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Immer wieder hört man davon, dass sich Katzen ihre Menschen aussuchen. Als unser Erwerbsleben von der Freiheit des Rentneralltags abgelöst wurde, dachte Karli kurz darüber nach, einen Hund anzuschaffen. Jedoch war uns unsere Unabhängigkeit wichtiger. Eine Katze stand nie zur Debatte. Doch dann kam Corona in die Welt und mit ihr trat eine langhaarige, selbstbewusste Katze in unser Leben. Ein Jahr lang beobachteten wir ihr Verhalten, lasen viel über den Umgang mit solch einem Tier und immer mehr wurde klar, dass die Miez entschieden hatte, zu uns zu gehören. Damals brachte sie sogar ihre Jungen zu uns. Tag für Tag gab es Interessantes zu erleben. Ganz langsam eroberte sie nach und nach unser Haus und Karlis Herz. Nun, vier Jahre später ist unsere geliebte Miez nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Jeden Tag aufs Neue zeigt sie, wie wohl sie sich bei uns fühlt, bringt uns oft zum Lachen und zum Staunen über ihre Schlauheit.
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Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Birgit Hermsdorf
Karli & die Corona-Katze
Birgit Hermsdorf wurde 1955 in Halle (Saale) geboren. 40 Jahre lang unterrichtete sie Mathematik, Physik und Astronomie. Mit ihrem Mann und drei Söhnen zog sie in ein Haus auf ein kleines Dorf nahe der Stadt. Die neu gewonnene Freizeit als Rentnerin füllte sie zunächst mit ihre Hobbys Geocaching, Lesen, Sport und Reisen. In den Jahren der Pandemie begann sie Erzählungen und Romane zu schreiben, die zwischen Realität und Fiktion angesiedelt sind. Einige der Bücher sind bei epubli verlegt. Außerdem schreibt sie Kurzgeschichten für Anthologien der freien Autorenvereinigung Leseturm.
Impressum
Texte: © 2024 Copyright by Birgit Hermsdorf
Umschlag:© 2024 Copyright by Karl-Heinz Hermsdorf
Verantwortlich
für den Inhalt:Birgit Hermsdorf
Emily. [email protected]
Druck:epubli – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin
Januar 2021 Wie alles begann
Immer wieder hört man davon, dass sich Katzen ihre Menschen aussuchen.
Als unser Erwerbsleben von der Freiheit des Rentneralltags abgelöst wurde, dachte Karli kurz darüber nach, einen Hund anzuschaffen. Jedoch war uns unsere Unabhängigkeit wichtiger. Eine Katze stand nie zur Debatte.
Doch dann kam Corona in die Welt und mit ihr trat eine langhaarige, selbstbewusste Katze in unser Leben. Ein Jahr lang beobachteten wir ihr Verhalten, lasen viel über den Umgang mit solch einem Tier und immer mehr wurde klar, dass die Miez entschieden hatte, zu uns zu gehören.
Jeden Tag gab es Interessantes zu erleben. Ganz langsam eroberte sie nach und nach unser Haus und Karlis Herz.
Mehr als drei Jahre sind ins Land gegangen. Es ist Zeit für eine zweite Auflage dieser Geschichte.
Viel hat sich verändert in der Welt. Corona ist überstanden, Putin hat einen Krieg vom Zaun gebrochen, der noch immer nicht beendet ist. Europa und die Welt schauen mit Sorge nach Russland. Der neue Präsident der USA ist ein Verbrecher und in anderen Weltgegenden scheinen der kalte Krieg, Dummheit und Herrschsucht den Alltag zu bestimmen.
Die Sommerolympiade in Paris verhieß Hoffnung, dass Menschlichkeit und Solidarität noch nicht völlig verloren zu sein scheinen.
Was geblieben ist, ist unsere Corona-Katze.
Sie ist jetzt reichlich 7 Jahre alt und bestimmt einen großen Teil unseres Alltags.
All die Sorgen, die mich am Anfang bewegten, stellten sich als grundlos heraus.
Unsere Miez ist lieb, macht keinen Unsinn, sagt, was sie will und hört – manchmal – auf das, was wir sagen. Sie mag uns, Karli vergöttert sie, ich verstehe sie. Sie verhält sich manchmal eher wie ein Hund als eine Katze. Nur auf den Schoß mag sie immer noch nicht.
Eine richtige Diva eben.
Nun, vier Jahre später ist unsere Miez nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken. Jeden Tag aufs Neue zeigt sie, wie wohl sie sich bei uns fühlt, bringt uns oft zum Lachen und zum Staunen über ihre Schlauheit.
Birgit Hermsdorf
Karli & die Corona-Katze
Geschichte einer Annäherung
Diesen Satz schrieb ich am 14. Januar 2020 in mein Tagebuch.
Nun ja, ein Tagebuch im eigentlichen Sinne ist das wohl nicht.
Elf Jahre zuvor, als hier bei uns im Winter so richtig viel Schnee lag, fasste ich den Entschluss, auf meinem kleinen Netbook eine Tabelle einzurichten, um täglich einige Wetterdaten zu notieren. Natürlich mussten da auch die Uhrzeiten erfasst werden.
Für unsere Familienchronik hatte ich schon immer ähnliche Notizen im Urlaub gemacht und natürlich vor allem die Ausflüge beschrieben. Wurde jemand ernsthaft krank, wurde auch dann alles Wichtige akribisch notiert.
Als mal wieder die Waage die falschen Zahlen zeigte und die Lösung in der Korrektur der Essgewohnheiten zu liegen schien, schrieb ich alles auf, was gegessen und getrunken wurde, um dann daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Es war an der Zeit, all das einfach zusammen zu führen.
Nach einigen Versuchen war die Tabelle erstellt, die seither im Aufbau immer gleichblieb und seit 2010 Tag für Tag mit Zahlen und Fakten gefüllt wird.
Für Besuche von Katzen gab es keine Spalte.
Haustiere lebten bei uns, als unsere Kinder klein waren. Da tummelten sich Fische, Meerschweinchen, ein Zwergkaninchen, zwei Tanzmäuse, zwei Wellensittiche jeweils eine gewisse Zeit in unserem Haushalt. Tiere, die in ihrer speziellen Behausung lebten und diese auch in der Regel nicht zu verlassen pflegten.
Für Katzen oder Hunde hatten wir keine Zeit und auch nicht den nötigen Platz.
So war es lange Zeit. Ich duldete all diese Tiere in meiner Wohnung und später im Haus, aber sie gehörten den Kindern und der Papa kümmerte sich letztendlich in der Regel um ihr Wohlergehen.
Eines Tages waren die Kinder erwachsen geworden und wohnten in einer anderen Stadt, die Tiere hatten eines nach dem anderen das Zeitliche gesegnet. Die tägliche Arbeit nahm viel Zeit in Anspruch. Feiern, Familienbesuche, Ausflüge und manche Reise füllten die Freizeit mit schönen Erlebnissen.
Manchmal tauchte in abendlichen Gesprächen die Überlegung auf, ob vielleicht irgendwann, wenn wir Rentner wären, ein Hund bei uns einziehen könnte. Zumindest erwog das mein Mann, von Freunden Karli genannt. Ich sah das anders, denn große Tiere, die im Haus mit herumlaufen und plötzlich hinter mir stehen oder vielleicht sogar sabbern, waren mir immer suspekt. Nicht dass ich Angst vor ihnen hätte oder Tiere nicht mögen würde, aber meiner Meinung nach war die Zeit mit den Haustieren einfach vorbei.
Im regionalen Fernsehprogramm schauten wir in den letzten Jahren manchmal eine Sendung, in der Tiere aus Tierheimen an neue Besitzer vermittelt werden. Ja, da waren durchaus schöne Tiere dabei, die als lieb, gut erzogen und gesund vorgestellt wurden.
Der Karli fand immer mehr Gefallen an seiner Idee. Aber wir wollten uns natürlich auch nicht binden. Den Tagesablauf, den nun nicht mehr die Kinder bestimmten, sollte ein Hund dominieren?
Nein. Eigentlich nicht.
Der Alltag als Rentner begann für uns beide nahezu zur gleichen Zeit. Nach den Sommerferien fuhren wir an die Ostsee. Nicht wie vorher meist in ein Ferienhaus, sondern in ein Hotel in einem der Kaiserbäder auf Usedom.
Frühstücksbuffet ohne Kinderlärm - eine angenehme Erfahrung.
Der Herbst kam, wir gingen unseren Hobbys nach, den geplanten Besuch der Volkshochschule schoben wir noch vor uns her. Feste Termine, vom Sport abgesehen, sollten noch nicht die gerade gewonnene Freizeit einengen.
Obwohl wir fast immer gern gearbeitet hatten, fehlte uns nichts. Kein schwarzes Loch, von dem manche Neurentner berichten.
2018 war schneller zu Ende, als man glauben konnte. 2019 brachte einige Veränderungen mit sich. Noch im Winter verkauften wir meinen Pkw. Ein Auto reichte. Ein böses Bakterium hatte Karli fast vier Wochen im Griff. Unsere jüngste Enkelin wurde eingeschult. Kurze Reisen führten uns in den winterlichen Harz, nach London, nach Südtirol, Polen, zur Hanse Sail nach Warnemünde und im Herbst auf die Insel Usedom. Immer gab es etwas zu planen, der Kalender zeigte wenige Tage ohne Termin.
Dann kam Corona.
Zwei Monate vor dem Lock Down erkannte eine Katze, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten sowieso nichts vorhaben würden und eroberte erst unsere Terrasse und dann Karlis Herz.
Das Jahr hatte gerade begonnen. Bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt und dauerbewölktem Himmel nutzten wir jede Gelegenheit, Ausflüge zu unternehmen.
Nun gab es auf dem Dorf immer wieder viele Katzen, Freigänger oder welche, die niemandem gehören. Wenn sich solch ein Tier wagte, die Grundstücksgrenzen zu übertreten, wurde es immer sofort erfolgreich verscheucht, besonders die Kater, die den Rasen im Garten gern mal als Katzenklo missbrauchten. Katzen, die wir von anderen Familien kannten, hatten sich entweder ständig versteckt, wenn man sie sehen wollte, zerkratzten alles oder benahmen sich sowieso wie eine Diva. Klar, das waren keine Tiere für uns.
Und dann stand eines Tages so ein Wesen miauend an der Terrassentür und kratzte stehend mit den Vorderpfoten wie irre daran. Es schien, als begehrte sie Einlass.
Wie hatte es dazu kommen können?
Einige Tages zuvor im Januar kamen wir von einem Spaziergang zurück und da saß so eine ganz andere Katze auf dem Weg zu unserem Haus. Groß, langes, dichtes mehrfarbiges Fell. Sie schaute mich mit großen Augen direkt an und sagt: „Miau.“ Ich ging langsam auf sie zu, um sie zu verscheuchen. Mit jedem meiner Schritte wich sie um genau einen Schritt zurück. Gar nicht unberechenbar. Und dann machte ich einen ersten Fehler und sagte ebenfalls: „Miau.“
Das verstand die Katze falsch. Sie verstand: „Ich mag dich, du darfst jetzt immerzu zu mir kommen. Und damit du mich auch bemerkst, werde ich jetzt immer morgens früh, wenn du in die Küche kommst und dringend und zuallererst einen Kaffee brauchst, wie irre an der Scheibe kratzen und erst dann damit aufhören, wenn du mich einlässt und mir meinen Futternapf hinstellst. Danach erlaube ich, dass du dir deinen doofen Kaffee machst und frühstückst.“
Ein paar Tage später hatte ich verstanden, dass das genau so gemeint war.
Karli und ich hatten beide unsere Morgenrituale. Mein Tag begann auch ohne den Grund, zur Arbeit zu müssen, immer noch gegen 6 Uhr früh mit einem schönen Frühstück, bei dem ich in aller Ruhe mein erstes Käffchen genoss und die Tageszeitung las. Gegen halb acht tauchte meine bessere Hälfte schön ausgeschlafen auf und so zog sich das gemeinsame Frühstück eine ganze Weile hin.
Am 13. Januar war das anders. Ich kam die Treppe hinunter, machte Licht und dachte an meinen Kaffee. Ein Geräusch drängte sich in den Vordergrund. Die Katze stand hoch aufgerichtet an der gläsernen Terrassentür, die im Erker vom Esstisch in den Garten führt und kratzte ununterbrochen, laut miauend am Glas. Ich staunte, wie groß das Tier war. Verscheuchen wollte ich es eigentlich nicht. Es sah richtig schön und irgendwie auch klug aus. Aber das Ganze nervte mich. Ich brauchte Kaffee und meine Ruhe! Was tun?
Ich, die ich noch nie eine Katze angefasst hatte, sah nur eine Möglichkeit. Und so nahm ich einen Teller, legte ihr ein Stückchen Wurst darauf und stellte ihn draußen vor die Tür. Sie fraß es in Windeseile auf und ging dann ihrer Wege.
Der Karli bekam davon nichts mit, er schlummerte noch. Meinen Bericht hörte er mit Unglauben. „Du kümmerst dich um eine Katze? Glaube ich nicht.“ Im Laufe des Tages schaute die Katze noch ein paarmal vorbei. Nun hatte er die Gelegenheit, sie zu streicheln, was sie sich mit sichtlichem Behagen gefallen ließ.
Es stellte sich uns die Frage, ob sie ein Streuner oder doch ein Freigänger wäre. Das Fell schien einigermaßen gepflegt, aber darunter war sie recht schlank.
Am nächsten Morgen das gleiche Ritual. Es war sehr kalt draußen und es zog durch die geöffnete Terrassentür. Ein Stück Wiener war schnell hinuntergeschlungen und ein langes ausführliches Putzen begann.
Einen weiteren Tag später – ich kam im Dunkeln die Treppe hinunter und hörte ein jämmerliches Miauen und das Kratzen schon oben – war ich davon total genervt. Ich betrachte mich zwar als absoluten Frühaufsteher, aber ich muss als allererstes frühstücken. Danach kann man mit mir reden. Deshalb mag ich auch keine Hotels, in denen das Frühstück erst um acht Uhr beginnt. Und nun dieses Katzenvieh!
Das Problem bestand darin, dass ich den Zirkus nicht ignorieren konnte. Um meine Ruhe zu haben, stellte ich ihr den Teller mit der Wurst an diesem Morgen innen auf den Abtreter und kochte danach meinen Kaffee. Nicht mal mein lieber Mann oder Enkelinnen auf Besuch schafften es bisher, mein morgendliches Ritual zu durchbrechen!
Als ich mit meinem Frühstück fertig war, schlief das Tier in MEINEM Zimmer auf MEINEM Abtreter! Und jetzt geschah etwas sehr Eigenartiges – ich fragte mich, wie sich wohl so ein Fell anfasst? Niemals vorher wäre mir auch nur diese Frage in den Sinn gekommen. Ganz langsam und vorsichtig näherte ich einen Finger dem schlafenden Ungeheuer und stupste das Fell an. Ups, die Katze blinzelte. Sonst passierte nichts. Na sowas.
Inzwischen war der Karli hinzugekommen und schaute uns fassungslos an. Niemals hätte er sich diese Situation vorstellen können. Ich auch nicht.
Die Katze hatte gewonnen.
Tag für Tag und Schritt für Schritt machte sie sich uns immer mehr untertan.
Sie hatte wunderschönes langes Fell. Eine Internetrecherche ergab, dass norwegische Waldkatzen so aussehen. Und die brauchen Fellpflege. Also nahm ich eine alte Haarbürste und versuche, sie zu bürsten und Knoten zu entfernen. Sie genoss es offensichtlich, legte sich erst auf die eine Seite, dann auf die andere.
Beim nächsten Einkauf suchte ich nach Katzenfutter im Regal. Ein riesiges Angebot machte die Entscheidung nicht leicht, das passende auszuwählen. Meine Schwester, die schon seit Jahren eine Katzenmama war, beriet mich. Dass „Menschenwurst“ nicht gut für das Tier ist, war ja sowieso klar.
Ein paar Tagen später fragten wir uns, ob sie irgendwo ausgerissen war, weil sie so extrem zutraulich war und nun vermisst würde oder doch eine Streunerin. Da die Katze inzwischen jeden Morgen kam, um Futter bettelte, auf dem Abtreter neben der Glastür schlief und tagsüber auch nur rausging, wenn der Karli sie raustrug oder ich geheime Tricks anwendete, mussten wir handeln. Sie trug kein Halsband und ob sie gechipt war, wussten wir nicht. Deshalb riefen wir in einer Tierpension in der Nähe an, ob die das für uns rausfinden könnten und erfuhren, dass sie das nicht dürfen, aber das Ordnungsamt könnte sie mitnehmen und in ein Heim bringen und Weiteres veranlassen. Das wollten wir so nicht, konnte es doch sein, sie wohnte sogar in unserer Nähe. Die Idee, sie vom nächsten Tierarzt untersuchen zu lassen, verwarfen wir aus dem gleichen Grund. Da wir uns inzwischen belesen hatten, wussten wir, wie zu verfahren war. Nach den vier Tagen, an denen die Miez, wie wir sie nun nannten, den Eindruck erweckte, sie wolle hier wohnen, druckte Karli eines der inzwischen zuhauf geschossenen Katzenfotos aus mit unserer Telefonnummer und hängte es an drei Stellen im Dorf aus. Zwei weitere Tage lang passiert nichts. Ob die Miez doch nicht vermisst wurde? Dann hatte ich einen Frisörtermin. Wir kamen aufs Thema Katze. Die Frisörin, selbst Hundehalterin, erkannte das Problem und bot an, unseren Fund auf ihrer Facebook-Seite zu posten.
Sehr bald meldete sich die Katzenbesitzerin bei uns, die nur unweit unseres Hauses wohnte. Da die Miez eine Freigängerin war, wurde sie noch nicht vermisst, zumal sie mitunter bis zu drei Tagen nicht auftauchte und auch bei einer Verwandten in der Nähe zu fressen bekam.
Kurz darauf erschienen eine junge Frau und deren Tochter, um ihre Katze abzuholen. Wir erfuhren etwas über die Abstammung des Tieres. Sie wäre im Nachbarort aus einer schlechten Haltung genommen worden und tatsächlich ein halbe Waldkatze. Auch sei sie weder sterilisiert noch gechipt. Die Operation wäre aber künftig geplant. Wie erfuhren noch, welche Menschen und Tiere noch zur Familie gehörten, bei der sie wohnte, vergaßen allerdings, nach ihrem Alter zu fragen.
Zwanzig Minuten, nachdem die beiden mit der Katze auf dem Arm unser Haus verlassen hatten, stand sie an der Terrassentür und wollte wieder rein.
Wir schauten uns verwirrt an. Wie sollten wir das verstehen und uns richtig verhalten?
Unsere Sorge war in den ersten Tagen, dass sie, da sie eine Familie hat und wenn wir sie ebenfalls fütterten, zu dick werden könnte. Die Besitzer nahmen uns jedoch diese Sorge, denn sie würde auch Mäuse fressen und sich viel draußen bewegen. Dass wir mit der Fütterung das Tier an uns binden würden ahnten wir nicht.
Im Laufe der nächsten Wochen übernahm die Miez uns immer mehr.
Sie kam immer noch vorm Aufstehen, blieb, solange es so kalt war, den ganzen Tag hier, bis wir sie gegen 23 Uhr raustrugen.
Davon, dass sie sich draußen viel bewegen würde, merkten wir nichts.
Mitunter ging sie von selbst für 30 Minuten oder aber einige Stunden raus. Wenn sie rein wollte, miaute und kratzte sie. Schwieriger zu erkennen war für uns anfangs, wenn sie ins Freie wollte. Da sie immer noch eine Gastkatze war, besaßen wir kein Katzenklo und hatten anfangs null Ahnung, wie oft so eine Katze raus musste und wie man das bemerken solle. Bald aber klappte unsere Kommunikation ganz gut. Wenn sie ins Zimmer kam, lief sie immer von der Terrassentür ein paar Schritte geradeaus, am Tisch vorbei und setzte sich auf den Boden.
Wollte sie hinaus, stand sie still vor der Tür und erwartete offenbar, dass schon jemand ihr Vorhaben erkennen würde. Bemerkten wir, dass sie zur Tür ging, war zu sehen, dass sie immer andersherum um den Tisch ging, als beim Hereinkommen. Damit war das Problem gelöst, wir wussten schon beim losgehen, was ihr Ziel war.
Ende Januar war die Miez immer öfter bei uns. „Warum bleibt sie nicht bei ihrer Familie?“ fragten wir uns immer wieder.
Der Februar begann. Ein richtiger Winter stellte sich zwar nicht ein, aber unser Thermometer zeigte über einen Monat Tagestemperaturen zwischen 0°C und 8°C an. Das dichte, lange Winterfell des dreifarbigen Stubentigers schützt gut vor der Kälte. Aber es gefiel dem Tier bei uns im Warmen, zumal auf der Fußbodenheizung, deutlich besser. Allerdings musste sie abends doch raus. Aber wo hielt sie sich auf?
Inzwischen streichelte und kraulte ich sie auch. Das hätte ich mir nie träumen lassen, dass ich jemals ein Tier berühre und das mag.
Und sie erst. Die Miez oder Miezekatze, wie wir sie nannten, war sowas von zutraulich und verschmust, nicht zu glauben. Und das wiederum liebte der Karli ganz besonders. Zunächst streichelte und kraulte er sie dort, wo sie im Zimmer auf dem Fußboden lag. Hochnehmen ließ sich das stolze Tier ungern, und wenn überhaupt, drängte sie nach wenigen Sekunden wieder nach unten. So vergingen die Tage. Wir frühstückten gemeinsam, wenn wir das Haus verließen, musste Miez auch raus, aber manchmal stand sie, sobald wir zurück waren, schon wieder an der Tür.
Es wurde März. Und mit dem Frühlingsmonat wurde die Welt eine andere. Corona - erst nur ein unbekanntes Wort - ein besonderer Husten - eine neue Lungenkrankheit - und plötzlich eine weltumspannende Pandemie, dominierte zunehmend die Nachrichten und ab Mitte des Monats das Leben von Millionen Menschen - in unserer Umgebung, in Deutschland und bald sogar in der ganzen Welt.
„Wir bleiben zuhause!“ hieß die Devise. Für uns Rentner veränderte sich der Alltag nicht so extrem wie für Berufstätige, insbesondere für Familien mit Kindern. Eine Konstante war die Miez. Freunde und Bekannte meinten, sie wäre jetzt zu uns umgezogen, Katzen würden sich ihre Menschen selbst aussuchen. So schön ihr täglicher Besuch auch war, aber ein schlechtes Gewissen gegenüber ihren Besitzern war immer vorhanden. Aber was sollten wir machen, nicht ins Zimmer lassen ging nicht. Sie begehrte immer wieder sehr beharrlich Einlass und das Kratzen und Jammern an der Tür zu ignorieren war einfach unmöglich. Karli klingelte einmal bei den Leuten, um zu berichten, dass ihre Katze dauernd zu uns käme. Es wäre in Ordnung so, wurde ihm gesagt. Wir nahmen an, dass diese Katze und die anderen Tiere der Familie tagsüber, während alle auf Arbeit oder in der Schule waren, sich im Hof oder vielleicht in einem Schuppen aufhielten. Also ließen wir sie ein, aber nach wie vor immer nur über die Terrassentür in das eine Zimmer. Außer auf dem Abtreter saß oder schlief sie nun mal auf den warmen Fliesen oder dem Teppich unter Karlis Schaukelstuhl. Früher gab es in unserem Haus keine geschlossenen Türen. Jetzt war das anders, denn wir wollten die Miez keinesfalls irgendwo anders im Haus haben.
Sie war eine ganz besondere Katze. Niemals kratze sie an den Möbeln oder machte irgendwelchen Unsinn, obwohl sie, wie wir inzwischen wussten, erst drei Jahre alt war. Ihren Spieltrieb lebte sie sicher bei ihrer eigentlichen Familie aus. Einmal versuchten wir, ob sie Ball spielen würde. Erst beäugte sie den roten tennisballgroßen Plastikball, schlug ihn einige Male durch die Gegend, um ihn im nächsten Moment wieder einzufangen. Aber nach 10 Minuten war ihr Interesse erschöpft und sie würdigte das Spielzeug keines Blickes mehr.
Nach und nach hatte jeder von uns seine speziellen Aufgaben bekommen. Als Dosenöffner wurde ich eingestellt, sicher weil ich einfach mal als erste am Morgen verfügbar war. Manchmal kam die Miez zum Frisörtermin zu mir. Dann legte sie sich lang ausgestreckt auf den Boden und ließ sich abwechselnd auf beiden Seiten und sogar am Bauch und an den Beinen mit einer speziellen Bürste, die wir inzwischen gekauft hatten, kämmen. Im Laufe der Zeit wechselte sie den Frisör und ließ das lieber den Karli machen. Er war immer richtig glücklich, wenn er mit großer Geduld das Tier pflegte und lange Gespräche mit ihm führte.
Auch zum Schmusen und Kuscheln verlangte sie nach ihm. So passierte es immer öfter, dass sie Richtung Couch lief, dort stehenblieb und miaute. Wenn Karli ihr folgte, sprang sie mit einem kurzen „mau“ hoch – ja, das durfte sie, da lag inzwischen eine alte Babydecke – und wartete, dass er sich neben sie setzte. Dann drängte sie sich an seinen Körper, ließ sich die Füße festhalten, schnurrte und schlief ein. Beide genossen das sehr. In einer Zeit, da man das Haus nur in dringenden Fällen verlassen durfte und Reisen und auch Ausflüge nicht mehr möglich und zeitweise nicht einmal erlaubt waren, tat das sehr gut.
Wir und die Katze verstanden uns nun immer besser. Wir konnten ihre Geräusche und Gesten deuten.
Eines Nachts Ende März hörten wir draußen Geräusche, die so nur Katzen beim Liebesspiel hervorbringen. Und nun befürchteten wir, dass es vielleicht ein Problem geben könnte. Das Tier, welches ja nicht sterilisiert war, hatte schon einmal Junge gehabt und schien uns rollig zu sein. Was, wenn sie trächtig werden würde? Ihre Besitzer hatten ihr letztes Jahr im Haus eine Wurfkiste vorbereitet, die sie aber verschmähte und die Jungen in der Garage in einer Ecke zur Welt gebracht hatte. Die Kitten waren dann im Alter von 12 Wochen an Bekannte verschenkt worden, so sagte man uns.
Und wenn das wieder passieren sollte? Wir wussten nicht, ob die Katze noch in ihr Heim ging. So lange, wie sie täglich bei uns war? Nachts vielleicht? Noch waren das nur Überlegungen, aber in unserem Haus könnte sie keine Jungen aufziehen! Die Bedingungen waren einfach nicht gegeben. Und verändern wollten wir daran natürlich nichts, denn die Miez war immerhin nur eine Gastkatze. Wir hatten immer wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie fast immer hier war, aber die Leute akzeptierten es, wie es ist. Haben sie neulich wieder gesagt, als wir uns auf der Straße trafen.
Nach ein paar Tagen machte uns die Miezekatze ein Geschenk. Sie legte uns eine Maus vor die Tür. Wir lobten sie dafür. Am nächsten Tag kam sie mit der nächsten Maus im Maul an und legte sie auf der Terrasse ab, als wir in der warmen Mittagssonne saßen. Aber die Beute lebte noch. Eine Weile spielten die beiden Tiere Katze-und-Maus. Als die Maus nicht mehr mitmachen wollte, wurde sie zum Abendbrot für die Katze. Zumindest zum Großteil. Offenbar waren Schwanz, Hinterbeine und Becken nicht sooo lecker. Am Tag danach lag wieder ein Maushinterteil an selber Stelle.
Das Osterfest kam näher. Eigentlich hatten wir ein großes Familientreffen in einer Ferienanlage geplant. Mit allen Kindern, Enkeln, Geschwistern und Großeltern Ostereier verstecken und suchen, gemeinsam grillen und kochen, schwatzen und wandern – das war der Plan. Corona vereitelte das. Und so blieben wir allein. Die Wetterprognose für den Ostersonnabend am 11. April versprach mildes sonniges Wetter. Der Tag begann wolkenlos mit 7 °C und die Sonne schien ins Zimmer. Wie schon seit einigen Tagen frühstückten wir zu dritt, denn Karli stand jetzt eher auf, um schon früh dem lieben Kätzchen einige Streicheleinheiten zukommen zu lassen. Das schien das Tier zu wissen, denn sie war etwas geduldiger als zu Beginn ihrer Besuche bei uns. Danach verschwand der eine zum Basteln in der Werkstatt und die andere ins Freie. Für mich blieb die Küche, um etwas für unser für Mittag geplantes Grillen vorzubereiten.
Irgendjemand sagte einmal zu uns: „Das letzte Kind hat ein Fell.“ Ich fand es schon merkwürdig, die eigenen geliebten Kinder mit Tieren auf eine Stufe zu stellen. Wenn ich allerdings beobachtete, mit welcher Hingabe Karli die Katze umsorgte und lange mit ihr flüsterte und sie ihn dabei aufmerksam anschaute, konnte man schon erkennen, dass sich beide dabei sehr wohl fühlten und offenbar auch verstanden.
Immer wieder fragten wir uns natürlich auch, aus welchem Grund die Miez sich hier so wohl fühlte. Viel Zeit – außer nachts – konnte sie nicht in ihrer eigentlichen Familie sein. Nun lag uns nichts ferner, als dieser Familie mit Kindern, Hund und Katzen ihr Haustier abspenstig zu machen. Wir versuchten, die Bedingungen in beiden Haushalten zu vergleichen, um daraus logische Schlüsse zu ziehen.
Bei uns als Rentner war es im Haus ruhig. Wenn die Miez da war, stand sie definitiv im Mittelpunkt und wurde verwöhnt. Ob das alles Gründe für eine Katze sind, sich so oder so zu entscheiden? Wir wussten es nicht.
Anfang Mai, die Miez war immer anhänglicher geworden, fühlte sich Karli mal zwei Tage nicht wohl. Kopfweh und Müdigkeit setzten ihm zu. Zufällig anstehende Laborwerte eines Facharztes waren aber in Ordnung.
Und dann staunten wir über die Miez. Sie lag stundenlang neben ihm, der einfach mal auf der Couch saß und nichts weiter zu tun hatte. Sie kuschelte sich an, legte ihre Pfoten mal auf seinen Arm, schaute ihn immer wieder an, um dann an ihn angelehnt weiter zu schlafen. Karli war total gerührt und beeindruckt. Am Abend ging es ihm wieder gut.
In den letzten zwei Wochen war uns aufgefallen, dass das Tier immer dicker geworden war. Ob sie doch zu viel in ihren zwei Haushalten gefressen hatte? Oder möglicherweise trächtig war? Wir belasen uns und tatsächlich deutete alles darauf hin, dass sie einen richtig dicken Babybauch bekam. Und sicher mehrere Junge.
Der 6. Mai 2020 begann und endete anders als die Tage der vergangenen Wochen.
Auf allen Kanälen wurde verkündet, dass der Lock Down gelockert werden würde, Schulklassen wieder schrittweise zum Präsenzunterricht in die Schulen kommen, Zoos, Museen, Gastronomien und Hotels unter Auflagen wieder öffnen durften. Andere Maßnahmen blieben weiter bestehen. Großveranstaltungen blieben noch lange untersagt und viele Länder hielten an Kontaktbeschränkungen fest. Abstandsregelungen und Maskenpflicht waren noch monatelang allgegenwärtig. Für uns jedoch begann wieder ein Stück Normalität damit, dass unser Fitnessstudio, in dem wir zweimal wöchentlich trainierten, dank einer Außenterrasse für maximal 5 Personen öffnen durfte. Damit würden wir das Haus öfter als in den letzten Wochen verlassen.
Jetzt war es offensichtlich, dass die Katze immer dicker wurde und demnächst Junge haben würde. Deshalb kamen eines Abends ihre Besitzerinnen zu uns und baten darum, dass wir sie jetzt nicht mehr füttern sollten, damit sie wieder mehr in ihrem eigentlichen Zuhause wäre und dort auch ihre Katzenbabys in der vorbereiteten Wurfbox bekommen sollte. Klar, das war richtig so, denn so gern wir die Miez hier hatten, aber ihre Jungen sollte sie in ihrer Erstwohnung bei ihrer richtigen Familie bekommen.