebt.

»Dick«, bat sie, »warte doch einen Augenblick, ich will mir schnell die Hände waschen.«

»Mach schnell Süße!«, vernahm ich den Mann, der eine rauchige Stimme hatte.

Auf ihr Gesicht war ich gespannt. Gelassen wartete ich.

Trällernd kam sie herein. Aber die Melodie blieb ihr im Hals stecken, als sie mich sah.

»Jack, du?«, stammelte sie, und ihr Gesicht wurde unter der Schminke blass.

Der Kerl draußen hatte das Radio angestellt und konnte nichts von uns hören.

»Mich hast du nicht erwartet, wie?«, fragte ich schneidend.

»Ich denke du bist …«, stotterte sie.

»Ich bin hier, wie du siehst«, sagte ich eisig. »Du scheinst dich nicht allzu sehr zu freuen. Störe ich dich und deinen Kavalier?«

Sie wählte den einzigen Ausweg, der ihr blieb, und segelte geradezu in meine Arme. Eine Parfümwolke schien über mir zusammenzuschlagen. Aber ich stieß das Girl zur Seite.

»Wer ist der Kerl da draußen?«, fauchte ich sie an.

»Niemand Besonderes. Ein Bekannter. Nicht, was du denkst.«

»Das werden wir gleich wissen.«

»Ich habe immer nur auf dich gewartet«, flötete das Girl und bemühte sich, mir am Hals zu bleiben.

»Das sehe ich«, schnauzte ich.

Inzwischen war der Bursche draußen ungeduldig geworden. »Wo bleibst du Süße!«, schrie er. »Ich komme zu dir!«

Ann Seymours Blicke huschten ratlos zwischen mir und der Tür hin und her. Ich gab der Frau ein Zeichen, ruhig zu sein.

Seiner Sache sicher riss der Mann die Tür auf. Fassungslos starrte er mich an. Es war ein großer schwarzhaariger Kerl mit brutalem Gesicht. Ich hatte Ann eigentlich einen besseren Geschmack zugetraut.

Sein Blick wanderte zu Ann, die verschüchtert in der Ecke stand. Kein Wunder, dass der Schläger glaubte, in mir einen unerwünschten Eindringling zu erblicken.

»Was suchen Sie hier?«, schrie er mich an. »Machen Sie, dass Sie wegkommen, und belästigen Sie …«

»Quatsch«, kreischte Ann Seymour auf, »es ist Jack, du weißt doch.«

Aber das blieb auf den Burschen ohne Eindruck. »Ich lasse Ihnen drei Sekunden Zeit zu verschwinden. Sonst werden Sie was erleben!«, herrschte er mich an.

»Schick deinen Kavalier weg!«, befahl ich Ann Seymour.

Ihre Blicke huschten ratlos zwischen dem Mann und mir hin und her. Sie war der Situation nicht gewachsen. Aber ehe sie etwas unternehmen konnte, stürzte sich der Kerl auf mich zu und versuchte, mich mit einem wilden Schwinger zu erwischen.

Aber der Kerl wusste natürlich nicht, was in Jack Fentons Akten stand und was ich mit Vergnügen gelesen hatte: Das Wiesel war perfekt in Judo. Und genau das beherrschten G-men natürlich auch.

Ehe sein Schlag auch nur landen konnte, hatte ich den Kerl gepackt, mich blitzschnell gedreht, ihn über mich geschleudert und mit einem Körperwurf auf dem Boden landen lassen.