Kausalität - Das Erste Prinzip - Elisabeth Dägling - E-Book

Kausalität - Das Erste Prinzip E-Book

Elisabeth Dägling

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Beschreibung

Fachbuch aus dem Jahr 2021 im Fachbereich Philosophie - Theoretische (Erkenntnis, Wissenschaft, Logik, Sprache), , Sprache: Deutsch, Abstract: Auf die Frage, was Kausalität sei, lautet die allgemein akzeptierte Antwort, sie sei das Beziehungsverhältnis von Ursache und Wirkung, die Abfolge zweier aufeinander bezogener Ereignisse. Doch die offene Frage nach der Art der Verknüpfung von Ursache und Wirkung, die von Hume in seiner Untersuchung über den menschlichen Verstand aufgeworfen wurde, konnte von der Philosophie bis heute nicht beantwortet werden. Doch nicht nur aus diesem Grund ist die Kausalität in ihrem Wesenskern nach wie vor unverstanden geblieben. Mit dem vorliegenden Buch wird ein Perspektivenwechsel vorgeschlagen, der diese Fragen neu stellt und beantwortet. Danach ist Kausalität weit mehr als die bloße Beziehung von Ursache und Wirkung, vielmehr muß sie als das Erste Prinzip alles Existierenden verstanden werden, als ein in zwei Varianten vorliegendes Gesetz, wobei die eine Variante die Verhältnisse im Wirklichen und die andere Variante, die im quantenphysikalischen Bereich beschreibt. Die Aussagen der Varianten werden ausgeführt von einem Regelwerk, dessen Regeln u.a. auch den Ursache-Wirkungs-Beziehungen Rechnung tragen. Das Buch gliedert sich in mehrere Abschnitte. Der erste Teil enthält einen Rückblick auf die verschiedenen Perspektiven und Theorien, unter denen die Kausalität bisher betrachtet wurde. Es folgt ein Kapitel zu einem neuen, in zwei Arten vorliegenden Grundverständnis, welche die "Brille" sind, aus der die Welt von uns Menschen betrachtet wird. Der nächste Abschnitt umfasst die Kapitel vier bis sechs, mit denen die neuartige Sicht auf die Kausalität als ein in zwei Varianten vorliegendes universelles Gesetz eingeführt wird. Dem Regelwerk der Kausalität ist der darauffolgende Abschnitt gewidmet. Es unterteilt sich in drei Klassen, die fundamentale Klasse, die nur die Grundregel enthält, die allgemeine Klasse der Abläufe und die elementare Klasse der Prozesse. Jede dieser Klassen wird in beiden Varianten beschrieben und anhand von Beispielen erläutert. Den Abschluß des Buches bildet ein Kapitel zu zwei Systemgesetzen, die bisher als Gesetzmäßigkeiten gesehen werden, nun aber eine neue Deutung erfahren.

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Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort

1... Einleitung

2... Zur Historie der Kausalität

2.1          Antike, Mittelalter und Renaissance

2.2          Die Aufklärung: Hume und Kant

2.3          Theorien der Neuzeit

2.4          Kausalität in Physik und Wissenschaftstheorie

3... Zum prädikativen vs. funktionalen Grundverständnis

4... Zur neuen Interpretation der Kausalität als Systemgesetz: Grundlagen, Bedingungen, Begründung

5... Das erste Prinzip: Kausalität als grundlegendes Gesetz des Kosmos

6... Die Varianten: Das Gesetz des Wirklichen und das Gesetz des Möglichen

7... Das Regelwerk

7.1          Einführung

7.2          Regelform, Variable, Symbole und Modalitäten

7.2.1 Symbole

7.2.2 Modalitäten: Eigenschaften, Klassen, Variationen

8... Die Klassen des Regelwerks

8.1          Die fundamentale Klasse K0: Die Grundregel

8.1.1 Die Konsequenzen: Raum und Zeit

8.1.2 Die Konsequenzen: Information

8.1.3 Die Konsequenzen: Willensfreiheit

8.2          Die allgemeine Klasse der Abläufe: K1

8.2.1 Regeln der K1 in der W-Variante: +K1

8.2.2 Die Regeln der K1 in der M-Variante --K1

8.3          Die elementare Klasse der Prozesse: K2

8.3.1 Die Regeln der 1K2: Objekte aus Konstruktionsprozessen

8.3.1.1 Die Regeln der 1K2 in der W-Variante -+1K2

8.3.2 Die Regeln der 2aK2 und2bK2 : Objekte aus Produktionsprozessen.

8.3.3 Die Regeln der 3K2: Objekte aus Differenzierungsprozessen

9... Systemgesetze: Positive und negative Rückkopplung

Nachwort

Danksagung

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen 

 

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 4

Vorwort

 

Es mag irritieren, wenn ein Buch zu einem philosophischen Thema mit der Beschrei-bung einer kognitionspsychologischen Entdeckung eingeleitet wird - einem Tatbestand, dem jeglicher Bezug zur Philosophie im Allgemeinen und zur Kausalität im Besonderen zu fehlen scheint. Nur verhält es sich bisweilen mit manchen Problemen wie mit dem verlorenen Schlüssel, der ausschließlich im Lichtkreis der Straßenlaterne gesucht wird, dort aber nicht gefunden werden kann, weil er sich nicht dort, sondern an einer unerleuchteten und deshalb auch gedanklich ausgeblendeten Stelle befindet.

 

Das Phänomen, das soeben mit einem Schlüssel verglichen wurde, ist die Kausalität. Das Problem, dessen Lösung sich unerwarteter Weise für einen im Fachbereich der kognitiven Psychologie aufgetretenen Tatbestand ergab, ist die unabweisbare Bedingung, daß Kausalaussagen, wie Michael Esfeld[1]schreibt, letztlich wahr sind aufgrund von etwas, das selbst keine Ursache-Wirkungs-Beziehung ist. Doch diese Lösung gehört auch in der kognitiven Psychologie nicht zu denen, die man sich von den Problemen erwartet, mit denen es die Psychologie zu tun hat, sondern ist derzeit Gegenstand einer dritten Disziplin, der (Kinder-und Jugend-)Psychiatrie. Es sind folglich drei getrennte wissenschaftliche Fach-bereiche in das Problem und seine Lösung involviert. Angesichts des Dogmas der modernen Wissenschaft, das besagt, daß ein Wissenschaftler sein Fachgebiet nicht verlassen darf, kann es daher nicht verwundern, wenn die in diesem Buch vorgestellte Lösung bisher nicht gefunden werden konnte.

 

Der Anlaß, nach ihr zu suchen, war ein Kongreß. Er fand Februar 1999 an der Humboldt-Universität zu Berlin statt zum Thema „Hyperaktivität - Aufmerksamkeitsstörung oder Kreativitätszeichen?“ Diese Frage stand jedoch nicht im Zentrum der Veranstaltung. Stattdessen wurden diverse Therapieformen zur Störungsbehandlung vorgestellt, die Störung also bereits als gegeben vorausgesetzt. In Anbetracht des Begriffswortes, das inzwischen zu Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung - ADHS - erweitert wurde, war dies auch zu erwarten. Ich leitete zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehreren Jahren eine Selbsthilfegruppe für Eltern von „betroffenen“ Kindern, und gründete im Sommer dieses Jahres einen Arbeitskreis zum selben Thema. Der Kongreß war der Anlaß, die Behauptung zur Kreativität in einem kleinen Test untersuchen, um das Ergebnis in meinen Vorträgen und Lehrerfortbildungen zu verwenden. Dies mit dem Ziel, den Fokus auf die positiven Eigenschaften dieser Personengruppe zu lenken und nicht nur den defizitären Aspekten Beachtung zu schenken. Die Teilnehmer waren siebzehn Mitglieder der Selbsthilfegruppe und des Arbeitskreises, von denen acht die Diagnose ADHS hatten. Ich hegte dabei die Erwartung, die kreativen Antworten von diesem Personenkreis zu erhalten. Doch das Ergebnis erbrachte das genaue Gegenteil: kreative Antworten gaben ausnahmslos die nicht betroffenen Erwachsenen. Die Teilnehmer des ADHS-Gruppe dagegen hatten bis auf zwei mit einer Gegenfrage reagiert: Worum geht es bei diesem Test? Da ich mir das Ergebnis nicht erklären konnte, verbrachte ich die beiden darauffolgenden Tage mit Analysetätigkeiten: den ersten Tag mit der Ermittlung eines möglichen Fehlers in meinem Test; den zweiten, um in den Antworten der ADHS-Teilnehmer eine Erklärung zu finden. Der Erfolg stellte sich am dritten Tag ein, nachdem ich beschlossen hatte, aufzugeben und aus der Frustration heraus die Perspektive gewechselt hatte - die Erkenntnis, die sich unmittelbar einstellte, war für mich ein Schock! Sie war eine Lösung, die nicht nur ich nicht erwartet hatte - für sie gab es überhaupt keine Erwartung.

 

Der Begriff Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die Bezeich-nung für eine (vermeintliche) Störung der Informationsverarbeitung, bzw. der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns. Obwohl ein ungelöstes wissenschaftliches Rätsel, ist man sich seitens der Wissenschaften, die sich mit dem menschlichen Gehirn befassen, darin einig, daß diese bei allen Menschen im Wesentlichen in gleicher Weise abläuft. Das Ergebnis, das mir mit dem Perspektivenwechsel von einem Moment zum nächsten vor Augen stand, war die Entdeckung, daß die Informationsverarbeitung keineswegs bei allen Menschen in gleicher Art und Weise verläuft. Stattdessen liegt sie in zwei trennscharfen Versionen vor, die unabdingbar die Einteilung in zwei Gruppen erfordert.

 

Ich war nicht die erste, der dieser Unterschied im Verhalten und Denken bei Menschen aufgefallen war. Bereits einundzwanzig Jahre vor mir stellten ihn die Psychologen Colin Macleod, Earl Hunt und Nancy Mathews in einem Satz-Bild-Experiment[2]fest, und dreizehn Jahre später kam die Mathematikdidaktikerin Inge Schwank in einer Untersuchung von Schülern zur Vorgehensweise bei der Entwicklung von Algorithmen zur gleichen Entdek-kung.

 

Die Herausforderung für diese Wissenschaftler wie auch für mich bestand in der Begründung unserer Entdeckung: Wie sie war auch ich davon überzeugt, mit der Feststellung zweier eigenständiger Arten einer Informationsverarbeitung auf etwas grundlegend Neuar-tiges gestoßen zu sein. Die Argumentation der Fachleute bezog sich, den Richtlinien der modernen Wissenschaft gemäß, auf die Materie: auf Gedächtnis- bzw. kognitive Strukturen, in denen sich der Unterschied ausprägt. Diese Annahmen reichten jedoch nicht hin, um ihn zweifelsfrei zu erklären. Ich begründete ihn mit zwei Regeln, genauer: zwei Varianten einer Regel, von denen ich behauptete, sie seien konstitutiv für die jeweilige Arbeitsweise.

 

In der Folge wurde ich wiederholt gefragt, um welche Art von Regeln es sich handelt - ich wußte es nicht. Mir war nur die Parallele ihrer Struktur - der Abfolge der Variablen - zur Struktur des Denkens und Verhaltens meiner Testpersonen aufgefallen. Zwar sind in der kognitiven Psychologie beide Regeln bekannt. Die eine beschreibt eine allgemeine Verhal-tensweise, die andere ist eine Verfahrensregel. Daraus war ersichtlich, daß für eine Begründung diese speziellen Regeln nicht ausreichten, um mit ihnen die grundlegende Art menschlichen Denkens und Verhaltens zu beschreiben. Sie schienen mir jedoch Prototypen zu sein für zwei Gruppen von Regeln, die einen größeren Bereich abzudecken vermochten, innerhalb dessen sie Geltung besitzen. Ihre Zuordnung zu irgendeiner Art von Regeln wurde dadurch erschwert, daß sie weder in der Mathematik noch in der Physik noch überhaupt außerhalb der Kognitionspsychologie bekannt sind. Von einem befreundeten Mathematiker erhielt ich schließlich den kryptischen Hinweis, es sei bisher nicht gelungen, Kausalität zu mathematisieren. Ihn hatte irritiert, daß ich Kausalität beschrieb, als handele es sich um eine Regel und nicht um die Beziehung von Ursache und Wirkung.

 

Damit hatte die Frage nach der Einordnung der beiden Regeln eine erste Lösung gefunden: eine Prüfung anhand der Variablenfolge ergab, daß es sich bei der Verhaltensregel wohl tatsächlich um eine kausale Regel handelt. Für ihre Variante war das nicht so ohne weiteres zu erkennen. Da aber beide Regeln Varianten einer kausalen Regel sind, mußte auch diese andere eine kausale sein, obwohl ihre Variablenfolge nicht der zeitlichen Folge ent-spricht, in der Wirkung auf Ursache folgt. Dies und der Hinweis auf die bislang offene Frage, ob Kausalität ein fundamentaler Zug der Welt sei, oder etwas, das von anderen, fundamentaleren Merkmalen der Welt abgeleitet sei (s. Esfeld)i, reichte plötzlich weit über den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang hinaus, ebenso wie alle bisher im Zusammenhang mit der Kausalität erörterten Thesen und Theorien. Damit wurde für mich eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dem Wesen der Kausalität unabdingbar.

 

Als grundlegende Voraussetzung für die Etablierung eines kausalen Regelwerks, um mit ihm die Bandbreite kausaler Zusammenhänge bis hin zu den Arbeitsweisen menschlicher Gehirne zu beschreiben, mußte von einem Prinzip bzw. einem Gesetz ausgegangen werden, dessen Aussagen mit den Regeln des Regelwerks ausgeführt werden. Die des Kausalgesetzes und des Kausalprinzips reichten dazu nicht hin, denn sie waren dem Verhältnis von Ursache und Wirkung verhaftet, mit dem eine Variante unberücksichtigt bleibt. Dennoch blieb die Forderung bestehen, in der Kausalität ein Prinzip zu sehen. Mit dieser Prämisse ergab sich schließlich, in ihr das Erste Prinzip zu sehen, mit dem alles, was ist, seinen Ursprung hat.

 

Trotzdem bezeichnete ich sie schließlich als ein Gesetz, das in zwei Varianten vorliegt und dessen Aussagen von einem Regelwerk umgesetzt werden. Und wie schon bei den Regeln stellte sich auch jetzt wieder die Frage, um welche Art von Gesetz es sich bei ihr handeln könnte, denn ein Kausalgesetz gibt es ja schon. Im Unterschied zu anderen Gesetzesarten, wie den physikalischen (Natur-)Gesetzen oder den mathematischen Gesetzen, schien sie keiner der bekannten Gesetzesarten zuordenbar zu sein und somit eine eigene Gesetzeskategorie zu bilden. Dies trifft jedoch nur bedingt zu. In jüngerer Zeit ist häufig von einer Gesetzesart die Rede, an der auffällt, daß die Gesetze, die zu einem Sachverhalt formuliert werden, obwohl als grundlegend angesehen, von einer erstaunlichen Beliebigkeit sind: die Systemgesetze. Es gibt offenbar keine, für alle (autonomen) Systeme geltenden, grundlegenden Bedingungen, keine gemeinsamen Kriterien. Es besteht nicht einmal Einigkeit darüber, ob Systemgesetze, wenn sie denn Gültigkeit haben sollen, den o.g. Gesetzestypen insofern vergleichbar sind, als sie nicht zu übertreten sind, und nicht außer Kraft gesetzt werden können. Dabei müßten sie aufgrund ihrer Mächtigkeit als so ehern verstanden werden wie Naturgesetze und so unumstößlich wie mathematische oder wie logische Gesetze.

 

Mit dieser Forderung, Kausalität sei ein in zwei Varianten vorliegendes Systemgesetz mit einem dazugehörigen Regelwerk, verlagerte sich der Schwerpunkt des ursprünglich geplanten Buches. In diesem sollte es nur um die eingangs erwähnte Entdeckung der beiden Arbeitsweisen menschlicher Gehirne gehen, die sich auf zwei kognitionspsychologische Regeln hatten zurückführen lassen. Die eingehende Beschäftigung mit der Kausalität, welche zunächst zu ihrer Bestimmung als ein Systemgesetz führte, forderte eine Veränderung der ursprüngliche Zielsetzung, welche eine Teilung des Buches in zwei verschiedene Bände unumgänglich machte. Nicht nur, daß die Behandlung zweier so verschiedener Themen im selben Buch nicht mehr zweckmäßig erschien, das Thema Kausalität nahm vielmehr Formen an, die jeden Rahmen sprengten.

 

Im Zuge der Aufklärung verschwand aus der wissenschaftlichen Forschung die Inst-anz, welche bisher als Garant für die Wahrheit einer Erkenntnis gegolten hatte: Die Hypo-these Gott wurde nicht mehr benötigt. Konnte Friedrich Gauß noch sagen, er habe mit Gottes Hilfe die ersehnte Lösung gefunden, wurde Albert Einstein von seinen Kollegen darauf hingewiesen, daß ein Gott in der Wissenschaft keinen Platz mehr habe. Denn nun stand nicht mehr er, sondern der Mensch als erkennendes Subjekt im Mittelpunkt der Welt, womit zu-gleich der Wahrheit ihr Anspruch auf universelle Gültigkeit entzogen wurde, da man sich nun nicht mehr auf einen allmächtigen Gott, der sie vermittelt, berufen konnte. Daraus ergaben sich Folgen für die moderne Wissenschaft. Sie strebt nun nicht mehr nach absoluter Erkennt-nis, die wahrheitsfähig ist, sondern ihre Theorien basieren auf der Empirie, mit der nun verschiedene Wahrheiten nebeneinander stehen und miteinander konkurrieren, die aber damit alle ihren Anspruch auf Gültigkeit verloren haben.

 

Dies ändert sich nun, wie zu zeigen sein wird, mit der neuen Bestimmung der Kausa-lität. Sie ist zwar kein Gott, aber als universales Gesetz, welches zu Beginn unseres Univer-sums in Kraft trat und verhinderte, daß der winzige Energie-Materieteilchen-Mix gleich nach dem sogenannten Urknall wieder verschwand, sondern stattdessen die Information für den Aufbau des Universums liefert, ist sie ein Garant für die Wahrheit, der im Gegensatz zu einem Gott überprüfbar und damit - hypothetisch - auch falsifizierbar ist. Der Wissenschaft als Ganzes wird mit ihr als dem Grundgesetz des Universums der Boden unter ihren Füßen zurückgegeben, den sie mit ihrer Transformation verloren hat.

 

Da die Arbeitsweisen menschlicher Gehirne kausalen Regeln unterliegen, mußte die neue Interpretation und Erklärung der Kausalität einer Beschreibung der Arbeitsweisen menschlicher Gehirne vorangehen. In diesem Buch wird sie nun erstmalig als ein in zwei Varianten vorliegendes Gesetz eingeführt und mit ihm sein dazugehöriges Regelwerk. Dessen Regeln sind so umfangreich, vielseitig und umfassend, daß es erforderlich wurde, sie in Klassen zu gliedern, um sie vorzustellen und zu erläutern. Die ursprüngliche Intention, nur die Arbeitsweisen menschlicher Gehirne zu beschreiben und zu erklären - und mit ihnen das ADHS-Phänomen - wird deshalb in einem eigenen Band ausgeführt, basierend auf dem Gesetz der Kausalität und seiner beiden Varianten und ihren Regeln.

 

 Den Anfang zu diesem Buch macht ein Kapitel zur Historie der Kausalität. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den unterschiedlichen Perspektiven, unter denen Kausalität betrachtet wird und wurde. Obwohl wir permanent nach kausalen Erklärungen suchen, und, wie Falkenburg und Schnepf[3]feststellen, in Alltagssituationen mit größter Selbstverständ-lichkeit kausales Vokabular verwenden, haben sich die Menschen kaum mit ihr beschäftigt, die Philosophie und Wissenschaftstheorie ausgenommen. Daher ist dieses Kapitel als Einstieg in das Thema gedacht, auch um deutlich zu machen, welcher Aspekt bisher übersehen wurde, an dem eine Definition der Kausalität bisher scheiterte. Dieser Abschnitt ist in vier Unterkapitel unterteilt, die jedes einem bestimmten Zeitraum und den in ihm geltenden Vorstellungen gewidmet ist.

 

An den Abriß der Historie schließt als drittes ein Kapitel zu den Anforderungen an, die für eine neue Bewertung und Bestimmung der Kausalität erfüllt sein müssen: die Kenntnis zweier Arten des menschlichen Grundverständnisses, aus dem heraus das Individuum die Dinge in dieser Welt betrachtet, sie erkennt und versteht, und wie dieses Wissen erworben wird. Es folgen zwei Kapitel, die der neuen Interpretation der Kausalität als dem grundlegenden Gesetz des Kosmos sowie der ihrer beiden Varianten gewidmet sind: im vierten Kapitel werden zunächst die Voraussetzungen, Bedingungen und Grundlagen behan-delt, um mit ihnen die neue Bestimmung der Kausalität zu erklären und zu begründen. Im fünften Kapitel wird diese dann als grundlegendes Gesetz mit ihren Aussagen eingeführt. Ihre Varianten, auf denen u. a. die Unterteilung in zwei Arbeitsweisen beim menschlichen Gehirn beruht und die ebenfalls Systemgesetze sind, werden im sechsten Kapitel dargestellt. Die Beschreibungen schließen ihren jeweiligen Geltungsbereich ein, in dem sie und ihre Aussagen wirksam sind. Im siebten Abschnitt, der sich in drei Kapitel untergliedert, wird in das Regelwerk eingeführt: Um die Regeln formal zu beschreiben, bedarf es einer neuen Notation bzw. Symbolik, die in diesen drei Kapiteln vorgestellt und erläutert werden. Sie sind als Provisorien gedacht, die beim Vorliegen einer geeigneteren Notation zu ersetzen sind. Derzeit erfüllen sie nur den Zweck, die Regeln vorläufig formal beschreiben zu können. Dieser Teil des Buches schließt mit einer grafischen Darstellung des Regelwerks in Form eines Theorienetzes ab.

 

Abschnitt 8 ist dem Regelwerk selbst gewidmet. Dessen Umfang machte seine Ein-teilung in drei Regelklassen notwendig, die fundamentale, allgemeine und elementare Klasse. Die fundamentale Klasse enthält die Beschreibung der Grundregel. Ihre Entwicklung und Ausführung ist so umfangreich, daß an ihre Darstellung und Erläuterung drei Unterkapitel anschließen, die den Konsequenzen gewidmet sind, die sich mit ihr ergeben. Die beiden anderen Klassen, die allgemeine Klasse der Abläufe und die elementare Klasse der Prozesse werden in den Kapiteln 8.2 und 8.3 vorgestellt. Beide Klassen unterteilen sich ein weiteres Mal, um den Varianten mit den ihnen zugeordneten Regeln Rechnung zu tragen. Während die Klasse der Abläufe keine weitere Unterteilung erfordert, nötigt die Verschiedenartigkeit von Prozessen in der elementaren Klasse zu einer nochmaligen Gliederung in drei Unterklassen, die der Konstruktions-, Produktions- und Differenzierungsprozesse.

 

Da ich behauptet habe, Kausalität sei als den Systemgesetzen zugehörig zu bestim-men, wird im letzten Kapitel noch einmal auf diese Art von Gesetzen rekurriert. Im Wesent-lichen sind es zwei Gesetze, auf die ich eingehe, die wie die Kausalität bisher nicht als solche gesehen wurden: die positive und die negative Rückkopplung. Sie sind die großen Akteure in allen autonomen Systemen, weshalb sie nicht unberücksichtigt bleiben konnten.

 

Da es sich bei den Regeln nicht um mathematische, sondern um logische Regeln handelt, die im Wesentlichen alle dasselbe Format aufweisen, wäre ihre Darstellung anhand ihrer Struktur bzw. der ihrer Variablenfolge wenig erhellend. Aus diesem Grund wurden bei der Präsentation der Klassen die jeweiligen Typen von Regeln mittels einer Regel beschrieben und diese anhand (mindestens) eines Beispiels erläutert, um die Regel zu verdeutlichen. Da das Spektrum der Regeln immens ist, wurden sowohl alltägliche und triviale Ereignisse zur Erläuterung herangezogen als auch komplexe und auf wissenschaftlicher Forschung beruhen-de Erkenntnisse. Letztere stellten eine besondere Herausforderung dar, da sie erneut eine Einarbeitung in das jeweilige Thema erforderten, die aufgrund des Umfangs der Fach-bereiche letztlich schon aus Zeitgründen oberflächlich bleiben mußte. Ich hoffe, daß mir gelungen ist, den jeweiligen Sachverhalt einigermaßen zu erfassen und mir keine gravier-enden Fehler unterlaufen sind. Beispiele zur Erläuterung der Regeln anzubieten, war schon deshalb notwendig, da sich aus den Regeln selbst die Vorgänge nicht erschließen lassen. Man könnte mir deshalb vorwerfen, eklektisch vorgegangen zu sein, statt die Regeln experimentell auf ihr Zutreffen hin zu überprüfen. Weshalb bei ihrer Weglassung der Eindruck entstehen könnte, ich hätte darauf verzichtet, um meinen Ansatz einer Falsifikation zu entziehen. Der Zweck der beispielgestützten Darstellung der Regeln besteht jedoch nicht darin, sie zur Bekräftigung meines Ansatzes zu verwenden, sondern ihre universelle Gültigkeit für alle Bereiche unseres Lebens, alle Ereignisse innerhalb unseres Kosmos‘ aufzuzeigen. Deshalb hoffe ich, daß sich auf diese Weise zeigen lässt, wie tief und durchgängig die Natur in jedem Augenblick ihrer Existenz der Kausalität unterworfen ist, wie unabänderlich auch wir in die kausalen Vorgänge der Welt eingebunden sind, ohne ihnen je entkommen zu können, obwohl unsere Willensfreiheit durch sie weder eingeschränkt noch aufgehoben wird.

 

Ich war und bin mir beim Schreiben dieses Buches der Unzulänglichkeit meiner Aus-führungen bewußt, die angesichts der Größenordnung dieser Entdeckung unvermeidbar war. Doch ich hoffe, daß dies der zugrundeliegenden Idee von der Kausalität als dem ersten Prinzip dieser Welt nicht abträglich ist, und sie den Schlüssel zu einem neuen Verständnis der Welt und des Wirklichen zu liefern vermag.

 

Feichten, im März 2021

 

Elisabeth Dägling

1.   Einleitung

 

Seit Jahrhunderten befassen sich Philosophen, Gelehrte und Wissenschaftler mit dem Phänomen Kausalität, ohne sie in ihrem Wesenskern zu erfassen. Wenn dies trotz der Betrachtung aus ganz verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlicher Schwer-punktsetzung nicht gelingen konnte, dann deshalb, weil ein für dessen Erkenntnis entscheidender Sachverhalt erst in jüngster Zeit zur Entdeckung gelangte. So ist es einerseits der modernen Wissenschaft und ihren Methoden zu verdanken, wenn wir zu Theorien kommen, die als Erkenntnis gewertet werden können; andererseits ist sie selbst zum größten Hindernis geworden, wenn es darum geht, diese Erkenntnisse ein- oder zuzuordnen und sie öffentlich bekannt zu machen. So wenig glaubhaft diese Aussage auch zunächst klingen mag: eine nüchterne Betrachtung der Fakten zeigt ihre Evidenz.

 

Der Weg, den die Wissenschaften nach dem Mittelalter einschlugen, begann in der Renaissance mit dem Wechsel von einer zu großen Teilen von der Magie beherrschten zur modernen Wissenschaft. Mit dem Beginn der Neuzeit war dieser im Wesentlichen vollzogen. Einher mit ihm ging die Spaltung in zwei wissenschaftliche Lager: in das der empirisch arbeitenden Naturwissenschaften, die sich dazu technischer Mittel bedienen, ja, ohne diese gar nicht mehr auskommen, und in das unter der Sammelbezeichnung „Geisteswissen- schaften“ subsumierte für sehr verschiedene, meist hermeneutisch arbeitende Disziplinen, zu denen insbesondere die Philosophie gehört. In den letzten Jahrzehnten traten als drittes die Sozial- bzw. Gesellschaftswissenschaften hinzu. Mit dieser Aufteilung im Großen kam es zu einer weiteren Aufspaltung in eine Vielzahl von Einzelwissenschaften, zu denen noch immer neue hinzukommen. Das „missing link“ der Kausalität - und mit ihm ist nicht etwa die Verknüpfung von Ursache und Wirkung gemeint - gehört mit der Zersplitterung der Wissenschaften nun zu einer Disziplin, die sich den Naturwissenschaften zurechnet und der Philosophie damit entzogen ist.

 

Das wohl größte Hindernis aber für ein adäquates Verständnis der Kausalität ist die Transformation der Wissenschaft, die noch nach dem Gewinn von Erkenntnis strebte, in die moderne, die auf Erfahrung aus ist und sich deshalb als nutzenorientiert und gesellschafts-relevant forschend und arbeitend versteht. Mit diesem Wandel ist eine Änderung im Ver-ständnis dessen einhergegangen, was mit ihr und ihren Ergebnissen zu erreichen ist. So wurde der Anspruch auf den Gewinn von wahrer Erkenntnis aufgegeben, da es keine Instanz und somit auch keine Gewähr gibt, diesen Anspruch einzulösen. An ihre Stelle treten nun Theorien, von denen gleich mehrere zu einem bestimmten Thema aufgestellt werden, die deshalb miteinander konkurrieren, jedoch ohne daß eine von ihnen den exklusiven Anspruch erheben könnte, wahr zu sein. Der Effekt ist hier in etwa derselbe wie der, den die Forderung nach einem Abitur für alle hätte: Wenn keine Theorie mehr zu wirklicher (wahrer) Erkenntnis führt, haben letztlich alle ihre Gültigkeit verloren - so, wie bei einem Abitur, das alle haben, letztlich keiner mehr ein Abitur hat.

 

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl an Hypothesen und Theorien zur Kausalität, mit denen Licht ins Dunkel gebracht werden soll, und sie alle haben ihre Befürworter, welche die zusätzlich in die Diskussionen eingebrachten Gesichtspunkte kontrovers diskutieren. Da kann man fragen, wie ausgerechnet ein Sachverhalt, der in den Fachbereich der kognitiven Psychologie gehört, Erhellendes zum Thema beitragen kann oder gar eine Lösung offerieren soll.

 

Um diese Frage beantworten zu können, muß man sich klar machen, daß die unhinterfragte Definition der Kausalität als bloße Ursache-Wirkungs-Beziehung sämtliche Bemühungen konterkariert, das Phänomen Kausalität, und was mit ihm zusammenhängt, zu klären. Kausalität ist die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung, dies besagt schon ihre Bezeichnung, und an diesem Diktum wurde nie der geringste Zweifel geäußert, auch nicht von David Hume, der in ihr nur eine Sache der Gewöhnung sah.

 

Nun soll dieses Beziehungsverhältnis auch nicht bestritten werden, doch wird diesem mit der neuen, in diesem Buch präsentierten, Interpretation der ihm entsprechende Platz zugewiesen, während die Kausalität selbst als das beschrieben wird, was sie ist: als das Erste Prinzip des Kosmos bzw. als das Universalgesetz. Damit bleibt sie weiterhin Gegenstand der Philosophie, nur spielt die Ursache-Wirkungs-Beziehung fortan eine untergeordnete Rolle. Als Kant in der KrV im zweiten Buch zur „Analytik der Grundsätze“ schrieb:

 

Dieser Schematismus unseres Verstandes in Ansehung der Erscheinungen und ihrer bloßen Form ist eine verborgene Kunst in der Tiefe der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abrathen und sie unverdeckt vor Augen legen werden.“[4]

 

konnte er mit der Umschreibung „eine verborgene Kunst in der Tiefe der menschlichen Seele“ erstaunlich klar auf die Kognitionspsychologie als die Disziplin verweisen, die sich mit dieser Kunst befasst, obwohl es dieses Fach noch gar nicht gab; ihre „Handgriffe“ interpretierte er als Kategorie, nachdem sie von David Hume als eine Sache der Gewohnheit bezeichnet wurden. Die Kognitionspsychologie als das für diese Kunst zuständige Fachgebiet wurde erst in der Mitte des letzten Jahrhunderts geschaffen, und die Kunst in der Tiefe der menschlichen Seele seitdem „Informationsverarbeitung“ genannt. Die Handgriffe jedoch, das Gesetz und die kausalen Regeln, die dieser zugrunde liegen, kennen wir immer noch nicht. Sie sind ein wesentlicher Teil dessen, worum es in diesem Buch geht.

 

Der Begriff Informationsverarbeitung bezeichnet die Vorgänge, die vom Gehirn als neuronalem Netzwerk ausgeführt werden. Gemeint ist mit ihm aber die Arbeitsweise des Gehirns: Von Rezeptorsystemen an den Schnittstellen zwischen Gehirn und Umwelt werden sinnlich wahrnehmbare Reize in Form von Wellenlängen in elektrische Impulse transformiert. Nach derzeitiger Auffassung enthalten die Impulse je nach Reiz mehr oder minder große Mengen an Information, die auf noch unbekannte Weise vom Gehirn „verarbeitet“ wird. Im Ergebnis sollen diese Verarbeitungsprozesse dazu führen, daß wir die Dinge, wie sie uns in ihrer bloßen Form erscheinen, wahrnehmen, erkennen und begrifflich zu (er)fassen vermögen. Obwohl bereits seit einigen Jahren bekannt ist, daß das menschliche Gehirn informationell geschlossen ist, von daher also keinerlei Information von außerhalb hineingelangt, die verarbeitet werden könnte, wird an dieser Version weiterhin festgehalten, da keine Alternative zur Verfügung steht. Und obwohl nicht einmal dieser erste Schritt bekannt ist, der über die Arbeitsweise informiert, zerbricht man sich in der Bewußtseinsphilosophie bereits den Kopf darüber, wie sich das „Ich“, welches sich erst im Verlauf des Erkenntnisprozesses entwickelt, selbst zu erkennen vermag.

 

Der diesem Buch folgende Band befasst sich deshalb mit der Beschreibung der Arbeitsweise des Gehirns, und damit auch mit den Antworten auf diese Fragen. Voraussetzung dafür ist allerdings, die Funktion und die Rolle zu kennen, welche die Kausalität dabei innehat.

 

Von der sogenannten Informationsverarbeitung wird angenommen, sie sei ein Prozeß, der bei allen Menschen in derselben Weise ablaufe, beispielsweise wenn es um die Frage geht, wie die Beziehung zwischen den Merkmalen Form, Ort und Farbe hergestellt wird, welche in verschiedenen Hirnarealen getrennt „verarbeitet“ werden, um sie miteinander zu dem homogenen Gegenstand zu verknüpfen, als der er uns erscheint. Dieses Denken in Beziehungen ist so selbstverständlich und wird als so normal empfunden, daß uns diese Art, in der die Welt erfasst und auf die Dinge in ihr zugegriffen wird, nicht einmal bewußt ist, sie deshalb nicht reflektiert und, das vor allem: auch nicht geändert werden kann. Von daher ist es nicht verwunderlich, wenn der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung von uns als Beziehungsverhältnis interpretiert wird. Was sollte er auch sonst sein?

 

Die sogenannte Informationsverarbeitung, die als normal gilt und zu einem Denken in Beziehungen und Begriffen führt, ist jedoch nicht die einzige, die es gibt. Parallel zu ihr existiert eine zweite, komplementäre und bisher noch kaum bekannte Version, und der Mangel der Kenntnis dieser Version ist der Grund, weshalb es vorübergehend notwendig wird, den Fachbereich der Philosophie zu verlassen, um uns mit der unbekannten Art vertraut zu machen.

 

Die genannte Unkenntnis ist jedoch nicht der einzige Grund, der an der Lösung des Rätsels Kausalität hindert. Ist bloße Unkenntnis noch ein Hindernis, welches sich beseitigen ließe, wenn man es denn wollte, stößt man beim zweiten Hinderungsgrund auf einen derzeit nicht zu überwindenden Widerstand: Er liegt in der Praxis der modernen (Natur-)Wissen-schaften, die nicht mehr nach Erkenntnis streben, sondern nach Erfahrung, und die deshalb auf die Empirie und die Technik setzen. Daran ist nichts Verwerfliches, wenn die Präferenz für die Methoden der experimentellen Erforschung einerseits und die Richtlinien und Bestim-mungen für eine Veröffentlichung andererseits noch einen gewissen Spielraum gelassen hätten für Entdeckungen, die abseits dieses Mainstreams gemacht werden. Darauf wird im Kapitel zum prädikativen vs. funktionalen Grundverständnis einzugehen sein.

 

Doch was hat dies mit dem eingangs erwähnten Sachverhalt zu tun, der erst vor einigen Jahren zur Entdeckung gelangte - der Aufklärung des ADHS genannten Verhaltens-phänomens, das als Störung der Informationsverarbeitung interpretiert wird? Mit ihr, der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns, wird auf neurobiologischer Grundlage „erarbeitet“, worauf das Bewußtsein zugreift und woran dieses auch selbst aktiv beteiligt ist. Wie diese Tätigkeit des Gehirns funktioniert, ist trotz modernster technischer Hilfsmittel ein Rätsel geblieben. Es kann mit den Methoden der Naturwissenschaften auch nicht gelöst werden, denn die Arbeitsweise basiert auf Regeln, und diese lassen sich empirisch nicht ermitteln. Doch solange diese Praxis als das ultimative Mittel der Wahl gilt, wenn ausschließlich über Experiment und Beobachtung die Beschaffenheit der Natur und der Welt erfahren werden darf - etwas, das auf unabsehbare Zeit auch nicht geändert werden kann und wird -,bleibt die Tür zur Erkenntnis verschlossen.

 

Die zuständige Disziplin für diesen Erkenntnisgewinn ist die Philosophie, genauer: die Ontologie. Doch auch sie hat sich mit ihren Fragestellungen an die erfolgreichen Natur-wissenschaften angelehnt und ist dazu übergegangen, sich entweder mit naturwissen-schaftlichen Fachgebieten unter philosophischem Aspekt zu beschäftigen, oder ein philoso-phisches Thema unter einem bestimmten Blickwinkel zu betrachten. Damit aber ging der Blick für die größeren Zusammenhänge verloren.

 

Daß nun zur Lösung des Rätsels der Kausalität die Auseinandersetzung mit einem Verhaltensphänomen unabdingbar geworden ist - eines Tatbestands, der zum Aufgaben-bereich der Kognitionspsychologie gehört - , offenbart das Dilemma, in dem sich die Wissen-schaften befinden: Seit der Entdeckung der Quantenmechanik hat es keine größeren Erkennt-nisgewinne mehr gegeben. Auch die Entdeckung der Doppelhelix verdankte sich keiner geisteswissenschaftlichen Erkenntnis, sondern war das Resultat einer methodischen Vorge-hensweise. Die vermeintlichen Fortschritte, die derzeit gemacht und als bedeutende Errungenschaften der Wissenschaften gefeiert werden, sind in Wahrheit Fort- und Weiterent-wicklungen in der Technik bzw. der Technologie und in der Pharmaindustrie, die zwar unse-re Gesellschaft nachhaltig und grundlegend verändert, aber nichts zur Erkenntnis der Welt beigetragen haben.

 

Die neue Interpretation der Kausalität, die in diesem Buch präsentiert wird, kann als Weichenstellung gesehen werden, mit der die Wissenschaften wieder ihrer eigentlichen Aufgabe, dem Streben nach Erkenntnis, nachgehen könnten - wenn sie es denn wollten und auch schaffen. Diese ist gerade nicht eine fälschlicherweise als dem Nutzen der Gesellschaft dienende Aufgabe zu verstehen, obwohl sie ihm gerade dann dient, wenn sie sich auf ihre eigentliche Bestimmung, der Suche nach und dem Gewinn von Erkenntnis, besinnt. Weder Copernicus noch Darwin, weder Newton noch Einstein hatten bei ihrer Suche nach Lösungen den gesellschaftlichen Nutzen vor Augen. Und doch haben ihre Entdeckungen weiter geführt, als Wissenschaft und Gesellschaft ihrer Zeit es je für möglich gehalten hätten. Und sie haben - das vor allem - das Bild von der Welt, das die Menschen von ihr hatten, in seinen Grundfesten erschüttert.

 

Mit der eingangs erwähnten kognitionspsychologischen Entdeckung als der Lösung des neurowissenschaftlich-psychiatrischen Problems der vermeintlichen Aufmerksamkeits-defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und der erkenntnistheoretischen Lösung des Phäno-mens Kausalität wird nun ein weiteres Mal eine tiefgreifende Veränderung des Bildes von der Welt einhergehen, das uns die Naturwissenschaften derzeit vermitteln, mit Folgen, die sich noch gar nicht abschätzen lassen. Antworten auf wissenschaftliche Fragen und Lösungen von Problemen, die auf dem Weg, den die Wissenschaften eingeschlagen haben, nicht mehr zu erlangen sind, werden ebenso dazu gehören, wie Einsichten in Zusammenhänge, die uns alle betreffen.

 

Die erkenntnistheoretische, ontologische Erklärung der Kausalität erfordert den Wechsel des bisherigen wissenschaftlichen Weltbildes. Das gilt für die Philosophie wie für die anderen Geistes- und die Naturwissenschaften, und es gilt insbesondere für die mensch-liche Gesellschaft. Kennzeichen für den anstehenden Wandel durch ein solches Ereignis scheint zu sein, daß man sich in den Wissenschaften, die es betrifft, stets einig war, einen wissenschaftlichen Standard und damit eine Höhe erreicht zu haben, welche zur Annahme berechtigt, mit größeren Umwälzungen nicht mehr rechnen zu müssen: man habe im Wesentlichen alles entdeckt und herausgefunden, was es zu entdecken und zu finden gibt, von einigen weniger wichtigen Fragen abgesehen, mit deren Antworten das herrschende Bild weitergezeichnet, aber nicht verworfen wird. Weshalb das mit dem bekannten Wissen errich-tete Weltbild Bestand haben werde.

 

Doch es kam jedes Mal anders.

2.   Zur Historie der Kausalität

 

Sie markiert die Grenze unseres Universums, sie ordnet und strukturiert unsere Welt, und doch kennen wir sie nur zu einem Teil: die Kausalität. Ihre Ordnung ist für uns so selbstverständlich, so tief in unserer Alltagserfahrung verwurzelt, daß es Mühe bereitet, zu begreifen, daß die Welt ohne sie völlig anders aussehen, ja möglicherweise nicht einmal existieren würde. Ohne Kausalität gäbe es dieses Universum vermutlich nicht, auch nicht die Natur, wie wir sie kennen und uns selbst ebenfalls nicht. Wie eine Welt aussehen könnte, die nicht von ihr, sondern von einem anderen, in gleicher Weise grundlegenden Mechanismus geregelt und geordnet wird, ist für uns auch in Ansätzen nicht vorstellbar. Und doch ist das eigentliche Wesen der Kausalität unklar. Seit nunmehr fast dreitausend Jahren beschäftigt das Thema Kausalität die Wissenschaften, allen voran die Philosophie. Doch so viel darüber auch diskutiert wurde, so viele Blickwinkel eingenommen, Hypothesen aufgestellt, Theorien entwickelt und wieder verworfen wurden, dem eigentlichen Phänomen ist man nicht näher gekommen. Zu den Naturgesetzen wird sie nicht gezählt und mit keiner der vielen Theorien, die es zu ihr gibt, hat sie sich bisher fassen lassen. Lediglich auf das Beziehungsverhältnis zwischen Ursache und Wirkung hat man sich einigen können, um sie zu charakterisieren.

 

Mit der Aufklärung schien endlich die Chance gegeben, frei von dogmatischen Einschränkungen forschen und nun auch dieses Rätsel lösen zu können. Hume eröffnete die Debatte mit seiner Regulationstheorie, Kant widersprach ihm und bezeichnete Kausalität als eine von zwölf Kategorien. Doch das Problem selbst, die Fragen, was Kausalität ist und was Ursache und Wirkung miteinander verbindet, blieben weiterhin ungelöst. Der Schock, der mit der Formulierung des Energieprinzips begann und mit der Entdeckung der Quantenmechanik zu der Auffassung führte, das Konzept der Kausalität spiele in den fundamentalen Theorien der Physik des 20. Jahrhunderts keine Rolle mehr[5], war bald überwunden. Inzwischen gehen zunehmend auch Physiker wieder davon aus, daß der Kausalität auch in ihrem Fachbereich essentielle Bedeutung zukommt, selbst wenn eine grundlegende Theorie weiterhin fehlt.

 

Im Unterschied zu Phänomenen wie der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns, dem Bewußtsein, der Suche nach der Weltformel, der Erklärung der Dunklen Materie und der Dunklen Energie oder der Frage, ob die Gravitation eine Kraft oder eine Eigenschaft des Universums ist, erscheint Kausalität als zu abstrakt und zu wenig spektakulär, um das allgemeine Interesse zu erregen. Zu den großen wissenschaftlichen Themen, die auch die Öffentlichkeit faszinieren, gehört Kausalität daher nicht. Hinzu kommt, daß für den normalen, nicht wissenschaftlich arbeitenden Menschen das Problem, um das es geht, nicht ersichtlich ist - und für so manchen Wissenschaftler wohl ebenfalls nicht. Schließlich wissen wir, daß Kausalität die Beziehung von Ursache und Wirkung ist, und wir wissen, was damit gemeint ist: Wir fragen nach den Ursachen der von uns beobachteten und erlebten Wirkungen, wir wägen die Risiken unserer Handlungen ab, um unerwünschte Folgen zu vermeiden; die simple Tatsache, daß wir uns verbrennen, wenn unsere Hand mit einer heißen Herdplatte in Berührung kommt, daß ein Glas zu Bruch gehen wird, wenn es auf einen Steinboden fällt, es aber nicht vom Tisch fallen wird, nur weil das Smartphone geklingelt hat, ist uns so geläufig, daß sie keiner Beachtung wert zu sein scheint. Das heißt, wir haben das Kausalprinzip verinnerlicht, wonach jedes Ereignis eine Ursache haben muß, und wir sind im großen und ganzen fähig, in Alltagssituationen kausale Zusammenhänge zu erkennen.

 

Die offenen Fragen dagegen - nach der Art der Verknüpfung von Ursache und Wirkung, den Bedingungen, die gegeben sein müssen, um zwei Ereignisse als kausal miteinander verbunden bezeichnen zu können, oder die nach den formalen Eigenschaften einer Kausalbeziehung - sind weit davon entfernt, Faszination auszuüben. Für sie interessieren sich entweder Philosophen oder, wenn es um praktische Konsequenzen und um Schuldfragen geht, Versicherungen und Juristen. Allenfalls die Frage, um die sich nach Esfeld[6] die Debatte dreht, ob Kausalität ein fundamentaler Zug des Universums sei oder ob sie von anderen, noch fundamentaleren Merkmalen der Welt abzuleiten wäre, würde vielleicht, wenn man sie entsprechend präsentierte, größeres Interesse hervorrufen. Mit ihr gelangt man jedoch in den Einzugsbereich der Physik, und dort beschäftigt man sich mit Fragen, bei denen die fundamentalen Merkmale der Bestandteile der Materie und die auf sie einwirkenden fundamentalen Kräfte im Mittelpunkt stehen. Damit gerät die Kausalität aus dem Blick und man ist wieder bei den faszinierenderen Fragen der Physik angekommen: der Weltformel, dem Urknall, den elementaren Bestandteilen der Materie. Zu solchen Fragen erwartet man sich Antworten, die zu neuen oder gar bahnbrechenden Einsichten führen, nicht aber zu Fragen zur Kausalität.

 

Für neue, bahnbrechende Einsichten, gleich welcher Art sie sind, gibt es keine Erwartung. Die Antworten, die sie auf offene Fragen liefern, hat man stets an Orten gesucht, an denen sie letztlich nicht zu finden waren. Stellt man jedoch die falschen Fragen, führen die Antworten, die man erhält, in die Irre. Erklärungslücken können nicht geschlossen werden, weil die Pfade, auf die man sich begeben hat, zu weiteren Anomalien führen, jedoch nicht zu neuen Einsichten. Bahnbrechende Ideen dagegen führen nicht die eingeschlagenen Pfade fort, sie ändern die Perspektive, aus der man ein Phänomen bis zu diesem Zeitpunkt betrachtet hat. Damit erklären sie zugleich neu, was man bisher verstanden zu haben meint.

 

Man könnte meinen, für die Kausalität könne dies nicht zutreffen, denn in den Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, in denen man sich nun schon mit ihr befasst, änderten sich die Fragestellungen und mit ihnen auch die Sichtweisen in so vielfältiger Weise, daß man überzeugt sein kann, es könne eigentlich keine Perspektive mehr geben, die noch nicht einge-nommen, keine, die nicht irgendwann und irgendwie schon berücksichtigt wurde.

 

Wir beginnen deshalb mit einem Rückblick auf die verschiedenen Thesen und Theorien, die in den vergangenen Epochen zur Kausalität entwickelt wurden, gehen ein auf die Denkansätze und Blickwinkel, unter denen man sie betrachtete, und auf die Fragen, die zu ihr gestellt wurden. Den Abschluß dieses Kapitels bilden die Theorien, die es derzeit zu ihr gibt, bevor in den nachfolgenden Kapiteln die Kausalität und ihre Varianten als Gesetze beschrieben werden und das Regelwerk vorgestellt wird, dessen Regeln die Gesetze ausführen.

 

Da dieses Kapitel ein Rückblick ist, kann seine Lektüre übersprungen werden. Da einen neuen Sachverhalt zu verstehen jedoch einfacher ist, wenn man einen Vergleich zu etwas Bekanntem hat, und da einige dieser bereits bekannten Sachverhalte oder Theorien Fakten enthalten, die Fragen aufgeworfen haben, welche ungeklärt geblieben sind, soll dieses Kapitel helfen, das Verständnis des Unterschieds der neuen Interpretation zu erleichtern.

 

2.1          Antike, Mittelalter und Renaissance

 

In der abendländischen Geschichte stellten wohl erstmals die Vorsokratiker Fragen zu einem ersten Anfang von Allem. Mit Kausalität nach unserem heutigen Verständnis hatten ihre Ideen noch nicht zu tun, doch hängt die Frage nach dem Anfang unserer Welt mit der nach dem ersten Anfang überhaupt, der ersten Ursache zusammen. Mit ihr lösten sich die Vorsokratiker von der Vorstellung einer göttlichen Instanz, die die Welt geschaffen und ihr Entstehen verursacht haben könnte. Sie vermuteten den Anfang von Allem in einem stofflichen Urgrund. Aus ihm sollte alles entstanden sein. Der Philosoph Thales von Milet sah im Wasser, auf dem auch die Erde ruht, diesen Urstoff und lehrte, Wasser sei der Ursprung aller Dinge. Für den Mileter Anaximenes war er die Luft, die der Mensch zum Atmen braucht: aus ihrer Verdichtung wird Wasser und Gestein, aus ihrer Verdünnung Feuer. Anaximenes beschrieb damit die Verwandlung eines Stoffes in einen anderen, der durch ein im Stoff enthaltenes Prinzip bewirkt wird. Heraklit von Ephesos sah diesen Urgrund im Werden, in der permanenten Veränderung der Welt. Für dieses Werden stand nach seiner Meinung das Feuer, das im Wechsel mit dem Wasser als seinem Gegensatz die Ordnung der Welt repräsentiert. Mit dieser zweiten Annahme war Heraklit zudem auch der Philosoph, der als ein wesentliches Kennzeichen unserer Welt den Gegensatz, die Polarität, ausmachte, und deren Stellenwert erkannte. Seine Ansicht wurde nicht von allen seinen Zeitgenossen geteilt. In scharfem Widerspruch zu seiner Weltanschauung vertrat der Eleater Parmenides die Lehre vom ewigen Sein, das keinen Anfang und kein Ende haben und von den Sinnen auch nicht erfasst werden kann. Damit nahm er bereits die modernen Theorien vom Beginn unseres Universums vorweg, auch wenn er anderes mit seiner Idee bezweckte: Nach Parmenides erschloß sich dieses Sein dem Menschen nur durch die ratio.

 

Ein weiterer der frühen Philosophen, der Thrakier Demokrit, postulierte, die Natur müsse aus kleinsten unteilbaren Teilchen, aus Atomen, zusammengesetzt sein. Er formulierte erstmals das Kausalgesetz, daß nichts ohne Ursache geschehe, und er verstand die Beziehung von Ursache und Wirkung als etwas Gesetzmäßiges.

 

Der Blickwinkel, den diese Denker der Antike einnahmen, führte von der Frage nach dem Beginn unserer Welt, ihren materiellen Anfängen, über eine kontroverse Auffassung zur Entstehung und Ordnung der Welt bis zu einer ersten Vorstellung von Kausalität als einem gesetzmäßigen Prinzip. Sieht man von der Annahme ab, die vier Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde seien die Grundstoffe dieser Welt, so enthalten ihre Lehren schon Gedanken, die uns noch immer beschäftigen. Ungelöst sind die Fragen nach dem Sein und dem Werden, die immer wieder zu Auseinandersetzungen geführt haben. Auch sie werden mit der neuartigen Idee zur Kausalität eine unerwartete Erklärung finden.

 

Die beiden bedeutendsten griechischen Philosophen, Platon und Aristoteles, gingen die Frage nach Ursache und Wirkung auf unterschiedliche Weise an. Platon beschäftigte sich mit ihr in verschiedenen seiner Werke: Im Timaios[7] stellte auch er die Frage nach dem Seienden und dem Werdenden, und begriff beide bereits als komplementär, indem er ausschloß, daß das Eine im Anderen enthalten sein könnte: „Was ist das Seiende, das Entstehen nicht in sich hat, und was das Werdende, aber niemals Seiende.“, um dann auszuführen: „Alles Entstehende muß ferner notwendig aus einer Ursache entstehen; denn jedem ist es unmöglich, ohne Ursache das Entstehen zu erlangen.“ Nach Platon müsse daher jeder, der nach Vernunft und Erkenntnis strebt, zwei Arten von Ursachen nachjagen: den Ursachen, die der verständigen Natur angehören, den Ideen als den eigentlichen Ursachen, und den Mitursachen, die von anderen (Ideen) in Bewegung gesetzt werden und aus Notwendigkeit weitere in Bewegung setzen. Ideen seien vernünftig wirkende Gründe, während die Mitursachen zwar von der Vernunft geleitet werden können, aber im Materiellen liegen. Für Platon war Wirkung also das Werdende, das eine Ursache haben müsse, die ein Entstehen voraussetzt. Zur Vernunft mußte daher die Notwendigkeit hinzutreten, um das Weltganze, die Weltordnung hervorzubringen. Im Philebos betonte er dann noch einmal, daß alles Werdende es notwendig kraft einer Ursache werde.

 

Aristoteles`[8] Perspektive zur Frage nach dem ersten Anfang sowie dem Sein und dem Werden war eine andere. Er unterteilte das, was mit den Sinnen wahrnehmbar ist, in zwei Kategorien: die Kategorie der unvergänglichen und die der vergänglichen Wesen. Zur erstgenannten gehörten beispielsweise die Himmelskörper, zur zweiten die Lebewesen. Die erste Kategorie werde gebildet vom Seienden, welches in sich das Prinzip der Bewegung enthält. Und da Aristoteles Bewegung als kreisförmig dachte, sie also weder Anfang noch Ende hat, ist auch die Zeit unendlich, und beides daher identisch. Er setzte, daß es ein erstes Prinzip geben müsse, einen unbewegten Beweger, von dem die Bewegung zwar ausgehe, der selbst aber unbeweglich sein müsse. Ihm schrieb Aristoteles bestimmte Attribute zu, wie ewig zu sein, weder aus Form noch aus Materie zu bestehen, zudem frei von jeglicher Verän-derung, dafür aber beseelt und reine Wirklichkeit zu sein.

 

Unter dem Begriff Ursache verstand Aristoteles jedoch etwas anderes. Er beschrieb vier Arten von Ursachen: den Stoff, die Form, den Zweck und den Grund (Logos), wobei Stoff und Form Eigenschaften von Objekten sind, die am Ereignis Ursache beteiligt sind. Entsprechend bezeichnete er sie: causa materialis, causa formalis, causa efficiens und causa finalis. Ursache meinte also nicht das, was wir heute darunter verstehen, sondern war gedacht als die Mittel, die darüber Auskunft geben, warum eine bestimmte Tatsache gegeben ist. Man muß sie unter dem Aspekt der Logik als allgemein gültige Aussagen verstehen, denn gemeint ist, daß das Verändernde Ursache der Veränderung ist, das Bewirkende Ursache der Wirkung, das Tun mittels Aktionen oder Werkzeugen Ursache des Zwecks. Aristoteles beschränkte sich jedoch nicht auf diese Einteilung, sondern unterschied darüber hinaus auch zwischen absoluten und zufälligen, akzidentiellen Ursachen. Für erstere behauptete er, dass sie bestimmt, für letztere, daß sie unbestimmt seien. Diese letzteren entziehen sich daher der Erkenntnis und liegen in der Materie. Zenon von Krition, der die Denkschule der Stoa begründete, widersprach Aristoteles‘ Vorstellungen von den Ursachen. Die Stoa erkannte nur eine Art von Ursache an, die Wirkursache. Danach ist Ursache stets ein Körper, der auf andere Körper wirkt.

 

So fremd oder auch schwer verständlich die Vorstellungen dieser großen Denker heute erscheinen mögen, können wir doch feststellen, dass manche ihrer Ideen Gedanken enthalten, die uns immer noch beschäftigen, nur daß sie inzwischen in anderen Kontexten vorkommen und ihre Formulierung moderner geworden ist.

 

In der nachfolgenden Epoche des Römischen Imperiums und in den Jahrhunderten nach seinem Untergang wandelte sich das geistige Interesse der Menschen, und mit dem Aufstieg Roms fand die Transformation in eine handwerklich-technische Kultur statt. Der Schwerpunkt lag auf architektonischem Gebiet, dem Bau von Viadukten, Aquädukten, Thermen und Tempeln, aber auch Straßen wie der Via Appia und Amphitheatern wie dem Colosseum, in denen Wagenrennen und Gladiatorenkämpfe stattfanden. Kunst, Kultur und Wissenschaft wurden großenteils von den Griechen übernommen, und Fragen nach einem Anfang von allem oder nach Erstursachen wurde keine Bedeutung mehr beigemessen. Auch der lange Zeitraum nach dem Untergang Roms, etwa ab 400 n. Chr., bis zur Herausbildung einer mittelalterlichen Blütezeit um 1100 n. Chr. war weitgehend kulturlos, sieht man davon ab, daß mit dem Aufstieg des Islam und der Herrschaft der Mauren im Süden Spaniens wissenschaftliche und künstlerische Momente in das inzwischen christlich geprägte Abend-land Einzug hielten. Ihnen haben wir es zu verdanken, daß die Werke Platons und Aristoteles‘ sowie die der anderen griechischen Philosophen und Mathematiker nicht verloren gegangen sind. Eine Kultur wie die römische eignet sich offenbar nicht zur Bewahrung geistiger Güter.

 

 Erst als im Mittelalter die Lehren des Aristoteles in Europa mit der Denkschule der Scholastik[9] wieder eingeführt wurden, begann eine neue Epoche des wissenschaftlichen Denkens. Die Scholastik war eine theologische Lehre, aber einem der beiden größten Denker des Mittelalters, dem Dominikanermönch Albertus Magnus, gelang es, Religion und die Philosophen der Antike, die in der Phase des Übergangs fast in Vergessenheit geraten waren, miteinander zu verbinden. Er unterschied zwischen Philosophie und Naturwissenschaft einerseits und der Theologie andererseits. Für ihn waren die ersteren eigenständige Arbeitsgebiete, auch wenn er sein Ziel letztlich darin sah, eine Synthese von Philosophie und Theologie zu erreichen. Denn Philosophie widersprach nach seiner Auffassung nicht der vom Glauben tradierten göttlichen Wahrheit, und der Glaube richte sich nicht gegen die Vernunft.[10] In seinem Werk „De caelo et mundo“ aber schrieb er: „Wir haben in der Naturwissenschaft nicht zu erforschen, wie Gott nach seinem freien Willen durch unmittelbares Eingreifen die Geschöpfe zu Wundern gebraucht, durch die er seine Allmacht zeigt; wir haben vielmehr zu untersuchen, was im Bereiche der Natur durch die den Naturdingen innewohnende Kausalität auf natürliche Weise geschehen kann.“[11] Die Kausalität wurde also wieder thematisiert. Unter dem Einfluss der Kirche betonte man nur andere Aspekte, ging aber von Gott als dem Urgrund und der Ursache allen Seins aus. Thomas von Aquin, ein Schüler Alberts, brachte Theologie und Philosophie über die Kausalität als Argument zusammen, um seine Gottesbeweise zu belegen. Er sah Gott als den Anfang von Allem: „Aus jeder Wirkung aber kann bewiesen werden, daß die entsprechende Ursache IST (wenn doch ihre Wirkungen bekannter sind für uns), weil, indem die Wirkungen von der Ursache abhängen, es bei gegebener Wirkung notwendig ist, daß eine Ursache vorher existiert. Daher ist „Gott“, dem gemäß, daß er nicht von selbst und zugleich für uns bekannt ist, beweisbar über die Wirkungen, die uns bekannt sind.“[12]

 

Wie schon Aristoteles unterschied die Scholastik zwischen einer causa per se und einer akzidentellen Ursache, sie interpretierte sie jedoch anders: eine akzidentelle Ursache war in der Perspektive der Scholastiker stets von einer Ursache per se abhängig: ein Ball, der eine Fensterscheibe zerbricht, ist davon abhängig, daß jemand ihn geworfen oder gegen ihn getreten hat. Das Merkmal der Abhängigkeit kennzeichnet daher eine per se geordnete Kausalreihe: Entscheidend ist die Kraft, die eine Wirkung möglich macht. Der Ball allein besitzt diese Kraft nicht, er muss von einer ursächlichen Kraft bewegt werden, der Kraft, die durch den Tritt gegen den Ball oder seinen Wurf ausgelöst wird. Es sind daher die einer Ursache per se innewohnenden Kräfte, die sie zur höheren und damit zur vollkommeneren Ursache machen. Eine akzidentell geordnete Kausalreihe dagegen ist eine Abfolge von Ur-sachen und Wirkungen, bei der Wirkung auf Ursache folgt, die dann selber zur nächsten Ursache wird, und zwar ohne daß die vorangegangene erste Ursache daran mitgewirkt haben muß: Wenn der Sohn durch Zeugung eines Kindes zum Vater wird, muß sein eigener Vater deshalb nicht in der Nähe, geschweige denn am Zeugungsakt beteiligt sein.

 

Diese beiden unterschiedlichen Vorstellungen von der Art einer Ursache spielen in den heutigen Theorien keine Rolle mehr, um mit ihnen zu einem tieferen Verständnis des Phänomens zu gelangen.

 

Zur Zeit der Renaissance wandelte sich das Bild, das sich die Wissenschaften von der Welt machten. Davon betroffen war auch die Kausalität. Während des Mittelalters gehörte die Astrologie noch unumstritten zu den Wissenschaften, suchte sie doch nach den ewigen Gesetzen des Weltalls; doch zugleich hatte sie auch mythischen Charakter, ein, wie Cassirer[13] schreibt, „dämonisches Element“. Beides betraf auch die Kausalität, die als eine von Gott gegebene Weltordnung verstanden wurde, die er über das astrologische Weltbild übermittelte. Ein Einwirken Gottes in seine Schöpfung konnte daher nur durch das Medium der Himmelskörper und ihre Beziehung zueinander erfolgen. Dieses Bild von der Kausalität änderte sich in der Renaissance. Der Theorie des Naturphilosophen Pietro Pomponazzi zufolge musste jedes Phänomen, so unverständlich es auch sein mochte, auf die allgemeine Form der Gesetzlichkeit zurückgeführt werden. Die Auffassungen der aristotelischen und platonischen Schulen lehnte er ab und postulierte ein streng deterministisches Weltbild. Der Zusammenhang von Ursachen und Wirkungen mußte als einzigartig und eindeutig gedacht werden, und dies betraf auch das Geistesleben, welches Pomponazzi in sein naturalistisches Weltbild integrierte. Es konnte nur dann als wahrhaft angesehen werden, wenn es ebenfalls auf die alles umfassenden Gesetze der Welt zurückgeführt werden konnte. Die Astrologie wurde mit ihm zum Gesetzmäßigen, dem sich die Wirksamkeit der Himmelskörper verdankt. Cassirer beschreibt Pomponazzis Thesen so:„Die »dämonische« Kausalität des Glaubens weicht der Kausalität der Wissenschaft.“(S.123)

 

Gegen Pomponazzis astrologische Interpretation wandte sich Pico della Mirandola. Er faßte den Kausalitätsbegriff mathematisch-naturwissenschaftlich, indem er im Ort eine geometrisch-ideelle Bestimmung sah, von dem deshalb keine Kräfte, von daher auch keine konkreten physischen Wirkungen ausgehen könnten. Sein Widerspruch gründet in seinem ethisch-humanistischen Menschenbild und insbesondere seiner Beurteilung genialer Fähigkeiten, die sich nicht dem Wirken der Gestirne verdanken, sondern auf Gott als den Ursprung auch des geistigen Seins zurückgehen. Und schließlich war es Petrarca, der den Wert und Reichtum der Individualität entdeckte und diese der Auffassung einer nur akzidentellen Individualität entgegensetzte.

 

Mit dem Zeitalter der Renaissance und den Arbeiten der genannten Philosophen öffnete sich der Weg in Richtung Aufklärung und mit ihm der Weg zu einer neuen Interpretation, einem neuen Verständnis der Kausalität.

 

2.2          Die Aufklärung: Hume und Kant

 

Wesentlich beigetragen zu unserer heutigen Sicht hat ein Perspektivenwechsel zu Beginn der Neuzeit. Eingeleitet wurde er von dem englischen Philosophen David Hume[14], von dessen Regulationstheorie Kant sagte, sie habe ihn aus seinem dogmatischen Schlummer geweckt. Hume lenkte erstmals den Blick auf die Frage des Beziehungsverhältnisses von Ursache und Wirkung, dem bis zu diesem Zeitpunkt wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden war. Nach Hume war Kausalität nichts anderes als eine aus wiederholter Beobachtung abstrahierte Gewohnheit. Sie war weder gottgegeben, noch hatte sie mit ersten Anfängen oder dem Sein und Werden zu tun, sondern beschränkte sich auf das Hier und Jetzt. Hume postulierte, die Verknüpfung zweier Ereignisse, von denen eines als Ursache, das andere als Wirkung bezeichnet wird, sei nichts anderes als das Resultat unserer Einbildungskraft: je häufiger wir eine bestimmte Erfahrung machen, deren Ergebnis stets dasselbe ist, umso mehr festige sich in uns die Überzeugung, dies werde auch beim nächsten Mal der Fall sein. Es sind also nicht die Ursachen selbst, die aufgrund einer ihnen inhärenten Kraft zur einer Verknüpfung mit der Wirkung führen, sondern die wiederholte Erfahrung, daß ähnliche Ereignisse immer mit ähnlichen Resultaten verbunden seien, ist der Grund, weshalb wir beides miteinander verknüpfen. Einzelne Beobachtungen werden also aufgrund ihrer Wiederholung generalisiert. Eine Kraft, eine der Ursache inhärente Energie, die diese Verknüpfung bewirkt, gebe es nicht. Und da andere Ergebnisse bei gleicher Ursache möglich seien, könne auch nicht behauptet werden, es müsse eine notwendige Verknüpfung geben. Feststellbar sei nur die Regelmäßigkeit, in der bestimmte Ereignisse aufeinander folgten.

 

Dieser Auffassung setzte Kant[15] heftigen Widerstand entgegen. Zwar richtete sich sein Zweifel nicht gegen die Tatsache, daß kausale Vorkommnisse von uns beobachtet und erfahren würden, aber nach ihm ist Kausalität eine Kategorie, und daher unhintergehbar. Seiner zweiten Analogie gab er deshalb die Überschrift. „Grundsatz der Zeitfolge nach dem Gesetze der Causalität.“, und stellt die Behauptung auf: „Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetze der Verknüpfung von Ursache und Wirkung.“ Für Kant war es undenkbar, daß Kausalität anders als gesetzmäßig sein könne. Sie stellt vielmehr eine Regel dar, die nicht aus der Erfahrung stammen kann, weil sie im Gegenteil diese – als einen strukturierten und nicht beliebigen Zusammenhang von Ereignissen – überhaupt erst ermöglicht. Von daher müsse Kausalität apriorisch sein und zugleich allgemeingültig und notwendig. Nun bestritt Kant, wie erwähnt, nicht, daß wir es sind, die wahrnehmen, daß zwei Erscheinungen aufeinander folgen und unser Denken sie in Bezug auf ihr zeitliches Verhältnis miteinander verknüpft. Doch diese Erfahrung sei uns nur möglich, wenn man die Folge der Erscheinungen - wobei mit Erscheinungen die Dinge als Gegenstände der Erfahrung gemeint sind - dem Gesetz der Kausalität unterwirft. Kausalität ist nach Kant daher die Voraussetzung für jede Erfahrung, sie macht diese erst möglich und bestimmt sich durch ihre Zeitenfolge. Der Satz, alle Veränderung müsse eine Ursache haben, sei daher apriorisch, denn der Begriff Ursache enthalte ja schon den Begriff der Notwendigkeit einer Verknüpfung mit einer Wirkung. Er erfordere es daher, daß eine Wirkung notwendig sei und nach einer allgemeinen Regel auf die Ursache folge, wobei die Ursache ausdrückt, daß die Wirkung nicht einfach hinzukommt, sondern durch die Ursache gesetzt wird. Ursache und Wirkung sind mit der Regel der Kausalität ihre bestimmte Stelle in der Zeit zugewiesen.

 

Die Schwachstelle in Kants Postulat einer Gesetzmäßigkeit der Kausalität ist die von Hume erwähnte fehlende vermittelnde Kraft zwischen Ursache und Wirkung bzw. das fehlen-de Verknüpfungsgesetz, welche(s) beide miteinander verbindet. Auch die Notwendigkeit, mit der eine solche Gesetzmäßigkeit gegeben scheint, ersetzt diese nach heutigem Verständnis nicht.

 

Humes ebenso wie Kants Blickwinkel bestimmen bis zu einem gewissen Grad die Diskussionen noch heute. Kants Begriff der Kategorie findet nach wie vor Akzeptanz, doch im Hinblick auf quantenmechanische Erkenntnisse ist Humes Ansicht für das heutige Verständnis von Kausalität prägend. Dennoch steht die Frage im Raum, ob es nicht doch notwendige Verbindungen in der Welt gibt, ob wirklich jedes Ereignis kontingent ist.

 

2.3          Theorien der Neuzeit

 

In jüngerer Zeit wurden eine ganze Reihe von Theorien zur Kausalität entwickelt, von denen einige nur verschiedene Aspekte berücksichtigen, wie die interventionistische[16] oder die Dispositions-Theorie[17]. Andere neigen entweder mehr der Kant’schen Idee von einer Naturgesetzlichkeit oder der Hume’schen von einer Gewohnheit zu. Bedeutung erlangte vor allem David Lewis kontrafaktische Theorie. Konterfaktuale haben in der Philosophie die Form: „Wenn Ereignis E nicht der Fall gewesen wäre, so wäre Ereignis E’ nicht eingetreten.“

 

Lewis, der den schon von Hume erwähnten kontrafaktischen Ansatz aufgriff, untersuchte zunächst, ob kontrafaktische Aussagen dazu geeignet seien, mit ihnen den Wahrheitswert zu ermitteln, den sie in Bezug auf Aussagen über unsere wirkliche Welt haben könnten. Kontrafaktische Aussagen beruhen auf unserer Intuition in Bezug auf Ursache-Wirkungszusammenhänge: Wenn bei einem Auto die Bremsen versagen, dann wird es zu einem Unfall kommen. Die kontrafaktische Aussage dazu ist die Annahme, dass es zum Unfall nicht gekommen wäre, wenn die Bremsen nicht versagt hätten. Lewis untersuchte seine These, indem er den modallogischen Begriff der möglichen Welt verwendete, um an ihm die Begriffe „möglich“ und „notwendig“ zu untersuchen. In unserer wirklichen Welt gilt, dass die Ereignisse e1 und e2 kausal miteinander verbunden sind, wenn das Ereignis e1 das Ereignis e2 verursacht. In einer möglichen Welt kann es vorkommen, dass es nur Ereignisse vom Typ e2 gibt, aber keine vom Typ e1. Und es kann mögliche Welten geben, in denen weder Ereignisse vom Typ e1 noch welche vom Typ e2 vorkommen. Eine solche Welt wäre der unseren ähnlicher als eine, in der nur Ereignisse vom Typ e2, nicht aber solche vom Typ e1 vorkommen. Die Ähnlichkeit zwischen wirklicher und möglicher Welt hängt demnach nur von den Naturgesetzen und der Verteilung der fundamentalen physikalischen Eigenschaften ab.

 

Transfer-Theorien, wie sie u. a. von Wesley Salmon und Max Kistler vertreten wer-den, sowie Mackies Theorie der INUS-Bedingung betrachten Kausalität dagegen unter einem bestimmten Aspekt: Die Theorie des australischen Philosophen John Leslie Mackie ist eine Regularitätstheorie. Mit ihr untersuchte Mackie den Begriff Ursache unter dem Aspekt, ob und welche mit ihm verbundenen Bedingungen hinreichend und notwendig seien, um zu einer Wirkung zu führen. Er unterschied dazu zwischen Umständen, die als bedingend bereits gegeben sein müssen, und einem weiteren, den er INUS-Bedingung nannte: den nicht hinreichenden, aber notwendigen Teil einer nicht notwendigen, aber hinreichenden Beding-ung[18] (Insufficient but Non-redundant part of an Unnecessary but Sufficient condition). Beides muß zusammen kommen - die bereits vorhandenen Umstände und die INUS-Bedingung -, damit von einer Ursache, die zur Wirkung führt, gesprochen werden kann. Mackie demonstrierte dies am Beispiel eines Hausbrandes, der ausgelöst wird durch eine defekte Steckdose: sie ist die INUS-Bedingung. Umstände, die bereits gegeben sein müssen, sind die Gardinen, die vor der Steckdose hängen und die durch den Kurzschluß Feuer fangen. Mackie formulierte außerdem zusätzliche Bedingungen, die, falls es sie gegeben hätte, einen Hausbrand hätten verhindern können, wie z. B. eine Sprinkleranlage, um seine INUS-Bedingung zu präzisieren.