(K)ein perfektes Verbrechen - Stephan Funke - E-Book

(K)ein perfektes Verbrechen E-Book

Stephan Funke

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Beschreibung

Ist Rainer Hofmann ein Mörder oder ist der pensionierte Kriminalkommissar nur eine Figur in einem mörderischen Spiel? Diese Frage muss sich Jasmin Franke, leitende Ermittlerin der Hamburger Mordkommission, stellen, als eine Frauenleiche gefunden wird, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurde. Der einzige Ermittlungsansatz für die Polizei ist eine Visitenkarte von Rainer Hofmann auf der Brust der Toten. Doch nicht nur Rainer und Jasmin interessieren sich für den aufsehenerregenden Fall. Auch die erfolgreiche Krimiautorin Nina Strahl, die zuletzt Misserfolge verkraften musste, sieht großes Potenzial in dem Fall für ein neues Buch, und Journalist Rick van Dyck, der davon träumt, als Influencer durchzustarten, sieht nun seine Chance gekommen. Bietet der Fall ihm die große Möglichkeit dazu?

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Seitenzahl: 255

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0570-2

ISBN e-book: 978-3-7116-0571-9

Lektorat: BA

Umschlagfoto: Donnie26 | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Inhaltsangabe

Ist Rainer Hofmann ein Mörder oder ist der pensionierte Kriminalkommissar nur eine Figur in einem mörderischen Spiel? Diese Frage muss sich Jasmin Franke, leitende Ermittlerin der Hamburger Mordkommission, stellen, als eine Frauenleiche gefunden wird, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt wurde. Der einzige Ermittlungsansatz für die Polizei ist eine Visitenkarte von Rainer Hofmann auf der Brust der Toten. Doch nicht nur Rainer und Jasmin interessieren sich für den aufsehenerregenden Fall. Auch die erfolgreiche Krimiautorin Nina Strahl, die zuletzt Misserfolge verkraften musste, sieht großes Potenzial in dem Fall für ein neues Buch, und Journalist Rick van Dyck, der davon träumt, als Influencer durchzustarten, sieht nun seine Chance gekommen. Bietet der Fall ihm die große Möglichkeit dazu?

Kapitel 1

„Wann sind wir auf Sendung?“, fragte die blonde Reporterin ihren Kameramann, während sie sich nochmal in einem kleinen Handspiegel begutachtete und die Nase puderte.

„Zehn Sekunden“, lautete die kurze Antwort des Kameramannes, der die Kamera auf das Gerichtsgebäude schwenkte. Dann zählte er stumm die letzten fünf Sekunden runter, hielt auf das große Gebäude, schwenkte über die vielen Schaulustigen und blieb dann als Großaufnahme auf der Reporterin stehen.

„Guten Morgen, mein Name ist Yvonne Graf und ich berichte live aus Hamburg, wo heute einer der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre beginnen wird. Selten hat eine Mordserie so viel öffentliches Interesse erregt wie dieser Fall. Lag es an den beteiligten Personen? Lag es an den besonderen Umständen der Tatorte oder lag es schlicht an den Medien, die diesen Fall erst so populär gemacht haben? Die Vielzahl an Schaulustigen und Pressevertretern aus der ganzen Welt suchen in der jüngeren Vergangenheit ihresgleichen.“

Der Kameramann zoomte aus der Großaufnahme in die Totale und folgte der Reporterin, die eine Frau Mitte dreißig ansprach, die direkt neben ihr stand.

„Darf ich Sie kurz ansprechen? Warum sind Sie heute Morgen hierhergekommen?“

„Na das ist doch klar. Ich bin froh, dass das Monster endlich gefasst wurde, und hoffe nun auf ein gerechtes Urteil.“

„Endlich sind die Straßen der Stadt wieder sicher“, mischte sich eine andere Frau direkt daneben in das Gespräch mit ein.

„Es hätte ja jeden treffen können. Vielleicht wäre ich die Nächste gewesen.“

„Vielen Dank“, sagte die Reporterin und wandte sich an einen älteren Mann, der seinen kleinen Dackel im Arm hielt.

„Was führt Sie heute Morgen hier vor das Gericht oder sind Sie nur zufällig hier, weil sie beim Gassigehen waren?“

„Nein. Ich bin ganz bestimmt nicht zufällig hier. Ich kenn sowas sonst ja nur aus dem Fernsehen. All der ganze Medienrummel, das ist schon ein Event. Das will ich mir nicht entgehen lassen.“

Ohne eine Frage zu stellen, hielt die Reporterin das Mikro einer Gruppe Jugendlicher hin.

„Voll der krasse Scheiß. Ich habe Fotos von einem der Opfer gesehen. Total heftig. Vor allem, weil man ja weiß, dass das alles echtes Blut war.“

„Müsst ihr gar nicht in der Schule sein?“, fragte eine ältere Dame, die direkt danebenstand.

„Immer schön locker bleiben, Oma. Unsere Lehrerin hat uns sogar extra hierhergeschickt. Wir sollen morgen im Unterricht davon berichten. Sind wir jetzt live im Fernsehen? Hallo Frau Wagner. Echt krass hier. Sie bekommen morgen voll den Bombenbericht von uns. Schwör.“ Das Mikrofon wurde weiter zu einer Frau Anfang vierzig geschwenkt.

„Ich bin total aufgeregt. Ich glaube, dass ich eben einen ganz bekannten Filmregisseur aus Hollywood gesehen habe. Mir fällt leider der Name nicht ein, aber ich habe neulich im Internet gelesen, dass die großen Filmstudios und Streamingdienst-Anbieter bereits darum streiten, wer den Stoff zuerst verfilmen darf.“

„Ich denke, dass es auch ein Buch über diese Gräueltaten geben wird. Da werden viele Menschen sehr viel Geld damit verdienen“, sagte ein Mann, der neben der Frau stand.

„Und wie finden sie das?“, fragte die Reporterin.

„Das ist ethisch total verwerflich. Man muss doch auch mal an die Opfer denken, die leiden ja schon genug. Und dann wird aus deren Elend und so noch Geld gemacht.“

„Und werden sie sich den Film oder die Bücher kaufen?“

„Na logo. Ey, das passierte hier alles in Hamburg. Wie geil ist das denn bitte?“

Kapitel 2

Zirka ein Jahr vorher

Rainer nahm einen letzten tiefen Zug aus seiner Zigarette und warf den restlichen Stummel in die Pfütze vor ihm. Er klappte den Kragen seines in die Jahre gekommenen Mantels hoch und blickte hinauf in den verregneten Himmel Hamburgs. Wie er diese Stadt doch liebte und wie sehr er den Regen doch hasste. An solchen Tagen erinnerte er sich gerne zurück an seine Jugend in Katalonien. Dort schien fast das ganze Jahr über die Sonne. Nun lebte er bereits seit über fünfzig Jahren in Hamburg und sollte sich eigentlich an das Hamburger Schmuddelwetter gewöhnt haben. Hamburg und Barcelona hatten viele Gemeinsamkeiten. Beide Städte lagen am Wasser und waren jeweils die zweitgrößten Städte ihres Landes. In beiden Städten gab es einen großen Fußballtraditionsverein. Auch wenn die Zeiten, in denen der Hamburger Sportverein zu den größten Clubs Europa zählte, schon Jahrzehnte zurücklagen. Rainer war dennoch ein Fan beider Vereine und seit über vierzig Jahren war er auch Mitglied in beiden Vereinen. Wenn er seinen Jahresurlaub in der katalonischen Hauptstadt verbrachte, versuchte er immer mindestens einmal zu einem Spiel ins Camp Nou, der Heimstätte des FC Barcelona, zu gehen. Bald würde er häufiger die Gelegenheit dazu haben, denn dann begann sein heißersehnter Ruhestand. Nachdem sein Vater voriges Jahr verstorben war, besaß er dessen kleine Zwei-Zimmer-Wohnung am Stadtrand von Barcelona. Bevor er jedoch in den Ruhestand gehen würde, wollte er noch diesen letzten Fall aufklären. Zu lange war er schon auf der Spur des Serienkillers gewesen. Mindestens drei Morde wurden ihm zur Last gelegt und nach monatelanger Recherche hatten sie nun endlich einen Tatverdächtigen. Rainer schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz nach fünf Uhr morgens und wie immer war er der Erste am Einsatzort. Noch zehn Minuten, dann sollte das SEK am vereinbarten Treffpunkt eintreffen. Zeit genug, um sich noch eine zweite Zigarette zu gönnen. Er kramte die Zigarettenschachtel aus seiner Manteltasche und schirmte das Feuerzeug gegen den Wind und den Regen ab. Die Schachtel war fast leer. Rainer sah auf der anderen Straßenseite einen Kiosk. Zu dieser frühen Stunde war dieser noch geschlossen, aber er entschied, sich dort neu einzudecken, wenn die Verhaftung reibungslos ablaufen würde. Obwohl ihn sein Arzt schon mehrfach darauf hingewiesen hatte, dass seine Herzwerte alarmierend waren und er dringend kürzertreten sollte, rauchte er locker eine Schachtel am Tag. An irgendetwas müssen wir alle sterben. Am Ende der Straße sah Rainer einen dunklen VW Passat in die Straße einbiegen. Obwohl er das Nummernschild nicht erkennen konnte, wusste er, dass es sich um Jasmin handelte. Sie war gute dreißig Jahre jünger als er und hätte seine Tochter sein können. Jasmin parkte ihren Dienstwagen fünfzig Meter entfernt, stieg aus und winkte ihm schon von weitem zu.

Jasmin Franke sah man ihre siebenunddreißig Jahre nicht an. Das lag zum einen an ihrem perfekt trainierten Körper und zum anderen an ihrer absolut gesunden Lebensweise. Rainer wusste, dass sie seit dem Unfalltod ihres Vaters vor ein paar Jahren, der unter Alkoholeinfluss erfolgte, dem Alkohol und sämtlichen Drogen mit großer Abneigung begegnete. Rainer hatte sich abgewöhnt, in ihrer Gegenwart zu rauchen, um unnötigen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Er erwiderte ihren Gruß und warf seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus.

„Wie immer der Erste. Schläfst du eigentlich nie? Ich werde mich, glaube ich, nie daran gewöhnen, früh aufzustehen.“

„Dir auch einen guten Morgen. Ab nächster Woche werde ich den ganzen Tag schlafen können. Das Verbrechen schläft nie und deshalb muss ich auch wach sein. Aber wie gesagt, ab nächster Woche darfst du dich um die bösen Männer kümmern. Dann bin ich raus.“

„Du hast es dir verdient, aber wir werden dich sehr vermissen.“

Rainer schaute unruhig auf seine Armbanduhr und dann nervös zum Ende der Straße.

„Ganz ruhig“, sagte Jasmin und legte beruhigend ihre Hand auf Rainers Arm. „Das SEK kommt gleich, du bist, wie immer, zu früh hier gewesen. Unser Mann läuft uns nicht weg. Es ist nicht mal sechs Uhr.“

„Das können wir nicht wissen. Aus meiner Sicht hätten wir schon um vier Uhr die Wohnung stürmen sollen. In fünf Minuten gehen wir los, egal, ob die anderen da sind oder nicht.“

„Dein Engagement in Ehren, aber wir haben klare Vorgaben, wir sollen nicht ohne Unterstützung in die Wohnung. Der Mann ist extrem gefährlich und gewalttätig. Denk dran, du sollst nächste Woche in den Ruhestand und das sollst du bei bester Gesundheit.“

„Ich habe aber keine Lust, dass uns der Kerl vor der Nase wegläuft.“

„Wenn er nicht da ist, dann kommen wir wieder.“

„Ich habe aber …“, Rainer beendete den Satz nicht.

„… du willst sagen, dass du keine Zeit mehr hast? Ist es das? Rainer. Du bist der Beamte mit der höchsten Aufklärungsrate der Hamburger Kriminalpolizei, wenn nicht sogar im ganzen Land. Und daran wird diese Festnahme nichts ändern. Egal, ob du der Kommissar sein wirst, der die Handschellen zuschnappen lässt oder jemand anderes.“

„Du verstehst mich nicht.“

„Doch, glaub mir! Ich verstehe das. Aber irgendwann muss man lernen, loszulassen. DU musst lernen, loszulassen.“

Rainer schaute ihr tief in die Augen und versuchte, zu lächeln. Jasmin spürte, dass er ihr zustimmen wollte, doch tief in ihm drinnen war er Polizist. Ein Polizist durch und durch, der nicht loslassen konnte, der, hatte er sich erstmal in einen Fall verbissen, diesen um jeden Preis lösen wollte. Er schaute erneut auf seine Armbanduhr und blickte suchend ans Ende der Straße.

„Wir gehen jetzt los. Bist du meine Partnerin und kommst du mit oder bleibst du hier und wartest auf die Kinderbetreuung?“

Rainer drehte sich um, nahm seine Waffe aus dem Schulterholster, entsicherte sie und ging entschlossen auf das Mehrfamilienhaus zu, dass er die ganze Zeit beobachtet hatte.

In diesem Moment fuhr ein schwarzer Mannschaftsbus des SEK um die Straßenecke. Jasmin wollte Rainer festhalten, doch er war schon einige Meter entfernt.

„Rainer“, sagte Jasmin und wollte nicht zu laut rufen. Als sie spürte, dass er sich nicht umdrehen würde, lief sie ihm hinterher.

„Rainer, das SEK ist da. Halt ein“, sagte sie, als sie ihn eingeholt hatte.

Rainer blieb stehen, schaute erst zu Jasmin, dann zu dem heranfahrenden Kleintransporter, dem noch ein Zweiter folgte.

„Die werden jetzt erstmal eine Kommandozentrale einrichten und diverse Beobachtungspositionen einnehmen. Das dauert noch mindestens eine halbe bis dreiviertel Stunde, ehe wir zuschlagen können. Ich geh da jetzt rein. Kommst du nun mit?“

Jasmin zögerte.

„Das wird mir vor die Füße fallen, aber ich kann meinen Partner auch nicht allein lassen, also los.“

Ohne einen weiteren Blick zurück zu den ankommenden Sondereinsatzkräften folgte Jasmin ihrem in die Jahre gekommenen Kollegen zu dem roten, sechsstöckigen Backsteinhaus. Nur im obersten Stockwerk auf der linken Seite war Licht zu sehen. Alle anderen Fenster waren dunkel. Die Sonne begann zwar langsam ihr Tageswerk, blieb aber hinter den dunklen Regenwolken versteckt und schaffte es noch nicht für ausreichend natürliches Licht zu sorgen. Rainer wartete an der Hecke, die am Straßenrand das Hausgrundstück begrenzte, bis Jasmin zu ihm aufgeschlossen hatte, dann sagte er mit leiser Stimme:

„Unser Mann wohnt in der zweiten Etage auf der rechten Seite. Die Wohnung führt nach hinten auf einen Innenhof, der von den umliegenden Häusern umkreist ist. Von dort kommt man lediglich in die Kellerräume der angrenzenden Gebäude. Ich habe mir von dem Hausmeister einen Generalschlüssel geben lassen, so dass wir weder die Haustür noch die Wohnungstür aufbrechen müssen und somit den Moment der Überraschung auf unserer Seite haben sollten.“

„Wie hast du es geschafft, vom Hausmeister den Generalschlüssel zu bekommen?“, fragte Jasmin.

„Ich habe ihm mal in einer schwierigen Situation zur Seite gestanden und hatte noch einen gut.“

„Ich frag jetzt mal lieber nicht weiter nach, aber das kannst du mir gern ein anderes Mal genauer erzählen.“

„Wenn wir gleich in die Wohnung gehen, dann befinden sich die Küche und das Bad auf der linken Seite vom Flur aus und Wohn- und Schlafzimmer auf der rechten Seite.“

„Na, wenn du so gut vorbereitet bist, dann hätten wir ja nun wirklich auf die Kollegen warten können. Du weißt schon, dass ich deinetwegen einen Riesenärger bekommen werde oder?“

„Keine Sorge, ich nehme das auf meine Kappe. Ich werde sagen, dass ich dich gezwungen habe. Was sollen die machen? Mich zwei Tage vorher in Rente schicken?“

„Na, dein Wort in Gottes Ohr. Du bist mir dann aber dennoch ein Essen beim Italiener schuldig, das ist dir klar oder?“

„So, still jetzt. Wir gehen rein. Ich geh vor und du sicherst ab, verstanden? Und denk dran, der Mann hat mehrere Menschen auf dem Gewissen, wenn es hart auf hart kommt, dann schießt du zuerst, verstanden?“

Statt zu antworten, nickte Jasmin konzentriert.

Gebückt liefen beide mit schnellen Schritten zur Haustür. Rainer überprüfte nochmal die Klingelanordnung, ob er sich auch nicht in der Haustür oder im Stockwerk geirrt hatte. Hatte er sich nicht. Name und Stockwerk stimmten überein. Sobald sie die Haustür geöffnet hatten, schlichen beide hinein und schlossen hinter sich vorsichtig die Tür, um keinen Lärm zu machen. Das Haus verfügte noch nicht über einen Bewegungsmelder und so standen sie kurzzeitig im Dunkeln, bis Rainer den Lichtschalter rechts neben der Eingangstür betätigte. Das Licht ging mit einem Knacken an. Rainer verfluchte die Altbauten der siebziger Jahre. Trotz seiner Herzprobleme war er noch gut zu Fuß und so ging er zügig, ohne unnötigen Lärm zu verursachen, hoch ins erste Stockwerk. Jasmin folgte ihm, ihre Waffe, inzwischen ebenfalls entsichert, in ihrer rechten Hand haltend. Im ersten Stockwerk hielt Rainer kurz inne und gestikulierte Jasmin, dass die Wohnung nun direkt über ihnen sei und er die Wohnungstür mit dem Generalschlüssel öffnen würde. Jasmin nickte ihm zu, um zu signalisieren, dass sie verstanden hatte.

Vorsichtig und wortlos gingen beide ins zweite Stockwerk und verharrten für einen Moment vor der Wohnungstür. Rainer horchte, ob er Geräusche aus der Wohnung hören konnte. Mit einem Kopfschütteln deutete er an, dass es still war.

Mit Bedacht steckte er den Schlüssel in die Wohnungstür und drehte ihn zaghaft um. Mit einem leisen Klicken öffnete sich das Schloss und Rainer schob vorsichtig die Tür auf. Der Flur war dunkel. Durch die geöffnete Tür drang ein Lichtschein in die Wohnung. Rainer stieß einen leisen Fluch aus, wusste aber, dass es nun kein Zurück mehr gab. Er deutete Jasmin, dass sie vor der Wohnungstür bleiben sollte, und ging einen Schritt in den Flur hinein. Die Tür zu seiner Rechten stand offen und durch das spärliche Licht konnte er ausmachen, dass es sich bei dem Zimmer um das Wohnzimmer handelte. Er nickte Jasmin kurz zu und deutete dann mit der Hand, dass er weiter zum nächsten Zimmer gehen würde. Die Tür zum zweiten Zimmer war angelehnt. Rainer überprüfte noch einmal, ob die Waffe in seiner rechten Hand entsichert war und drückte die Zimmertür mit der linken Hand vorsichtig auf.

Das Zimmer hinter der Tür war stockdunkel. Vor den Fenstern vermutete er lichtundurchlässige Gardinen oder Plissees. Die Waffe in der Hand und hochfokussiert, tastete er mit seiner Linken an der Wand nach dem Lichtschalter. Dann klingelte plötzlich sein Handy. Im Treppenhaus ging die Wohnungstür der gegenüberliegenden Wohnung auf, ein Kind begann zu schreien und hinter ihm wurde die Badezimmertür aufgerissen. Alles geschah zeitgleich und Rainer war für einen kurzen Moment überfordert. Ein helles Licht blendete ihn, als er sich zur Badezimmertür umdrehte. Mit der linken Hand versuchte er, sein Handy aus der Hosentasche zu fischen, um es auszustellen, aus dem Augenwinkel sah er, wie sich Jasmin aufgeregt umdrehte und hektisch der Frau mit ihrem Baby signalisierte, zurück in ihre Wohnung zu gehen, und beim Blick zum Badezimmer sah er einen Mann in Unterhose mit einer Pistole in der Hand, der auf ihn zielte und grinste. Ohne zu zögern, drehte er sich um und sprang in das dunkle Schlafzimmer. Keine Sekunde zu spät, denn während Rainer noch ins Ungewisse sprang, hörte er den Schuss und glaubte, den Luftzug der Kugel neben seinem Ohr zu spüren. Mit einem lauten Klirren zersprang neben ihm eine Scheibe. Vermutlich ein Spiegel, der neben der Zimmertür stand. Das war knapp, dachte Rainer und landete unsanft auf einem Bett. Mit dem linken Bein streifte er einen Nachttisch und räumte diverse Gegenstände mit ab. Sein rechtes Knie stieß unsanft gegen den Bettkasten und ließ ihn aufstöhnen. Fast wäre ihm beim Sturz die Waffe aus der Hand gefallen, doch er schaffte es, sie festzuhalten. Trotz der Schmerzen im Knie drehte er sich auf den Rücken, hob seine eigene Waffe und gab drei schnelle Schüsse in Richtung Tür ab. Rainer hörte, wie Jasmin aufgeregt versuchte, die Frau mit dem Baby zurück in die Wohnung zu drängen. Das Baby schrie und die Frau sprach hektisch auf Jasmin ein. Rainer konnte die Worte nicht verstehen, aber hoffte, dass Jasmin die Frau schnell und energisch zum Rückzug in die eigene Wohnung bewegen konnte. Sie befand sich in unmittelbarer Schusslinie des Täters und wenn dieser sich dazu entschließen sollte, die Frau und das Baby als Geisel zu nehmen, dann würde diese Festnahme in einem Desaster enden. Rainer hoffte, dass er den Mann mit seinen drei Schüssen zunächst zurück ins Badezimmer drängen konnte. Ihm blieb keine Zeit, er musste schnell handeln. Trotz der Schmerzen im Knie kroch er vom Bett und hielt sich gebückt.

„Jasmin, bring die Frau und das Kind hier weg“, schrie er aus dem Zimmer.

Dann hörte er zwei Schüsse aus dem Treppenhaus. Jasmin schien den Mann damit im Badezimmer halten zu wollen. Die Folge war jedoch, dass das Baby noch lauter schrie und die Frau umso hysterischer wurde. Sie wollte das Treppenhaus verlassen.

Rainer rückte nahe an die Zimmertür heran und spähte um die Ecke. Er konnte die Tür zum Badezimmer sehen. Sie war nur angelehnt.

„Ich halte ihn in Schach. Er kommt hier nicht mehr raus! Bring die Frau und das Baby in Sicherheit!“, rief er seiner Kollegin zu.

„Ich lass dich nicht allein!“

„Keine Diskussion.“

Rainer hörte Schritte im Treppenhaus.

„Sie haben keine Chance. Geben Sie auf! Legen Sie die Waffe auf den Boden und schieben sie sie mit dem Fuß aus dem Badezimmer, dann kommen sie mit erhobenen Händen heraus und legen sich auf den Boden.“

Stille.

„Das ist die letzte Warnung. Wenn ich das Badezimmer betrete, dann werde ich von der Schusswaffe Gebrauch machen!“

Stille.

„Jasmin?“, rief er in die Dunkelheit.

Das Licht im Treppenhaus schien ausgegangen zu sein und auch das Licht im Badezimmer war erloschen. Verdammt. Von Jasmin kam keine Antwort. Sie schien die Frau mit ihrem Baby nach unten zu begleiten. Rainer horchte in die Dunkelheit, doch er konnte nichts hören. Dann spürte er eine Veränderung und er brauchte eine Sekunde, um zu realisieren, was es war. Es war ein Luftzug, der vorher nicht da war. Er kam aus dem Badezimmer. Noch ehe er reagieren konnte, wusste er, was passiert war, und dann hörte er auch schon einen Schrei, der von draußen zu kommen schien.

Mit einer geschmeidigen Bewegung hatte er sich erhoben und war mit zwei Schritten beim Badezimmer. Er riss die Tür auf, die Waffe im Anschlag und mit der linken Hand ertastete er den Lichtschalter. Doch auch ohne Licht konnte er bereits sehen, dass das Badezimmerfenster offenstand. Innerhalb einer Sekunde war er am offenen Fenster und schaute nach unten auf den Weg. Der Flüchtige schien die Regenrinne hinuntergeklettert oder gesprungen zu sein. Er hatte Jasmin in seine Gewalt gebracht, hielt sie schützend vor sich und bedrohte sie mit seiner Waffe. Die Nachbarin und ihr Baby kauerten zu seinen Füßen vor den Mülltonnen und trauten sich nicht, sich zu bewegen. Das Baby schrie. Auf der Straße waren mehrere Einsatzfahrzeuge des SEK vorgefahren und die Einsatzkräfte standen, geschützt hinter den Fahrzeugen, mit den Waffen im Anschlag. Die Situation hatte eine Wendung genommen, die Rainer mit allen Mitteln verhindern wollte. Hätte er nur auf die Kavallerie gewartet und wäre nicht auf eigene Faust losgegangen. Das würde ihm noch einen Riesenärger einbringen.

Aber jetzt musste er sich erstmal um seine bedrohte Kollegin kümmern. An einen Sprung aus dem Fenster war nicht zu denken und so lief er aus der Wohnung ins Treppenhaus, so schnell es mit seinem angeschlagenen Knie ging.

Während Rainer so schnell es ging das Treppenhaus runterlief, hörte er, wie seine Kollegin Jasmin, zusammen mit der Nachbarin und ihrem Baby, von dem Mann zurück ins Treppenhaus gezogen wurde. Die Frau mit dem Baby nutzte er dabei als Deckung vor den Polizisten. Rainer blieb auf dem letzten Treppenabsatz stehen und wartete, bis die Haustür ins Schloss gefallen war, dann trat er aus seiner Deckung und zielte auf den Mann, der ihm den Rücken zugedreht hatte.

„Das Spiel ist aus! Hände hoch und ganz langsam umdrehen. Ich will deine Waffe sehen. Greif sie mit zwei Fingern und keine Dummheiten. Ich habe dich genau im Visier und scheue mich nicht davor, abzudrücken. Jasmin, gehts euch gut?“

„Alles gut“, antwortete Jasmin und zog die Nachbarin mit ihrem Baby zu sich in die Ecke.

Der Mann stand immer noch mit dem Rücken zu Rainer und hob ganz langsam beide Arme. Die Waffe hielt er dabei weiterhin in seiner rechten Hand. Er machte keine Anstalten, sich umzudrehen.

„Umdrehen habe ich gesagt, du Scheißkerl! Und dabei die Waffe nur mit Daumen und Zeigefinger am Griff anfassen.“

Rainer lief ein Schweißtropfen über die Stirn und sein Herz pochte. Aus dem Augenwinkel sah er seine Kollegin, die sich weiterhin schützend vor die Frau und ihr Kind stellte. Zum ersten Mal sah er die Frau genauer. Er schätzte sie auf Anfang dreißig. Sie trug die Haare zu einem Zopf gebunden. Um den Hals trug sie ein Band mit einem Mitarbeiterausweis eines Krankenhauses. Deshalb war sie so früh außer Haus gegangen. Sie war offensichtlich auf dem Weg zur Arbeit. Das Baby war kein Jahr alt. All das beobachtete er lediglich aus dem Augenwinkel, denn er wollte den Mann mit der Waffe nicht aus den Augen lassen. Ganz langsam, wie in Zeitlupe begann er, sich nun umzudrehen. Entgegen Rainers Aufforderung hielt er die Waffe dabei fest im Griff.

Rainer ahnte, was gleich passieren würde, und wappnete sich, gleich von seiner Schusswaffe Gebrauch machen zu müssen. Die Beweislast gegen den Mann war erdrückend und eine lebenslange Verurteilung stand ihm bevor. Wenn er lieber sterben als in den Knast gehen wollte, dann würde er einem Schusswechsel gelassen entgegensehen. Diesen Gefallen würde ihm Rainer aber nicht machen. Rainer musste oft genug in seiner Laufbahn von seiner Dienstwaffe Gebrauch machen und ging trotz seiner Erfahrung bis zuletzt zum regelmäßigen Schießtraining. Er würde ihm in schneller Abfolge links oben und rechts oben in beide Schultern schießen. Das würde ihn außer Gefecht setzen, ohne ihn tödlich zu verletzten. Er würde seiner gerechten Strafe nicht aus dem Weg gehen.

Der Mann hatte seine Umdrehung fast abgeschlossen und nun konnte er auch in das Gesicht des Mannes schauen, den er seit Monaten jagte und nun, endlich, zur Strecke bringen würde.

Er sah noch das Grinsen des Mannes und bemerkte, wie sich der Arm mit der Waffe in der Hand senkte, als plötzlich das Licht im Treppenhaus erlosch. Für einen Bruchteil einer Sekunde war Rainer abgelenkt, was der Mann dazu nutzte, einen Schuss auf ihn abzufeuern. Noch während Rainer das Mündungsfeuer sah, gab auch er zwei Schüsse ins Dunkel ab. Während er schoss, spürte er, wie er von einer Kugel getroffen wurde. Ein stechender Schmerz durchzog seinen Bauch. Er versuchte, zur Seite auszuweichen, als er zwei weitere Schüsse aus der Waffe des Mannes austreten sah. Beide verfehlten aber ihr Ziel und er hörte, wie sie auf Metall einschlugen. Rainer kippte langsam zur Seite. Im Fallen spürte er, dass der Schuss kein simpler Streifschuss war und er ernsthaft verletzt wurde. Dann wurde ihm schwarz vor Augen!

Kapitel 3

Podcast von RickTheKick

Abonnenten: 1539

Bewertungen & Rezensionen

4,3 von 5 Sternen

5 Sterne Martin…

Was für ein geiler Podcast. Die letzte Folge war der absolute Hammer. RickTheKick ist der Geilste überhaupt.

4 Sterne Max22…

Die Geschichten sind schon mega. Ich weiß nur manchmal nicht, ob das wirklich alles so stimmt, wie er es sagt. Oder ob davon nicht das eine oder andere frei erfunden ist.

5 Sterne Checker99…

Das Interview mit dem Polizisten war echt der Hammer. In keinem anderen Podcast bekommt man so hautnahe Einsicht in die Hamburger Kriminalpolizei. Bitte weiter so. Bin schon gespannt, ob sie den Täter finden.

„Guten Morgen Hamburg. Die Stadt schläft noch, doch das Verbrechen schläft nie. Heute in den frühen Morgenstunden ist der Polizei ein spektakulärer Coup gelungen, der fast in einer Katastrophe geendet wäre. Mehr dazu jetzt in einer aktuellen Folge von:

RICK THE KICK ---- der spektakulärste, der aktuellste, der hanseatischste Podcast der Stadt

Kapitel 4

Das Rotkehlchen starrte ihm direkt ins Auge. Wenn die Fensterscheibe nicht gewesen wäre, dann hätte Rainer nur den Arm ausstrecken müssen und er hätte den kleinen Vogel mit seiner bräunlich-roten Brustmaserung berühren, ihn streicheln können. Das kleine Wesen beobachtete den alten Mann ganz genau und schien keine Furcht zu empfinden, eher Neugier. Rainer registrierte fasziniert, wie er von diesem kleinen, unschuldigen Lebewesen begutachtet wurde. Er war kurz versucht, das Fenster zu öffnen, um zu überprüfen, ob der kleine Vogel zu ihm hereinfliegen würde. Rainer würde ihm ein gemütliches Zuhause bieten. Doch dann verwarf er den Gedanken. Selbst wenn der neugierige Vogel der Einladung folgen würde, so wäre es gegen seine Natur. Der Vogel war frei, konnte und sollte fliegen. Er sollte die Welt erkunden, sollte sich vermehren und ein unbeschwertes Leben führen. Rainer lief eine Träne über die Wange, dass er überhaupt mit dem Gedanken gespielt hatte, so ein unschuldiges Lebewesen seiner natürlichen Umgebung zu entreißen und einzusperren.

Rainer zuckte zusammen, als es bei ihm an der Wohnungstür klingelte. Er schaute erschrocken zur Tür und drehte sich dann zu seinem kleinen Freund um, der aber nun nicht mehr auf dem Fenstersims saß. Rainer konnte gerade noch sehen, wie sein kleiner Freund auf einen Ast auf dem gegenüberliegenden Baum flog. Als es erneut an der Wohnungstür klingelte, war sich Rainer sicher, dass er sich das erste Mal nicht nur eingebildet hatte. Wer konnte das sein? Rainer konnte sich schon gar nicht mehr an das Geräusch seiner Klingel erinnern. Wann hatte er das letzte Mal zu Hause Besuch empfangen? Es klingelte ein drittes Mal, dieses Mal energischer. Mit einer beherzten Drehung schwang er den Rollstuhl herum und fuhr in Richtung Wohnungstür.

Als es ein viertes Mal klingelte und zusätzlich von außen gegen die Wohnungstür geklopft wurde, rief er in Richtung Tür:

„Jaja, ich komme ja schon. Ich bin schließlich kein D-Zug.“

Er hantierte zunächst etwas umständlich am Schlüssel und öffnete dann die Wohnungstür. Draußen standen seine ehemalige Partnerin Jasmin und ein ihm unbekannter Mann.

„Wieso schließt du denn ab, obwohl du zuhause bist?“, fragte sie ihn.

„Das ist doch wohl meine Sache“, antwortete er gereizt. Dann musterte er den Mann, der neben seiner ehemaligen Partnerin stand. Da er ihn nicht kannte, vermutete Rainer, dass er ebenfalls Polizist war und es sich hierbei nicht um einen freundschaftlichen Besuch ehemaliger Kollegen handelte. Der Mann neben ihr war über einen Meter neunzig groß und Rainer musste seinen Kopf in den Nacken legen, um dem Mann ins Gesicht zu schauen. Er hatte den Körper eines Bären und das Gesicht eines Babys. Hatte der Kerl überhaupt schon Haare am Sack?, fragte er sich. Jasmin sah den prüfenden Blick und erklärte:

„Das ist Torben Graf, mein neuer Partner. Dürfen wir kurz reinkommen?“

Ohne Anstalten zu machen, aus dem Weg zu rollen und die beiden Besucher hereinzubitten, sagte er:

„Du hast mich, seitdem ich aus dem Krankenhaus raus bin, nicht einmal besucht. Kein Anruf, nicht mal eine Karte.“ Es war keine Frage, sondern eine sachliche Feststellung.

„…“, sie suchte nach Worten, vermied den direkten Augenkontakt und schaute sich unsicher um. Dann blieb ihr Blick am Rollstuhl hängen. Als sie den Blick hob, trafen sich ihre Blicke und er sah, dass ihre Augen glasig waren.

Mit einem Ruck rollte er einen halben Meter zurück und ließ die beiden Beamten eintreten.

„Da vorne rechts. Bitte. Verzeiht, dass nicht aufgeräumt ist. Ich habe nicht mit Gästen gerechnet und die Putzfrau kommt erst übermorgen das nächste Mal.“

Jasmin und ihr Partner gingen vor und Rainer sah von hinten, wie sich beide in seiner fünfzig Quadratmeter großen Wohnung professionell umschauten. Als sich Jasmin zu ihm umdrehte, glaubte er so etwas wie Mitleid in ihrem Blick auszumachen. Das traf ihn härter, als er gedacht hatte. Hastig griff er zu Boden und hob ein gebrauchtes Unterhemd auf und stopfte es hinter seinen Rücken.

„Bitte nehmt doch Platz. Soll ich euch einen Kaffee kochen? Wie gesagt, ich bin nicht auf Gäste eingestellt.“

„Schon gut, danke. Mach dir bitte keine Umstände. Wir haben nur eine ganz kurze Frage, dann lassen wir dich wieder in Ruhe.“

„Wobei denn in Ruhe?“, fragte Rainer ein wenig zu gehässig und es tat ihm im selben Moment leid, als er es ausgesprochen hatte. Sie konnten ja nichts dafür, dass er seinen Ruhestand ohne Hobby und dafür im Rollstuhl verbringen musste.

„Na ja“, begann Jasmin verlegen und schaute sich hilfesuchend im Wohnzimmer um.

„Bei dem, wobei wir dich eben unterbrochen haben.“

„Ich war kurz davor, mit einem Rotkehlchen zu sprechen.“

„Was machen deine Umzugspläne nach Barcelona in die Wohnung deines Vaters? Davon hast du doch immer erzählt.“

„Die Wohnung befindet sich im vierten Stock und das Gebäude besitzt keinen Fahrstuhl!“, antwortete Rainer trocken.

„Aber …“, begann Jasmin, doch Rainer deutete lediglich auf seinen Rollstuhl, woraufhin Jasmin peinlich berührt zur Seite schaute.

Torben Graf räusperte sich lautstark, griff in die Innentasche seines dunklen Sakkos und legte ein Foto auf den Stubentisch. Rainer sah den Hünen mit fragendem Blick an und als er spürte, dass keine weitere Erklärung folgen würde, rollte er näher an den Tisch heran und betrachtete das Foto. Beim Greifen des Fotos bemerkte er, dass es sich um eine Reihe von Fotos handelte. Zwei der Fotos glitten ihm aus den Fingern und fielen zu Boden. Sofort beugte sich Torben Graf und wollte die beiden Fotos aufheben, doch Rainer hob bestimmend die Hand und ließ den jungen Mann in der Bewegung erstarren.

„Das schaffe ich schon selbst.“ Umständlich und erst nachdem er den Rollstuhl zweimal in seiner Position korrigiert hatte, gelang es ihm, die beiden Fotos aufzuheben. Schweigend betrachtete er die Fotos.