Kanban Maturity Model - David J Anderson - E-Book

Kanban Maturity Model E-Book

David J. Anderson

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Beschreibung

Leistungsstarkes Werkzeug für Kanban-Initiativen

  • Roadmap zur schrittweisen kontinuierlichen Prozessoptimierung
  • Spezifische Praktiken, um Organisationen beweglicher und anpassungsfähiger zu machen
  • Pragmatisches Vorgehen, angelehnt an bekannte Reifegradmodelle wie CMMI®

Das Kanban Maturity Model (KMM) entstand durch die Arbeit in den letzten 10 Jahren bei der Einführung von Kanban in kleinen und großen Unternehmen verschiedener Branchen. Es spiegelt die Erfahrung wider, dass die angewendeten Kanban-Praktiken zur organisatorischen Reife des Unternehmens passen müssen.

Die KMM-Roadmap und konkrete Maßnahmen ermöglichen es, die gewünschte Business-Agilität zu erreichen. Die sieben Reifegrade des Modells sind an etablierte Reifegradmodelle wie CMMI angepasst und ergänzen bzw. erweitern diese.

Das Buch richtet sich an Kanban-Coaches und Führungskräfte, die bei der Einführung oder Verbesserung von Kanban-Implementierungen handlungsleitende Hilfestellung suchen. Die verwendeten Praktiken werden mit vielen anschaulichen Beispielen erläutert.

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David J Anderson ist ein Innovator von Managementkonzepten für die Geschäftswelt des 21. Jahrhunderts. Er ist Vorsitzender von Lean Kanban Inc., einem Unternehmen für Trainings, Beratung, Veranstaltungen und Veröffentlichungen, das Führungskräften weltweit neue Ideen zugänglich macht. David verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Hightechindustrie, wo er in den frühen 80er-Jahren im Umfeld der Spieleentwicklung begann. Er arbeitete für IBM, Sprint, Motorola und Microsoft sowie für eine Reihe von Start-up-Unternehmen. David ist der Begründer sowohl der Kanban-Methode als auch von Enterprise Services Planning, ist regelmäßiger Sprecher auf intern. Konferenzen und hat mehrere Bücher veröffentlicht.

Teodora Bozheva verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Softwareentwicklung. Seit mehr als 15 Jahre bietet sie Schulungen und Coachings für Unternehmen verschiedener Branchen auf Basis von Kanban, Lean, CMMI™ und Agile an. Mit praktischen Anleitungen unterstützt sie ihre Kunden darin, die Methoden zu kombinieren und an die spezifischen Kontexte anzupassen, Managementpraktiken zu verbessern, bessere Produkte und Dienstleistungen schneller zu liefern sowie eine kontinuierliche Verbesserungskultur aufzubauen. Sie ist akkreditierter Kanban Trainer (AKT) der Lean Kanban Universität (LKU) und Mitglied des Lean Kanban Services Team sowie SEI-autorisierter Trainer für CMMI™ for Development, Services and Acquisition.

Die Übersetzer:

Sven Günther studierte an der Fachhochschule Brandenburg Informatik mit den Schwerpunkten Softwareentwicklung und Mikroprozessortechnik. Seit 1997 entwickelt er in Java und C-Sprachen sowohl im Enterprise-Umfeld als auch für mobile Geräte. Agile Entwicklungsmethoden hat er 2007 für sich entdeckt und ist seitdem begeistert von ihnen. Sein besonderes Interesse gilt der Verbesserung von Arbeitsabläufen mit Kanban.

Nadine Wolf ist gelernte Friseurin, Diplom-Kauffrau und liebt es, wenn kleine Veränderungen große Wirkung zeigen. Sie hat im Dezember 2011 im Backoffice-Team »Moneypenny« bei it-agile angefangen. Inzwischen hat sie viel agile Luft geatmet, eine Coaching-Ausbildung absolviert, Kanban- und Leadership-Know-how erworben und hat sich so zur akkreditierten Kanban-Trainerin und zum Agile Coach entwickelt. 2019 hat sie selbstfuehren.de mitbegründet, eine auf Selbstführung rund um The Responsbility Process® spezialisierte Beratungsfirma.

Zu diesem Buch – sowie zu vielen weiteren dpunkt.büchern – können Sie auch das entsprechende E-Book im PDF-Format herunterladen. Werden Sie dazu einfach Mitglied bei dpunkt.plus+:

www.dpunkt.plus

David J Anderson · Teodora Bozheva

Kanban Maturity Model

Handbuch für Agilität, Resilienz undNeuausrichtung in Organisationen

Übersetzung aus dem Englischen von Sven Günther und Nadine Wolf

David J Anderson · [email protected] Bozheva · [email protected]

Lektorat: Christa Preisendanz

Übersetzung: Sven Günther · [email protected]

Nadine Wolf · [email protected]

Copy-Editing: Ursula Zimpfer, Herrenberg

Satz & Layout: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt

Umschlaggestaltung: Helmut Kraus, www.exclam.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print    978-3-86490-608-4

PDF     978-3-96088-573-3

ePub   978-3-96088-574-0

mobi   978-3-96088-575-7

1. Auflage 2021

Translation Copyright für die deutschsprachige Ausgabe © 2021

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17 · 69123 Heidelberg

Copyright © 2020 by Kanban University Press, USA, Title of the American original: Kanban Maturity Model: A Map to Organizational Agility, Resilience, and Reinvention, Second Edition, 2020.

ISBN: 978-1-7328212-4-8eISBN: 978-3-9608857-4-0

Translation Copyright © 2021 by dpunkt.verlag. All rights reserved.

Hinweis:

Dieses Buch wurde auf PEFC-zertifiziertem Papier aus nachhaltiger Waldwirtschaft gedruckt. Der Umwelt zuliebe verzichten wir zusätzlich auf die Einschweißfolie.

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CMMI und Capability Maturity Model sind eingetragene Warenzeichen im US Patent and Trademark Office by ISACA®.

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Für Nastya – DJA

Für Bela – TB

Vorwort

Zielsetzung, Einflüsse, Absicht und Nutzen des Kanban Maturity Model

Das Kanban Maturity Model (KMM) entstand aus der Notwendigkeit heraus, die Einführung von Kanban zu vereinfachen und damit mehr Organisationen von den nützlichen Effekten profitieren zu lassen, die die Anwendung von Kanban in kleinen und großen Unternehmen auf der ganzen Welt während der letzten Dekade mit sich gebracht hat. Die Muster, die sich bei der erfolgreichen Einführung von Kanban ergeben haben, sind in einer Weise dokumentiert, die es Beratern, Coaches und Managern1 erlaubt, diese Methoden in anderen Kontexten mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit anzuwenden. Das Modell beschreibt mehr als 150 Praktiken in sieben unterschiedlichen Reifegraden einer Organisation und bietet damit eine klare Anleitung, um mittels der Kanban-Methode Verbesserungen anzustoßen und anzuleiten. Das Kanban Maturity Model ist das Ergebnis aus mehr als 14 Jahren Erfahrung in Schulungen und der Begleitung von Organisationen; während dieser Zeit wurden Daten gesammelt, Fallstudien verfasst und veröffentlicht sowie Erfahrungsberichte aus der ganzen Welt zusammengetragen, die zwischen 2009 und 2019 auf mehr als 50 Konferenzen vorgestellt wurden. Das Modell liefert eine pragmatische, umsetzbare, faktenbasierte Anleitung und zeigt auf, wie echte Agilität in Unternehmen erreicht werden kann. Es demonstriert, wie die Kanban-Methode erfolgreich eingesetzt werden kann, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Ihres Unternehmens zu verbessern. Es ist Wegweiser und Roadmap für Ihre Unternehmenstransformation. Wir sind überzeugt, dass Sie das Modell auf Anhieb als nützlich und sehr wirkungsvoll erachten werden.

Zielsetzung

Das Kanban Maturity Model hat das Ziel, die Organisation bei der Entwicklung folgender Fähigkeiten und Nutzen zu unterstützen:

Entlastung von Überbeanspruchung

Zusammenhalt zwischen Mitarbeitern und Zufriedenheit der Mitarbeiter

Kundenerwartungen erfüllen

Kunden zufriedenstellen

Identität und Zweck der Organisation definieren und managen

Widerstandsfähigkeit gegenüber Rückschlägen und Turbulenzen im Markt

Vorhersagbare und nachhaltige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und finanzielle Robustheit

Agilität in der gesamten Organisation

Kongruente Entscheidungsfindung auf allen Ebenen

Langfristiges Überleben

Veränderungen sinnvoll und systematisch betreiben und für Verankerung sorgen

Wir haben das Kanban Maturity Model entwickelt, weil die Erfahrung zeigt, dass das Erreichen dieser Ergebnisse für viele Organisationen eine große Herausforderung darstellt. Das Modell reagiert auf den Bedarf an Unterstützung im Umgang mit Widerständen gegenüber Veränderungen und bei der Einführung angemessener Praktiken, um die gesamte Organisation widerstandsfähig, robust und anpassungsfähig zu machen – gerade wenn Belastungen durch neue Technologien oder Veränderungen im wirtschaftlichen, ökonomischen oder regulatorischen Umfeld entstehen.

Unser Ziel war es, eine Methode zu liefern, die sinnvolle Veränderungen hervorruft, die institutionalisiert werden und dadurch bestehen bleiben, selbst wenn Verantwortliche und Führungskräfte im Laufe der Zeit wechseln. Wir gehen davon aus, dass neue Arbeitsweisen erhalten bleiben, wenn einzelne Individuen sie wirklich verinnerlicht haben und damit als einen Teil ihrer Identität und Teil ihrer sozialen Gruppe in der Organisation, ihrem Team oder ihrer Serviceeinheit, verstehen. Wir glauben, dass wir mit dem KMM als Anleitung einen Ansatz entwickelt haben, der diesen Weg reproduzierbar macht.

Mit mehr als 14 Jahren Erfahrung mit Kanban-Einführungen auf der ganzen Welt und einem Jahr Validierung von Vorabversionen des KMM ist es nun möglich zu beschreiben, warum Widerstände entstehen. Wir können pragmatische Anleitungen für Maßnahmen anbieten, die dabei helfen, eine Einheit rund um ein gemeinsames Ziel aufzubauen und damit wirtschaftliche Ergebnisse zu verbessern. Diese Maßnahmen stärken die kulturellen Werte und sind einschließlich spezifischer Praktiken an die bestehende Reife der Organisation angepasst. Das Modell definiert bewährte Schritte für die korrekte Umsetzung in der praktischen Anwendung. Zusätzlich gibt es eine Roadmap für eine breitere und tiefere Anpassung im Laufe der Zeit. Insbesondere beschreibt es genau, welche Praktiken als Nächstes eingeführt werden können, die wenig Widerstand hervorrufen oder gerade so viel Stress erzeugen, dass die Organisation darauf in einer antifragilen2 Art und Weise reagiert, die zu Verbesserung führt.

Zwei Fallstricke beim Einführen der Kanban-Methode

Durch Beobachtungen und das Sammeln von Erfahrungen bei der Einführung von Kanban in vielen verschiedenen Branchen in der letzten Dekade haben sich zwei Fallstricke bzw. Muster des Scheiterns herauskristallisiert: Kurzsichtigkeit und Überambition. Ein Vorläufer des KMM hieß Depth of Kanban Assessment Framework. Es sollte ermitteln, ob die eingeführten Kanban-Praktiken eigentlich dem Zustand der Organisation angemessen sind – also die Frage beantworten, inwiefern die Organisation überhaupt bereit ist für eine solche Vorgehensweise. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Einführung der sechs allgemeinen Kanban-Praktiken in unterschiedlichem Grad hinsichtlich Genauigkeit und Konsequenz erfolgen kann. Wenn die Einführung scheiterte, lag dies meistens daran, dass unangemessene Praktiken gewählt wurden – entweder zu zurückhaltend und simpel, sodass es nicht gelang, die Organisation auf ein höheres Leistungsniveau zu bewegen, oder zu anspruchsvoll, sodass die Organisation nicht zur Umsetzung in der Lage war. Die Qualitäten, die ein Coach oder Berater mitbringen sollte, sind die eines Trainers im Sport: Er muss die Anleitung mit den Spielzügen kennen und in der Lage sein, diejenigen auszuwählen, die zur gegenwärtig vorhandenen fachlichen Kompetenz und zur Leistungsfähigkeit passen. Ziel ist es, die Organisation gerade so stark zu beanspruchen, dass ein höheres Leistungsniveau ausgelöst wird, und nicht so stark zu reizen, dass es zum Zusammenbruch kommt, was zum Rückfall auf ein niedrigeres Leistungsniveau führen würde. Das KMM stellt einen deutlichen Fortschritt gegenüber seinem Vorgänger dar – es bietet eine umfassende Anleitung zur Einführung angemessener Praktiken, und es geht noch viel weiter, indem es mithilfe einer genauen Landkarte der Organisationskultur und der beobachtbaren Ergebnisse ein Bild davon erzeugt, wie bereit eine Organisation für diese Veränderungen ist.

Kurzsichtigkeit

Der Fallstrick Kurzsichtigkeit entsteht durch die Arroganz zu glauben, dass eine Organisation, die Kanban eingeführt hat, bereits alle Vorteile der Methode nutzt. Wir hören üblicherweise Reaktionen wie »Wir haben Kanban gemacht! Es hat uns geholfen […]«. Bei Bottom-up-Initiativen auf Teamebene wird meistens eine oder mehrere der folgenden Praktiken als Nutzen aufgeführt, die dem Reifegrad 1 entsprechen:

Entlastung von Überbeanspruchung und stressiger, belastender Umgebung

Erhöhte Transparenz

Bessere Zusammenarbeit

»Hat gebracht, was wir brauchten.«

Das Kanban Maturity Model kann auch dazu verwendet werden, aufzuzeigen, dass bei solchen oberflächlichen Einführungen ein Großteil an Nutzen liegengelassen wird und Kanban die Organisation viel weiter bringen kann.

Überambition

Überambitionierte Bestrebungen führen in der Regel zu gescheiterten Einführungen. Das Problem fußt auf einem zu ehrgeizigen Transitionsplan; meistens ist es ein Entwurf mit dem Ziel, dass eine Organisation, die sich gegenwärtig auf einem Reifegrad 0 oder 1 befindet, Reifegrad 4 oder sogar 5 erreichen soll. Das Problem lässt sich oft am Phänomen »smartest guy in the room« festmachen: Ein Berater oder Coach verspürt psychologischen oder sozialen Druck, seine Fähigkeiten und seine Expertise unter Beweis zu stellen, oder er ist einfach zu optimistisch oder übertrieben ehrgeizig.

Wenn die Praktiken eher für Fortgeschrittene geeignet sind als für Neulinge oder für Organisationen, die bezüglich ihrer Kultur, der bestehenden Verhaltensweisen oder unterstützenden Maßnahmen eine gewisse Unreife aufweisen, dann werden diese Praktiken schlicht nicht haften bleiben. Der Nutzen bleibt den Beteiligten unverständlich. Wenn z. B. jedes Arbeitspaket eine Aufgabe darstellt, welchen Sinn hat dann eine Risikoabsicherung durch die Verwendung von WIP-Limits, also einer Kapazitätszuweisung, auf unterschiedliche Arten von Anforderungen? In einer Welt, in der alles homogen ist, ist das Konzept der Risikoabsicherung nicht zu verstehen.

Das Kanban Maturity Model ist also auch dazu da, um einen Fahrplan und ein Werkzeug in der Hand zu haben, mit dem man den Reifegrad einer Organisation und ihre Eignung für jede spezifische Kanban-Praktik analysieren und beurteilen kann. Ein kompetenter Coach kann das Modell als Leitfaden verwenden, um die passenden nächsten Schritte auszuwählen und übermäßige, überfordernde Bestrebungen zu vermeiden.

Vermeidung struktureller Spannungen

In der Psychologie gibt es das Konzept der strukturellen Spannungen. Es wird im Zusammenhang mit Menschen verwendet, die sich nicht vorstellen können, wie sie vom Istzustand zum Sollzustand gelangen können. Stellen Sie sich beispielsweise ein junges Mädchen vor, das sich im Fernsehen Leistungsturnerinnen bei den Olympischen Spielen anschaut. Das Mädchen mag Turnen, tatsächlich turnt es zweimal die Woche im Verein. Wenn es jedoch die Champions im Fernsehen sieht, kommt ihm die Leistung wie Zauberei vor. Das Erfolgs- und Leistungsniveau ist ihm unbegreiflich.

Würde ein übermäßig ehrgeiziger Elternteil von dem Mädchen verlangen, seine Leistung auf das Niveau der Olympioniken zu heben, würde es unter struktureller Spannung leiden – es hat Stress und Angst, weil es nicht weiß, wie es von seinem jetzigen Niveau aus den geforderten Zustand in der Zukunft erreichen soll.

Strukturelle Spannungen sind das Gegenteil von Überambition. In diesem Fall tritt eher Widerstand, Trägheit, sogar Angst gegenüber weiteren Fortschritten auf als übermäßiger Ehrgeiz. Im Sportcoaching werden strukturelle Spannungen abgebaut, indem man sich an ein umfangreiches Handbuch mit Trainings- und Entwicklungsplänen hält, mit denen sich Sportler vom Anfänger zum Profi entwickeln können. Das Kanban Maturity Model ist so ein Handbuch für die Reife und die Resilienz von Organisationen, die durch den Einsatz der Kanban-Methode erreicht werden. Kanban Coaching Professionals werden zu Sportcoaches für Ihre Organisation. Das Kanban Maturity Model ist ihr Handbuch. Das Modell beseitigt strukturelle Spannungen. Wenn ein Sponsor aus dem Management ein Geschäftsziel beschreibt, das etwa einer Organisation auf Reifegrad 4 entspricht, dann stellt das KMM einen Plan zur Verfügung, der den Weg vom jetzigen Niveau zum gewünschten Ergebnis des Reifegrades 4 weist.

Einflüsse und Integrationen

Das Kanban Maturity Model ist von verschiedenen bereits existierenden Managementmodellen beeinflusst. Das KMM führt eine Reihe von neuen Aspekten ein, vor allem legt es den Fokus auf Geschäftsergebnisse: Fit for Purpose in Bezug auf Kunden und andere Stakeholder. Das Modell beschreibt Managementpraktiken und gibt handlungsleitende Orientierung, die auf die Fähigkeit einer Organisation einzahlen, sowohl kontinuierlich und dauerhaft Kundenerwartungen zu erfüllen als auch Veränderungen im Markt vorherzusehen und die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen.

Das Modell bietet auch eine bewährte Darstellung von kulturellen Werten und Managementpraktiken, die zusammen eingesetzt sowohl das Erzielen von wirtschaftlichen Erfolgen ermöglichen als auch die Entwicklung der Fähigkeiten einer Organisation fördern, sich an veränderte Kundenerwartungen anzupassen und turbulente Situationen und Krisen erfolgreich zu meistern.

Darüber hinaus beinhaltet das Modell eine Reihe von Zuordnungen und Anknüpfungspunkten mit vorhandenen Modellen wie dem Lean/Toyota Production System (TPS), dem Capability Maturity Model Integration (CMMI™)3, dem Modell des Real World Risk Institute, Agendashift und Mission Command (Auftragstaktik). Die sieben Reifegrade des KMM wurden von den Konzepten von Jerry Weinberg und dem CMMI sowie von vielen ähnlichen Modellen beeinflusst, die ihm in anderen Bereichen und Branchen vorausgingen.

Zielgruppen und ihre Bedürfnisse

Kanban-Coaches4

Verhaltensweisen in den Reifegraden verstehen.

Nützliche Leitlinien für das Durchführen von Initiativen beim Kunden erhalten.

Die Breite und Tiefe einer Kanban-Implementierung einschätzen können.

Die Angemessenheit bestimmter Praktiken ermitteln.

Einen Ansatz definieren, um eine Organisation auf die nächste Stufe zu bringen; insbesondere ist festzulegen, was als Nächstes zu tun ist und wie die Organisation gerade so weit gefordert werden kann, dass sie in der Lage ist, die nächste Stufe zu erklimmen.

In Organisationen erläutern, was sie vom KMM erwarten können und was passiert, wenn sie unter Stress geraten; daraus wird der angemessene Reifegrad für die Organisation abgeleitet.

Die eigene berufliche Glaubwürdigkeit steigern – also vermeiden, als übermäßig ehrgeizig oder nicht ehrgeizig genug angesehen zu werden.

Verantwortliche für und Führungskräfte von Verbesserungsinitiativen

Entwickeln einer realistischen Roadmap für die Initiative, die sich an den Zielen der Organisation ausrichtet.

Klare Kommunikation der Ziele der Verbesserungsinitiative, der definierten Roadmap, der konkreten Maßnahmen und des erwarteten Nutzens gegenüber anderen Führungskräften und Mitarbeitern.

Entwickeln einer Organisationskultur und Erschließen von Managementpraktiken, die es ermöglichen, bessere Geschäftsergebnisse zu erreichen, gleichzeitig Widerstände zu vermeiden und sich stetig weiterzuentwickeln.

Den Fortschritt der Verbesserungsinitiative erkennen und messen können.

Veränderungsinitiativen mit Zuversicht leiten.

Agile Fachkräfte und Coaches

Verstehen, wie Kanban-Praktiken dazu beitragen können, Kundenerwartungen zu erfüllen.

Festlegen einer Roadmap, um die Agilität der Organisation weiterzuentwickeln.

Kunden darüber aufklären, dass Kanban viel mehr ist als ein visuelles Board.

Vermitteln der Tiefe und Breite des Kanban-Einsatzes und die Vorteile der Methode kommunizieren.

Erfüllen der bereits oben beschriebenen Bedürfnisse.

Produkt- und Servicemanager

Einführen von angemessenen Praktiken, die Einblick und Erkenntnisse liefern zum tatsächlichen Zustand von Produkten und Services, sodass die Koordination der beteiligten Teams verbessert werden kann.

Verbessern der Vorhersagbarkeit von Services.

Einführen wirksamer Praktiken, die helfen, Kundenerwartungen zu erfüllen.

Gemeinsam genutzte Ressourcen effektiv managen.

Kapazitäten effektiv managen, um auf die sich ändernden Anforderungen an Services reagieren zu können.

Nutzen des Kanban Maturity Model

Es hilft Managern und Teams dabei, das von ihnen gemanagte System zu verstehen und Entscheidungen zu vermeiden, die negative Auswirkungen auf Projekte, Services, Mitarbeiter, Kunden und das Geschäft haben.

Es beschreibt Merkmale einer Organisationskultur, die das Verständnis von realen Situationen unterstützen und dabei helfen, einen geeigneten Ansatz zu deren effektiver Verbesserung zu finden.

Es beschreibt eine Reihe von Praktiken, die in der gesamten Organisation eingesetzt werden können; es vermeidet die Fokussierung auf das Erfüllen eines Frameworks; es gibt keine Prozesse oder Methodik vor.

Mittels angemessener Risikobelastung und vernünftiger wirtschaftlicher Erträge leitet es Organisationen zu Produkten und Services an, die Fit for Purpose sind.

Es ermöglicht die objektive Bewertung des aktuellen Zustands einer Organisation, um zu erkennen, wo Herausforderungen und Möglichkeiten liegen auf dem Weg zu größerem Geschäftserfolg und mehr Agilität in der Organisation.

Es liefert Leitlinien für zu ergreifende Verbesserungsmaßnahmen, die gerade genug Stress erzeugen, um Veränderungen zu bewirken, ohne zu ambitioniert zu sein und damit ein Fehlschlagen der Einführung zu riskieren.

Es hilft beim Benchmarking bezüglich Agilität und des Fit-for-Purpose-Zustandes der Organisation.

Es verbessert die Positionierung im Markt durch die angemessene Entwicklung von Fähigkeiten, um Kundenerwartungen zu erfüllen und zu übertreffen.

Es ermöglicht ein gemeinsames Verständnis von Stakeholdern und Teammitgliedern hinsichtlich des Ziels einer Verbesserungsinitiative und der erforderlichen Vorgehensweise.

Es ergänzt andere Modelle und Methoden wie CMMI und PMBoK

5

um eine systemische Denkweise, die einen psychologischen und soziologischen Blick auf Arbeitnehmer einbezieht.

Aufbau dieses Buches

Dieses Buch besteht aus vier Teilen: Ergebnisse und Nutzen, Kultur, Praktiken, Managed Evolution (Evolution managen) und das Streben nach Agilität auf Organisationsebene. Außerdem hat es einen Anhang, bestehend aus der Definition der Kanban-Methode, einer detaillierten Erläuterung des Konzeptes der Verzögerungskosten (cost of delay) und wie es sich in Serviceklassen abbildet sowie einem Lösungsansatz für das Management von Abhängigkeiten. Dies sind notwendige Techniken, um Reifegrad 4 zu erreichen. Da ihre Beschreibung in der Literatur bisher nicht in leicht verständlicher Form vorliegt, hielten wir es für notwendig, sie hier mit aufzunehmen.

Teil I beschreibt die drei Säulen des Kanban Maturity Model: Kultur, Praktiken und Ergebnisse, gesteuert durch evolutionäre Veränderungen. Anschließend werden die sieben Reifegrade detailliert erläutert, jeweils mit der beobachtbaren Kultur, den Praktiken und den Ergebnissen auf jeder Ebene. Es folgt eine Darstellung des Nutzens, der sich aus der Anwendung des Modells beim Implementieren der Kanban-Methode ergibt. Teil I schließt mit einer Fallstudie, die auf einem mehr als zwei Jahre dauernden Einsatz des Kanban Maturity Model basiert, um die Einführung von Kanban bei der zweitgrößten spanischen Bank BBVA voranzutreiben. Diese weiterhin laufende Implementierung liefert kontinuierlich beeindruckende Resultate. Sie ermöglicht mehr Verbesserungen, als es der BBVA zuvor mit agilen Methoden gelungen ist, einschließlich einer Senkung des Managementoverheads um 28 Prozent.

Teil II befasst sich mit der Organisationskultur, indem die kulturellen Werte auf allen Reifegraden (die niedrigen Stufen 0 bis 2, die mittleren Stufen 3 und 4 und die weiterführenden Stufen 5 und 6) detailliert beschrieben werden. Der Teil endet mit dem Kapitel zu »Culture Hacking«, also einer Beschreibung, wie man Kultur aufbrechen kann mit dem Ziel, das Führen über Werte zu etablieren und neue Werte zu verinnerlichen, indem das Verhalten durch den Einsatz von Entscheidungsfiltern gesteuert wird. Kultur wird definiert durch die Soziologie der Organisation und ihre drei Dimensionen: soziale Innovation, Sozialkapital und sozialer Zusammenhalt. Das Kapitel bietet einen Überblick über die Elemente, die zu jeder sozialen Dimension beitragen, und gibt Ihnen eine Reihe von Werkzeugen, Techniken und Stellschrauben an die Hand, mit denen Sie die Organisationskultur beeinflussen und bewegen können.

Teil III bietet einen Referenzkatalog für die mehr als 150 spezifischen Praktiken, die mit der Kanban-Methode einhergehen und die den sieben Reifegraden und den sechs allgemeinen Kanban-Praktiken zugeordnet sind. Dieser Teil ist also das Nachschlagewerk für spezifische Praktiken. Die Praktiken werden in unterschiedlichem Detaillierungsgrad beschrieben. Wenn eine Praktik gut dokumentiert und in der weiterführenden Kanban-Literatur leicht zugänglich ist, haben wir ihr hier nicht viel Platz eingeräumt. Praktiken, die weniger bekannt oder noch nicht ausreichend dokumentiert sind, haben wir eingehender behandelt, damit Sie über genügend Wissen verfügen, um sie einzusetzen.

Teil IV beschreibt den evolutionären Ansatz für Veränderungen und das KMM Evolutionary Change Model (ECM), das Ihnen die Anleitung und den Managementansatz bietet, um Evolution in Ihrer Organisation voranzutreiben. In diesem Kapitel werden die psychologischen Vorteile evolutionärer Veränderungen gegenüber herkömmlich konzipierten und gesteuerten Veränderungsmaßnahmen aufgezeigt. Es wird ausführlich beschrieben, wie das ECM eingesetzt wird, indem es auf die KMM-Struktur abgebildet wird, einschließlich der Verwendung von Praktiken auf Übergangs- und Konsolidierungsebenen.

Weiter wird in Teil IV untersucht, warum Menschen sich gegen Veränderungen sträuben und was Sie dagegen tun können. Wir haben einen Katalog erstellt, der häufig auftretende Arten des Widerstands auf den verschiedenen Reifegraden aufführt – wir haben ihn »Hürden bei der Einführung« genannt. Damit erhalten Sie eine Übersicht der zu erwartenden Hindernisse und eine Anleitung, was Sie zu deren Überwindung tun können.

Teil IV, und damit der gesamte Haupttext, endet mit einem Kapitel, das beschreibt, warum und wie evolutionäre Veränderung, die mit Kanban und dem KMM realisiert wird, den Hauptbestandteil von Resilienz in Organisationen ausmacht. Dies geht mit der Beobachtung einher, dass der Reifegrad einer Organisation dem Grad ihrer Resilienz entspricht.

Das Buch schließt mit einem umfangreichen Anhang.

Anhang A enthält eine praktische Übersicht der Kanban-Methode, damit Sie dafür keine zusätzliche Lektüre zurate ziehen müssen.

Anhang B enthält eine Zusammenfassung der Zuordnungen zu anderen bekannten Methoden für Verbesserungsvorhaben in Organisationen oder für Risikomanagement. Dieses Material erschien in der ersten Auflage dieses Buches als Teil von Kapitel 3. Für diese zweite Auflage wurde es umfassend aktualisiert und ergänzt.

Die Anhänge C, D, E und F bieten einen vorgezogenen Zugang zu Kapiteln eines zukünftigen Buches zu Enterprise Services Planning. Diese Anhänge liefern einerseits Erkenntnisse und mathematische Beweise, die hinter der Verwendung von Serviceklassen, Abhängigkeitsmanagement-Klassen und Buchungsklassen in einem dynamischen Reservierungssystem stehen. Andererseits bieten sie eine umfassende Erläuterung der Mathematik hinter dem Konzept der Verzögerungskosten und der Beziehung zwischen Verzögerungskosten und Serviceklassen sowie Klassen im Abhängigkeitsmanagement. Wir stellen dieses Material hier zur Verfügung, weil es zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Buches keine anderen leicht zugänglichen Publikationen dazu gibt. Da die Verwendung von Serviceklassen, von Triage und das effektive Managen von Abhängigkeiten notwendige Fähigkeiten sind, um Reifegrad 4 erfolgreich zu erreichen, hielten wir es für unerlässlich, es in diese Auflage aufzunehmen. Die Platzierung im Anhang ist als Hinweis darauf zu verstehen, dass wir diese Arbeit als Teil von Enterprise Services Planning und nicht als Kernstück des Kanban Maturity Model oder der Kanban-Methode sehen.

Danksagungen

Die Schaffung eines pragmatischen Modells, das die integrale Entwicklung von Organisationen hin zu Resilienz, Vertrauen und Neuausrichtung lenkt, wäre ohne das Einsammeln und Analysieren von Fakten aus Erfahrungen in einer Vielzahl von Fallbeispielen kaum möglich.

Wir haben unsere nachweislichen Erfahrungen mit Kanban während der letzten Dekade in die Betaversion des KMM einfließen lassen. Unsere Motivation war es, Unterstützung für das Coaching von Organisationen zu entwickeln, die erfolgreiche evolutionäre Veränderungen anstreben.

Unser Erfahrungshintergrund war zwar authentisch, aber das Modell selbst war noch nicht validiert. Daher führten wir in den Jahren 2018 und 2019 ein Betaprogramm durch, um zu überprüfen, ob das KMM seinen beabsichtigten Verwendungszweck in realen Unternehmenskontexten erfüllt.

Wir danken Susanne Bartel, Steve McGee, Frank Vega, Minton Brooks, Brad Hughes, Ivaylo Gueorguiev, Kaveh Kalantar, Pavel Klimenko, Amit Kaulagekar, Ivan Font und Kirill Klimov für ihre aktive Teilnahme am Betaprogramm. Sie alle sind professionelle Kanban-Coaches und -Berater, die sich freiwillig bereit erklärt haben, das Modell für die Begleitung der Veränderungsinitiativen in den Organisationen zu nutzen, in denen sie tätig sind. Sie leben und arbeiten in verschiedenen Ländern: Deutschland, USA, Bulgarien, Tschechische Republik, Mexico, Ukraine, Indien und Spanien. Ihre Kunden sind große, mittlere und kleine Unternehmen in verschiedenen Branchen: Banken, IT, Pharma-Industrie, Bauwesen, Touristik oder Finanztechnologie. Auch die Vorgehensweisen dieser Unternehmen sind sehr unterschiedlich.

In unseren wöchentlichen Meetings diskutierten wir die Merkmale der Reifegrade basierend auf den Beobachtungen, die wir in den Unternehmen gemacht haben, der Beschreibung der Praktiken sowie den Verbesserungen der kulturellen Werte, der Verhaltensweisen und der Geschäftsergebnisse, die daraus resultierten.

Dieses gesammelte Feedback war ein wertvoller Beitrag zur Ausprägung eines tieferen Verständnisses der Organisationen und ihrer Entwicklung in Bezug auf Kultur, Praktiken und Ergebnisse. Es führte zur Definition der drei Säulen des KMM.

Wir sind Steve McGee sehr dankbar für seinen Besuch bei uns in Bilbao im Juni 2018 und seine Mitwirkung beim Vertiefen des Verständnisses und der Beschreibung der kulturellen Werte sowie beim Aufdecken neuer Werte, die jeden einzelnen Reifegrad der Organisation charakterisieren. David und Steve arbeiten weiterhin gemeinsam an einer Erweiterung des Modells für Leadership und an neuen Trainings für das Management von Organisationsveränderungen und Leadership-Entwicklung.

Minton Brooks und Pavel Klimenko trugen dazu bei, ein Verständnis dafür zu entwickeln, wie das KMM Agendashift, einen bekannten Change-Management-Ansatz, integriert. Wir glauben, dass diese Informationen für Coaches wertvoll sind, die Agendashift einsetzen.

Wir sind dem Finanzbereich der BBVA Spanien dankbar, der beim KMM-Einsatz im Bankensektor Pionierarbeit geleistet hat. Agilität in einer stark regulierten Branche zu entwickeln, die in einem hoch vernetzten und sich schnell verändernden Umfeld arbeitet, ist eine besondere Herausforderung. Beatriz Aguiriano, Head of Strategy, Solution Development and Business Execution, Javier Marco-Gardoqui, Head of Business Execution, und Juan José Gil Bilbao, Corporate Agile Coach und Kanban Coaching Professional, leiteten die Einführung der Kanban-Praktiken und Kanban-Werte in ihrem Geschäftsbereich mit dem Ziel, den Service rund um das Tagesgeschäft zu verbessern. Nagore Bilbao, Discipline Manager of Core Data, führte ihr Team zum Reifegrad 3 (Fit for Purpose) und trägt aktiv dazu bei, die hochgradig zweckorientierte Kultur in der Organisation zu erweitern. Wir haben in diesen zweieinhalb Jahren viel gelernt und die gewonnene Erfahrung dazu genutzt, eine bessere Anleitung zu schreiben für andere ähnliche Organisationen, die Agilität anstreben. Außerdem hat die BBVA ihre eigene Fallstudie veröffentlicht, was einen wertvollen Beitrag für die KMM-Community darstellt.

David Hughes hat eine großartige Fallstudie über seine Erfahrungen mit Kanban bei Vanguard geschrieben und ordnete im Nachhinein deren Entwicklung dem KMM zu. Diese Fallstudie ist ebenfalls auf der KMM-Webseite veröffentlicht, und wir nutzen sie in unseren KMM-Trainings. Wir bedanken uns daher auch bei David.

Wir möchten hier auch die frühe Forschungstätigkeit von Troy Magennis würdigen und seine Entdeckung, dass Durchlaufzeiten mittels Weibull-Verteilung abgebildet werden können. Alexei Zheglovs umfangreiche Analysen von Verteilungen der fetten und dünnen Verteilungsenden, der erforderlichen Anzahl an Datenpunkten für eine sichere Modellierung und Vorhersage sowie der Risikokompromisse bei Exponentialfunktionen bilden die Grundlage für die Anleitung in Anhang C.

Wir zollen außerdem den frühen Arbeiten von Andy Carmichael Anerkennung, der die Kosten der Lieferverzögerung abgebildet hat und entdeckt hat, dass die meisten Modelle eine konkave asymptotische Funktion erzeugen und die voraussichtlichen Verzögerungskosten meistens einer S-Kurve folgen. Ohne Andys ursprünglichen Beitrag hätte David die Analyse nicht weitergetrieben und keine generelle Lösung für die Verzögerungskosten gefunden. Don Reinertsen war der erste, der David 2012 auf den Gedanken einer Haltbarkeitstaxonomie gebracht hat. Eric-Jan Kaak machte – möglicherweise versehentlich – den Vorschlag, die initialen Kennzahlen für die Haltbarkeit mit der Durchlaufzeit ins Verhältnis zu setzen. Die Idee der Triage-Tabelle, angelehnt an Tauchtabellen, stammt von Dragos Dumitriu.

Wir danken Andreas Bartel für seine Visualisierungen der Kanban-Kadenzen. Er zeichnet außerdem verantwortlich für das Ausgraben der ursprünglichen Forschungen zur Sozialpsychologie. Das in den Kapiteln 16 und 18 enthaltene Material wurde maßgeblich durch seinen Beitrag verbessert.

Andreas Bartel, Craeg Strong und Joey Spooner haben eine frühe Version des Manuskripts gegengelesen und Kommentare und Rückmeldungen geliefert, die wir sehr zu schätzen wissen.

Inhaltsübersicht

Teil IErgebnisse und Nutzen

1Die Reifegrade 0 bis 2 verstehen

2Die Reifegrade 3 bis 6 verstehen

3Der Nutzen des Kanban Maturity Model

4Fallstudie: BBVA-Finanzbereich (Spanien)

Teil IIKultur

5Kultur in Organisationen mit niedrigem Reifegrad

6Kultur in Fit-for-Purpose-Organisationen

7Kultur in Organisationen mit hohem Reifegrad

8Culture Hacking

Teil IIIPraktiken

9KMM-Architektur

10Visualisiere

11Limitiere Work in Progress

12Manage den Arbeitsfluss

13Mache Regeln und Vereinbarungen explizit

14Implementiere Feedbackschleifen

15Verbessere kollaborativ, entwickle experimentell weiter

Teil IVGemanagte Evolution und das Streben nach Agilität in der Organisation

16Warum evolutionäre Veränderungen anstreben?

17Das Modell der evolutionären Veränderung

18Warum sträuben sich Menschen gegen Veränderung?

19Hürden bei der Einführung

20Resilienz aufbauen

Anhang

ADie Kanban-Methode

BIntegration mit anderen Modellen und Methoden

CDurchlaufzeit verstehen

DTriage

EVerzögerungskosten

FManagement von Abhängigkeiten

GKMM in aller Kürze

HLiteratur

Index

Inhaltsverzeichnis

Teil IErgebnisse und Nutzen

1Die Reifegrade 0 bis 2 verstehen

1.1Die drei Säulen des KMM: Kultur, Praktiken und Ergebnisse

1.2Reifegrad 0 – Unbewusst

1.2.1Überblick

1.2.2Kultur

1.2.3Praktiken

1.2.4Kanban-Muster

1.2.5Ergebnisse

1.2.6Beispiel

1.3Reifegrad 1 – Teamfokussiert

1.3.1Überblick

1.3.2Kultur

1.3.3Praktiken

1.3.4Kanban-Muster

1.3.5Ergebnisse

1.3.6Beispiel

1.4Reifegrad 2 – Kundenfokussiert

1.4.1Überblick

1.4.2Kultur

1.4.3Praktiken

1.4.4Kanban-Muster

1.4.5Ergebnisse

1.4.6Beispiel

2Die Reifegrade 3 bis 6 verstehen

2.1Reifegrad 3 – Fit for Purpose

2.1.1Überblick

2.1.2Kultur

2.1.3Praktiken

2.1.4Kanban-Muster

2.1.5Ergebnisse

2.1.6Beispiel

2.2Reifegrad 4 – Risikoabgesichert

2.2.1Überblick

2.2.2Kultur

2.2.3Praktiken

2.2.4Kanban-Muster

2.2.5Ergebnisse

2.2.6Beispiel

2.3Reifegrad 5 – Marktführer

2.3.1Überblick

2.3.2Kultur

2.3.3Praktiken

2.3.4Kanban-Muster

2.3.5Ergebnisse

2.3.6Beispiel

2.4Reifegrad 6 – Überlebensfähig

2.4.1Überblick

2.4.2Kultur

2.4.3Praktiken

2.4.4Ergebnisse

2.4.5Beispiel

3Der Nutzen des Kanban Maturity Model

3.1Entwicklung von Agilität und Anpassungsfähigkeit in der Organisation

3.1.1Entlastung von Überbeanspruchung

3.1.2Vorhersagbarkeit und schnellerer, reibungsloserer Arbeitsfluss

3.1.3Servicelieferung

3.1.4Agilität und Resilienz der Organisation

3.1.5Risikomanagement und Steigerung der wirtschaftlichen Leistung

3.1.6Neuerfindung und langfristige Überlebensfähigkeit

3.2Bessere wirtschaftliche Ergebnisse

4Fallstudie: BBVA-Finanzbereich (Spanien)

4.1Von »teamfokussiert« zu »Fit for Purpose« innerhalb eines Jahres

4.2Erste Schritte mit Kanban im Finanzbereich

4.2.1Herausforderungen

4.2.2Erste Einschätzung der Situation auf Grundlage des Kanban Maturity Model

4.3Ziel

4.4Fazit

4.4.1Quantitatives Verständnis von Anforderungen und Leistungsfähigkeit und damit verbundene Verbesserungen

4.4.2Am Arbeitsfluss orientiertes Portfoliomanagement der Projekte

4.4.3Flexibilität im Management von Tages- und Projektgeschäft

4.4.4Managen des Arbeitsflusses über Programmgrenzen hinweg

4.4.5Leadership

4.5Fünfzehn Monate später

Teil IIKultur

5Kultur in Organisationen mit niedrigem Reifegrad

5.1Reifegrad 0 – Unbewusst

5.1.1Erfolg

5.2Reifegrad 1 – Teamfokussiert

5.2.1Zusammenarbeit

5.2.2Initiative ergreifen

5.2.3Transparenz

5.3Reifegrad 2 – Kundenfokussiert

5.3.1Handeln aus Leadership

5.3.2Kundenbewusstsein

5.3.3Evolutionäre Veränderungen

5.3.4Arbeitsfluss

5.3.5Narrativ

5.3.6Respekt

5.3.7Verständnis (intern)

6Kultur in Fit-for-Purpose-Organisationen

6.1Reifegrad 3 – Fit for Purpose

6.1.1Vereinbarungen

6.1.2Balance

6.1.3Kundenservice

6.1.4Fit for Purpose

6.1.5Leadership auf allen Ebenen

6.1.6Kurzfristige Ergebnisse

6.1.7Verständnis (extern)

6.1.8Einheit und Ausrichtung

6.2Reifegrad 4 – Risikoabgesichert

6.2.1Tiefer gehende Balance

6.2.2Unternehmensfokus

6.2.3Wettbewerb

6.2.4Vertrautheit mit dem Kunden

6.2.5Datengetriebene Entscheidungsfindung

6.2.6Fairness

6.2.7Leadership-Entwicklung

6.2.8Einhaltung von Regularien

7Kultur in Organisationen mit hohem Reifegrad

7.1Reifegrad 5 – Marktführer

7.1.1Chancengleichheit

7.1.2Experimentieren

7.1.3Perfektionismus

7.1.4Soziale Mobilität

7.2Reifegrad 6 – Überlebensfähig

7.2.1Kongruenz und Integrität

7.2.2Langfristiges Überleben

7.2.3Toleranz und Diversität

8Culture Hacking

8.1Drei soziale Dimensionen der Kultur

8.1.1Soziale Innovation

8.1.2Sozialkapital

8.1.3Sozialer Zusammenhalt

8.2Entscheidungsfilter

8.3Stammeskultur und das Motivieren zu Veränderungen

8.4Kultur dauerhaft verankern

Teil IIIPraktiken

9KMM-Architektur

9.1Reifegrade einer Organisation

9.2Architektur des Kanban Maturity Model

9.2.1Spezifische Praktiken

9.2.2Übergangs- und Festigungspraktiken

9.2.3Erweiterungen der Architektur

10Visualisiere

10.1Ziele der allgemeinen Praktik

10.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

10.3Spezifische Praktiken im Überblick

10.4Erläuterung der spezifischen Praktiken

11Limitiere Work in Progress

11.1Ziele der allgemeinen Praktik

11.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

11.3Spezifische Praktiken im Überblick

11.4Erläuterung der spezifischen Praktiken

12Manage den Arbeitsfluss

12.1Ziel der allgemeinen Praktik

12.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

12.3Spezifische Praktiken im Überblick

12.4Erläuterung der spezifischen Praktiken

13Mache Regeln und Vereinbarungen explizit

13.1Ziel der allgemeinen Praktik

13.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

13.3Spezifische Praktiken im Überblick

13.4Erläuterung der spezifischen Praktiken

14Implementiere Feedbackschleifen

14.1Ziel der allgemeinen Praktik

14.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

14.2.1Überblick

14.3Spezifische Praktiken im Überblick

14.4Erläuterung der spezifischen Praktiken

15Verbessere kollaborativ, entwickle experimentell weiter

15.1Ziel der allgemeinen Praktik

15.2Nutzen aus der Anwendung der allgemeinen Praktik

15.3Spezifische Praktiken im Überblick

15.4Beschreibung spezifischer Praktiken

Teil IVGemanagte Evolution und das Streben nach Agilität in der Organisation

16Warum evolutionäre Veränderungen anstreben?

16.1Relikte der Evolution

16.2Der J-Kurven-Effekt

17Das Modell der evolutionären Veränderung

17.1Setzen Sie einen Wendepunkt als letztes Mittel ein, nicht als Ausgangspunkt

17.1.1Wendepunkte

17.2Veränderungen in Zeiten des Gleichgewichts gestalten

17.2.1Stressfaktoren, Reflexionsmechanismen und Leadership-Handlungen

17.2.2Stressfaktoren, Reflexionsmechanismen, normative Veränderungen und Übergang

17.2.3KMM nutzt einen Trainingsansatz aus dem Sport

17.3Das Modell der evolutionären Veränderung

17.3.1Die Bereitschaft zur Verbesserung fördern

17.3.2Gefahr des Sesshaftwerdens

17.3.3Weitere Veränderungen auswählen

17.4Die Motivation für stufenweise Veränderung

17.4.1Suchtverhalten

18Warum sträuben sich Menschen gegen Veränderung?

18.1Die menschliche Natur

18.2Widerstände gegen die Einführung von Praktiken

18.3Die Motivation für stufenweise Veränderung

19Hürden bei der Einführung

19.1Allgemein beobachtete Hürden bei der Einführung

19.1.1Eine breitere Einführung zur Überwindung von Trägheit

19.1.2Die Notwendigkeit individueller Reife

19.1.3Werte zur Überwindung von Trägheit

19.1.4Der persönliche Einsatz

19.1.5Das Organisationsdilemma von sozialem Status, Vertrauen und Loyalität

19.1.6Hürden zum Reifegrad 2

19.1.7Allgemeine Hürden zum Reifegrad 2

19.2Hürden zum Reifegrad 3

19.2.1Allgemeine Hürden zum Reifegrad 3

19.3Hürden zum Reifegrad 4

19.3.1Allgemeine Hürden zum Reifegrad 4

19.3.2Einführung von Rollen

20Resilienz aufbauen

20.1Vier Prinzipien der Resilienz

20.2Umgang mit Krisen

20.2.1Wie Kanban und das KMM Ihnen beim Umgang mit Krisen helfen

20.3Das Haus der Resilienz

Anhang

ADie Kanban-Methode

A.1Die drei Agenden von Kanban

A.2Service-Delivery-Prinzipien

A.3Skalierungsprinzipien von Kanban

A.4Veränderungsprinzipien

A.5Allgemeine Kanban-Praktiken

A.6STATIK

BIntegration mit anderen Modellen und Methoden

B.1Integration mit Lean/TPS

B.2Integration mit dem Real World Risk Model

B.3Integration mit Agendashift

B.4Integration mit Mission Command

B.5Integration mit Capability Maturity Model Integration® (CMMI) V2.0

CDurchlaufzeit verstehen

C.1Definition

C.2Die Natur der Durchlaufzeit

C.2.1Eine Kurve interpretieren

C.2.2Multimodale Daten

C.3Mathematische Eigenschaften von Durchlaufzeitkurven

C.3.1Die Weibull-Funktion

C.3.2Gauß’scher Bereich

C.3.3Superexponentialbereich

C.3.4Nahezu exponentiell

C.3.5Subexponentieller Bereich

C.3.6Pareto-Bereich

DTriage

D.1Entscheidungen über jetzt, später – und falls ja, wann – oder überhaupt nicht

D.1.1Die Anwendung von Triage-Tabellen

D.2Die vier Dimensionen von Priorität

EVerzögerungskosten

E.1Voraussetzung

E.2Berechnung der Verzögerungskosten für Lieferungen

E.3Berechnung der wahrscheinlichen Kosten eines verspäteten Beginns (Probable Cost of Delay in Starting – PCoDS)

E.4Verhältnis zur Produktlebenszeit

E.5Konfiguration der Triage-Tabelle

E.6Die Serviceklasse anhand des Starttermins anpassen

FManagement von Abhängigkeiten

F.1Reservierungssysteme

F.2Abhängigkeitsmanagement-Klassen

F.2.1Abhängigkeitsmanagement-Klasse 1 – »Nicht kümmern«

F.2.2Abhängigkeitsmanagement-Klasse 2 – »Zuverlässige Verfügbarkeit«

F.2.3Abhängigkeitsmanagement-Klasse 3 – »Abschwächung des Risikos langer Durchlaufzeiten«

F.2.4Abhängigkeitsmanagement-Klasse 4 – »Fester Termin«

F.2.5Abhängigkeitsmanagement-Klasse 5 – »Garantierte Termineinhaltung«

F.2.6Abhängigkeitsmanagement-Klasse 6 – »Beschleunigt«

F.2.7Allgemeines Abhängigkeitsmanagement mit Kanban

GKMM in aller Kürze

G.1Architektur des Kanban Maturity Model

G.2Die kulturellen Werte des KMM

G.3Ergebnisse und Nutzen des KMM

G.4Das KMM-Modell für evolutionäre Veränderung

G.5Die Praktiken des KMM

G.5.1Visualisiere

G.5.2Limitiere Work in Progress

G.5.3Manage den Arbeitsfluss

G.5.4Mache Regeln und Vereinbarungen explizit

G.5.5Implementiere Feedbackschleifen

G.5.6Verbessere kollaborativ, entwickle experimentell weiter

HLiteratur

Index

Teil IErgebnisse und Nutzen

1Die Reifegrade 0 bis 2 verstehen

Das Kanban Maturity Model (KMM) ist eine Roadmap zur Weiterentwicklung einer Organisation durch gemanagte Evolution. Wir beginnen mit den drei Säulen.

1.1Die drei Säulen des KMM: Kultur, Praktiken und Ergebnisse

Abb. 1–1Die drei Säulen des KMM

Die kreisförmige Anordnung in Abbildung 1–1 zeigt die drei Säulen des Kanban Maturity Model: Kultur, Praktiken und Ergebnisse. Diese werden in Organisationen mit dem Ansatz einer gemanagten Evolution entwickelt. Wir werden später noch pragmatische, handlungsleitende und faktenbasierte Anleitungen für jede Säule ausführlich vorstellen. Zunächst beginnen wir mit der Erläuterung der drei Säulen und der sieben Reifegrade von Organisationen anhand des Kreisels (Abb. 1–2).

Kultur beschreibt sowohl »Wie wir leben« als auch »Wer wir sind« und »Wofür wir stehen«. Kultur definiert das, was Menschen wertschätzen (auch als Prinzipien oder Normen bezeichnet), unabhängig davon, ob dies explizit definiert und aufgeschrieben ist oder nicht. Die akzeptierten kulturellen Normen dienen dazu, Verhaltensweisen oder Handlungen zu rechtfertigen oder ein Wertesystem zu etablieren, nach dem man die Rechtmäßigkeit dieser Verhaltensweisen oder Handlungen bestimmen kann.

Abb. 1–2Erklärung des KMM-Kreisels

Praktiken sind wiederkehrende Aktivitäten, beobachtbare Muster von Interaktionen, Messungen und Metriken, Regeln zur Entscheidungsfindung und Routinen, Gewohnheiten oder Rituale. Praktiken beschreiben, »Wie wir die Dinge hier tun«.

Ergebnisse sind sichtbare Resultate und beschreiben Kunden, Nutzern und Stakeholdern, »Wie unser Geschäft aussieht«. Ergebnisse zeigen, ob unser Unternehmen Fit for Purpose ist oder nicht, und falls ja, in welchem Kontext. Ergebnisse verdeutlichen auch, ob unser Unternehmen dauerhaft funktioniert und robust ist und somit langfristig überleben kann. Ergebnisse veranschaulichen unsere Resilienz, also unsere Fähigkeit, uns von Rückschlägen und unerwarteten Ereignissen zu erholen.

Kultur und Ergebnisse verändern sich durch die Einführung von Praktiken, getrieben durch das Modell evolutionärer Veränderungen. Dieser Ansatz zielt darauf ab, »Pull« zu erzeugen, also eine Anziehungskraft auf die Beteiligten – die Mitarbeiter und Manager der Organisation – auszuüben, sodass Veränderungen verinnerlicht werden und erhalten bleiben. Evolutionäre Veränderung treibt anhaltende und robuste Verbesserungen an.

Auf den folgenden Seiten werden nun die ersten drei Reifegrade einer Organisation mit Bezug zu den drei Säulen beschrieben.

1.2Reifegrad 0 – Unbewusst

Die Merkmale des Reifegrades 0 sind in Abbildung 1–3 dargestellt.

Abb. 1–3Der KMM-Kreisel zum Reifegrad 0

1.2.1Überblick

Bei Reifegrad 0 ist jeder für sich allein verantwortlich für das Erledigen seiner eigenen Arbeit. Häufig ist die Person, die die Arbeit ausführt, auch der Nutzer des Ergebnisses. Dies bedeutet, dass Arbeit aus selbst geschaffenen Aufgaben besteht und nicht aus kundenseitigen Anforderungen. Der Organisation ist die Notwendigkeit, einem Prozess zu folgen, nicht bewusst. Die Mitarbeiter haben ein ambivalentes Verhältnis zum Wert oder Nutzen von Prozessmanagement in der Organisation.

1.2.2Kultur

Es handelt sich um eine lose verbundene Gruppe von Personen. Es gibt kein gemeinsames Arbeiten. Jeder Kunde hat seinen Lieblingsmitarbeiter, den er bei Bedarf anspricht. Wir haben zwei verschiedene Formen des Reifegrades 0 beobachtet: die stoische Form, mit Leibeigenen und Opfern, und die anarchistische, bestehend aus Neokommunisten und Liberalen.

In der ersten Gruppe finden wir Gleichmut und die Bewältigung einer hohen Arbeitslast. Ebenso ein Gefühl der Unvermeidbarkeit sowie Mutlosigkeit. Wir haben diese Form oft in großen Organisationen des öffentlichen Dienstes beobachtet – Beamte, die in Fachbereichen von Organisationen mit inhärent wenig Vertrauen arbeiten. Wir sehen das aber auch in privaten Unternehmen mit einem traditionellen Managementstil des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts. Es gibt keine Notwendigkeit der Zusammenarbeit, weil die Organisation in funktionale Einheiten aufgeteilt ist, in denen Mitarbeiter mit vergleichbaren Fähigkeiten ähnliche Aufgaben erledigen.

In der zweiten Gruppe treffen wir auf Ablehnung gegenüber jeglichen sozialen Organisationen, formalen Prozessen oder Regelungen. Möglicherweise steckt dahinter ein wahrer und ehrlicher Glaube an die Anarchie in ihrer Urform: der Glaube, dass sich Menschen immer selbst organisieren, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, und dass dazu keine Führungsstrukturen und kein Management notwendig sind. Obwohl dies idealistisch ist, haben wir dieses Muster beobachtet, wenn sich eine besonders liberale Gruppe von Einzelnen in einer Organisation zusammenschließt: Niemand möchte eine Machtposition einnehmen oder Autorität über andere ausüben oder als jemand mit Sonderstatus angesehen werden – Kommunismus in seiner reinsten Form. Wir haben diese Form in idealistischen, kleinen Start-up-Unternehmen angetroffen und das auch nur für eine kurze Zeit, was nahelegt, dass dies nicht nachhaltig ist.

1.2.3Praktiken

Wenn Individuen sich auf das Erfüllen ihrer eigenen Aufgaben fokussieren (»getting things done«) – dann ist das ein zeit- und ressourcenorientierter Ansatz, um die Arbeitslast zu managen und Aufgaben zu erledigen. Falls es irgendeine Einführung zu Kanban gegeben hat, sehen wir hier häufig den Einsatz individueller Kanban-Boards. Die Ausgereiftheit dieser Boards hängt von dem jeweiligen Individuum ab. Sie reicht von einfacher Visualisierung der Aufgaben bis hin zu einem ausgereiften System mit WIP-Limits, Next-Spalten (Als Nächstes), in denen zwischen verschiedenen Aufgabentypen unterschieden wird, und Risikokategorien für die Zuordnung der Leistungsfähigkeit für verschiedene Arten von Risiken mit dem Ziel, eine Work-Life-Balance für den Einzelnen zu erzeugen. Es gibt keine koordinierte, systematische Zusammenarbeit, weil es keine definierten Prozesse gibt, die koordinierbar wären. Metriken und Kennzahlen gibt es nicht. Entscheidungen werden eher reaktiv, emotional und kurzentschlossen getroffen und sind mitunter schwer zu erklären.

1.2.4Kanban-Muster

Der Fokus liegt vollständig auf dem Umgang des Individuums mit seinen Aufgaben. Daher sehen wir hier drei wesentliche Typen von Individual-Kanban-Boards, die vorrangig zur Visualisierung von Aufgaben genutzt werden (siehe Abb. 1–4). Deren Gestaltung spiegeln einen wachsenden Grad an persönlicher Reife und der Fähigkeit zur Selbstführung wider. Wir sehen die Absicht, persönliche Verbesserung durch Reflexion zu erreichen. Oftmals entsteht eine Kadenz1, also eine Regelmäßigkeit, wenn die Nutzung von Individual-Kanban-Boards zur Gewohnheit wird.

Abb. 1–4Kanban-Muster in Reifegrad 0

Ein triviales Individual-Kanban-Board macht die sonst unsichtbare Arbeit sichtbar und entlastet den Benutzer davon, die Liste aller noch offenen Aufgaben im Kopf behalten zu müssen. Ein einfaches Individual-Kanban-Board begrenzt parallele Arbeit, indem es WIP-Limits (Work in Progress) einführt. Es erkennt damit sowohl die Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit an als auch den Wunsch, von Überlast befreit zu werden. Außerdem berücksichtigt es die Überzeugung, dass Multitasking dazu führt, dass einzelne Aufgaben länger dauern und der Zeitpunkt ihrer Fertigstellung unvorhersehbar wird. Diese zweite Stufe resultiert aus der Erkenntnis, dass es besser ist, etwas fertigzustellen, als etwas Neues anzufangen. Die Folge ist das Gefühl eines persönlichen Erfolgserlebnisses. Das echte Individual-Kanban-Board entwickelt sich, wenn Individuen erkennen, dass in einem großen Backlog mit noch nicht angefangenen Aufgaben wesentlicher Overhead steckt. Diese dritte, noch reifere Ausgestaltung enthält das Abgeben einer persönlichen Zusage für Aufgaben, die als Nächstes angefangen werden, womit gleichzeitig klar wird, dass die Aufgaben im Backlog noch nicht zugesagt sind, und damit optional bleiben und verworfen werden können. Um diese notwendige Entscheidung, woran als Nächstes gearbeitet werden soll, zu treffen, entsteht hier oft eine Kadenz der persönlichen Reflexion. Es entwickelt sich eine Triage-Fähigkeit für die eigenen Aufgaben, d. h. entscheiden zu können, was mit diesen Aufgaben getan werden soll: sofort erledigen; später erledigen, und dann anhand der Dringlichkeit der Aufgabe entscheiden, wann ungefähr; oder gar nicht.

Aus der Sicht der Reife der Organisation ist diese dritte Stufe noch immer ein Muster des Reifegrades 0; allerdings zeigt es die Denk- und Handlungsweise von reiferen Individuen, die Teil einer reiferen Organisation sein wollen.

1.2.5Ergebnisse

Die Qualität und Konsistenz von fertiggestellten Aufgaben oder erbrachten Services ist vollständig von den Fähigkeiten und Fertigkeiten Einzelner sowie von deren Erfahrung und Urteilsvermögen abhängig. Die Erfahrung, die der Kunde dabei macht, hängt ausschließlich davon ab, welcher Mitarbeiter die Arbeit ausgeführt hat. Die Organisation und deren Leistungsfähigkeit ist somit gegenüber Personalveränderungen extrem fragil.

1.2.6Beispiel

Wir betreiben einen Pizza-Lieferservice und beschäftigen dafür Mitarbeiter, die wissen, wie man Pizza macht. Die Mitarbeiter wetteifern darum, die Bestellungen der Kunden entgegenzunehmen, streiten sich dann um die Ressourcen wie freie Arbeitsplatten, Zutaten und Zugang zum Ofen, um den Auftrag zu erledigen. Das Erlebnis der Kunden hängt vollständig davon ab, welcher Mitarbeiter ihre Pizza zubereitet, und dadurch werden sie eine Vorliebe für bestimmte Mitarbeiter entwickeln, sozusagen ihren Lieblingspizzabäcker. Die Kunden werden mit ihrer Bestellung auf die Verfügbarkeit ihres Lieblingspizzabäckers warten, weil sie kein Vertrauen in das Restaurant an sich haben.

1.3Reifegrad 1 – Teamfokussiert

Abb. 1–5Der KMM-Kreisel zum Reifegrad 1

1.3.1Überblick

Der Reifegrad 1, wie in Abbildung 1–5 dargestellt, kann charakterisiert werden als »niemals etwas auf dieselbe Art erledigen«. Prozesse und Arbeitsabläufe sind schlecht verstanden und erst im Entstehen oder sie sind undefiniert und damit schwer wiederholbar. Die Mitarbeiter in einem Team sind sich des größeren Kontextes nicht bewusst. Sie verstehen, worin die Arbeit besteht, aber vielleicht nicht, wie sie erledigt werden soll, wie das Endprodukt aussehen soll oder was der Kunde bezüglich der Servicelieferung erwartet. Es herrscht wenig Bewusstsein darüber, wer der Kunde ist und warum er die Arbeit angefordert hat. Es gibt einen ständigen Druck, neue Kunden zu finden, weil die früheren Kunden aufgrund des unzuverlässigen Service nicht wiederkommen.

Die Organisation ist sich der Notwendigkeit von Prozessen, Richtlinien und Regelungen über die Teamebene hinaus nach wie vor nicht bewusst. Folglich ist ein Mangel an Abstimmung unter den Teams zu beobachten. Dies beeinträchtigt die Konsistenz von Produktdesign und -implementierung sowie die Servicelieferung. Die Arbeit wird von außen in den Prozess gedrückt. Die Prioritäten werden auf der Grundlage von überkommenen Vorstellungen oder politischer Einflussnahme festgelegt oder die Priorisierung erfolgt ad hoc bzw. rein zufällig. Der Prozess, das System oder die Wertschöpfungskette sind überlastet. Der Einzelne ist oft überfordert und Heldentaten sind zur Routine geworden. Die Leistungsfähigkeit oder die Kapazität des Systems ist nicht bekannt. Daher ist es nicht möglich, ein Gleichgewicht zwischen der Menge an Anforderungen und der Leistungsfähigkeit herzustellen. Es besteht die Erwartung, dass alles, was verlangt wird, auch getan wird. Es gibt weder die Fähigkeit zu Triage noch die Möglichkeit, Anforderungen abzulehnen.

Am Arbeitsplatz entsteht Stress durch Inkonsistenz und schlechte Qualität, und es gibt eine erhebliche Menge an Nacharbeiten. Höchstwahrscheinlich geht ein Teil der Disziplin verloren, wenn die Arbeitnehmer unter Stress stehen und mit außergewöhnlichen Umständen umgehen müssen. Wenn sie gestresst sind, rutscht der Reifegrad der Organisation wahrscheinlich auf Stufe 0 zurück, und dann verlässt sich die Organisation vollständig auf individuelle Heldentaten, um aus einer Krise herauszukommen.

1.3.2Kultur

Gruppen von Individuen betrachten sich nun als Team. Es gibt zwei Arten: Gruppen von Individuen, die zusammensitzen, sich verbunden fühlen und eine gemeinsame Identität teilen, aber separat an ähnlichen Aufgaben arbeiten; und echte Teams, in denen Individuen zusammen an einer Aufgabe arbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen – sie besitzen eine gemeinsame Identität und verfolgen einen gemeinsamen Zweck. Die Kultur ist stammesorientiert und konzentriert sich auf die Identität des Teams und den Status innerhalb des Teams. Im Team herrscht Vertrauen, aber es gibt nur wenig Verständnis für die Welt außerhalb des Teams und nur wenig Zusammenarbeit mit anderen Teams. Es mag ein allgemeines Gefühl von Unvermeidbarkeit und eine Opferhaltung geben. Das Team kann das Gefühl entwickeln, dass es überlastet und ausgenutzt wird, und dass die Arbeit unvermeidbar ist und zu Überforderung führt. Dieses gemeinsame Gefühl der Opferrolle kann den Zusammenhalt des Teams stärken. Viele Teamrituale können sowohl das Selbstbild als Opfer stärken als auch durch ein Sicherheitsgefühl und eine Art therapeutische Wirkung Unterstützung bieten. Der Schwerpunkt liegt auf der Rekrutierung von Helden, und Heldentaten sind sowohl ein erwarteter als auch ein gefeierter Teil der Kultur, der belohnt wird.

1.3.3Praktiken

Es gibt keine konsistenten Prozesse, Vereinbarungen oder Regeln zur Entscheidungsfindung. Teams arbeiten isoliert, ohne ihren Beitrag im Zusammenhang mit einer Kundenanfrage zu erkennen. Es gibt wenig oder keine teamübergreifende Zusammenarbeit und auch keine breitere Zusammenarbeit.

Teams nutzen Kanban-Boards, was Transparenz innerhalb des Teams erzeugt. Die Teams halten tägliche Kanban-Meetings ab und regelmäßige Retrospektiven. Sie nutzen Wohlfühlmetriken, die sich eher auf Individuen konzentrieren als auf die Koordination und Systematisierung im Entstehen begriffener Prozesse, die uneinheitlich gelebt werden. Teams neigen dazu, Daten zu sammeln und zu nutzen, die einfach zu erfassen sind; es wird nur wenig darüber nachgedacht, ob die Metrik nützlich oder handlungsleitend ist. Einige lokale Aktivitätskennzahlen können als allgemeine Gesundheitsindikatoren dienen, auch wenn viele von ihnen nur einen geringen handlungsleitenden Wert haben und im Wesentlichen Wohlfühlmetriken sind – sie sorgen dafür, dass sich das Team oder seine Mitglieder fühlen, als würden sie vorankommen, während sie tatsächlich keinen sinnvollen Beitrag zur Verbesserung des Geschäftserfolges leisten. Die Entscheidungsfindung ist emotional getrieben und von überkommenen Vorstellungen geprägt.

1.3.4Kanban-Muster

Beim Übergang zu Reifegrad 1 arbeiten verschiedene Individuen an einer gemeinsamen Aufgabe, aber jeder hat seine persönlichen Teilaufgaben. Es kann auch spezielle Aufgaben für Mitarbeiter mit besonderen Fähigkeiten geben. Jeder ist dafür verantwortlich, die eigenen Aufgaben zu organisieren und umzusetzen, oder Aufgaben werden durch einen Vorgesetzten verteilt und zugewiesen.

Ein aggregiertes Individual-Kanban-Board (Abb. 1–6) dient der Visualisierung aller Aufgaben und deren Status für eine Abteilung oder einen Bereich, üblicherweise mit einer eigenen Zeile (Swimlane) pro Person. Folglich ist jede Swimlane ein Individual-Kanban-Board, das durch Zusammenführung aggregiert dargestellt wird. Dieses Design hilft oft dem Vorgesetzten, der einzelnen Personen bestimmte Aufgaben zuweist. Das Bewusstsein dafür, woran die anderen Teammitglieder arbeiten und bei welcher Aufgabe sie eventuell Hilfe benötigen, fördert hingegen die Zusammenarbeit. Dies ist der erste Schritt, ein Team zu bilden und das Verständnis zu entwickeln, dass das gemeinsame Arbeiten zu besseren Ergebnissen führt und effizienter ist, als allein zu arbeiten und wenig Ahnung davon zu haben, wie die eigene Arbeit die Arbeit der anderen beeinflusst.

Abb. 1–6Kanban-Muster in Reifegrad 1

Bei der Konsolidierung von Reifegrad 1 erfolgt die Zusammenarbeit gewöhnlich in einem kleinen Team mit einem gemeinsamen Ziel oder gemeinsam getragener Verantwortung. Es kann Gruppen von Mitarbeitern mit verschiedenen Spezialisierungen geben. Jedes Teammitglied ist zwar noch immer dafür verantwortlich, seine eigenen Aufgaben zu erledigen, allerdings wächst beim Team das Verständnis des übergreifenden Entwicklungsprozesses, insbesondere wo er anfängt und aufhört. Dies schafft die Basis für den Reifegrad 2, bei dem Teams beginnen, ihre Arbeit als Service zu sehen, der als Reaktion auf eine Kundenanfrage oder im Rahmen eines größeren Arbeitsablaufs benötigt wird. Daher ist der Reifegrad 1 die Grundlage, damit die Service-Delivery-Prinzipien 1 und 2 von Kanban funktionieren:

Verstehe und fokussiere die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden

Manage die Arbeit und lass die Menschen sich selbst organisieren

Das Team visualisiert seine Arbeit und trifft sich täglich, um den aktuellen Status zu überprüfen. Allerdings ist der Prozess noch nicht konsistent, und unter Stress ist es wahrscheinlich, dass Disziplin und Konsistenz verloren gehen. Die Leistung hängt total von der Verfügbarkeit und den individuellen Bemühungen der Teammitglieder ab und variiert entsprechend der Verteilung der individuellen Leistungsfähigkeiten innerhalb des Teams.

1.3.5Ergebnisse

Den Reifegrad 1 beschreiben wir als »niemals etwas auf dieselbe Art erledigen«, weil es nur wenig Zusammenarbeit zwischen Teams gibt und der Arbeitsfluss zur Servicelieferung bestenfalls im Entstehen ist. Es gibt keine Konsistenz in den von außen sichtbaren Ergebnissen. Arbeit wird nicht als eine Kombination von Services gesehen und Kunden empfinden die Servicelieferung als unzuverlässig. Es hängt viel vom Glück ab, ob ein Produkt oder ein Service Fit for Purpose ist. Kunden, die ausreichend Einblick haben, zeigen eine Vorliebe für bestimmte Personen oder fordern gar deren Einbeziehung in die Erledigung ihrer Arbeitsanforderungen, um das Risiko einer inkonsistenten, schlechten Leistung und daraus resultierender Enttäuschung zu mindern. Kunden haben ihren Lieblings-Superhelden. Wie bei Reifegrad 0 vertrauen die Kunden Einzelpersonen, nicht der Organisation oder ihrer Systeme und Prozesse.

Die beobachtbaren Ergebnisse hängen davon ab, wer gerade in der Schicht, am Projekt oder Produktinkrement arbeitet. Die Erfahrungen der Kunden sind äußerst unterschiedlich. Wenn ein Kunde zufrieden ist, ist es üblicherweise das Ergebnis individueller Heldentaten. Sie merken, dass Sie es mit einer Organisation auf dem Reifegrad 1 zu tun haben, wenn Sie Stellenanzeigen mit dem Titel sehen: »Ninja-Entwickler für ein dynamisches Umfeld gesucht«, was wir übersetzen können mit »Wir brauchen einen Helden für unsere neu entstehenden Abläufe, die extrem unvorhersehbare Ergebnisse produzieren«.

1.3.6Beispiel

Wir betreiben einen Pizza-Lieferservice. Die Art und Weise der Zubereitung, des Backens und der Lieferung von Pizza, die Genauigkeit der Erfüllung von Aufträgen sowie die Qualität und der Geschmack der Pizza hängen in hohem Maße von der Person ab, die die Pizza herstellt. Der Prozess ist im Entstehen begriffen, aber noch uneinheitlich. Oft wird die falsche Pizza produziert, es fehlen Zutaten, oder die Pizza ist bei der Lieferung von schlechter Qualität, oder die Lieferzeit hängt stark von der Person ab, die sie liefert. Die Erfahrung der Kunden lässt sie zu dem Schluss kommen, dass der Lieferant extrem unzuverlässig ist.

1.4Reifegrad 2 – Kundenfokussiert

Abb. 1–7Der KMM-Kreisel zum Reifegrad 2

1.4.1Überblick

Organisationen auf Reifegrad 2, der mit »nie zweimal dasselbe Ergebnis« beschrieben werden kann, zeigen zwar konsistente Prozesse (siehe Abb. 1–7), aber nicht notwendigerweise konsistente Ergebnisse. Prozesse, Arbeitsabläufe, Vereinbarungen sowie Regeln zur Entscheidungsfindung sind nun verstanden, festgelegt und wiederholbar. Neue Mitarbeiter werden darin geschult, »wie Arbeit hier bei uns erledigt wird«. Es gibt Konsistenz dahingehend, wie Aufgaben erledigt werden, unabhängig davon, wer daran arbeitet. Teams verstehen, was die Aufgaben sind, und wissen sowohl wie sie erledigt werden als auch wie das Endprodukt aussehen soll, inklusive der Erwartungen an die Servicelieferung. Allerdings gibt es noch nicht unbedingt ein vollständiges Verständnis darüber, wer der Kunde ist und warum er diese Aufgaben angefordert hat.

Dies gilt am häufigsten für gemeinsam genutzte und interne Services, bei denen die Sicht auf den Endkunden sowie die Motivation oder der Zweck hinter den Anforderungen oder die Risiken, die mit diesen Anforderungen oder ihrer Erbringung verbunden sind, fehlen. Infolgedessen kann ein Mangel an Abstimmung zwischen Teams und voneinander abhängigen Arbeitsabläufen zu beobachten sein. Dies wirkt sich darauf aus, wie der Kunde die Konsistenz der Servicelieferung sieht. Der Arbeitsplatz ist deutlich weniger von Stress geprägt, zum einen aufgrund der Konsistenz des Prozesses, zum anderen aufgrund der Tatsache, dass es definierte Rollen und Verantwortlichkeiten gibt. Die Mitarbeiter wissen, was von ihnen erwartet wird und was sie von ihren Kollegen erwarten können. Schlechte Qualität ist immer noch ein Problem, wenn auch in geringerem Maße als bei Reifegrad 1, und es gibt immer noch einige Nacharbeiten. Ein gewisser Druck, neue Kunden zu finden, bleibt bestehen, weil einige bestehende Kunden als Reaktion auf den unzuverlässigen Service nicht wiederkommen. Außerdem besteht eine gewisse Tendenz, die Disziplin zu verlieren, wenn man unter Stress steht und mit außergewöhnlichen Umständen umgehen muss. Unter Stress neigt die Organisation dazu, auf Reifegrad 1 zurückzufallen.

Bei Reifegrad 2 ist man weniger auf individuelles Heldentum angewiesen als bei vorhergehenden Reifegraden; da die Prozesse jedoch keine konsistenten Ergebnisse hervorbringen, verlässt sich die Organisation auf heroische Manager, um wichtige Kundenanfragen voranzutreiben. Die Kunden lernen, dass sie bestimmten Managern vertrauen können, und sie bestehen möglicherweise darauf, dass diese ihre Projekte managen und eine zügige, effektive Lieferung sicherstellen. Die Kunden haben noch kein Vertrauen in die Organisation oder ihre Systeme.

1.4.2Kultur

Vertrauen und Zusammenarbeit zwischen den Teams entwickeln sich. Die Anerkennung eines gemeinsamen Zwecks fördert die Zusammenarbeit im Dienste des Kunden. Die Transparenz beginnt sich auf den Arbeitsfluss der gesamten Servicelieferung auszuweiten. Auf Teamebene verändert sich der Fokus von der simplen Erledigung von Aufgaben in Richtung eines gleichmäßigen Flusses von Arbeit. Es geht nun nicht mehr nur darum, »Aufgaben zu erledigen«, sondern eher darum, »den Fluss der Arbeit am Laufen zu halten«. Der Reifegrad 2 ist die Welt der heldenhaften Manager, die die Arbeit entlang der Wertschöpfungskette vorantreiben, eine Welt, in der Kunden ihre Lieblingsmanager haben. Wenn Kunden für Projekte nach ihren Lieblingsmanagern fragen, bedeutet das, dass sie den Prozessen noch nicht vertrauen. Der Glaube, dass erfolgreiche Resultate mit dem Wirken bestimmter Manager verbunden sind, ist ein sicherer Indikator für eine Organisation auf dem Reifegrad 2.

1.4.3Praktiken

Die Hauptveränderung auf dem Reifegrad 2 ist der Übergang vom Aufgabenmanagement zum Managen der vom Kunden als wertvoll erachteten Anforderungen und gestellten Anfragen. Die Organisation beginnt ihre Arbeit als einen Service zu verstehen. Praktiken und der Prozess des Arbeitsflusses sind nun konsistent, und es ist möglich, den Arbeitsfluss Schritt für Schritt zu visualisieren. Das Kanban-Board unterstützt nun mehrere Teams, die entlang eines gemeinsamen Arbeitsflusses und mit einem gemeinsamen Ziel miteinander arbeiten, um die vom Kunden angefragten Aufgaben zu erledigen. Dennoch besteht die Tendenz, dass die Arbeit von außen in den Prozess hineingedrückt wird, weil die Prozessregeln weder stark genug sind noch ausreichend verinnerlicht wurden, um dies zu verhindern. Es gibt wenig erkennbare Möglichkeiten, Arbeit zu priorisieren. Priorisierung, wenn es sie gibt, beruht eher auf überkommenen Vorstellungen (also auf der Grundlage historischer Muster oder alter Gewohnheiten: »So haben wir es immer gemacht« oder: »In dieser Reihenfolge« oder: »Es bringt Unglück, es nicht in dieser Reihenfolge zu machen«). Oder sie ist politisch motiviert oder vereinfachend – wie zum Beispiel nach dem FIFO-Verfahren (first in – first out). Der Prozess, das System oder die Wertschöpfungskette sind oft überlastet, weil die Neigung besteht, zu allem (oder zu oft) Ja zu sagen, und weil es nicht möglich ist, ein Gleichgewicht zwischen Anforderungen und Leistungsfähigkeit herzustellen. Metriken erfassen die vom Kunden als wertvoll erachtete Arbeit, die durch den Workflow der Servicelieferung fließt. Metriken sind von »Wohlfühlmetriken« auf Teamebene zu Gesundheitsindikatoren und Verbesserungstreibern für den gesamten Workflow gereift. Das Flow-Review entwickelt sich zum wichtigsten Reflexionsmechanismus für Verbesserungen. Wir sehen, wie die Verbesserungsvorschläge aus diesen Meetings umgesetzt werden, was zu einer Verbesserung des Arbeitsflusses führt.

1.4.4Kanban-Muster

Abb. 1–8Kanban-Muster in Reifegrad 2

Als Hauptmerkmal des Übergangs vom Reifegrad »Teamfokussiert« zu »Kundenfokussiert« enthält das Kanban-Board nun WIP-Limits pro Person (siehe unteres Board in Abb. 1–8). Anstelle einer generischen Spalte In Bearbeitung wird nun auf dem Kanban-Board eine Abfolge der wichtigsten Schritte des Arbeitsflusses visualisiert. Die Arbeitstypen sind identifiziert und (in diesem Beispiel) mit verschiedenen Farben oder auch mit verschiedenen Swimlanes entlang des Boards visualisiert. Das Team beginnt zu verstehen, dass seine Leistung von der Menge der angefangenen Arbeit abhängt, im Sinne von: Je mehr Arbeit angefangen wird, desto länger benötigt diese Arbeit und desto weniger ist ihre Fertigstellung vorhersagbar. Es reift die Erkenntnis, dass unfertige Aufgaben, die in einem Wartezustand verbleiben, nicht hilfreich sind und zu viel höheren Fehlerquoten und vermehrter Nacharbeit führen können. Dennoch liefern Teams, die Delivery-Kanban-Boards mit WIP-Limits pro Person nutzen, Ergebnisse mit besserer Qualität und fühlen sich von Überlastung befreit.

Obwohl der Arbeitsfluss noch immer sehr einfach gehalten ist und der gesamte Prozess in der Übergangsphase noch nicht konsistent ist, zeichnet sich eine zunehmende Kundenfokussierung ab – also ein Verständnis darüber, dass die Arbeit eine Reihe von Schritten durchläuft, um etwas mit Kundennutzen zu vollenden. Es ist bekannt, dass ein reibungsloser Arbeitsfluss ein wünschenswerter Zustand ist, der belastende Schwankungen ausgleicht. Ein unregelmäßiger Eingang von Aufgaben erzeugt zwischenzeitliche Phasen von Überlastung und Schwankungen im Arbeitsfluss erschweren vorhersagbare Lieferungen und haben damit eine direkte Auswirkung auf die Zufriedenheit des Kunden. Die richtige Koordinierung der Arbeit des Teams (hauptsächlich zwischen verschiedenen Spezialisierungen) wird Ungleichmäßigkeiten in der Auslastung verhindern. Das Bewusstsein für und die Wertschätzung von Werten der Kanban-Methode wächst, wobei Werte wie »Kundenfokus« und »Balance« noch nicht vollständig berücksichtigt werden und der kulturelle Fokus nach innen darauf gerichtet bleibt, »wer wir sind« und »was für uns dabei herausspringt«. Verbesserungen werden durch eigennützige Gründe auf Teamebene gerechtfertigt. Es gibt noch keinen nach außen gerichteten Altruismus oder einen Fokus, zum Nutzen der Kunden und anderer Stakeholder beizutragen.

In der Konsolidierungsphase des Reifegrades 2 können Organisationen besser Aktivitäten mit verschiedenen Zielgruppen koordinieren und die Kadenzen der Planung, der Zusage oder der Auswahl von Arbeit von der Kadenz der Durchführung trennen. Dadurch geht weniger Schwung verloren, wenn sich das Team auf die Zusammenstellung und Übergabe fertiggestellter Arbeit konzentriert und dann die Entwicklung wieder aufnimmt. Zusätzlich erfordert die Entwicklung einer Toleranz, Arbeit unfertig stehen zu lassen, während anderes schon ausgeliefert wird, die Stärkung weiterer technischer Fähigkeiten wie beispielsweise ein Konfigurationsmanagement. Daher erzeugt die Entkopplung der Kadenzen für Planung, Zusage, Durchführung und Auslieferung positiven Stress, der dazu führt, spezielle Praktiken wie ein Konfigurationsmanagement zu entwickeln.

Auf dieser Ebene erkennen einige Teams die Notwendigkeit, den Workflow zu steuern. Dies tun sie mittels eines Delivery-Kanban-Boards mit einem festgelegten Zusagepunkt und CONWIP (constant WIP bzw. konstantes WIP, also einer konstanten Anzahl von Arbeitspaketen auf dem Board). Das ergibt ein echtes Pull-System, jedoch ohne einen definierten Workflow (siehe oberes Board in Abb. 1–8). Einfache Prozessregeln zur Priorisierung und für Zusagen haben sich ebenso etabliert wie die Visualisierung des Bearbeitungsstatus. Parameter wie »fertig zu x %« sind eingeführt und dienen der zusätzlichen Information zum Projektstatus und dem Abgleich mit dem Projektplan. Auf Portfolio-Kanban-Boards wird der Status mehrerer Projekte visualisiert, um relevante Entscheidungen treffen zu können.

Allerdings ist die Verantwortlichkeit für das Management des Workflows nicht explizit definiert. Selbst in Organisationen mit etablierten Projektmanagementprozessen gehören zu den Aufgaben des Projektmanagers die Planung, Überwachung und Steuerung der Projektaktivitäten gegenüber einem Plan, aber nicht das Managen des Arbeitsflusses. Es gibt niemanden, der die Rolle des Service Delivery Manager (SDM) übernimmt. In einigen Organisationen haben wir gesehen, wie die Rolle des »Flow-Managers« in Reifegrad 2 entsteht. Diese Rolle tendiert zu einem internen Fokus und steuert dabei lediglich den Arbeitsfluss, um zeitweise von Überlast aufgrund von Schwankungen zu befreien.