Kampf ums Geld - Serge Ragotzky - E-Book

Kampf ums Geld E-Book

Serge Ragotzky

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  • Herausgeber: UVK
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Der Aufbau von Vermögen ist heutzutage eine große Herausforderung. Denn die altmodische Vermögensansammlung durch Fleiß, Sparsamkeit und Zinsen funktioniert nur noch selten. Doch wo sind die Zinsen geblieben? Warum gibt es keine sichere Rendite mehr? Woher kommen die immer häufigeren Kurseinbrüche an den Kapitalmärkten? Wie stabil ist das Bankensystem zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise? Und welche Ziele verfolgen die Zentralbanken, Kreditinstitute, Politiker, Manager sowie große Investoren? Serge Ragotzky geht in diesem Buch dem Zusammenwirken der genannten Trends und Entscheidungsprozesse auf den Grund. Er vermittelt interessierten Anlegern ein grundlegendes Verständnis dieser komplexen Thematik und hilft ihnen dadurch, die Chancen und Risiken von Geldanlageentscheidungen besser und eigenständig beurteilen zu können.

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Dr. Serge Ragotzky ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er war zuvor in Führungspositionen bei Investmentbanken im In- und Ausland tätig.

Inhaltsübersicht

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Einführung

Geldgeschichte im Spannungsfeld von Handel, Banken und Politik

Das globale Finanzsystem zehn Jahre nach der Schockstarre

Die veränderten Rahmenbedingungen im 21. Jahrhundert

Geld und Geopolitik

Renditejagd in der Nullzinswelt, die schwierige Auswahl der Anlageklassen

Zusammenfassung und Ausblick

Index

Inhalt

Inhaltsübersicht

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Einführung

Geldgeschichte im Spannungsfeld von Handel, Banken und Politik

2.1 Die Anfänge: Tauschwirtschaft und Warengeld

2.2 Etablierung eines Edelmetallstandards

2.3 Bankiers entdecken die Geldschöpfung

2.4 Gescheiterte staatliche Papiergeldexperimente

2.5 Staaten und Banken gründen Zentralbanken

2.6 Der Erste Weltkrieg und die Notenpresse

2.7 Die Hyperinflation von 1923

2.8 Börsencrash, Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg

2.9 Bretton Woods, globale Ordnung des Finanzsystems

2.10 Vom Golddollar zum Petrodollar

2.11 Wo fallen auf globalisierten Finanzmärkten die Entscheidungen?

2.12 Formelbasierte Planwirtschaft

2.13 Kreditinstitute profitieren bis heute von privater Geldschöpfung

2.14 Das Experiment Europäische Währungsunion

2.15 Auswege aus der monetären Planwirtschaft

Das globale Finanzsystem zehn Jahre nach der Schockstarre

3.1 Subprime, Lehmann und die Schockstarre nach dem Crash

3.2 Der Euro auf der Intensivstation

3.3 Zentralbanken am Steuerpult der Kapitalmärkte

3.4 Rekordverschuldung als Stolperstein für die Geldpolitik

3.5 Kritische Anmerkungen zu offiziellen Daten und Berechnungen....

3.6 Zuschnappen der Nullzinsfalle

3.7 Kollateralschaden Vermögenskonzentration

3.8 Finanzderivate als Sprengsatz

3.9 Technologischer Strukturwandel im Bankwesen

3.10 Schwarze Schwäne als Landplage

3.11 Sackgasse Regulierung

3.12 Frühindikatoren einer Neujustierung des globalen Währungssystems

Die veränderten Rahmenbedingungen im 21. Jahrhundert

4.1 Nahrung und Energie als Probleme von gestern

4.2 Bildung oder Armut, nur wenige haben die Wahl

4.3 Die globale Elite im Klassenkampf von oben

4.4 Nationale, regionale und unorganisierte Widerstände

4.5 Großer Reichtum dank anderer Leute Daten

4.6 Das Dinosauriersterben in der Welt der Medien

4.7 Fluch und Segen der technologischen Quantensprünge

4.8 Mensch und Maschine, Symbiose oder Wachablösung?

4.9 Haben alternde Gesellschaften eine Perspektive?

4.10 Das Experiment Massenmigration, ein Akt der Verzweiflung?

Geld und Geopolitik

5.1 Die Macht der Staaten

5.2 Gleichgewichte staatlicher Macht: Monopolar, bipolar oder multipolar?

5.3 Die globale Macht von Unternehmen und NGOs

5.4 Die Waffen im Wirtschaftskrieg

5.5 Die Vereinigten Staaten im Kampf ums oben bleiben

5.6 China nach dem Jahrhundert der Heilung

5.7 Ist Europa schon am Ende?

5.8 Russland im Zangengriff

5.9 Japan, mit Robotern aus dem Schuldensumpf?

5.10 Indien, zwischen Slums und Moderne

Renditejagd in der Nullzinswelt, die schwierige Auswahl der Anlageklassen

6.1 Risiko, Rendite und Diversifikation

6.2 Die praktischen Defizite ökonomischer Erklärungsmodelle

6.3 Renditeloses Risiko mit Anleihen

6.4 Spar- und Termineinlagen

6.5 Immobilien, Betongoldboom ohne Ende?

6.6 Aktienmärkte in Abhängigkeit vom billigen Geld

6.7 Private Equity, gehebelte Investments in Produktivvermögen

6.8 Risikokapital und Wachstumsfinanzierung

6.9 Edelmetalle, Industriemetalle und Seltene Erden, Spekulationsobjekte oder sicherere Häfen?

6.10 Exotische Investments als Anlage für Superreiche

Zusammenfassung und Ausblick

Index

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abb. 1: Prozess der Asset-backed Securitisation

Abb. 2: Chinas neue Seidenstraße

Tab. 1: Chronologie der Zentralbankengründungen

Tab. 2: Kapitalausstattung und Steuerungsaktivitäten westlicher Notenbanken im Vergleich

Tab. 3: Veränderung ausgewählter US-amerikanischer Wirtschaftsdaten in US-Dollar

Tab. 4: PISA-Resultate 2015

Tab. 5: Ausbildung und Jahreseinkommen in den USA

Tab. 6: Unternehmen nach Börsenwert (3.8.2018)

Tab. 7: Strategische Position der wichtigsten Staaten(-gemeinschaften)

Tab. 8: Wichtige Schlussfolgerungen

1 Einführung

Der Kampf ums Geld tobt bereits seit Jahrtausenden, aber noch nie waren die Auseinandersetzungen so verwickelt und brutal wie heute. In diesem Kampf geht es konkret um Geldschöpfungsgewinne und Zinserträge, aber auch um politischen Einfluss und staatliche Machtausübung zur Verschaffung von Wettbewerbsvorteilen, sowohl auf nationaler wie auch auf globaler Ebene. Zu den Konfliktparteien auf den Finanzmärkten zählen Staaten und supranationale Organisationen, Zentralbanken und Kreditinstitute ebenso wie Sparer, Schuldner und Spekulanten. Nur wenige Menschen durchschauen die komplexen Zusammenhänge im Universum des Geldes, in dem es die unterschiedlichsten Aspekte zu beachten gilt. Der bekannte Fondsmanager Edouard Carmignac, dessen persönliches Vermögen auf 1,7 Mrd. Dollar geschätzt wird, sagte kürzlich in einem Interview: „Um in diesem Geschäft1 erfolgreich zu sein, müssen Sie Entwicklungen antizipieren können. Sie müssen anderen einen Schritt voraus sein. Und zwar in vielen Bereichen: Es ist wichtig, Geschichte und Politik zu verstehen. Sich mit Informationstechnologie auszukennen, aber auch mit Biotechnologie.“2

Bereits aus der Vielfalt der genannten Themenbereiche wird deutlich, wie komplex die Analyse und Entscheidungsfindung auf den Kapitalmärkten ist. Ein Anleger steht bei der Sammlung und Verarbeitung von Wissen und Informationen großen Herausforderungen gegenüber. Er muss zudem jenseits der Faktenverarbeitung ein Gespür für rationale und irrationale Entscheidungen und Handlungen mächtiger Akteure in Politik und Finanzwirtschaft entwickeln. Scheinbar geringfügige Fehleinschätzungen können zu großen Verlusten führen. Der Neue Markt3, Subprime, Lehman-Zertifikate, Schiffsbeteiligungen, Schrottimmobilien und Griechenlandanleihen markieren eine Schneise der Verwüstung in vielen Anlegerportfolios. Für viele Anleger ist der Kampf ums Geld aufgrund dieser Erfahrungen zu einer Art Überlebenskampf mutiert. Sie versuchen auch unter widrigen Bedingungen ihre materielle Zukunft zu sichern. Die Situation des Anlegers ist mit der eines Backgammon-Spielers zu vergleichen.4 Er braucht eine langfristige Strategie, muss dennoch taktisch flexibel sein und vor allem demütig akzeptieren, dass von ihm nicht zu beeinflussende externe Faktoren – beim Backgammon sind es die Würfel – erheblichen Einfluss auf den Erfolg haben.

Früher ermöglichten Zins und Zinseszins dem Anleger eine simple, langfristig aufgebaute, risikoarme Vermögensbildung. Er braucht dafür weder eine komplizierte Strategie noch Würfel. Die Banken zahlen aber seit Jahren so gut wie keinen Zins mehr für Spareinlagen. Gleiches gilt für viele Staaten und deren Anleihen. Einfaches Sparen lohnt sich deswegen nicht mehr. Der Durchschnittsanleger stellt sich daher einige Fragen:

Wo sind die Zinsen geblieben?

Warum gibt es keine sichere Rendite mehr?

Woher kommen die häufigeren Kurseinbrüche an den Kapitalmärkten?

Wie stabil sind die Banken zehn Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise?

Die Volkswirtschaftslehre liefert nur wenige, zudem aus Anlegersicht sehr unerfreulich Antworten. Bei einem unvoreingenommenen Studium der Geldtheorie5, vor allem aber auch der jüngeren Geldgeschichte sowie der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse wird der Anleger wenig Hoffnung schöpfen, dass sich seine Situation bald wieder von alleine bessern könnte. Er ist daher selbst gefordert, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Im Geld- und Börsenwesen, in der Realwirtschaft, der Politik und der Technologie haben sich in den letzten Jahrzehnten sukzessive gravierende strukturelle Veränderungen vollzogen. Inzwischen beeinflussen Entscheidungen und zentrale Steuerungsmaßnahmen mächtiger Institutionen und Personen permanent Rendite, Risiko und Liquidität einzelner Anlageklassen und ganzer Portfolien. Es ist daher wichtig zu verstehen, welche eigenen Ziele die Zentralbanken, Kreditinstitute, Politiker, Manager sowie große Investoren verfolgen und auf welcher Grundlage sie ihre Entscheidungen treffen. Andere tiefgreifende Veränderungen betreffen die Technologie, aber auch die Altersstruktur, das Wertegefüge, die Leistungsbereitschaft und das Konsumverhalten in der menschlichen Gesellschaft.

In diesem Buch wird dem Zusammenwirken der genannten Trends und Entscheidungsprozesse auf den Grund gegangen. Es handelt sich dabei um säkulare Veränderungen in der Wirtschaft und Gesellschaft, auf die der einzelne Mensch wenig oder gar keinen Einfluss hat. Wenn ein Investor die Trends frühzeitig erkennt und richtig deutet, kann er aber auf der persönlichen Ebene zumindest wirtschaftlich von den Veränderungen profitieren, anstatt der Verlierer zu sein. Das setzt aber auch die Bereitschaft voraus, sich einigen unangenehmen Wahrheiten nicht zu verschließen. Anders als ein Politiker, der zu teuer einen neuen Flughafen bauen lässt, oder ein Bankmanager, der das Kapital „seiner“ Bank in Subprime-Anleihen investiert, kann ein Privatanleger die Folgen seiner Fehlentscheidung auch unter den günstigsten Umständen nicht auf Dritte abwälzen.6

Entsprechend versetzt die vorliegende Darstellung interessierte Anleger in die Lage, die Chancen und Risiken von Geldanlageentscheidungen in einer komplexen und bisweilen auch verwirrenden Umgebung ein wenig besser eigenständig beurteilen zu können. Die Erläuterung einiger Zusammenhänge hilft dem Investor auch, ein paar einfache Fehler bei der Anlage zu vermeiden. Aufgrund der Breite der relevanten Themen kann allerdings nicht jede Detailfrage in aller Tiefe analysiert werden. Zudem hat jeder Anleger bei der Entscheidungsfindung seine individuelle Lebens-, Vermögens- und Einkommenssituation, seine eigenen Präferenzen und Prioritäten zu berücksichtigen. Das Buch liefert daher keine Patentrezepte und ersetzt nicht die eigenständige Analyse durch den Anleger und seine Berater.

Da viele der behandelten Themen tagesaktuell sind, werden im Buch an einigen Stellen neben wissenschaftlichen Publikationen, Sachbüchern und offiziellen Statistiken auch Presseartikel zitiert.

Um Lesern die Orientierung zu erleichtern, werden den Kernkapiteln 2 bis 6 jeweils die aus Anlegersicht wichtigsten Fragen vorangestellt. Zudem wird am Kapitelende eine kurze Zusammenfassung („Executive Summary“) vorgenommen.

1 Gemeint ist die Vermögensanlage an den Finanzmärkten.

2 Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 10. Juni 2018, S. 35

3 Allerdings darf nicht unterschlagen werden, dass sich einige Unternehmen aus dem Neuen Markt nicht nur gehalten haben, sondern inzwischen zu Mitgliedern des DAX bzw. des M-Dax aufgestiegen sind. Beispiele sind Wirecard, Sartorius und United Internet.

4 Beim Backgammon geht es darum, die eigenen Steine ins heimische Feld zu manövrieren und dann schneller als der Gegner herauszuwürfeln. Anders als bei rein strategischen Brettspielen wie Schach und Go haben auch die Würfel Einfluss auf den Erfolg, wobei ein Verständnis von Statistik einem Spieler sehr hilft.

5 In der ökonomischen Teildisziplin der Geldtheorie (englisch „Monetary Economics“) werden Wesen und Funktionen, Wert sowie Wirkungen des Geldes untersucht. Es geht dabei um Fragen von Geldangebot- und -nachfrage, Inflationstheorie, Zinstheorie sowie der Theorie der Geldpolitik.

6 Viele Anleger würden das bestimmt auch gern tun, wenn sie nur könnten. Auch gibt es viele Politiker und Banker, die mit Steuer- und Kundengeldern verantwortungsvoll umgehen. Es soll also keinesfalls gesagt werden, dass Banker oder Politiker per se die „schlechteren Menschen“ sind. Sie sind aber gewiss häufiger einer entsprechenden „Verführung“ ausgesetzt als andere Menschen.

2 Geldgeschichte im Spannungsfeld von Handel, Banken und Politik

Wichtige Fragen für Investoren

Wie ist Geld historisch entstanden und welche Funktionen hat es?Warum ist Geld so wichtig für Handel, Wirtschaft und Gesellschaft?Welche Bedeutung hatten Gold und Silber in der Geldgeschichte?Warum interessieren sich Staaten und Herrscher für das Geld?Welche Aufgaben haben Bankiers und Banken in der Wirtschaft?Erleichtert Papiergeld die Staatsfinanzierung?Wie entsteht Inflation?Wirken sich Konflikte und Kriege auf den Geldwert aus?Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Geldsystem und dem Entstehen von Wirtschaftskrisen?Wie steuern Zentralbanken das Geldwesen und auf welchem theoretischen Fundament basiert ihr Steuerungsapparat?Warum sind verschiedene Währungen unterschiedlich stabil?Welche Vorteile ziehen Kreditinstitute aus der privaten Geldschöpfung?

2.1 Die Anfänge: Tauschwirtschaft und Warengeld

Der Schriftsteller Oscar Wilde formulierte selbstironisch „als ich jung war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben, jetzt, da ich alt bin, weiß ich, dass es das Wichtigste ist“. Der Besitz von Geld verleiht dem Menschen ein Grundgefühl der Sicherheit und viele Freiheiten. Wer über ausreichend Geld verfügt, muss keine Tätigkeit ausüben, die ihm keinen Spaß macht, und kann seine eigene Meinung selbstbewusster öffentlich vertreten. Ein reicher Mensch kann mit seinem Geld auch viel Gutes für die Allgemeinheit tun. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass alle selbsternannten reichen „Philanthropen“ wirklich große Altruisten wären. Der Drang nach Gelderwerb und Gelderhalt sind aber seit jeher aus diesen und anderen Gründen, unabhängig von moralischen Erwägungen, ganz entscheidende Triebfedern menschlichen Handels. Der prominente Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson vertritt sogar die These, dass Geld die Wurzel allen Fortschritts ist und die Entwicklung der menschlichen Zivilisation ohne Geld als treibende Kraft gar nicht vorstellbar wäre.7

Wie hat die Geschichte des Geldes begonnen? Die meisten Wirtschaftshistoriker8 stimmen überein, dass sich Geld in vielen Urzivilisationen parallel im freien Marktprozess als zentrales Tauschmittel herausgebildet hat, weil es den Handel und das Wirtschaften der Menschen vereinfacht hat.9 In überschaubaren Clanstrukturen konnten zuvor noch informelle Prozesse gewährleisten, dass jedes Mitglied einer Großfamilie seinen Beitrag leistet und im Gegenzug bei Bedarf von den anderen Gruppenmitgliedern unterstützt wird. Mit wachsender Größe der Gemeinschaften wurde es aber schwieriger, erbrachte individuelle Leistungen zu erfassen und fair zu kompensieren. Im Austausch mit fremden Gruppen fehlte zudem oft das Grundvertrauen, dass zum Beispiel ein Anteil an einem erlegten Stück Wild zu einem späteren Zeitpunkt durch eine adäquate Gegenleistung vergolten würde.10

Im Laufe der Geschichte haben Menschen zudem immer besser erkannt, dass eine arbeitsteilige Organisation der Wirtschaft zu Effizienzgewinnen bei der Produktion führt. Kein Mensch kann parallel auf gleich hohem Niveau jagen, fischen, Ackerbau betreiben, töpfern und Schwerter schmieden. Da aber zum Beispiel Töpfe und Schwerter nicht satt machen, die Ernährung aber ein menschliches Grundbedürfnis ist, haben Menschen frühzeitig angefangen, mit einander Tauschhandel zu betreiben.11 Nun hatte ein Bauer nach erfolgreicher Ernte aber nicht immer zeitgleich Bedarf für ein neues Schwert oder ein paar Töpfe.

Auch wurden die auszutauschenden Güter selten von den beiden Handelspartnern als exakt gleichwertig empfunden. Diese subjektiven Bewertungsunterschiede haben die Tauschvorgänge aber rechnerisch kompliziert oder gar unmöglich gemacht hat. Die Sumerer haben zwar zur Schaffung von Transparenz bereits im 3. Jahrtausend v.Chr. ein differenziertes zentrales Preisregister entwickelt. Das war für die Nutzer allerdings noch recht kompliziert.12 Zur Lösung des Problems haben sich findige Menschen daher auf zentrale Tauschmittel geeignet, die von allen Beteiligten des Wirtschaftskreislaufes aufgehoben und beim nächsten Tauschvorgang erneut eingesetzt werden konnten.

Diese zentralen Tauschmittel mussten über eine lange Haltbarkeit verfügen und möglichst einfach und ohne Schaden physisch teilbar sein. Die Teilbarkeit erleichtert die für den Tausch erforderlichen Rechenvorgänge. Zusätzlich sollte die Menge des Tauschmittels begrenzt sein. Zu den ersten zentralen Tauschmittel in der Wirtschaftsgeschichte zählten unter anderem Rinder und Weizen,13 Salz, seltene Muscheln und Pfeilspitzen.

Da diese Tauschmittel selbst als Ware verwendet werden können, hat sich für diese Art Geld in der Literatur der Begriff Warengeld herausgebildet. Warengeld verfügt entsprechend in den meisten Fällen über einen eigenen intrinsischen Wert als begehrte Sache. Warengeld ist selbst eine Ware, mit deren Hilfe man zudem effizient Austauschverhältnisse zwischen anderen Waren bestimmen kann.14

2.2 Etablierung eines Edelmetallstandards

Schon in der Antike haben sich die Edelmetalle aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften in vielen Kulturen parallel als zentrales Tauschmittel, also als „Geld“, etabliert und diese Stellung lange bewahrt.15

Der libertäre Ökonom Murray Rothbard erklärt diese Entwicklung damit, dass Edelmetalle aus Sicht des Marktes das effizienteste Geld sind.16 Salz und Pfeilspitzen sind zwar auch langlebig, aber dennoch vergänglich. Edelmetalle dagegen sind unendlich haltbar, zudem in der Menge begrenzt und beliebig teilbar. Gold und Silber haben zudem bereits vor Jahrtausenden Begehrlichkeiten wegen ihrer Verwendbarkeit als Schmuck geweckt.

Die globale Gold- und Silbermenge ist durch die natürlichen Vorkommen und deren Förderung begrenzt. Das gab dem Edelmetallstandard Berechenbarkeit, weshalb er historisch die Regel blieb. So lange alle Währungen in einem festen Austauschverhältnis zum Gold standen, entfielen zudem definitionsgemäß jegliche Wechselkursschwankungen. Der globale Handel wurde so wesentlich erleichtert.

Noch Anfang des 20. Jahrhunderts erschien daher den meisten Menschen die Vorstellung absurd, dass etwas anderes als Edelmetall Geld sein könnte. Der berühmte Bankier John P. Morgan sagte noch 1912 vor dem US-Kongress: “Gold and silver are money. Everything else is credit.” Diese gefestigte Überzeugung ruhte auf einem Jahrtausende alten Fundament an positiven Erfahrungen, vor allem hinsichtlich der Wertbeständigkeit der Edelmetalle im Tauschprozess.

Im Laufe der Zeit wurde der Tauschprozess mit Edelmetallen systematisiert. Die Sumerer haben mit dem Silberschekel im 3. Jahrtausend v.Chr. in Mesopotamien erstmals ein transparentes, gewichtsbasiertes System mit Gold und Silber als zentralem Tauschmittel entwickelt.17 Im kleinasiatischen Reich der Lyder wurden dann zwischen 650 und 600 v.Chr. die ersten Münzen als Zahlungsmittel herausgegeben. Oft wird der noch heute für seinen Reichtum notorische König Krösus als erster Herausgeber von Münzgeld genannt.18 Anschließend erfolgt eine rasche Verbreitung des Münzsystems, zunächst im östlichen Mittelmeerraum und im Nahen Osten.19

Der Vorteil der Münzen lag in der Normierung des Gewichts und des Edelmetallgehalts20, die in den meisten Fällen mit dem Siegel und Konterfei eines mächtigen Herrschers auf der Münze bestätigt wurde. Bis etwa 400 v.Chr. setzte sich die Münze in ganz Griechenland gegenüber dem Tauschhandel durch.

In der römischen Kaiserzeit wurden Münzen aus Gold (Aureus), Silber (Denar) und Messing (Sesterze) geprägt.21 Für die römischen Herrscher waren Münzen praktisch, weil sie die Bezahlung der Soldaten erleichterten. Sie erklärten die Münzen zum „gesetzlichen Zahlungsmittel“, um die Nachfrage auch anderer Bürger nach Münzen sicherzustellen.22 Die meisten Währungsnamen wie Pfund, Taler, Dollar haben sich zunächst unmittelbar aus dem jeweiligen Edelmetallgewicht abgeleitet und erst später verselbstständigt.23

Die Entkoppelung von Namen und Gewicht eröffnete den Emittenten die Möglichkeit zur ertragreichen „Münzverschlechterung“.24 So haben etwa die römischen Kaiser zur Erzielung von Seigniorage-Gewinnen vor allem zur Kriegsfinanzierung immer wieder das Gewicht oder den Edelmetallanteil der von ihnen begebenen Münzen bei Beibehaltung des Nennwertes reduziert.25 Die Bürger konnten allerdings zeitverzögert die Veränderung durch Münzprüfungen nachvollziehen, gute Münzen von schlechten trennen und die Preise für ihre Waren und Dienstleistungen entsprechend anpassen.

Der Enteignungsprozess verlief daher lange schleichend. Erst unter den späten Soldatenkaiser geriet das römische Münzwesen völlig außer Kontrolle, weil diese nicht mehr in der Lage waren, das für die Prägung erforderliche Silber zu beschaffen.26 Später kam es lokal gelegentlich zu Mengenschwankungen aufgrund von Handelsüberschüssen, Minenförderungen und Plünderungen. So haben zum Beispiel die kolonialen Eroberer Spaniens in Südamerika große Mengen Gold und Silber vorgefunden und geraubt. Das Verschiffen dieser zusätzlichen Edelmetalle nach Europa führte in Spanien zeitweise zu Preissteigerungen für Güter des täglichen Bedarfs. Derartige Kaufkraftverluste waren dennoch wertmäßig, zeitlich und räumlich begrenzt und haben dem Status des Goldes an sich nie geschadet. Der Goldstandard galt mehr oder weniger bis 1914 und ermöglichte Wachstum und Wohlstand.

Die heutige Bedeutung des Goldes wird zwar von führenden Notenbankern und Politikern gern kleingeredet. So sprach der ehemaligen FED-Chef Ben Bernanke in diversen Interviews, in Anlehnung an Keynes von Gold als einem barbarischen Relikt der Vergangenheit.27 Diese Kritik hat Bernanke als Notenbankchef aber nicht gehindert, den größten Teil der Währungsreserven des Landes genau wie auch die Zentralbanken in Deutschland, der Schweiz, China und Russland weiter in Gold anzulegen.28 Bernankes Amtsvorgänger Alan Greenspan ist sogar bis heute ein vehementer Befürworter eines Goldstandards.29 In seiner Amtszeit als FED-Chef sagte er in einer Befragung vor dem US-Kongress, dass es ohne Goldstandard für die Anleger keinen sicheren Wertspeicher gäbe. Greenspan fügte auch

hinzu, dass der fehlende Vermögensschutz die Funktionsfähigkeit eines breit ausgebauten Wohlfahrtsstaates erleichtere, weswegen der Goldstandard von seinen sozialistischen Gegnern so vehement bekämpft würde.

2.3 Bankiers entdecken die Geldschöpfung

Vermutlich handelt es sich beim Bankgeschäft um das zweitälteste und einträglichste Gewerbe der Welt. Schon in Mesopotamien, im antiken Griechenland und in vielen anderen frühen Hochkulturen wurde Geld gegen Zins verliehen. Die Zinsgewinne waren stets einträglich. Allerdings kam es auch damals schon zu Zahlungsausfällen, weil nicht alle Schuldner die erforderlichen Mittel für Zins und Tilgung erwirtschaften konnten.

Zu Beginn der Kreditgeschichte standen in den meisten Regionen nicht private Bankiers, sondern Tempel und Kirchen im Zentrum des Bankwesens.30 „Klerikal“ war das Bankwesen unter anderem bei den Sumerern, Griechen und Ägyptern organisiert.31 Im Mittelalter haben dann die Tempelritter ein supranationales Banksystem aufgebaut, dessen Netz von Mitteleuropa bis ins Morgenland reichte.32 Die Templer waren erfolgreiche und einflussreiche Pioniere der Finanzglobalisierung. Sie gerieten auch wiederholt in Konflikte mit nationalen Herrschern, die ihre Machtbasis herausgefordert sahen.33

Später haben immer öfter Privatpersonen die Rolle des Geldverleihers übernommen. Das heutige, moderne Finanzsystem hat seine Ursprünge in Italien. Der Begriff Bank geht etymologisch darauf zurück, dass Händler an öffentlichen Plätzen auf einer Bank („banca“) gesessen und von dort aus Handelsfinanzierungsgeschäfte betrieben haben. Händler- und Bankiersfamilien wie die Bardi, die Peruzzi und die Medici haben ab dem 13. Jahrhundert mit Zinsgewinnen gewaltige Vermögen erworben. Die Medici wurden über das Geld als Fürstenhaus auch zu einem politischen Machtfaktor. Schon im Mittelalter wurde in der Öffentlichkeit wegen der hohen Zinsen häufig der Vorwurf des Wuchers erhoben.34

Es kam regelmäßig zu schweren wirtschaftlichen und politischen Krisen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der Schuldner. Daher wurden immer wieder auch staatliche und kirchliche Zinsverbote erlassen, aber das funktionierte nie flächendenkend und auf Dauer.

Ein bequemer Weg der Einnahmensteigerung war für die Bankiers das Weiterverleihen fremder Mittel an Kaufleute oder Herrscher. Ab dem 16. und 17. Jahrhundert nahmen europäische Händler, Goldschmiede und Banken vermehrt Münzgeld und Gold gegen Quittung in Verwahrung. Diese Quittungen für gelagerte Münzen wurden im Handelsverkehr als „Banknoten“ übertragbar gemacht und in der Folge selbständig als Zahlungsmittel verwendet.35 Die Noten gaben ihren Inhabern das Recht, von dazu verpflichteten Banken bzw. Juwelieren jederzeit die Herausgabe der entsprechenden Menge Münzgeld zu verlangen. Historisch kam es immer wieder zu Ausleihungen der nur anvertrauten Depositen durch die Banken an Dritte gegen Verzinsung, weil nie alle Depositen gleichzeitig zurückverlangt wurden. Besonders häufig haben die Banken diese fremden Mittel an den Staat verliehen. Die Einführung privaten Papiergeldes hat so die Staatsverschuldung wesentlich erleichtert.

Rechtlich und ethisch war die Ausleihung von Depositen allerdings von Anfang an sehr umstritten. Der Verleih galt historisch in der Regel als, wenn auch oft tolerierte oder verschleierte, Veruntreuung der anvertrauten Mittel, weil diese für den Deponenten stets verfügbar sein müssten. Der Deponent hat in früheren Zeiten in der Regel auch keine Zinsen für seine Einlagerung bekommen, sondern sogar eine Verwahrgebühr zahlen müssen. Huerta De Soto unterscheidet deswegen präzise zwischen (verzinslichen) Leihverträgen und unverzinslichen Depositenverträgen und zeichnet die Bankpraxis und die rechtlichen Rahmenbedingungen seit der Antike umfassend und lesenswert wirtschaftshistorisch nach.36 Das Studium der historischen Erfahrungen liefert auch für die Gegenwart einige wertvolle Erkenntnisse.

Die ganz großen Gewinne konnten die Bankiers erwirtschaften, seit sie auch Geld verliehen haben, das es überhaupt nicht gab. Ihre Noten wurden anstelle von hartem Münzgeld immer häufiger im Zahlungsverkehr verwendet, weil sie leichter zu transportieren und zu bewachen waren als Münzen. Das machten sich Bankiers und Goldschmiede zunutze, indem sie zusätzliche, nicht einmal mehr durch fremdes Geld gedeckte Quittungen ins System eingespeist haben. Wie die heutigen Geschäftsbanken hielten die Goldschmiede und Händler nur noch „Teilreserven“ (auch „fraktionale Reserven“) und betrieben mit ihrer Quittungsemission Geldschöpfung zusätzlich zum vorhandenen physischen Edelmetallbestand. Dieses System war allerdings krisenanfällig, weil einzelne Bankiers immer wieder in ihrer Gier zu viele Quittungen herausgegeben haben und in Krisenzeiten außerstande waren, gleichzeitig allen Umtauschforderungen in Gold zu entsprechen. Die regelmäßige Folge waren Bankpleiten und schwere wirtschaftliche Verwerfungen.

Die Bankiers haben also das wirtschaftliche Potenzial der fraktionalen Reservehaltung frühzeitig für sich entdeckt und unabhängig von der jeweiligen Rechtslage auch ausgenutzt. Daraus resultierte großer Reichtum, der den Bankiers auch erheblichen politischen Einfluss eingebracht hat. Napoleon Bonaparte, der wie viele andere Könige und Kaiser oft auf Kredite der Banken angewiesen war, soll einmal gesagt haben, dass die Hand die gibt, über der Hand stünde, die nimmt. Napoleon ist es aber auch nicht gelungen, sich von den Abhängigkeiten zu befreien.

Später wurde das Bankwesen noch weiter entwickelt. Weitere technische Meilensteine der Evolution des privaten Geldwesens waren die Einrichtung von („Buchgeld“-)Konten für die Bankkunden und die Ausgabe von Schecks als Zahlungsversprechen. Die Akzeptanz von Schecks und Kontoguthaben bzw. -überweisungen durch die Wirtschaftssubjekte als gleichwertiger Ersatz für echte Münzen ermöglichte eine erhebliche Ausweitung der Geldmenge. Je mehr kreative Ideen die Bankiers ersonnen, um ihre Geldschöpfung auszuweiten, desto krisenanfälliger wurde allerdings das Finanzsystem. Im 19. und 20. Jahrhundert kam es in Europa und den USA zu zahlreichen Bankpleiten, in deren Folge die Anleger große Teile ihrer Ersparnisse verloren.

2.4 Gescheiterte staatliche Papiergeldexperimente

Neben den Bankiers haben auch Staaten und ihre Herrscher frühzeitig den Charme der Geldschöpfung aus dem Nichts für sich entdeckt. Für Kaiser und Könige war die Mengenbegrenzung des für die Münzherstellung benötigten Edelmetalls zu allen Zeiten eine lästige Ausgabenbarriere. Die Herrscher mussten gewissermaßen um das Geld kämpfen, um ihre Machtstellung und ihre Privilegien zu bewahren. Verwaltung, Hofhaltung und Kriegführung waren immer schon teuer. Später kam noch der Wohlfahrtsstaat als großer Ausgabeposten hinzu. Die Herrscher hatten aber keine unbegrenzten Edelmetallvorkommen, auch fehlte es ihnen oft an der Kreativität der Bankiers. Dafür hatten sie aber die Macht, auch minderwertiges „Geld“ zum gesetzlichen Zahlungsmittel zu erklären, mit dem zum Beispiel Steuerschulden zu begleichen waren.37 Einige Herrscher machten sich diese Macht frühzeitig zunutze. Ihre erste kreative Idee war die Münzverschlechterung. Eine schleichende Absenkung des Edelmetallanteils bei Beibehaltung des Nennwertes bot anfangs eine gewisse Flexibilität in der Geldmenge und wurde wie bereits erwähnt unter anderem von den römischen Kaisern zur Erzielung von Seigniorage-Gewinnen ausgenutzt. Die Bürger orientierten sich aber auf Dauer primär am Metallgehalt und verlangten entsprechend mehr Münzen für ihre Waren und Dienstleistungen, wodurch das Geldschöpfungspotenzial mittels Münzverschlechterung limitiert wurde.

Die Machthaber kamen später auf die Idee, ergänzenden zum Edelmetallgeld auch Papiergeld als zusätzliches „gesetzliches“ Zahlungsmittel einzuführen. Das Prinzip ist treffend in Goethes Faust II formuliert: „Zu wissen sei es jedem, der’s begehrt. Der Zettel hier ist tausend Kronen wert“.

In China wurden bereits im 11. Jahrhundert Papiere als Notgeld zur Finanzierung eines Krieges eingesetzt, weil die Münzen knapp geworden waren. Oft wurde das Papiergeld mit staatlichen Gütern „besichert“, deren Werthaltigkeit aber in der Regel fragwürdig blieb. Die Akzeptanz des Papiergeldes war daher gering und beruhte primär auf staatlichem Zwang. Immer wieder erlagen chinesische Kaiser der Verlockung, Papiergeld in großen Mengen auszugeben, was jeweils zu einer Verteuerung der Waren, Vertrauensverlusten und schweren Wirtschaftskrisen führte.38 Ein ähnliches Experiment vollzog in Persien König Gaichatu im 13. Jahrhundert.39 Der König verlangte von den Bürgern aufgrund einer staatlichen Finanzierungskrise, die nach Überlieferung durch Verschwendung und eine Rinderpest ausgelöst wurde, bei Androhung der Todesstrafe die Akzeptanz des vom Bürger nicht geschätzten Papiergeldes anstatt von Edelmetallmünzen. Das Experiment scheitert aber bereits nach zwei Monaten an fehlender Durchsetzbarkeit. Die Bürger wollten partout ihr Vermögen nicht gegen wertloses Papier eintauschen. Der König wurde am Ende von seinen wütenden Untertanen ermordet.

Die europäischen Herrscher haben erst sehr viel später mit Papiergeld experimentiert. Inspiriert wurden sie wahrscheinlich von den Bankiers. Das bis heute bekannteste staatliche europäische Papiergeldexperiment wurde Anfang des 18. Jahrhundert in Frankreich durchgeführt. Der französische Staat war in Folge der Exzesse des 1715 verstorbenen Sonnenkönigs Ludwig XIV faktisch pleite. Der schottische Glückspieler und Bankier John Law40 gewann in dieser Notlage mit seinem Vorschlag einer Geldschöpfung aus dem Nichts das Vertrauen des Prinzen von Orleans als Vormund des minderjährigen Ludwig XV.

Die Grundidee Laws war der Aufkauf und damit die Eliminierung von Staatschulden mit ungedecktem Papiergeld der neu gegründeten Banque Générale, die später in Banque Royale umbenannt wurde. John Law nutze dabei neben einer vertrauensbildenden anfänglichen Teildeckung durch Gold auch das Grundvermögen der mit der Bank verbundenen Mississippi-Gesellschaft als Sicherheit zur Deckung von Banknoten. Die Banque Générale gab in der Folge immer mehr ungedeckte Banknoten aus, deren Akzeptanz der Staat unter anderem dadurch förderte, dass er sie als Zahlungsmittel zur Deckung von Steuerschulden akzeptierte.41 Durch John Laws Experiment erhöhten sich die Verschuldungsmöglichkeiten des französischen Staates. Die mit den neuen Noten erzeugte Geldmengenexpansion bewirkte in Frankreich temporär einen spektakulären Wirtschaftsboom, in Verbindung mit erheblichen Preissteigerungen für die Güter des täglichen Lebens. Viele Bürger investierten spekulativ in die Banque Royale und das Law’sche Mississippi-Projekt.

Das System kollabierte aber, als nachhaltige Zweifel an der Werthaltigkeit der Ländereien in Louisiana aufkamen und damit die Solvenz der Banque Générale und der Louisiana-Gesellschaft in Frage gestellt wurde. Sämtliche Papiere verloren ab 1720 rapide an Wert und es kam zu einem schweren Crash, bei dem zahlreiche Investoren ruiniert wurden.42

Die John Law-Geschichte ist ein hervorragendes Beispiel, wie ein Boom zunächst durch billiges Geld ausgelöst und danach durch irrationales, prozyklisches Anlegerverhalten noch befeuert wird.43 Der Fall illustriert zudem, wie eng Politik und Finanzmärkte seit langer Zeit mit einander verbunden sind. Die Geschichte John Laws hat vermutlich auch Voltaire zu seinem Bonmot inspiriert, „dass Papiergeld langfristig stets zu seinem inneren Wert konvergiert, nämlich null“. Dennoch wurde das Experiment nach der Französischen Revolution im Jahr 1789 mit den sogenannte „Assignaten“44 zur Kriegsfinanzierung wiederholt, mit demselben fatalen Ergebnis.

2.5 Staaten und Banken gründen Zentralbanken

John Laws Abenteuer symbolisiert auch bereits den nächsten Meilenstein der Finanzgeschichte, die systematische, institutionelle Verbindung von privatwirtschaftlicher Finanzkreativität und staatlicher Macht, verkörpert durch die Einrichtung von Zentralbanken.45 Historisch haben sich die meisten Zentralbanken auf gemeinsame Initiative der privaten Banken und der Staaten etabliert. Die privaten Banken waren primär an der Schaffung eines “Lenders of last resort“ interessiert, der im Falle von Bankenkrisen die Zahlungsfähigkeit einzelner Kreditinstitute aufrechterhält und damit private Verluste absorbiert. Die Bankiers konnten so individuell ihr Konkursrisiko ausschalten und gemeinsam Vertrauenskrisen gegenüber dem Bankensystem vorbeugen.46 Für die meisten Staaten bestand die Motivation zur Gründung von Zentralbanken in der Kontrolle über das Geldwesen und der Sicherung von Seigniorage-Gewinnen.47

Außerdem bieten Zentralbanken Staaten jenseits des Finanzmarktes zusätzliche flexible Staatsfinanzierungsmöglichkeiten, die von besonderem Interesse sind. Für Regierungen ist auch der Beitrag der Zentralbank zur Stabilität des Bankensystems wichtig, weil es die ungestörte Geldmengenausweitung erleichtert.48 Libertäre Kritiker halten Zentralbanken daher auch vorrangig für ein Instrument der Staaten, die Kontrolle über die Wirtschaft gewinnen, und sehen sie daher als Eckpfeiler einer verkappten sozialistischen Wirtschaftsordnung an.49

Sobald Banken und Staaten sich auf ein Zentralbankregime einigen, können sie gemeinsam das Geldwesen kontrollieren und für ihre eigenen Zwecke ausbeuten. Im Kampf um das Geld ist eine Allianz dieser Parteien quasi unangreifbar. Beide Partner können dank des Geldmonopols und Bail-out-Mechanismus im Krisenfall kaum noch in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die größte Gefahr ist noch die Entstehung einer Hyperinflation in Folge einer schwerwiegenden Vertrauenskrise.

Das Eintreten dieses Szenarios ist aber unwahrscheinlich, so lange die Volkswirtschaft ohne Fremdwährungsschulden auskommt. Daher bleibt zwischen Staat und Banken meistens nur die Frage der Gewinnverteilung aus der Geldschöpfung zu klären. Die Zentralbanken können dabei formal sowohl den Staaten als auch den privaten Banken gehören. Die Bank of England wurde zum Beispiel bereits im Jahr 1694 von privaten Banken gegründet, wenn auch mit staatlicher Protektion. In der Folge hat die Bank of England sukzessive das Monopol für die Banknotenausgabe in England erworben50. Die deutsche Bundesbank und die Banque de France sind dagegen seit jeher rein staatliche Institutionen. Die US-FED wiederum gehört rechtlich den Mitgliedsbanken des Federal Reserve-Systems, auch wenn sie von der US-Regierung beaufsichtigt wird. Die Schweizer Notenbank ist sogar börsennotiert, wenngleich die privaten Stimmrechte reglementiert sind. Unabhängig von Rechtsform und Eigentümerstruktur hat aber der Bürger überall allenfalls sehr begrenzte Kontrollmöglichkeiten und keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Zentralbanken.51

Interessanterweise konnte eine führende Industrienation wie die Vereinigten Staaten noch bis 1913 ohne eine Zentralbank wachsen und gedeihen. Gründerväter der Nation wie Thomas Jefferson und später Präsident Andrew Jackson hegten ein großes Misstrauen gegen eine so mächtige Finanzinstitution.52 Die ersten beiden Zentralbank-Einrichtungen sind deswegen nach wenigen Jahren am Widerstand skeptischer Bürger und einiger kritischer Politiker gescheitert.53 Die Gründung der FED kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs war wahrscheinlich überhaupt nur deswegen erfolgreich, weil sie von Bankiers und verbündeten Senatoren hinter verschlossenen Türen geplant54 und dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch den Kongress gebracht worden ist.55

Im nationalen Rahmen ermöglichen Zentralbanken entsprechend eine weitgehende Kontrolle des Geldwesens. Komplikationen ergeben sich aber aus der Globalisierung der Finanzmärkte. Heutzutage ist der Kapitalverkehr zwischen den meisten wichtigen Volkswirtschaften weitestgehend liberalisiert. Die Internationalisierung eröffnet Staaten, Banken und Unternehmen die Möglichkeit, auch in fremden Währungen Geschäfte zu tätigen und Kredite aufzunehmen.56 So werden Handelsgeschäfte in fremder Währung oft an ausländischen Finanzmärkten abgesichert. Staaten und Unternehmen begeben Anleihen in fremder Währung. Unternehmen besorgen sich Eigenkapital an fremden Börsenplätzen oder fusionieren mit ausländischen Konkurrenten.

Das Volumen dieser grenzüberschreitenden Finanztransaktionen wächst seit Jahrzehnten. Daraus erwachsen der Wirtschaft viele Vorteile, aber auch Risiken. Falls sich Staaten von ausländischem Kapital abhängig gemacht haben, kann es zum Beispiel zu Zahlungsbilanzkrisen kommen, wenn das ausländische Kapital wieder abgezogen wird. Staaten und Zentralbanken haben verschiedene internationale Finanzinstitutionen gegründet, die in derartigen Krisensituationen tätig werden. Die chronologische Übersicht in Tabelle 1 führt neben den großen Zentralbanken auch die wichtigsten internationalen Einrichtungen wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) den Internationalen Währungsfonds (IWF), Weltbank und die New Development Bank (NDB) auf, die jede für sich bedeutsame Funktionen im globalen Währungsgefüge einnehmen. Die BIZ fungiert dabei als eine Art Zentralbank der Zentralbanken. Sie dient zudem als Denkfabrik zu aktuellen globalen Finanzthemen sowie als Plattform zur internationalen Koordination der Banken- und Finanzmarktregulierung. Die Aufgaben der übrigen internationalen Organisationen werden noch an anderer Stelle näher beleuchtet.

Tab. 1: Chronologie der Zentralbankengründungen

JahrOrtEreignis / Institution1609AmsterdamGründung der Amsterdamer Wechselbank als erste zentralbankartige Einrichtung1656StockholmStockholms Banco (Schwedische Reichsbank) wird von der schwedischen Regierung als private Einrichtung unter staatlicher Lenkung zugelassen1694LondonGründung der Bank of England als privilegierte Aktiengesellschaft zur Kreditvergabe an den Staat1716ParisGründung der Banque Générale mit John Law als Direktor, sukzessiver Erwerb von Zentralbankkompetenzen1791WashingtonGründung der First United States Bank auf Betreiben von Alexander Hamilton (Vertrag endet 1811 ohne Verlängerung durch den Kongress aufgrund fehlender Mehrheit)1800ParisGründung der Banque de France1816WashingtonGründung der Second United States Bank auf Betreiben von Alexander Hamilton (Vertrag endet 1836 ohne Verlängerung durch den Kongress aufgrund fehlender Mehrheit)1875BerlinGründung der Deutschen Reichsbank1882TokioGründung der Bank von Japan1907Bern/ ZürichGründung der Schweizer Nationalbank1913WashingtonKongressbeschluss Gründung des Federal Reserve System auf Initiative privater Bankiers1930BaselGründung Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zur Abwicklung deutscher Reparationszahlungen und ab 1945 Weiterentwicklung zur Bank der Zentralbanken, Fortentwicklung zu Bank der Banken1944WashingtonBretton Woods-Beschluss zur Gründung von IWF und Weltbank1998FrankfurtErrichtung der Europäischen Zentralbank (EZB) als zentrale Institution der europäischen Währungsunion2012LuxemburgGründung des ESM durch völkerrechtlichen Vertrag2014ShanghaiGründung der New Development Bank als multilaterale Entwicklungsbank durch Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika als Alternative zum IWF

2.6 Der Erste Weltkrieg und die Notenpresse

Der Erste Weltkrieg markiert nicht nur für die globale politische Ordnung, sondern auch für das Geldwesen eine tiefe Zäsur. Zuvor war Europa aufgrund eines Gleichgewichts der Kräfte für fast ein Jahrhundert von schweren Kriegen verschont geblieben.57 Große Verwüstungen, wie sie der 30-jährige Krieg58 oder die Napoleonischen Kriege hinterlassen hatten, waren daher 1914 im kollektiven Bewusstsein der Europäer verblasst Insbesondere die Jahrzehnte vor dem Ersten Weltkrieg waren von einer nur sporadisch unterbrochenen Phase des Wirtschaftsaufschwungs bei stabilen Preisen geprägt. Zahlreiche technische Errungenschaften, unter anderem die Elektrizität, das Telefon, die Eisenbahn und das Automobil haben die Lebensbedingungen damals für breite Bevölkerungsschichten erheblich verbessert. Trotz Einkommensteuersätzen zwischen null und zehn Prozent konnten erste soziale Sicherungssysteme geschaffen werden. Die Periode von 1870 bis 1914 war auch das erste Zeitalter einer wirtschaftlichen Globalisierung.59 Alle bedeutenden Handels- und Industrienationen verfügten über Währungen, die auf dem Goldstandard basierten, wodurch der internationale Warenhandel erleichtert wurde und erheblich zunahm.