JFK: Dallas Dealey Plaza - Bernward Schneider - E-Book

JFK: Dallas Dealey Plaza E-Book

Bernward Schneider

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Beschreibung

John F. Kennedy, der 35. Präsident der Vereinigten Staaten, starb am 22. November 1963 durch Gewehrschüsse auf der Dealey Plaza in Dallas. Er wurde nur 46 Jahre alt. Kennedy hinterließ eine junge Frau und zwei kleine Kinder. Sein erschütternder Tod gilt als eines der folgenschwersten Ereignisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wirkt bis auf den heutigen Tag nach. In seinem Essay »JFK: Dallas Dealey Plaza« beschreibt der Autor die furchtbaren Ereignisse, die dem Präsidenten zum tödlichen Verhängnis wurden. -- 3. überarbeitete Auflage 2023.

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Bernward Schneider

JFK: Dallas Dealey Plaza

Edition Benu

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Bernward Schneider

JFK: Dallas Dealey Plaza

Edition Benu

1 Cronkite auf CBS

Seit einer halben Stunde waren in der Fernsehredaktion von CBS in New York Meldungen eingegangen, dass auf die Wagenkolonne des Präsidenten geschossen worden war. Nachrichtensprecher im Studio war Walter Cronkite, einer der bekanntesten und beliebtesten Reporter des Landes. Der Präsident sei schwer verletzt in die Notaufnahme des Parkland Hospital von Dallas eingeliefert worden, berichtete Cronkite, und fügte vorsichtig hinzu, dass einige Leute in Dallas behaupteten, der Präsident sei tot. Aber das sei nicht offiziell, ergänzte er sogleich, man wisse nicht wirklich, wie es um den Präsidenten stehe.

Fast pausenlos telefonierte Cronkite mit Dallas, von wo ein Reporter vor Ort ihm die dort kursierenden Neuigkeiten weitergab. Eine Kamera übertrug Bilder aus Dallas in das New Yorker Studio. Man sah den Dallas Trade Mart, wo der Präsident vor einer Vielzahl von Ehrengästen eine Rede hatte halten sollen. Die Tischreihen waren festlich eingedeckt, aber die meisten Gäste saßen nicht mehr auf ihren Plätzen. Die Menschen waren aufgestanden, gingen umher oder standen in kleinen Gruppen beisammen. Viele der Gäste wirkten unschlüssig oder verstört, aber obwohl klar schien, dass es ein Mittagessen nicht geben würde, ging niemand nach Haus. In der Nähe des Sprecherpults stand ein farbiger Kellner und wischte sich die Tränen aus den Augen.

Die Sache schien ernst. Auch ein Arzt vom Parkland Hospital habe angeblich erklärt, der Präsident sei tot, berichtete Cronkite; aber war das sicher? Bei einem Ereignis wie diesem brodelte die Gerüchteküche, und stets gab es Leute, die gleich das Schlimmste behaupteten; da galt es, vorsichtig zu sein.

Schon kam eine weitere Nachricht, die zu ernsten Befürchtungen Anlass gab. Pater Huber, einer der beiden Krankenhausgeistlichen, sei in das Zimmer des Präsidenten gerufen worden, um ihm die Sterbesakramente zu verabreichen, berichtete Cronkite, fügte aber sogleich hinzu: Es ist nicht offiziell.

Es verging ungefähr eine halbe Minute, während der Cronkite für die neu an den Bildschirm gekommenen Fernsehzuschauer die Ereignisse aus Texas zusammenfasste und einmal mehr betonte, dass die Meldungen, der Präsident seit tot, von offizieller Seite nicht bestätigt worden seien, als ein Mitarbeiter der Redaktion an seinen Sprechertisch trat und ihm ein Blatt Papier überreichte.

Cronkite setzte seine schwarzumrandete Brille auf und warf einen schnellen Blick auf die Meldung, wie um zu prüfen, ob sie ein neues Detail enthielt, das wert war, in die laufende Berichterstattung Einlass zu finden.

Sein Gesicht zeigte keine merkliche Reaktion, während er die Meldung las. Er warf einen kurzen Blick in die Kamera, als wollte er sich vergewissern, dass er noch zugeschaltet war, dann blickte er wieder auf die Meldung, und in diesem kurzen Augenblick, der nicht länger als Bruchteile von Sekunden währte, schien er zu begreifen, dass er nicht mehr der Reporter auf der Suche nach der neuesten Nachricht, sondern der Verkünder eines Ereignisses von weltgeschichtlicher Bedeutung geworden war.

»Aus Dallas, Texas«, las Walter Cronkite vom Blatt. »Die offizielle Bestätigung!« Er machte eine Pause und schluckte, bevor er weitersprach. »Der Präsident ist um 13 Uhr Ortszeit im Parkland Hospital von Dallas verstorben.« Er sah zur Seite, wo an der Wand eine Uhr hing, und fügte hinzu: »14 Uhr Ostküstenzeit. Vor etwas mehr als dreißig Minuten!«

Er blickte wieder auf die Meldung, deren Tragik ihm sich erst in diesem Moment in ihrer ganzen Bedeutung offenbarte, und man merkte, dass nur das Blatt in seiner Hand ihn davor bewahrte, die Fassung zu verlieren.

Es stand noch etwas darauf, mit dem er sich von seiner plötzlichen Betroffenheit ablenkte, und mit einer Stimme, die gegen das Zittern ankämpfte, fügte er hinzu: »Vizepräsident Johnson hat das Parkland Hospital verlassen und wird in Kürze der 36. Präsident der Vereinigten Staaten werden.«

Er presste die Lippen zusammen und schaute zur Seite und nun sah man, dass der Reporter mit den Tränen kämpfte.

2 Dallas Love Field

Ungefähr zwei Stunden, bevor Walter Cronkite die Nachricht von Präsident Kennedys Ermordung um den Erdball schickte, war die Präsidentenmaschine Air Force One auf dem Flughafen Dallas Love Field gelandet. Der Präsident kam aus dem benachbarten Fort Worth, wo er die Nacht im historischen Hotel Texas verbracht und am Morgen vor der Handelskammer eine Rede gehalten hatte. Dallas war die letzte Station der Wahlkampfreise, die der Präsident durch die großen texanischen Städte unternahm.

Die Reise, die am Vortag in San Antonio und Houston begonnen hatte, war kein Spazierritt für den Präsidenten. Texas war kein leichtes Pflaster für ihn. Es gab keinen anderen Ort in den Vereinigten Staaten, an dem er weniger willkommen war als in Texas, dem zweitgrößten Staat der USA. Es hatte zahlreiche Morddrohungen gegen den Präsidenten gegeben, in denen er als Kommunist und Landesverräter beschimpft worden war.

Kennedy war nur schweren Herzens auf die Reise nach Texas gegangen. »Ich wollte, ich müsste nicht nach Texas fahren«, sagte er am Vorabend der Abreise zu seinem Pressechef Pierre Salinger, der ihn aufsuchte, um sich zu verabschieden. Salinger wollte noch in der Nacht zusammen mit Außenminister Rusk und anderen Regierungsmitgliedern zu einer Reise nach Honolulu und von dort weiter nach Tokio aufbrechen.

»Machen Sie sich keine Sorgen«, gab Salinger zurück. »Es wird eine große Reise werden. Sie werden Menschenmassen auf die Straße locken wie keiner zuvor.«

Kennedy lächelte. »Kommen Sie bald zurück«, sagte er.1

Die Drohungen gegen den Präsidenten waren dem Politikwechsel geschuldet, den Kennedy in den letzten Monaten vollzogen hatte. Kennedy hatte sich hinsichtlich der Gleichberechtigung der Schwarzen weit vorgewagt, was ihm die Rassisten, von denen viele in Texas ihre Heimat hatten, sehr übelnahmen. Seit der Kuba-Krise vom Herbst 1962, als die Welt am Rande eines Atomkrieges stand, hatte Kennedy begonnen, eine Politik der Versöhnung und des Miteinanders mit Kuba und der UDSSR herbeizuführen. Er hatte seinem Geheimdienst den Befehl gegeben, die Pläne zur Ermordung Fidel Castros nicht weiterzuverfolgen. Der von Kennedy entwickelte Abzugsplan der USA aus Vietnam sah vor, sämtliche US-Amerikaner aus dem Land zurück zu ziehen.

Es war ein Signal, das auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs verstanden wurde. Der russische Präsident Chruschtschow war von Kennedys Reden beeindruckt und hatte erkannt, dass es dem Präsidenten ernst mit seinem Friedensanliegen war. Kennedys Reden wurden in voller Länge in der sowjetischen Presse abgedruckt. »Frieden, nicht nur für unser Land, sondern für die ganze Welt, Frieden, nicht nur für unsere Zeit, sondern für alle Zeit«, hatte Kennedy in einer bewegenden Rede erklärt. Es war eine ernst gemeinte Ansage, eine deutliche Ankündigung, vor der nicht zweifelhaft war, dass der Präsident versuchen würde, sie wahr zu machen.

Nicht allen Menschen gefiel die Aussicht auf eine friedliche Welt. Für die Rüstungsindustrie, die sich aufgrund der fehlenden Kriegsausgaben vor Millionenverlusten sah, war die Friedenspolitik, die Kennedy eingeleitet hatte, ein regelrechter Schock. Die reichen Kriegstreiber in Amerika sahen sich um ihre Zukunftschancen gebracht.

Dallas, eine Stadt, die als »Brutstätte rechtsgerichteten Konservatismus« galt, war der schwierigste Ort der Texas-Reise, hier lebten die Ölbarone und Rüstungsindustriellen, und gab es besonders viele Menschen, die den Präsidenten hassten.

Es hatte Bemühungen gegeben, den Präsidenten von der Reise nach Dallas abzuhalten. Einige Bürger der Stadt waren besorgt wegen des Ausmaßes an Hass und der Flut der Feindseligkeiten, die Kennedy aus der Stadt entgegenschlugen, und befürchteten, es würde etwas Schreckliches passieren, wenn der Präsident auf seiner Wahlkampfreise nach Dallas käme. Anfang Oktober hatte der liberale Senator Fullbright aus Arkansas versucht, den Präsidenten von einem Besuch in der Stadt abzubringen. Er selbst hatte Einladungen von Freunden, die ihn aus Dallas erreichten, stets ausgeschlagen. Anwalt Byron Skelton, der Vorsitzende des Demokratischen Nationalkomitees für Texas, wurde von dunklen Vorahnungen geplagt. Die Atmosphäre in Dallas behagte ihm nicht, die Stadt war ihm unheimlich geworden. Am 4. November hatte er in einem Schreiben an den Justizminister seinen Sorgen Ausdruck verliehen und darum gebeten, Dallas von der Reise auszunehmen. Es gäbe Bürger in Dallas, denen er es zutraute, dass sie dem Präsidenten ernsthaften Schaden zufügen könnten. Zwei Tage später äußerte er seine Bedenken gegen den geplanten Besuch in einem Schreiben an einen Vertrauten von Vizepräsident Johnson, und um ganz sicher zu sein, alles versucht zu haben, flog er eine Woche später sogar nach Washington und bat dringlich darum, der Präsident möge um Dallas einen Bogen machen.

Skeltons Warnungen verpufften. Man nahm seine Besorg-nisse ernst, hielt sie aber für übertrieben. Von offizieller Seite schien niemand durchgreifende Bedenken gegen die Reise zu haben. Geheimdienst und Beraterstab des Präsidenten hielten sich bedeckt. Kennedy selbst hielt den Besuch in Texas und Dallas für nötig, um seine Wahlchancen für das kommende Jahr zu verbessern. Von Skeltons Bedenken erfuhr er nichts. Aber wäre es anders gewesen, hätte er deshalb vermutlich keinen Bogen um Dallas gemacht. Kennedy wusste, dass Texas und insbesondere Dallas ihm feindlich gesonnen waren, hatte aber nicht vor, zu »kneifen«. Er war kein Mensch, der Gefahren kleinmütig auswich, das war bekannt. Ernsthafte Sicherheitsbedenken hätte der Präsident gleichwohl nicht in den Wind geschlagen, wären sie vom Secret Service mit Nachdruck an ihn herangetragen worden. 2

Am 18. November traf das aus den Secret-Service-Männern Winston Lawson und Forrest Sorrels bestehende Vorauskommando in der Stadt ein. Das Augenmerk des Sicherheitsdienstes galt der Fahrtroute, die die Präsidentenkolonne durch die Innenstadt von Dallas nehmen sollte. Bei der Fahrt durch die Straßenschluchten fielen den Agenten die mehr als zwanzigtausend Fenster auf, die die Strecke begleiteten. Secret-Service-Mann Forrest Sorrels sagte sich, dass es unmöglich war, jedes der Fenster mit einem Sicherheitsbeamten zu besetzen. Als der Polizeiwagen, der die Route abfuhr, von der Main Street in die Houston Street einbog, erblickte Secret-Service-Mann Winston Lawson am Ende der Straße ein Gebäude, dessen Anblick ihn nachdenklich stimmte. Auf seine Frage an den im Wagen mitfahrenden Polizeichef von Dallas, Jesse Curry, was es für ein Haus sei, erklärte dieser, dass es sich um das Texas School Book Depository Building handele, ein Lagerhaus für Schulbücher.3 Die Auskunft schien Lawson zu beruhigen.

Weder die Polizei von Dallas noch der Secret Service schlugen zusätzliche Vorkehrungen zum Schutz des Präsidenten vor. Eine Verlegung der Fahrtroute innerhalb der Stadtgrenzen wurde nicht in Betracht gezogen. Kennedy selbst verließ sich darauf, dass sein Geheimdienst, das FBI und die Polizei von Dallas ihn schützen würden.4 Von einem allgemeinen Unbehagen abgesehen, das man angesichts des anstehenden Besuchs des Präsidenten in Dallas empfand, gab man sich unbesorgt.

Am Donnerstag, dem 21. November 1963, brach Präsident John F. Kennedy gegen 10.45 Uhr vom Militärflughafen Andrews Air Force Base, Maryland, bei Washington D. C. zu seiner zweitägigen Reise nach Texas auf. Ehefrau Jackie Kennedy, die ihn begleitete, präsentierte sich bei der Wahlkampftour in den mittleren Süden der Vereinigten Staaten zum ersten Mal wieder in der Öffentlichkeit, seit im August ihr kleiner Sohn Patrick kurz nach der Geburt gestorben war. Jackie wollte ihren Mann im Wahlkampf unterstützen und hoffte, dass jede Hand, die sie schüttelte, eine Stimme für den Präsidenten bei der Wahl von 1964 bedeuten würde. Der Verlust des jüngsten Kindes hatte das Ehepaar Kennedy wieder näher zusammengebracht.

Kennedy steckte voller Pläne und Energie, doch um seine Gesundheit war es nicht gut bestellt. Sein Körper machte ihm zu schaffen. Kennedy musste während der Reise ein Stützkorsett tragen, was ihm äußerlich nicht anzusehen war. Nach drei Jahren im Amt bedeutete jede Reise für ihn eine Qual. Die Schmerzen, die er hatte, ließ er sich nicht anmerken.

Der erste Tag der Reise durch Texas, die mit der Landung in San Antonio begann, verlief besser als erhofft, und schien denen Recht zu geben, die glaubten, dass man alles richtig gemacht hatte. In San Antonio und Houston, den beiden größten texanischen Städten, wurde Kennedy von jubelnden Menschen begrüßt; kaum jemand schien dem Besucher feindlich gesonnen zu sein. In Houston fuhr Kennedy in einer Autoparade durch die Stadt und hielt im Rice-Stadion der Universität eine Ansprache, die von einer riesigen Menschenmenge begeistert aufgenommen wurde.

Der Triumph, den der Präsident auf den ersten Etappen seiner Texasreise erlebte, war nicht am wenigsten seiner attraktiven Ehefrau Jacqueline geschuldet. Nicht zuletzt wegen ihrer Anwesenheit war die Stimmung der Bevölkerung sehr herzlich, als das Präsidentenpaar im offenen Wagen durch die texanischen Städte fuhr.

John F. Kennedy und seine Frau Jackie waren ein ungewöhnliches Präsidentenehepaar. Beide sahen auffallend gut aus und besaßen eine Ausstrahlung, die auf andere Menschen anziehend wirkte. Der Präsident galt als ein regelrechter Frauenschwarm. Er könne jede haben, hieß es von John Kennedy, doch die meisten Amerikaner wären schockiert gewesen, hätten sie gewusst, in welch ungewöhnlichem Ausmaß diese Einschätzung zutreffend war; denn der Präsident machte von seinen Chancen bei den Frauen einen mehr als regen Gebrauch. Dies war die dunkle Seite des Präsidenten, von der die amerikanische Öffentlichkeit noch kaum etwas ahnte. Inzwischen fürchteten die Berater des Präsidenten jedoch um seine Chancen für die Wahl von 1964, falls die zahlreichen Liebesaffären des Präsidenten, die man vor der Öffentlichkeit zu verbergen suchte, bekannt werden sollten. Manches wurde schon gemunkelt, und nicht zuletzt, um dem entgegenzuwirken, war Ehefrau Jackie mit in den Wahlkampf nach Texas gereist.5

Auch Vizepräsident Johnson und seine Ehefrau Lady-Bird begleiteten den Präsidenten auf seiner Wahlkampftour. Johnson, der selbst aus Texas stammte, war schlechter Laune. Er musste sich wegen Korruption verantworten und stand unter Druck. Die Demokraten in Dallas waren zerstritten, was Kennedy ärgerte und für Missstimmigkeiten zwischen seinem Vize und ihm gesorgt hatte. Hätte der Vizepräsident seinen Job richtig gemacht, hätte der Präsident sich den Besuch in Dallas ersparen können.

Mit von der Partie waren auf der Reise auch der Gouverneur von Texas, John Connally, und seine Ehefrau Nellie. Zum Tross des Präsidenten gehörten außer weiteren Politikern und Beratern auch 30 Secret-Service-Agenten.

Dallas würde nach San Antonio, Houston und Fort Worth die vierte Station der Wahlkampfreise durch Texas sein. Die Stadt Austin und ein sich anschließender Besuch auf der nahegelegenen Ranch des Vizepräsidenten sollten den Schlusspunkt der Reise bilden, bevor man am Sonnabend nach Washington zurückkehren wollte.

John und Jackie Kennedy waren nach einem anstrengenden Reisetag müde und erschöpft. Trotzdem nahmen sie abends noch an einer Veranstaltung spanischer Menschenrechtsaktivisten in Houston teil. Am späten Abend flogen der Präsident und seine Begleitung nach Fort Worth. Jackie begab sich nach der Ankunft im Hotel sofort ins Schlafzimmer. Der morgige Tag würde nicht weniger lang und anstrengend als der vergangene Tag sein. Kennedy schaltete den Fernseher an, während Jackie bereits schlief, und ließ den ersten Tag seiner Texas-Reise Revue passieren. Bevor er zu Bett ging und das Licht löschte, las er noch einmal den letzten Satz seiner Rede, die er am nächsten Tag in Dallas halten wollte. »Wo der Herr nicht die Stadt behütet, wachet der Wächter umsonst.«

Der Präsident lag noch lange wach. Er hatte nach dem anstrengenden Reisetag so starke Schmerzen, dass er in der Nacht kaum ein Auge zu tat.6

Der freundliche Empfang, der dem Präsidentenpaar an den ersten Stationen der Reise bereitet wurde, hatte vorübergehend vergessen lassen, dass die Hetzkampagnen, die rechtsgerichtete Kreise und die ihr zugehörige Presse gegen John F. Kennedy losgetreten hatten, nicht beendet worden waren; die Schmähungen gegen den Präsidenten hielten auch während der Reise durch Texas an. Nachdem Kennedy am Morgen des 22. November vor der Handelskammer von Fort Worth seine Rede gehalten hatte, wurden ihm die Zeitungen zur Kenntnis gebracht, die über seinen bevor-stehenden Besuch in Dallas berichteten, und von deren Inhalt sich der Präsident entsetzt zeigte. Die Dallas Morning News erschien mit einer Anzeige der John-Birch-Society, die den Präsidenten bösartig verleumdete. Unter der Überschrift »Willkommen in Dallas, Mr. Kennedy« wurde behauptet, der Präsident sei für die Verfolgung und Einkerkerung Tausender Kubaner verantwortlich und liefere Lebensmittel an die Nordvietnamesen, die den Tod amerikanischer Militärberater auf dem Gewissen hätten.7

»Wie kann eine Zeitung so etwas drucken?«, äußerte der Präsident spontan.

Jackie Kennedy wurde beim Anblick der Zeitung regelrecht schlecht. Der Präsident meisterte die Situation mit einer scherzhaften Bemerkung. »Wenn jemand wirklich die Absicht hat, den Präsidenten zu erschießen, wäre das gar nicht so schwierig«, erklärte er gegenüber seiner Frau und seinem Berater Kenneth O‘Donnell. »Es braucht nur jemand mit Gewehr und Zielfernrohr ausgerüstet eines Tages in ein hohes Gebäude zu gelangen – gegen einen solchen Versuch kann niemand etwas tun.«

Nach diesem Gespräch machten sich der Präsident und seine Begleiter zum Abflug nach Dallas bereit.8

Die Vorfreude auf den Besuch in Dallas hielt sich im Reisetross des Präsidenten angesichts der politischen Atmosphäre, die man in der Stadt erwartete, in Grenzen; doch bei den meisten Reisenden überwog ein Gefühl der Gelassenheit. Seitdem im Jahr 1901 dem Secret Service der Personenschutz des Präsidenten übertragen worden war, war noch kein Attentat auf einen Präsidenten geglückt. Die üblichen Sicherheitsvorkehrungen, die man für den Schutz des Präsidenten getroffen hatte, schienen nach den Eindrücken des ersten Reisetages ausreichend zu sein.

Secret-Service-Agent Roy Kellerman gehörte zu denen, die der Gedanke an Dallas größeres Unbehagen verursachte als anderen Personen von der Begleitmannschaft. Kellerman würde bei der Autoparade in der Präsidenten-limousine neben dem Fahrer sitzen. Bei seinem Kollegen Lawson, der bereits am Flughafen Love Field wartete, erkundigte er sich am Morgen telefonisch, ob in Dallas alles gutgehen würde. Lawson beruhigte ihn. In der Stadt stünde alles zum Besten.

Auch Lady Bird Johnson, die Ehefrau des Vizepräsidenten, wurde von der Aussicht, an diesem Tag nach Dallas gehen zu müssen, bedrückt. Wie viele andere Frauen, die an diesem Tag gemeinsam mit der Präsidentengattin an der Parade teilnehmen wollten, wusste sie nicht, was sie anziehen sollte. Als sie sich ankleidete, merkte sie, dass ihr die Hände zitterten.

Der Präsident erledigte von seinem Hotel mehrere Telefongespräche. Sein letztes Telefonat führte er mit Mrs. J. Lee Johnson vom Besuchskomitee von Fort Worth, die er anrief, um sich bei ihr für die freundliche Aufnahme in der Stadt zu bedanken.9

»Vielleicht gefällt es dem Kosmos, Koinzidenzen um den Rand des Trichters zu streuen, in dem große Ereignisse zusammenströmen«, kommentierte später der Schriftsteller Norman Mailer in seinem Buch »Oswalds Geschichte« den Anruf des Präsidenten bei seiner überraschten Gesprächspartnerin. Ihr Name enthalte das erste Initial von J. Edgar Hoover – dem Chef des FBI –, der zweite Name Lee den Vornamen des mutmaßlichen Kennedy-Attentäters Oswald, und der dritte Name den des Präsidenten, der Nachfolger von Kennedy werden sollte.10 Offenbar gefiel es dem Kosmos nicht nur, eine Reihe merkwürdiger Gleichzeitigkeiten zu schaffen, sondern auch, sich über die Menschen lustig zu machen. Eine Warnung des Kosmos an den Präsidenten konnte der Name seiner Gesprächspartnerin aus Fort Worth nicht gewesen sein; niemand außer den Attentätern hätte den Inhalt der Botschaft verstanden.

Um 11.20 Uhr bestieg der Präsidententross am Flughafen von Fort Worth die Air Force One zum Weiterflug nach Dallas. Man war etwas in Verzug, aber in die mit mehr als 700.000 Einwohnern drittgrößte texanische Stadt war es nicht weit. Das Flugzeug würde für die 50 Kilometer lange Strecke nicht länger als eine Viertelstunde brauchen. Unter Einrechnung der Fahrten zwischen Flughafen und Stadt wäre man nicht langsamer gewesen, hätte man die Strecke im Wagen zurückgelegt. Aber Landungen und Empfänge an Flughäfen machten sich gut, sodass Politiker ungern darauf verzichteten.

Als man im Anflug auf Dallas war, konnte Colonel Jim Swindal, der Pilot der Air Force One, von seinem Cockpit aus erkennen, dass man strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte. Auf jedem Dach im östlichen Teil des Flughafens waren bewaffnete Polizisten zu sehen. Swindal hatte das Gefühl, wie in den zuvor besuchten texanischen Städten eine begeisterte Menschenmenge vor sich zu haben.11 Wer Dallas besser kannte, hätte ihm sagen können, dass dieser Eindruck eine Täuschung war.

Um 11.38 Uhr setzte die Präsidentenmaschine auf dem Rollfeld des Flughafens Dallas Love Field auf.

Der Empfang am Flughafen war herzlich. Fast 500 jubelnde Menschen hatten sich eingefunden, um den Präsidenten und seine Frau zu begrüßen. Als der Präsident aus der Maschine geklettert und zusammen mit seiner Gattin die Gangway heruntergestiegen war, um von dem aus zwölf Personen bestehenden Begrüßungskomitee in Empfang genommen zu werden, erhielt er von der anderen Seite der Ketten-absperrung viele Hochrufe. Obwohl auch Gegner von Kennedy erschienen waren, die Plakate mit Kennedys Konterfei und der Aufschrift »Wanted – Gesucht wegen Verrats« hochhielten, war nichts zu erkennen, was zu ernstlichen Besorgnissen Anlass gab. Kennedy schien es genauso zu empfingen. Er begab sich zu der Absperrung und tat, was er am liebsten machte; er schüttelte möglichst viele von den Händen, die sich ihm entgegenstreckten.12

Bild 1: Die Ankunft des Präsidentenehepaares am 22. November 1963 auf dem Flughafen Dallas Love Field.

Das Wetter war herrlich, ein warmer sonniger Herbsttag mit Temperaturen um die zwanzig Grad, und Jackie Kennedy, die ein rosafarbenes Wollkostüm trug, hatte das Gefühl, zu warm angezogen zu sein.13 Für einen Kleiderwechsel blieb allerdings keine Zeit, da man sich unmittelbar nach dem Empfang am Flughafen zu der Wagenkolonne begeben musste, die schon am Rollfeld bereit gestellt war. Das festliche Mittagessen mit zahlreichen geladenen Ehrengästen und einer Rede des Präsidenten, das im Anschluss an die Fahrt durch die Innenstadt von Dallas stattfinden sollte, war für halb eins angesetzt.

Die ganze Stadt war auf den Beinen. Rund 250.000 Menschen hatten sich in den Straßen von Dallas versammelt, durch die der Konvoi fahren sollte und standen in mehreren Reihen dicht gedrängt. Egal, ob sie Anhänger oder Gegner von John F. Kennedy waren, sie alle wollten den Besucher und seine Ehefrau sehen. Das Präsidentenpaar war eine Attraktion, die sich niemand entgehen lassen mochte. 350 Polizisten der Stadt Dallas – ein Drittel ihrer Gesamtstärke – wachten über den Präsidenten und seine Gattin, außerdem vierzig Angehörige der Staatspolizei und fünfzehn Deputy Sheriffs aus Dallas County.

Pater Oscar Huber von der Holy-Trinity-Church, ein sanfter, bescheidener Geistlicher von siebzig Jahren, war an diesem Morgen um 05.00 Uhr aufgestanden und hatte sich nach der Morgenandacht der Gemeindearbeit zugewandt. Ihm war bewusst, dass dies ein besonderer Tag war, weil die Autoparade des ersten katholischen Präsidenten nur ein paar Häuserblocks von seiner Kirche entfernt entlangführen würde. Anders als seine Mitbrüder, die sich den Empfang des Präsidenten lieber im Fernsehen anschauen wollten, hatte er beschlossen, sich zu der nahe gelegenen Reagan Street zu begeben, um den Präsidenten mit eigenen Augen zu sehen.14

Joe Dealey, der Sohn des Herausgebers der Dallas Morning News telefonierte mit seinem Vater. Er war erst am Vorabend von einer Reise zurückgekommen und hatte am Morgen beim Aufschlagen der Zeitung die bösartige Anzeige gegen Kennedy erblickt, die sein Vater in seiner Abwesenheit genehmigt hatte. Joe Dealey war empört und machte seinem Vater Vorwürfe; so behandele man keinen Gast. Der alte Ted Dealey widersprach, die Anzeige entspräche den Ansichten ihres Blattes. Joe Dealey legte verärgert auf. Es war ohnehin zu spät, die Anzeige war in der Welt.15

Zwei Freundinnen aus Dallas, Mary Ann Moorman, eine Hausfrau, und Jean Hill, eine Lehrerin, waren an diesem Vormittag mit einem Ford Thunderbird zur Dealey Plaza im Zentrum von Dallas gefahren. Die Dealey Plaza war ein weitläufiger Platz, den die Wagenkolonne passieren sollte. Die Frauen parkten ihr Auto nicht weit entfernt in der Main Street. Da noch Zeit bis zur Ankunft der Parade war, machten die Freundinnen ein paar Fotos, wobei sie sich mehrmals gegenseitig knipsten.16 Beide Frauen trugen schwarze Schuhe, das war später auf allen ihren Fotos deutlich zu sehen. Nach dem gemeinsamen Foto-Shooting gingen die Freundinnen zur Elm Street, um einen Platz zu suchen, von wo aus sie einen guten Blick auf den Präsidenten hätten. Sie entschieden sich für eine Stelle in der Nähe des Bürgersteigs auf der östlichen Seite der Straße. Genau gegenüber lag ein Grashügel, der die Elm Street überblickte und den oberhalb ein niedriger Bretterzaun begrenzte. Dahinter drängten sich ein paar kleine Bäume bis an den Zaun, und hinter den Bäumen befanden sich ein großer Parkplatz und der Güterbahnhof.

An derselben Stelle der Elm Street, an der Mary Ann Moorman und Jean Hill einen guten Standplatz gefunden hatten, war früher am Vormittag Julia Ann Mercer, eine Angestellte der Firma Automat Distributors auf der Elm Street an dem Grashügel vorbeigefahren. Der Verkehr staute sich und sie musste neben einem Kleinlaster halten, in dem zwei Männer saßen. Einer von ihnen, ein jüngerer Mann, stieg aus dem Wagen und ging mit einer Gewehrtasche den Hügel hinauf.

»Der Secret Service ist nicht sehr geheim«, dachte Mrs. Mercer bei sich.17

Abraham Zapruder, ein Textilunternehmer, schaute sich um und entdeckte auf einem Betonsockel neben dem Grashügel einen für seine Zwecke idealen Standort. Zapruder besaß eine hochwertige und leistungsstarke Filmkamera vom Typ 414-PD-Bell-&-Howell-Zoomatic-Director-Series aus dem Jahr 1962, bestückt mit einem Kodak Kodachrome II Safety Film. Für seine Filmaufnahmen, die er vom Präsidenten machen wollte, gab es keinen besseren Standpunkt als das erhöhte Betonpodest am Grashügel, das ihm ein nahezu freies Blickfeld auf die Dealey Plaza bot. Wenn Zapruder das Objektiv seiner hochmodernen Kamera auf die Straße richtete, auf der die Wagenkolonne vorüberfahren würde, konnte er Mary Ann Moorman und ihre Freundin Jean Hill sehen, die sich mit ihren Fotoapparaten bewaffnet hatten. Noch immer trugen die beiden Frauen schwarze Schuhe. Auf Zapruders Film würde später allerdings etwas anderes zu sehen sein.

Lee Bowers, der Weichensteller des Rangierbahnhofs der Union Terminal Company, saß oben in seinem Glasturm, von wo aus er einen ausgezeichneten Blick auf den Grashügel und den Parkplatz dahinter hatte. Er beobachtete zwei Männer, die hinter dem Lattenzaum der Grasanhöhe Stellung bezogen hatten und dort offenbar auf die Ankunft der Wagenkolonne des Präsidenten warteten. Vor den Blicken der Zuschauer, die sich an der Dealey Plaza versammelten, blieben die Männer an diesem Ort verborgen. Der eine Mann war mittleren Alters mit einer untersetzten Figur, der andere war Mitte zwanzig und trug ein kariertes Hemd. Beide Männer waren nicht wie Bahn- oder Polizeibeamte gekleidet. Hinter dem Hügel sah Bowers einen Mann auf dem Rangierbahnhof in seinem Wagen herumfahren. Der Mann schien in ein Mikrofon zu sprechen, das er bei sich trug. Es waren die einzigen Fremden auf dem Bahngelände, die Bowers sah, die anderen waren Arbeiter, die er kannte.18

Bowers registrierte dies alles, schöpfte aber keinen Verdacht.

3 Fidel Castros Geliebte

Marita Lorenz, eine junge Deutsche aus Bremen, hätte sich von dem jubelnden Empfang, den man dem Präsidenten am Flughafen bereitete, nicht täuschen lassen, wäre sie noch in der Stadt gewesen, als Präsident Kennedy auf Love Field Airport landete. Sie wusste, dass an diesem Tag etwas Schlimmes geschehen würde. Frank Sturgis vom CIA, mit dem zusammen sie einige Tage zuvor nach Dallas gekommen war, hatte es ihr angedeutet.

Die junge Frau hatte bewegte Jahre hinter sich. Im Februar 1959, nicht lange nachdem auf Kuba die von Fidel Castro geplante Revolution den gewünschten Verlauf genommen hatte, hatte Marita Lorenz sich an Bord des westdeutschen Luxusdampfers MS Berlin befunden, der im Hafen von Havanna vor Anker lag. Sie war neunzehn Jahre alt und die Tochter des Kapitäns Heinrich Lorenz, den sie auf seiner Kreuzfahrt in die Karibik begleitete. Als Fidel Castro an Bord des Schiffes kam, um einen Besuch zu machen, entwickelte sich zwischen dem Revolutionsführer und der schönen Kapitänstochter eine Affäre.

Nachdem die MSBerlin mitsamt Marita Lorenz wieder von Havanna abgelegt hatte, kehrte die junge Frau einige Tage später nach Kuba zurück und wurde Fidel Castros Geliebte.19 Es dauerte nicht lange, dann wurde Marita Lorenz von dem Revolutionsführer schwanger. Sie ahnte noch nicht, in welches Wespennest sie sich mit ihrer Entscheidung, nach Kuba zu gehen und Castros Geliebte zu werden, begeben hatte, und welch böse Folgen ihr kubanisches Abenteuer noch für sie haben sollte.

Der amerikanische Geheimdienst CIA hatte nicht damit gerechnet, dass Fidel Castros Revolution in der Neujahrsnacht 1959 erfolgreich sein würde, und sah sich herausgefordert, Castros überraschenden Sieg nachträglich in eine Niederlage zu verwandeln. Die CIA beschloss, Militäraktionen gegen das kleine Land durchzuführen, und fasste den Plan, Castro zu ermorden.20 Im Dezember 1959 unterzeichnete der CIA-Chef Allen Dulles ein Dokument, in dem Castros Beseitigung gebilligt wurde.21

Mit dieser Unterschrift kam eine äußerst gefährliche Entwicklung in Gang. Es bildete sich eine geheime Armee aus Agenten und Exil-Kubanern, die sich zum Kampf gegen Kuba rüstete, ein Heer von Geistern, das man nicht wieder los werden sollte, als man es nicht mehr brauchte.

Entgegen Kennedys Anweisung stellten der CIA und die Exil-Kubaner ihre geheimen Mordpläne gegen Fidel Castro nicht ein. Frank Sturgis, der beste und gefährlichste Geheimagent der Vereinigten Staaten, bekam den Auftrag, Marita Lorenz zu rekrutieren und in ein Komplott gegen Castro zu verstricken.22 Nachdem Marita Lorenz eine Früh- oder Fehlgeburt erlitten hatte, und sich zur medizinischen Behandlung in die Vereinigten Staaten begeben musste, nahm die CIA Kontakt zu ihr auf und versuchte sie davon zu überzeugen, dass Fidel Castro für den Tod des gemeinsamen Kindes verantwortlich sei.23 Obwohl die junge Frau die Behauptungen des Geheimdienstes bezweifelte, ließ sie sich von der CIA zu einer Under-Cover-Agentin ausbilden und willigte schließlich ein, bei einem Giftattentat auf Fidel Castro mitzuwirken. Das Attentat scheiterte. Marita Lorenz war außerstande, ihrem einstigen Geliebten etwas so Schreckliches anzutun.24

Im November 1963 arbeitete Marita Lorenz als Mitarbeiterin der CIA in Miami/Florida und so kam es, dass sie aufgefordert wurde, zusammen mit dem CIA-Agenten Frank Sturgis eine Reise im Auto nach Dallas/Texas zu unternehmen. Zu dem Reisetrupp gehörten acht oder neun Personen, Exil-Kubaner und Geheimdienst-Agenten, zwei Fahrzeuge und jede Menge Waffen. Marita Lorenz war die einzige Frau in der Gruppe.

Einer von den Männern, die zu der Gruppe gehörten, wurde Ozzi genannt. Marita Lorenz erkannte später in ihm Lee Harvey Oswald, den mutmaßlichen Kennedy-Attentäter wieder. Ob der Mann, den Marita Lorenz unter dem Spitznamen Ozzi kennengelernt hatte, wirklich Lee Harvey Oswald oder aber ein ihm ähnlich sehender Doppelgänger war, blieb zweifelhaft. Marita Lorenz beschrieb Ozzi als »schmal und schmächtig«, eine Charakterisierung die auf den 1,77 cm großen Oswald nicht recht passte.25

Einem polizeilichen Ermittler, der sich mit Marita Lorenz' Geschichte beschäftigt hätte, wäre es vermutlich nicht gelungen, die Zweifel, ob jedes Detail darin stimmte, zu überwinden. Lee Harvey Oswald ging im November in Dallas seiner Arbeit nach. Er wohnte allerdings bis auf gelegentliche Besuche nicht mit seiner Familie zusammen. Oswald hatte während der Monate Oktober und November 1963 ein möbliertes Pensionszimmer in Dallas, während seine Frau und die Kinder in dem 28 km von Oswalds Arbeitsplatz in Dallas entfernten Irving im Haus von Ruth Paine, einer Freundin der Familie, lebten. Oswald fuhr gewöhnlich am Freitagnachmittag nach Irving und kehrte am Montagmorgen wieder nach Dallas zurück.26 Zwischen dem 11. November und dem 20. November wurde er von niemandem aus seinem privaten Umfeld gesehen, auch nicht an dem Wochenende, das in diesen Zeitraum fiel.27 Es war daher nicht ausgeschlossen, dass Oswald einer der Reisebegleiter von Marita Lorenz war. Falls Oswald nicht zu der Reisegruppe um Frank Sturgis gehört hatte, bedeutete das nicht, dass auch die anderen Angaben im Bericht von Marita Lorenz nicht stimmten. Selbst dann, wenn der Bericht von Marita Lorenz nicht vollständig den Tatsachen entsprechen sollte, enthielt er Fakten und Hinweise, die sich mit anderen Indizien, die die Vorgänge in Dallas an jenem schicksalhaften Tag im November betrafen, in Übereinstimmung bringen ließen.

In Dallas, so berichtete Marita Lorenz weiter, trafen Frank Sturgis und sie eines frühen Abends in einem Motel mit dem CIA-Mitarbeiter Howard E.

---ENDE DER LESEPROBE---