Judas - Lot Vekemans - E-Book

Judas E-Book

Lot Vekemans

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Beschreibung

"Ich bin an dem Tag geboren, an dem die Sonne ihren höchsten Punkt im Jahr erreicht und zu der Stunde, in der ihr Schatten am längsten ist, in einem Land, in dem viel gekämpft wurde, viel gelitten, viel gehofft, viel gebetet, in einer Zeit, in der niemand wusste, wohin genau wir gingen und sich jeder wünschte, dass es irgendwann besser werden würde. Ich war der Sohn eines Mannes und einer Frau, die sich nicht besonders liebhatten und sich auch nicht besonders hassten, ein Kaufmann und eine Hebamme. Ich bekam einen Namen, der schon seit Generationen dem ersten Sohn in der Familie gegeben wird, als Zeichen der Verbundenheit mit dem fernen Vorvater des Volkes, dem ich angehöre Ich war stolz, ja Auf diesen Namen Ich sprach ihn gerne laut aus" Sein Name war Judas und sein Kuss veränderte die Welt. Lot Vekemans gibt dem Jünger, der Jesus verriet, ein Gesicht und eine eigene Geschichte. Und sie lässt ihn fragen stellen. Zum Beispiel: Was wäre gewesen, wenn ich in Gethsemane bei Jesus geblieben wäre? Was wäre aus ihm geworden? Und was wäre aus mir geworden. Und vor allem: Was wäre aus uns allen und dem Christentum geworden?

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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© 2017 Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

Schweinfurthstraße 60, 14195 Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

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Judas begrüßt die Leute, die eintreten, weist freie Plätze an, begleitet Leute an ihren Platz. Wenn es den Anschein hat, dass alle drinnen sind, sagt er zum Saalpersonal:

Alle drinnen?

Sind alle drinnen?

Noch ein paar Leute?

Nein?

Kein Einziger?

Nein?

Niemand mehr?

Er geht zur Tür, schaut nach, ob noch jemand kommt. Wenn deutlich ist, dass wirklich alle drinnen sind, kommt er wieder zurück.

Okay

Er hält den Daumen hoch Richtung Techniker. Lichtwechsel

Dann schaut er in den Saal. Kurze Stille

Ist hier jemand, der mich nicht kennt?

Nein?

Ja?

Na ja, ist auch egal

Alles wird von selbst klar werden

Hoffe ich

Ich fange gleich an

Ich meine, ich habe schon angefangen, aber gleich fange ich richtig an

Ich dachte, es wäre gut, bevor wir richtig anfangen

Dass ich dann

Bevor ich richtig anfange

Das ein oder andere erkläre

Ich meine

Vielleicht haben einige hier bestimmte Erwartungen

Bestimmte Erwartungen, die ich wahrscheinlich nicht erfüllen werde

Also, ich will eigentlich jetzt schon sagen

Erwartung ist schön und gut, aber sagt natürlich nichts über das, was da kommen wird

Es sei denn, Sie sind Wahrsager oder Hellseher

Das ist was anderes

Dann sagen die Erwartungen wahrscheinlich schon etwas über das, was da kommen wird

Oder was da möglicherweise kommen wird

Ja, ich muss vorsichtig sein mit dem, was ich sage, denn eh man´s sich versieht, dreht man mir die Worte im Munde um oder ich könnte auch sagen: Werden sie einem anders ausgelegt

Ich werde mein Bestes tun, so genau wie möglich zu sein

Heute Abend

Um so genau wie möglich zu sagen, was ich meine

Ich werde gleich das eine oder andere erzählen

Wenn ich gleich wirklich anfange, meine ich

Von mir

Und einem Mann

Von einem Mann und mir

Und noch ein paar Leuten

Es ist eine bekannte Geschichte

Jedenfalls teilweise

Was die Tatsachen angeht

Und es ist eine unbekannte Geschichte

Was ich erzählen will, ist die unbekannte Geschichte

Und darum fange ich nicht am Anfang an

Und auch nicht am Ende

Sondern irgendwo mittendrin

Und auch wenn Sie vielleicht denken: Das kenn ich doch alles schon

Oder: Den Teil können wir überspringen

Dann möchte ich Sie dennoch bitten

Ihm fällt plötzlich etwas ein. Ich muss noch eben etwas ...

Ich hab was vergessen

Nur ganz kurz, ja

zumPublikum Bin gleich wieder da

Er verlässt den Saal, kommt kurz danach mit der Geldkasse wieder, stellt sie auf den Tisch, er bleibt einen Augenblick still, unbehaglich.

Okay, dann fangen wir jetzt an

Wie ich bereits sagte ...

Ich sprach über Erwartungen und ...

Es tut mir leid, ich muss doch noch schnell etwas los werden

Es ist mir sehr unangenehm, darüber zu reden, aber …

Ich muss es doch ansprechen

Bevor ich weitermachen kann

Irgendjemand hier …

Es ist mir wirklich sehr unangenehm

Aber irgendjemand hier

In diesem Saal

Wurde mir gerade gesagt

Jemand in diesem Saal

Ich weiß nicht wer

Also kann ich auch niemand direkt anschauen

Aber die Kassiererin hat mir gerade gesagt, dass jemand in diesem Saal noch nicht

Bezahlt ... hat

Schauen Sie, vielleicht kommt Ihnen das unwichtig vor

Unbedeutend

Ich will daraus auch keine große Sache machen

Aber es ist nicht ... anständig

Über Ehrlichkeit will ich gar nicht erst reden

Ich meine, was ist ehrlich?

Ich hab immer gesagt: Ehrlich ist, wenn man in den Spiegel schauen kann.

Aber ich habe eine ganze Menge unehrlicher Leute gesehen, die lautstark behaupteten, in den Spiegel schauen zu können

Ich mein ja nur, Ehrlichkeit ist ein schwieriger – heikler

Ehrlichkeit ist ein heikler Begriff

Darüber werde ich also nicht sprechen

Aber es ist nicht anständig

Ich habe von Anfang an gesagt

Von dem Moment an, in dem diese Idee entstand:

Ich muss damit nicht unbedingt was verdienen

Nein, darum geht es mir nicht

Aber ich will auch nicht draufzahlen

Schauen Sie, wir wissen doch alle, was die Dinge so kosten

Dass Dinge etwas kosten

Auch für mich

Gut, ich will echt keine große Sache draus machen

So wichtig ist es natürlich auch wieder nicht

Aber ich will es doch gesagt haben

Ich sag nur, wem der Schuh passt ...

Okay

Ich fange an

Es ist wieder einen Augenblick still.

Mein Assistent hat vorgeschlagen, mit einem ... Witz? ... anzufangen

Was Leichtem

Was zum Lachen

„Das mögen die Leute“

Ist hier jemand, dem die Idee gefällt, mit einem ... Witz? ... anzufangen

Nein?

Ja?

Um nochmal ganz von vorne anzufangen

Ein Neuanfang sozusagen

Okay?

Er erzählt einen Witz, wartet auf Reaktionen, und egal, wie die ausfallen, erzählt er noch einen Witz, lacht vielleicht selbst auch darüber, dann plötzlich:

Jajajajaa

Ich rede nicht einfach so daher

Vielleicht sieht es so aus, als ob ich hier die Zeit totschlage

Als ob ich das Vorprogramm zur versprochenen Hauptdarbietung bin

Das, wofür Sie alle gekommen sind

Aber das ist nicht so

Das gehört alles dazu

Das ist alles Teil des Geschehens sozusagen

Ich weiß ganz genau, wie das geht: „Sprechen in der Öffentlichkeit“

Wie man eine Geschichte aufbaut

Eine Einführung

Einen Spannungsbogen

Einen roten Faden

Einen Höhepunkt

Die Botschaft

Und so weiter

Ich habe jahrelang einem Mann zugehört, der das ungewöhnlich gut beherrschte

Ungewöhnlich gut, das kann man schon sagen

Zugehört und zugeschaut

Natürlich

Denn ein Mensch sagt mehr als seine Worte

Auch das habe ich gelernt

Ich will Euch was erzählen

Von mir, ja

Ich bin an dem Tag geboren, an dem die Sonne ihren höchsten Punkt im Jahr erreicht und zu der Stunde, in der ihr Schatten am längsten ist, in einem Land, in dem viel gekämpft wurde, viel gelitten, viel gehofft, viel gebetet, in einer Zeit, in der niemand wusste, wohin genau wir gingen und sich jeder wünschte, dass es irgendwann besser werden würde.

Ich war der Sohn eines Mannes und einer Frau, die sich nicht besonders liebhatten und sich auch nicht besonders hassten, ein Kaufmann und eine Hebamme. Ich bekam einen Namen, der schon seit Generationen dem ersten Sohn in der Familie gegeben wird, als Zeichen der Verbundenheit mit dem fernen Vorvater des Volkes, dem ich angehöre.

Ich war stolz, ja

Auf diesen Namen

Ich sprach ihn gerne laut aus

Es heißt, ich wäre ein hitzköpfiges Kind gewesen

Dass mein Vater mich verstoßen hat, aus Angst vor der Wut, die ich in mir trug

Also, das ist nicht wahr

Ich war ein Raufbold, ja1

Als ich neun Jahre alt war

Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass irgendwer mal so richtig Angst vor mir hatte

Das ist der Anfang

Ich weiß nicht, ob es wichtig ist

Ob, woher man kommt, etwas darüber sagt, wer man ist

Das ist jedenfalls, woher ich komme

Ich hatte zwei Brüder und eine Schwester