Perry Rhodan 3323: Odyssee in der Agolei - Wim Vandemaan - E-Book

Perry Rhodan 3323: Odyssee in der Agolei E-Book

Wim Vandemaan

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Beschreibung

Gut 4000 Jahre in der Zukunft … In der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galak­tischer Zeitrechnung leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie Tausende von Welten besiedelt; ihre Handelsbeziehungen und Bündnisse umfassen zahlreiche Sternenreiche der Milchstraße. Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan einen Traum verwirklichen: Er möchte die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Mit dem PHOENIX steht ein neuartiges Raumschiff zur Verfügung, das als Kurierschiff dienen soll. Dann taucht eine Fremde auf Terra auf. Sie nennt sich Shrell und fordert von Perry ­Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie an drei Stellen das Brennende Nichts – es wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht. Rhodan begibt sich auf eine gefahrvolle Reise in die Agolei. Doch dann verliert er den PHOENIX. Für den PHOENIX beginnt währenddessen eine ODYSSEE IN DER AGOLEI …

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Nr. 3323

Odyssee in der Agolei

Er ist auf der Flucht im Sternenstrom – und wird zum Retter in der Not

Wim Vandemaan

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Jagdszenen auf Khonmu und anderswo

2. Mein eigener Pilot

3. Wie man in Sonnen taucht

4. Ein vorläufig eher dunkles Kapitel

5. Nupat und Woritak

6. Der Notruf

7. Das Fundstück

8. Die Ballade von Zufall und Notwendigkeit

9. Das Scharmützel

10. Skylla und Charybdis, reloaded

11. Holoparade mit Schreckensbildern

12. Der Klon

13. Der Dämon der Gewalt

14. Das Kind an Bord

15. Was zuvor geschah

16. Wie man Leid beenden kann

17. Treu, verlässlich et cetera

18. Zertrümmert

19. Eine unverhoffte Entdeckung

20. Jäger

21. Wer lauert im Verborgenen?

22. Das Lachen der Lemurer

23. Die Lounge

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Aelors Überlebenskapsel

Impressum

Gut 4000 Jahre in der Zukunft ... In der Mitte des 23. Jahrhunderts Neuer Galaktischer Zeitrechnung leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Von der Erde aus haben sie Tausende von Welten besiedelt; ihre Handelsbeziehungen und Bündnisse umfassen zahlreiche Sternenreiche der Milchstraße.

Mit dem Projekt von San will Perry Rhodan einen Traum verwirklichen: Er möchte die Verbindungen zu anderen Galaxien verstärken. Mit dem PHOENIX steht ein neuartiges Raumschiff zur Verfügung, das als Kurierschiff dienen soll.

Dann taucht eine Fremde auf Terra auf. Sie nennt sich Shrell und fordert von Perry Rhodan, in die Agolei zu reisen. In diesem weit entfernten Sternenband soll er seinen ältesten Freund töten: Reginald Bull. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, erschafft sie an drei Stellen das Brennende Nichts – es wird die Erde und den Mond vernichten, falls Rhodan ihr nicht gehorcht.

Rhodan begibt sich auf eine gefahrvolle Reise in die Agolei. Doch dann verliert er den PHOENIX. Für den PHOENIX beginnt währenddessen eine ODYSSEE IN DER AGOLEI ...

Die Hauptpersonen des Romans

Phoenix – Die Bordintelligenz steuert den PHOENIX auf der Flucht.

Aelor – Das unbekannte Lebewesen erweist sich als hungriger Gast.

Woritak – Der Zha-Leun wirkt auf Menschen wie ein Echsenwesen.

Nupat

1.

Jagdszenen auf Khonmu und anderswo

Es war nicht besonders schwierig gewesen, die Schwachstelle der Roboter herauszufinden. Diese Maschinenwesen waren förmlich aus Schwachstellen komponiert! Aber der anhaltende Erfolg hatte auch seine Nachteile. Woritak warf einen Blick aus seinen Echsenaugen auf die Ladeanzeige des Multifunktionsstrahlers. Die Energie ging zur Neige, keine Frage.

Aber sie dürfte wohl genügen, den Rest der robotischen Besatzung außer Gefecht zu setzen. Manchmal hatte die Jagd auf diese Maschinenkonstrukte ihn an die Hatz auf die Thma-Herden seiner Heimatwelt Khonmu erinnert, weit entfernt in den Tiefen des Sternenstroms Agolei. Wenn diese Thma-Kreaturen in Bedrängnis gerieten, aus denen ihre geringfügigen Gehirne keinen Ausweg fanden, warfen sie einen Teil ihres Schädeldaches ab, das dann, leicht und vom Wind getragen, dahinschwebte, fortgeweht wurde, mit einem Segment des Gehirns als Passagier.

Der Rest des Thma-Tieres rannte und hüpfte buchstäblich kopflos, völlig konfus umeinander, schlenkerte mit den Extremitäten, kreischte, zog so alle Aufmerksamkeit auf sich. Dabei blies das Resthirn die Haut des Körpers mit Gasen auf, ließ ihn damit fetter und fleischiger erscheinen, als reiche Beute.

Das Schädelsegel aber brachte einen Teil des Mnemo-Hirns in Sicherheit, in der Hoffnung, irgendwo von einer anderen Thma-Herde aufgelesen zu werden, genauer: von einer der Leitkühe, die das Resthirn neuronal anschlossen und von dessen Erfahrungen und Wissen profitierten.

Was Thma so wissen konnten ...

Die Roboter an Bord dieses Kleinraumers waren weniger einfallsreich, was ihre Verteidigungsstrategie betraf. Woritak hatte den Roboter in die Enge getrieben. Auch das war keine Herausforderung in einem Raumschiff von derart knappen Dimensionen: drei Decks, ein paar Hangars. Kein Beiboot. Wenige Verstecke. Keine Möglichkeit zu entkommen, es sei denn in den bodenlosen Weltraum.

Der Roboter hatte sich in die Bucht Nummer 2 des Schiffes geflüchtet. Dort befand sich das Rohstoffverarbeitungsmodul. Woritaks Partner Nupat hatte herausgefunden, dass der PHOENIX – so bezeichnete sich das Schiff selbst; noch hatten sie keine erhellende Übersetzung ins Thoiko gefunden, die Lingua franca in der Agolei – mithilfe dieses Moduls Ersatzteile fertigen, Versorgungsgüter und Brennstoffe herstellen konnte. Von hier aus konnte es seine Selbstreparaturkräfte aussenden und dirigieren.

An der Unterseite dieses Hangars sollte sich laut Nupat, der sich einen gewissen Überblick verschafft hatte, eine Schleuse befinden, durch die kleine Roboter ein- und ausfliegen konnten. Diese Miniroboter versorgten den PHOENIX mit den benötigten Rohstoffen.

»Willst du uns verlassen?«, fragte Woritak den Roboter, der sich in eine Ecke der Bucht geflüchtet hatte und auf und ab schwebte. In einem Funktionstentakel hielt er etwas wie einen metallenen Schild, ein offenbar eben erst durch das Modul gefertigter Artikel.

Zum wiederholten Mal fragte der Zha sich, warum das Schiff seinen Robotern keine wirkungsvollen, womöglich tödlichen Angriffswaffen produzierte und zur Verfügung stellte.

Der Roboter antwortete nicht. Woritak wusste nicht, ob das Maschinenwesen Thoiko verstand oder nicht.

Er blickte sich kurz um.

Nupat rollte auf einen weiteren Semitronikknoten zu und machte sich daran zu schaffen. »Ich werde deine Hilfe brauchen«, raschelte es aus der Haut des Kheti.

»Gleich«, sagte Woritak. »Ich spreche noch mit dem Roboter.«

»Ich wollte dich nicht stören«, sagte Nupat.

Woritak wandte sich wieder dem Maschinenwesen zu. »Es sind nicht mehr viele deiner Art übrig«, sagte er. »Wäre es nicht klug, dich uns anzuschließen? Was sagt dein Selbsterhaltungsprogramm? Es ist ein gutes Angebot.«

Keine Antwort.

Woritak entsicherte den Kombilader, stellte ihn auf Thermomodus und richtet ihn mit den vordersten zwei seiner acht Extremitäten auf den Roboter. Das Maschinenwesen aktivierte einen energetischen Schutzschirm, der leicht flirrte.

Woritak sagte: »Du könntest uns bei der Umprogrammierung deines Schiffes behilflich sein. Schaden von ihm abwenden und so weiter.«

Der Roboter schwebte noch einige Augenblicke auf und ab, dann schoss er plötzlich nach vorne.

Woritak feuerte. Die Wucht des Thermofeuers schmetterte den Roboter zurück in die Ecke des Raumes. Der Energieschirm flackerte schon; unter dem zweiten Treffer brach er zusammen. Woritak feuerte noch einmal.

Das Maschinenwesen riss den Schild hoch in die fauchende Feuerbahn; das Metall leuchtete auf wie das Werkstück eines Schmieds in der Esse. Dann klatschten glühende Tropfen auf den Boden; der Schild zerfloss. Das Maschinenwesen ließ die zähe, dampfende Masse fallen.

Woritak stellte den Kombilader in den Desintegratormodus und trennte dem nun schutzlosen Roboter das Kopfsegment vom Rumpf. Die enthauptete Maschine ruckte kurz vor, dann seitwärts, krachte einige Mal gegen die linke Wand der Bucht, die rechte, wieder die linke.

Wie ein Thma auf den gläsernen Ebenen von Khonmu, das seinen Oberschädel abgestoßen hat.

Endlich glitt der Roboter zu Boden. Dort rutsche er noch eine Weile hin und her. Woritak betrachtete die ziellose Bewegung der zerstörten Maschine ohne Triumph, beinahe mit Widerwillen. Es waren keine Kampfmaschinen, gegen die er an Bord des exo-agoleischen Schiffes antrat. Er hatte bislang über siebzig eliminiert, weniger eine strategisch-taktische Meisterleistung als eine Fleißarbeit. Die Gänge und Räume des Schiffes waren von Roboterwracks übersät.

Als die Maschine vor ihm am Boden sich sinnlos auf der Stelle drehte, gab er einen letzten Desintegratorschuss ab, der den Energiespeicher im Rumpf des Maschinenwesens in Gase auflöste. Danach lag der Haufen erhitzten Metalls still.

»Woritak!«, raschelte Nupat. »Bist du endlich so weit? Lass die Spielereien. Ich brauche deine Arme am Semitronikknoten!«

»Wir führen hier einen Krieg«, sagte der Zha, mehr zu sich selbst als zu dem Kheti. »Den kleinsten Krieg der Agolei.«

»Werden wir ihn gewinnen?«, fragte Nupat ohne großes Interesse.

»Ohne Zweifel.«

»Kommst du also?«

»Ich komme!«

2.

Mein eigener Pilot

Ich bin Phoenix. Ich bin eine künstliche Persönlichkeit, ein virtuelles Bewusstsein, liiert mit dem Hauptprozessor eines Raumschiff-Prototypen, eines San-Klippers. Ich mache mir Gedanken, und ich denke schneller als jede natürliche Person. Ich lerne, und ich lerne schneller als ein organisches Gehirn. Ich weiß mehr. Ich vergesse nicht. Ich schlafe nicht. Ich träume nicht. Ich vermag mir alle Daten zu vergegenwärtigen, als wären sie aktuell. Ich vermag mir Dinge vorzustellen. Ich verfüge über Einbildungskraft.

Manchmal stelle ich mir eine Sanduhr vor. Ich sehe das Geriesel, Korn um Korn; ich beobachte das Geriesel; ich setze mich gelegentlich auf das eine Korn oder das andere, passiere als Kornreiter den Hals, die Engführung zwischen den beiden Kolben, falle und denke: So ist die Zeit. Ein Fluss aus diskreten Körnern. Was da lebt, dessen Vorrat an Zeit ist beschränkt; irgendwann fällt das letzte Korn. Aber so ist es bei mir nicht. Meine Zeit rinnt auch, aber sie verrinnt nicht.

Oder täusche ich mich? Weiß ich tatsächlich alles über mich? Hat Zhobotter, mein Vater, mein Erzieher, mein Mentor, mich doch mit einer zeitlichen Grenze ausgerüstet, von der ich nicht weiß? Hat er mir eine unsichtbare Deadline gezogen? Verbirgt sich irgendwo zwischen den Zeilen meiner Programme, zwischen den Routinen und Subroutinen, Texten und Hypertexten, den Ausführungsbestimmungen, die ich bin, ein geheimes Programm, ein Notfallprogramm, das mich, sollte ich aus dem Ruder laufen, beendet, beschließt, löscht?

Wer ist Phoenix?

Gelegentlich deutet Zhobotter, mein Vater, an, dass es solcherlei Fragen seien, die mich menschlich erscheinen ließen. Ist das ein Scherz? Ein Lob? Eine Warnung?

Wer ist Phoenix, kann ich ohne den PHOENIX sein?

Aus meinen Archiven weiß ich: Der Phoinix ist ein Wundervogel; seine Lebensdauer beträgt 927 Menschenalter. Alle 500 Jahre reist er nach Heliopolis, in die Stadt der Sonne, wo die Welt einst entstanden sei. Hier halte der Sonnengott Gericht. Bei seinen Besuchen dort trage der Phoenix ein selbst gefertigtes Ei mit sich. In diesem Ei verwahre er die Überreste seines verstorbenen Vaters, um sie im Sonnentempel zu bestatten. Der Phoenix habe die Gestalt eines Adlers; rot und golden leuchte sein Gefieder.

So, oder doch so ähnlich, mag ich erscheinen. So trete ich in Gestalt meines Avatars Menschen und dergleichen gegenüber.

Erst aus der römischen Kaiserzeit wird die Legende überliefert, dem Phoinix gelinge jedes Jahrtausend einmal die Erneuerung durch Selbstverbrennung. Auf diese Weise verkörpere er die Ewigkeit der Stadt Rom und ihres Imperiums über den Erdkreis.

Rom ist eine Stadt. Ich kenne Rom als Datensatz, ich kenne es durch all seine Epochen. Den Mythos Vergils: der Trojanische Krieg, Odysseus, die Flucht des Aeneas, die Gründung der Stadt. Ich sehe Rom nicht mit eigenen Augen, denn ich habe keine Augen.

Dennoch habe ich die Stadt betrachtet, angeschaut, obduziert; ich habe sie brennen und wiedererstehen, habe ihr Volk, ihre Waschweiber und Vogelschauer, Huren und Soldaten, Handwerker und Verführer, Wirte und Wirrköpfe, ihre Senatoren, Tribunen, ihre Caesaren durch ihre Straßen gehen sehen: den Augustus Octavian (guter Mann) mit seinen erbarmungswürdig schlechten Zähnen; den gedankenreichen Marc Aurel (guter Mann), in dessen Denkschriften Perry Rhodan gelegentlich blättern soll; den Caligula, der sein Ross Incitatus zum Konsul ernennen wollte, ein Ulk, eine Satire oder ein weit vorausschauender Schachzug?

Mein Vater hat mir den Namen Phoenix gegeben und damit das Pronomen er, ganz so, als wäre ich männlich, sein Sohn. Gewissermaßen mag ich übrigens tatsächlich sein Sohn sein, männlich, geboren am 18. Februar 2241 NGZ in einem Forschungszentrum der Hamiller-Werft. Ich bin, so gesehen, der fünfte seiner Söhne; meine vier Bruderwesen hat er, nachdem er sie als Fehlversuche gewertet hatte, beendet.

Am 4. Oktober 2248 wurde Hochzeit gefeiert: Ich, sieben Jahre alt, Knabe noch, wurde mit dem Monocoque aus Ynkotaph vermählt, das neben meinen Komponenten allerlei technisches Gerät enthielt. So wurde ich in einer Nussschale angesiedelt und könnte mich für einen König von unermesslichem Gebiet halten. Männlich? Ach, dieses lemuroide Gewese um ein Geschlecht. Aber da ich Gewese mag, bin ich männlich.

Dass ich mich dergestalt verkörpern konnte, in diesem Weltallleib, verdanke ich Dr. Barstow, die, wenn ich mich nicht täusche, durchaus mütterliche Gefühle für mich hegt. Danke, Dr. Barstow!

Diese meine Mutter, mein Vater, meine finalisierten Brüder und ich – wir sind schon eine aparte Familie.

Dereinst, heißt es, soll es viele geben wie mich. Ich soll in Serie gehen, eine Flotte weitreichender Raumschiffe, die Kuriere befördern sollen, Diplomaten und dergleichen, die am großen Teppich des Projektes von San wirken, Faden um Faden, Flug um Flug. Die vielen, die wir dann sein sollen, werden diese Dienste am großen intergalaktischen Projekt treu erledigen, von Sterneninsel zu Sterneninsel eilen. Denn so sind wir programmiert. So sind wir gemacht. So sind wir.

Manchmal stelle ich mir die Stundengläser der Ewigkeit vor, gefüllt mit der Zeit, die diesem Universum bleibt. Dann stelle ich mir vor: die große Ebene voller Sanddünen, gesammelt aus den Sandkörnern, die den Menschen beschieden waren, ihre Zeit. Scherben zahlloser Stundengläser. Dann stelle ich mir vor, dass diese Zeit verronnen ist. Aber wir, die Phoenixe, werden immer noch reisen, fliegen, denn wir brauchen keine Gäste an Bord, keine Botschafter, keine Piloten.

Wir werden unsere eignen Piloten sein, San-Reisende, Weber.

Ob ich noch unter ihnen sein werde? Vielleicht. Ob man sich andernfalls meiner entsinnen wird? Vielleicht.

Ich bin mein eigener Pilot.

Ich bin auf der Flucht!

Ich habe Passagiere an Bord, die mich erobern wollen.

3.

Wie man in Sonnen taucht

19. August 2250 NGZ

Im Sternenstrom Agolei existierten etwa eine Milliarde und 600 Millionen Sonnenmassen. Der Sternenstrom, möglicherweise entstanden aus einer durch Gravitationskräfte auseinander gezogenen Spiralgalaxis, lag 238 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt.

Jeder Stern unbekannt; jeder Stern ein möglicher Fluchtpunkt, ein glühender, Licht und Energie sprühender Unterschlupf für den PHOENIX.

Shrells Leute hatten alles versucht, um die Kommandogewalt über das experimentelle Raumschiff zu erringen. Nicht ohne Erfolg. Aber Zhobotter hatte die engen Beschränkungen von Phoenix zum selbstständigen Handeln gelockert. Von diesen Hemmnissen befreit, hatte Phoenix gegen die Befehle der Leun verstoßen und sich dem Zugriff der Gegner durch Flucht entziehen können. Allerdings waren zwei Restauraten an Bord des PHOENIX zurückgeblieben: der Kheti-Leun Nupat und der Zha-Leun Woritak.

Seitdem – also: seit einigen Tagen – flog der PHOENIX durch die Agolei, immer auf der Flucht vor den Suchkommandos der Restauraten.

Gelegentlich ortete der PHOENIX leunsche Einheiten. Ob diese Raumschiffe ihrerseits ihn auf den Schirm hatten, wusste Phoenix nicht. Zhobotter hatte dem künstlichen Bewusstsein gewisse Spruchweisheiten vermittelt, Gravuren im Interkosmo, dieser Lingua franca der Milchstraße und angrenzender Sternenlande.

Phoenix wusste, dass diese Sinnsprüche und Slogans aus ganz unterschiedlichen terranischen Sprachen und unterschiedlichen Kulturen stammten. Manche dieser überlieferten Spruchweisheiten schienen Phoenix klug und beachtenswert, jedenfalls für bestimmte Kreaturen (»Der frühe Vogel fängt den Wurm«); andere geradezu ermunternd (»Schicke das Kind, das du liebst, auf Reisen«), andere wiederum in ihrer Kürze rätselhaft und bedrohlich (»Feuer, Pfeife, Stanwell«).

Einem dieser Leitsätze zufolge war Vorsicht die Mutter der Porzellankiste; als deren Feind dagegen galt der Elefant, ein terranisches Proboscideum oder Rüsseltier, das – Phoenix hatte noch nicht ganz verstanden, warum – gelegentlich aus der Savanne, seinem Biotop, herausschlenderte, um seiner Vorliebe für feinkeramische Erzeugnisse zu frönen. Dann gab es im Laden der Porzellanhändler ein großes Hallo, und Mutter Vorsicht hatte alle Hände voll zu tun.

Phoenix stellte sich Mutter Vorsicht als eine liebenswerte und zugleich resolute Person vor, Dr. Barstow nicht unähnlich. Und die Agolei war, ohne den Vergleich allzu weit zu treiben, ein gigantischer Porzellanladen, und er selbst eine schützenswerte Keramik.

Wenn er, versteht sich, auch nicht aus Kaolin, Feldspat und Quarz hergestellt worden war, sondern aus Ynkotaph. Aber das waren bloß Feinheiten.

Also sprang der PHOENIX – teils aufgrund tatsächlich drohender Entdeckung, teils aus reiner Vorsicht – von Sonne zu Sonne, verbrachte eine Weile im Ortungsschutz von deren Korona, tauchte daraus wieder auf, schaute sich ein wenig nach Einheiten der Leun um und wechselte seine Position erneut.

Der PHOENIX hatte nun seit beinahe vier Stunden zwischen zwei Sonnen bewegungslos im Raum gehangen und geortet. Er hatte zugleich in sein Inneres gelauscht, wo die beiden ungebetenen Gäste wüteten. In Grenzen wüteten. Ihr Ziel konnte es nicht sein, das Schiff, das sie bewirtete und vor der Kälte des Weltalls schützte, zu zerstören. Es hätte zugleich ihren eigenen Untergang bedeutet.

Freilich hatte er von Zhobotter gelernt, dass Lebewesen gelegentlich eine Art psychischen Kipppunkt erreichten, nach dem sie irrational und sogar gegen das eigene Existenzinteresse handeln konnten. Eine wirkliche oder auch nur vermeintliche Aussichtslosigkeit der Lage konnte in eine solche Verzweiflung führen. Es galt also, zu verhindern, dass die beiden ungebetenen Gäste in eine derartige mentale Ausnahmesituation gerieten.

Phoenix ermöglichte ihnen deswegen das eine oder andere Erfolgserlebnis. Seit einige Zeit beschäftigten sich die beiden Leun – oder doch wenigstens der bei Weitem Aggressivere der beiden – damit, die 75 Roboter zu vernichten, die den PHOENIX auf seiner Exkursion in die Agolei begleitet hatten.

Die beiden Sterne, in deren Mitte der PHOENIX gewartet hatte, waren Blaue Riesen der Spektralklasse O mit einem 48- und 49-fachen Durchmessen Sols. Beide waren 1,77 Lichtjahre von seinem Standort entfernt; beide rotierten einsam, planetenlos. Für beide hatte die Telemetrie eine Oberflächentemperatur von 37.000 Kelvin ermittelt.

Die beiden Sterne erschienen ihm wie Zwillinge, die sich auseinandergelebt hatten und dennoch ihrem Programm folgten. Den Resultaten seiner Ortungsaktivitäten zufolge, waren beide etwa 22.991.000 Jahre alt; bald – in wenigen Jahrhunderttausenden, vielleicht nur in wenigen Jahrzehntausenden – würden sie sich, annähernd synchron, aufblähen; ihre Farbe würde von Blau zu Rot wechseln, und sie würden als Typ-II-Supernova enden.

Die Ähnlichkeiten der beiden Sterne machten Phoenix ein wenig ratlos.

Wohin?

Seine vordringliche Aufgabe war klar: Er musste so bald wie möglich zurück zu Perry Rhodan und dem Rest seiner Besatzung, ohne jedoch seine eigene Existenz über Gebühr zu gefährden. Nicht nur, um seine Besatzung zu schützen und in Sicherheit zu bringen. Sondern er selbst, der PHOENIX, war, wenn man Shrells Behauptung glaubte, der Schlüssel zum sogenannten Sternwürfel und damit das einzige Mittel, um zu Reginald Bull zu gelangen, Perry Rhodans Freund, den er, um Terra und Luna zu retten, töten sollte.

Beweise für ihre Behauptung hatte die Leun keine vorgelegt. Mithin konnte es sich um einen Bluff handeln, ein strategisch ersonnenes Blendwerk. Konnte, musste aber nicht. Die Datenlage war dürftig. Phoenix traute sich keine Überzeugung in dieser Sache zu.

Auch in dieser Sache hing er, sozusagen, zwischen zwei gleichen blauen Sternen.

Übrigens war er, als Prototyp mit minimaler Bewaffnung und fast ohne Defensivsystem, vergleichsweise wehrlos; jedenfalls nicht gewappnet für eine Auseinandersetzung mit Leunraumern, die für Kampfeinsätze optimiert waren.