Kein Bock auf Hierarchie - Thomas Sajdak - E-Book

Kein Bock auf Hierarchie E-Book

Thomas Sajdak

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Beschreibung

Eine bessere "zeitgemäßere" Führung, die die jüngeren Arbeitskräfte anspricht und mitnimmt, ist weder eine Frage komplizierter Führungstheorien noch eine Frage des Umbaus von Organigrammen bzw. der Einführung von Agilität. Beides geht nach Auffassung von Thomas Sajdak am Kern guter Führung vorbei, denn der strukturelle Umbau eines Unternehmens bringt allein noch keine Verbesserung der Führungsqualität oder -kultur. Und die Orientierung an umfassenden und zum Teil schwierigen Führungstheorien ist nicht praktikabel und verstellt zudem den Blick auf das Wesentliche.
Das Buch von Thomas Sajdak verfolgt daher einen anderen Ansatz: Führung ist im Grunde nicht schwierig, sondern eine Frage einfacher "Basics" oder Grundwahrheiten, die jeder verstehen, sich aneignen und durch wiederholtes Training erlernen kann. Es geht zum Beispiel um menschliche und emotionale Anteilnahme, das Stellen der richtigen Fragen zur richtigen Zeit und das Bewusstsein der eigenen Wirkung auf andere.
Ausgehend von den 3 Eckpfeilern - Einstellung, Technik, Wirkung - stellt das Buch eine größere Anzahl von "Hacks" bzw. "Basics" vor, erläutert ihre Hintergründe und ihre Wirkung, bringt praktische Beispiele und Übungen für die Anwendung. Jeder Hack ist einfach zu verstehen und anzuwenden, erfordert kein besonderes Wissen oder Können, sondern lediglich die Bereitschaft, zu üben und ihn konsequent zu nutzen.

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Seitenzahl: 276

Veröffentlichungsjahr: 2022

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© 2023 Wiley-VCH GmbH, Boschstraße 12, 69469 Weinheim, Germany

Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Print ISBN: 978-3-527-51103-7ePub ISBN: 978-3-527-83809-7

Umschlaggestaltung: Torge Stoffers

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Impressum

Einführung

Teil 1: UNTERNEHMENSKULTUR IM WANDEL

1 Vom Nebeneinander zum Miteinander

1.1 Was ist nur in den Unternehmen los?

1.2 Was ist bloß mit den Mitarbeitern los?

2 Mitarbeiter motivieren, wie geht das?

2.1 Auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen

2.1 Die jüngeren Generationen haben andere Erwartungen

3 Die Führungskultur als Schlüssel

3.1 Kommunikative Einbahnstraßen von oben nach unten

3.2 Kulturbeschleuniger als Vorreiter des Unternehmenswandels

4 Die Hierarchie des edlen Verhaltens

4.1 Welchen Sinn haben Hierarchien heute noch?

4.2 Auf die innere Haltung kommt es an

Teil 2: VON DER FÜHRUNGSKRAFT ZUR FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEIT

5 Deutschland sucht den Traumchef

5.1 Superman, die ideale Führungskraft?

5.2 Führen und Managen ist zweierlei

6 Die Vorstellungskraft ist der Anfang der Schöpfung

6.1 The Sky is the Limit

6.2 Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

7 Wenn Neandertaler Unheil anrichten

7.1 Impulskontrolle ausüben

7.2 »Ich dreh am Rad« – Stressfaktoren erkennen und ausschalten

8 Führungsgrundsätze als Kern der inneren Haltung

8.1 Nach unten wirken

8.2 Nach oben wirken

9 Sich mit positiven Energien aufladen

9.1 Die Macht der Gedankenrichtung

9.2 Motivierende Ziele setzen und planen

10 Mögen Sie mich überhaupt? Sympathien steuern

10.1 Perspektivwechsel vom Du zum Ich

10.2 Antipathie in Sympathie verwandeln

11 Kann man eine positive Grundhaltung trainieren? Interview mit Anja Milkowski (Verti Versicherung AG)

Teil 3: GESPRÄCHSFÜHRUNG UND GESPRÄCHSKULTUR

12 Grundlegende Gesprächstechniken

12.1 Das Gespräch als Begegnung

12.2 Unentbehrliche Elemente der Gesprächsführung

13 Inspirierend führen und motivieren

13.1 Ziele mit starkem Sog-Charakter finden

13.2 Mitarbeiter zu einem Commitment bewegen

14 Loben, Anerkennen und Wertschätzen

14.1 Warum Bestätigung so wichtig ist

14.2 Die Unterschiedlichkeit von Mitarbeitern würdigen

15 Die gelbe Karte zeigen – Fehlverhalten gekonnt ansprechen

15.1 Echtes und falsches Feedback

15.2 Drei Arten von Kritikgesprächen

16 Fördern und Fördergespräche führen

16.1 Das kürzeste Entwicklungsgespräch der Welt

16.2 Förderung von der Einstellung bis zur Entlassung

17 Meetings zielorientiert moderieren

17.1 Der Ablauf eines typischen Meetings

17.2 Die Art der Moderation entscheidet über den Erfolg

18 Trotz dezentraler Führungsstruktur die Wirkung erhöhen – Interview mit Anett Haberland (DKB Grund GmbH)

Teil 4: DIGITAL LEADING UND NEW WORK

19 Rebellion im Homeoffice – und im Büro

19.1 Hassliebe Homeoffice

19.2 Die Bedürfnisse aller Seiten in Einklang bringen

20 Die digitale Kompetenz erhöhen

20.1 Braucht digitale Führung besondere Fähigkeiten?

20.2 Nützliche Web-Tools für die Telearbeit

21 Neue Technologien und Generationen übergreifendes Lernen – Interview mit Rona van der Zander

Schlusswort

Literaturverzeichnis

Danksagung

Über den Autor

Stimmen zum Buch

End User License Agreement

Tabellenverzeichnis

Kapitel 13

Tabelle 1: Erreichen von Zielen

Illustrationsverzeichnis

Kapitel 5

Abbildung 1: Blamiere dich täglich

Abbildung 2: Wunsch und Wirklichkeit klaffen auseinander

Kapitel 6

Abbildung 3: 7,8 Milliarden Mitarbeiter können uns unterstützen!

Kapitel 7

Abbildung 4: Wenn der "Ne-Andi" die Keule schwingt …

Abbildung 5: Die stärksten Belastungen im Arbeitsalltag

Kapitel 8

Abbildung 6: Bewusst nach oben wirken

Kapitel 9

Abbildung 7: Positives Denken verstärken und Positives anziehen

Abbildung 8: Der Weg ist das Ziel

Abbildung 9: Prioritäten nach der Eisenhower-Matrix

Kapitel 12

Abbildung 10: Gemeinsamkeiten finden

Abbildung 11: Warten auf den letzten Tropfen – wie bei einem guten Kaffee

Kapitel 13

Abbildung 12: Mitarbeiter mit attraktiven Zielen motivieren

Abbildung 13: Den Mitarbeiter zum Helden machen

Kapitel 16

Abbildung 14: Immer zuerst den Mitarbeiter das Bild entwerfen lassen

Abbildung 15: Skill-Will-Matrix: Können und Wollen in Einklang bringen

Orientierungspunkte

Cover

Titelseite

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Fangen Sie an zu lesen

Schlusswort

Literaturverzeichnis

Danksagung

Über den Autor

Stimmen zum Buch

End User License Agreement

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Einführung

»Kein Bock auf Hierarchie« – so könnte man die Ansicht speziell der jüngeren Generation Z zum Thema Führung auf den Punkt bringen. Sie will keine traditionellen Hierarchien in den Unternehmen mehr, in denen »von oben« vorgegeben wird, was »unten« umgesetzt werden soll, und in denen Kreativität und Eigenverantwortung unerwünscht oder zumindest stark eingeschränkt sind.

Doch nicht nur die Generation Z der kurz vor dem Millennium Geborenen, sondern auch die Generation Y der rund 20 Jahre Älteren hat immer weniger Bock auf Hierarchie. Stellen Menschen dieser Generationen fest, dass sie sich in einem Unternehmen nicht einbringen können, dass der Job keinen Sinn macht und sie nur langweilige Aufgaben übernehmen sollen, kündigen sie – oder bewerben sich erst gar nicht.

Das ist insoweit fatal, als dass der Fachkräfte- und Bewerbermangel heute höhere Wellen schlägt denn je und die Unternehmen dringend Arbeitskräfte benötigen, aber oftmals nicht finden. Derzeit – und aufgrund des demografischen Wandels wahrscheinlich auch noch über mehrere Jahre – herrscht in allen Unternehmen vom Kleinstbetrieb bis zum Konzern »Ebbe« in Sachen Stellenbesetzung: Egal welche Branche, egal ob einfache Jobs mit relativ geringer Qualifikation oder hochdotierte Fachpositionen mit hoher Qualifikation – es lassen sich vakante Stellen oftmals über längere Zeit nicht besetzen. Hinzu kommt, dass viele fest angestellte Mitarbeiter nach der Pandemie gekündigt haben, wenn der Job oder die Arbeitsumstände für sie nicht mehr passten.

Es ist aber auch für all die Mitarbeiter und potenziellen Bewerber fatal, die sich in den Unternehmen nicht einbringen können, wie sie möchten. Wie viel unerschlossenes Potenzial an Kreativität und Bereitschaft zur Mitgestaltung schlummert hier unausgeschöpft! Wäre es nicht fantastisch, wenn Unternehmen dieses Potenzial erschließen könnten?

Von meinem Geburtsjahrgang her stehe ich selbst »zwischen« der Generation Z und den Babyboomern, die derzeit noch vielfach die Leitung in den Unternehmen haben. In meiner Laufbahn habe ich beide Seiten kennengelernt, und mein Herz schlägt »in beiden Welten«. Lange Jahre war ich in einer Bank angestellt, die sehr klassisch-hierarchisch geführt wurde, was im Übrigen in vielen Banken noch heute der Fall ist. Dort war ich Mitarbeiter und später auch Führungskraft. Aber ich kenne auch die andere Seite der »jüngeren« Unternehmen, die ein völlig anderes Führungsverständnis haben und leben.

Ich habe die Vor- und Nachteile verschiedener Arten des Führens kennengelernt und sehe, wie sich eine Brücke zwischen dem hierarchischen Führen und den Bedürfnissen der jüngeren Generationen schlagen lässt. In meinen Trainings vermittle ich Führungskräften ein Führungsverständnis, das eine Basis schafft, um Mitarbeiter zu begeistern und einzubinden. Wir können einerseits nicht gänzlich auf Hierarchien verzichten, aber wir müssen andererseits auch nicht ständig »den Boss heraushängen« lassen und Macht zum einzigen Führungsinstrument erheben.

Es gibt bessere, cleverere Führungsinstrumente, die Führungskräfte einsetzen können, um Mitarbeiter zu motivieren, um ihre Kreativität und ihr Engagement zu wecken und wachzuhalten und um gleichzeitig auch die Entwicklung des Unternehmens und seiner Kultur zu fördern. Von einer »besseren« Führung profitieren letztlich alle: Mitarbeiter (und Bewerber), die gerne bei einem Unternehmen arbeiten und sich voll einbringen möchten, Führungskräfte, denen die Führung (wieder) Spaß macht und die selbst dazulernen, sowie Unternehmen, die sich besser entwickeln und ihr Potenzial entfalten.

In diesem Buch haben Sie Gelegenheit zu erfahren, wie sich Führung so gestalten lässt, dass Sie alle Mitarbeiter auf die Reise mitnehmen – auch die, die »keinen Bock auf Hierarchie« mehr haben. Das Buch richtet sich an Unternehmer und Führungskräfte, die ihre bisherigen Führungswerkzeuge erweitern, verbessern und schärfen möchten.

Im ersten Teil des Buches befassen wir uns mit dem grundlegenden Wandel der Unternehmenskultur, in dem wir uns derzeit befinden, und seinen Folgen. Der Wandel scheint fundamentaler und tiefgreifender zu sein als alles, was wir in den letzten 30 bis 50 Jahren erlebt haben, weil vieles jetzt zusammenkommt: die Digitalisierung mit ihren hohen und ständig wechselnden Change-Anforderungen, eine Veränderung der Machtverhältnisse und der Generationenwechsel.

Im zweiten und dritten Teil werden die wesentlichen Instrumente und Werkzeuge vorgestellt, die eine gute Führungskultur ausmachen. Im zweiten Teil geht es zunächst um die innere Haltung der Führungskraft. Die richtige Einstellung ist mehr als alles andere entscheidend für den Führungserfolg.

Im dritten Teil lernen Sie eine Reihe verschiedener Gesprächstechniken kennen, die Sie in unterschiedlichen Führungs- und Gesprächssituationen anwenden können, z. B. in Zielvereinbarungs- und Fördergesprächen, bei der Wertschätzung von Mitarbeitern und in Meetings.

Im vierten Teil werfen wir einen Blick auf die Digitalisierung und sehen uns an, welchen Einfluss Homeoffice und New Work auf die Führung haben und mit welchen Webtools Sie sich Führungsaufgaben erleichtern können.

Wenn Sie das Buch gelesen haben, werden Sie verstehen,

wie Sie als Führungskraft eine natürliche Autorität entwickeln, der Mitarbeiter gerne folgen,

warum es beim Führen sehr stark auf Wirkung ankommt und wie Sie Ihre Wirkung erhöhen,

wie Sie Mitarbeiter inspirierend führen, und zwar unabhängig davon, ob Sie disziplinarischer Vorgesetzter oder z. B. nur vorübergehend Leiter eines Projekts sind.

(Zur besseren Lesbarkeit verzichte ich im Buch auf das künstliche Gendern der Sprache, weil es sich nicht flüssig liest. Selbstverständlich kann »die« Führungskraft auch ein Mann und »der« Mitarbeiter eine Frau sein.)

Viel Erfolg bei der Entwicklung Ihrer Führungs- und Unternehmenskultur wünscht Ihnen

Ihr Thomas Sajdak

Teil 1UNTERNEHMENSKULTUR IM WANDEL

»Die Zukunft hat viele Namen. Für Schlaue ist sie das Unerreichbare, für Furchtsame das Unbekannte, für Mutige die Chance.« (Victor Hugo)

 

Warum lesen?

Viele Unternehmen befinden sich heute im Wandel oder stehen unter Druck, einen Wandel zügig zu vollziehen, wenn sie dem anhaltenden Fachkräftemangel, den gestiegenen Ansprüchen der Beschäftigten und den vielen anderen neuen Herausforderungen gerecht werden und zugleich produktiv bleiben wollen. Wir nehmen den Wandel genauer unter die Lupe: Was macht eine funktionierende Unternehmens- oder Führungskultur aus? Wo lässt sich der Hebel für eine Veränderung ansetzen? Und welche Rolle spielen dabei die Führungskräfte?

1Vom Nebeneinander zum Miteinander

1.1 Was ist nur in den Unternehmen los?

In einem großen Energiekonzern vollzog sich ein Kulturwandel, dessen deutlichstes Merkmal die Regelung der Aufzugsbenutzung war: Seit Jahrzehnten war es üblich, dass die Mitglieder des Vorstands mit einem eigenen Aufzug in »ihre« Chefetage hinauffuhren. Mitarbeiter und andere Führungskräfte des Unternehmens durften den Aufzug nicht betreten; seine Benutzung war Teil der Vorstandsprivilegien.

Langsam setzten Veränderungen ein. Es wurde nun vereinbart, dass auch Mitarbeiter und Führungskräfte den Aufzug des Vorstands benutzen durften. Doch sobald ein Vorstandsmitglied einstieg, mussten sie sofort aussteigen und zu Fuß die Treppen hinauflaufen. (Fragen Sie sich gerade auch, welche Szenen der Begegnungsvermeidung sich in Nähe des Aufzugs abgespielt haben könnten?)

Auch diese Vereinbarung weichte nach einer gewissen Zeit auf: Mitarbeiter und Führungskräfte brauchten den Aufzug nicht mehr zu verlassen, wenn ein Vorstandsmitglied einstieg – aber sie durften den Vorstand unter keinen Umständen während der Fahrt ansprechen. Man hatte sich schweigend nach oben zu bewegen.

Nächste Veränderung: Alle dürfen nun endlich den Aufzug gemeinsam benutzen und dabei sogar mit den Vorstandsmitgliedern reden, aber bitte schön per Sie. Letzte Stufe des Wandels: Alle fahren gemeinsam im Aufzug, reden miteinander – und duzen sich. Auch der CEO wird mit dem Vornamen angesprochen.

Die Sonderregelung der Aufzugsbenutzung fiel schrittweise über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren. Heute können alle Mitarbeiter, Führungskräfte und Vorstände im Energiekonzern über das seltsame Aufzugsprivileg und -gebaren früherer Zeiten herzlich lachen; es kommt ihnen so vor, als ob es schon hundert Jahre oder länger her wäre, dass man so miteinander umging.

In der Tat könnte man glauben, dass die Aufzugsregel schon sehr alt ist, doch die Wende in der Unternehmenskultur wurde erst 2011 eingeleitet, und zwar nach dem Reaktorunfall in Fukushima. Der Energiekonzern hatte verstanden, dass man nicht mehr so weitermachen konnte wie bisher. Es bedurfte nicht nur neuer Quellen der Energiegewinnung für die Kunden, sondern es waren auch intern frische Energien erforderlich, um den Wandel zu bewältigen. Dafür brauchte man engagierte Mitarbeiter, die ihr Wissen und Können einbrachten und an der Energiewende aktiv mitarbeiteten. Und das wäre nicht möglich gewesen, wenn man an überholten Privilegien festgehalten, überflüssige Tabus aufrechterhalten und die Mitarbeiter weiter dazu angehalten hätte, der »obersten Heeresleitung« um jeden Preis aus dem Weg zu gehen und zu schweigen. Das hätte die Menschen auch weiterhin zu bloßen Befehlsempfängern gemacht, und als solche wären sie nicht motiviert – ja nicht einmal befugt – gewesen, eigene kreative Ideen und Impulse einzubringen.

»Der Kulturwandel ist der Umsatz der Zukunft. Die Alternative ist die Insolvenz.« (Alexander Birken, CEO der Otto Group, https://www.22316mag.de/2021/09/otto-group-resilience/)

In etlichen Unternehmen ist es noch heute so, dass die Dicke des Teppichs und die Etagennummer als stillschweigende Anweisung gelten, wie Führungskräfte und Mitarbeiter miteinander umzugehen haben. Von Etage zu Etage wird der Teppich dicker. In der obersten Etage ist der Teppichflor so hoch, dass er den Kopf des Mitarbeiters um mindestens fünf Zentimeter überragt, sobald er ihn betritt. Der Vorgesetzte, der seinen Arbeitsplatz auf dieser Etage hat, nimmt für den Mitarbeiter die Größe eines Wolkenkratzers ein – so weit steht er über ihm.

Wer traut sich, in solch einer Atmosphäre seine Meinung zu sagen? Wer traut sich, sich aktiv einzubringen, vielleicht auch mal etwas Kritisches zu äußern? Niemand! Eigentlich braucht es keine geräuschdämmenden Teppiche, denn es ist ohnehin recht still, weil man nicht miteinander redet (aber vielleicht übereinander?).

Verzichtete man allerdings auf die sorgsam gestuften Insignien der Macht auf jeder Etage und ließe den Teppich weg, würden sich plötzlich Führungskräfte und Mitarbeiter auf Augenhöhe begegnen. Und damit entstünde eine völlig andere, unverkrampfte Arbeitsatmosphäre, in der man locker und produktiv miteinander umginge!

1.2 Was ist bloß mit den Mitarbeitern los?

Meinem Eindruck nach sind viele Unternehmen derzeit im Begriff, die Teppiche aufzurollen und wegzuschaffen – und damit einen ähnlichen Kulturwandel einzuleiten wie der Energiekonzern. Im Moment erleben wir einen der tiefgreifendsten Transformationsprozesse, die es in den letzten 75 Jahren gegeben hat. Im Zeitraffer müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle der Digitalisierung anpassen, Prozesse und Infrastrukturen modernisieren und andere Probleme meistern. Viele Unternehmen erleben dabei ihr höchst eigenes »Fukushima«.

Hack:

Hand aufs Herz: Wo steht Ihr Unternehmen gefühlt derzeit? Fahren die Mitarbeiter schon mit Ihnen gemeinsam im Aufzug nach oben? Oder stecken alle im selben Aufzug fest und reden nicht miteinander? Schaffen Sie es, die Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen? Sind Sie mitten in einem Transformationsprozess oder ist dieser nur »angedacht« und wird seit Monaten »ausdiskutiert«? Wird auf die Ansprüche der Mitarbeiter eingegangen?

Zum Dauerthema der Digitalisierung, die uns mindestens noch weitere 20 Jahre beschäftigen wird, und dem fragilen Finanzsystem kommen heute zusätzlich weitere Themen hinzu, die durch die Pandemie deutlich sichtbar geworden sind. Vor allem der wachsende Fachkräftemangel spielt eine große Rolle. Er erregt zwar schon seit einigen Jahren die Gemüter, tritt aber anscheinend erst seit der Pandemie verstärkt ins Bewusstsein der Unternehmen und Führungskräfte und lässt sie nach Lösungen suchen.

Unternehmen haben große Schwierigkeiten, Bewerber für vakante Stellen zu finden: 1,7 Millionen Stellen bleiben unbesetzt (vgl. Koch 2021), gleich ob es sich um Ausbildungsplätze oder um hochdotierte Fachpositionen (vgl. Backovic 2022a) handelt. Betroffen sind davon kleine Handwerksbetriebe ebenso wie große DAX-Konzerne sämtlicher Branchen, darunter Gesundheits-, Bau-, Automobil-, Chemie-, Versand- und IT-Unternehmen. Viele Arbeitsplätze bleiben monatelang vakant, und so mancher Arbeitgeber gibt die Personalsuche entnervt auf.

Zusätzlich rollt seit der Pandemie eine große Kündigungswelle durch die Unternehmenswelt – ein Phänomen, das nicht nur Deutschland betrifft, sondern fast weltweit zu beobachten ist und inzwischen unter dem Begriff »Great Resignation« erfasst wird. Einige Gründe dafür hat Karrierecoach Bernd Slaghuis gefunden, nachfolgend ausgedrückt in den Worten seiner Klienten und Klientinnen (vgl. Slaghuis 2022):

»Mir ist klar geworden, dass ich in diesem Job falsch bin.«

»Ich langweile mich und kann meine Stärken nicht einbringen.«

»Ich sehe keine Perspektive bei diesem Arbeitgeber.«

»Das ist nicht mehr meine Firma.«

»Meinen Chef kann ich nicht mehr ernst nehmen.«

»Es wird zu viel diskutiert und nichts mehr entschieden.«

»Ich bin in der Firma nie richtig angekommen.«

»Mir ist bewusst geworden, dass andere Dinge im Leben zählen.«

Und wer nach der Pandemie nicht gekündigt hat, sondern geblieben ist, stellt plötzlich mit neuem Selbstbewusstsein Ansprüche, die für viele Arbeitgeber undenkbar und geradezu unerhört sind. So wollen manche z. B. nicht mehr an ihren Präsenzarbeitsplatz zurückkehren, sondern bestehen darauf, weiterhin im Homeoffice zu arbeiten; andere wollen genau das Gegenteil, nämlich endlich heraus aus dem Homeoffice und wieder soziale Kontakte zu den Kollegen.

Neue Kandidaten für ausgeschriebene Positionen verlangen vielfach von Anfang an eine 25- oder 30-Stunden-Woche, oft mit der Option, auch im Ausland von jedem beliebigen Ort der Welt aus arbeiten zu können. Dass es funktionieren kann, beweist das jüngst durchgeführte isländische Experiment der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Studien zeigten, dass isländische Arbeitnehmer weniger oft krank, zufriedener und produktiver sind, wenn die Arbeitszeit auf vier Wochentage reduziert wird (vgl. Bauer 2021).

Lehnen Arbeitgeber hierzulande ähnliche Wünsche ab, so neigen die Mitarbeiter zur Kündigung, und Bewerber ziehen ihr Angebot zurück.

Rund 25 Prozent der Mitarbeiter kündigen hierzulande mittlerweile, ohne überhaupt einen neuen Job in Aussicht zu haben. Die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber ist nicht nur deutlich geringer geworden, weil ein Arbeitsplatzwechsel leichter denn je ist, sondern sie ist mittlerweile sogar auf einem historisch einmaligen Tiefpunkt angekommen.

Eine von Randstad durchgeführte repräsentative Befragung von Arbeitnehmern aller Altersstufen im ersten Halbjahr 2022 ergab folgendes Bild: 33 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sind lieber arbeitslos als »unglücklich im Job«. Und 40 Prozent aller Beschäftigten würden eine Stelle ablehnen, wenn sie ihnen keine Flexibilität über die Wahl des Arbeitsortes erlaubt (vgl. Klauth 2022).

2Mitarbeiter motivieren, wie geht das?

2.1 Auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter eingehen

Was für die Unternehmen eine »Great Resignation« – zu Deutsch sowohl »große Kündigung« als auch »große Depression« – ist, verbuchen die Mitarbeiter für sich unter »Covid-Klarheit«: Als sie monatelang allein im Homeoffice arbeiten mussten, hat sich ihre Einstellung zur Arbeit verändert. Die Lebensqualität hat zugenommen, viele Ablenkungen, die sonst den Arbeitsalltag bestimmen, sind weggefallen. Annehmlichkeiten und Statusobjekte des Arbeitsplatzes, wie z. B. ein eigener Firmenwagen, erwiesen sich als überflüssig oder verloren ihre Bedeutung. Der Besitz von Dingen wurde weniger wichtig als deren Gebrauch.

Jeder war mehr als sonst im Homeoffice mit dem Kern seines Jobs konfrontiert, zugleich gewann das Zusammensein mit der Familie einen höheren Stellenwert. Etliche dürften geschockt gewesen sein, wie wenig ihnen ihr bisheriger Job wirklich bedeutete.

Einen simplen Tausch von Arbeitszeit gegen Geld wollen viele seit der Pandemie für sich nicht mehr akzeptieren – es geht ihnen neben der besseren Vereinbarkeit von Job und Privatleben um Sinnerfüllung und um Möglichkeiten der Mitgestaltung und Weiterentwicklung. Mitarbeiter wollen, dass sich die Arbeit ihrem Leben anpasst und nicht das Leben ihrer Arbeit.

Drehen wir die obigen kritischen Aussagen von Menschen zu ihrer Arbeit ins Positive, so wird sichtbar, was Mitarbeiter von ihrem Arbeitgeber heute erwarten:

Sie wollen einen Job, in dem sie ihre Stärken einbringen können.

Sie wollen Möglichkeiten zur individuellen Weiterentwicklung im Job.

Sie wollen Chefs, die klare Entscheidungen treffen und ein Vorbild für sie sind.

Und sie möchten Arbeitgeber, die ihnen all das ermöglichen.

Können wir Mitarbeitern das verübeln? Können wir ihnen verwehren, die Arbeit so zu gestalten, dass sie sich ihrem Leben anpasst, anstatt dass sie sich für die Arbeit verbiegen? Sicher nicht! Wenn Unternehmen den Anspruch haben, dass sich die Mitarbeiter voll einbringen, dann geht das nur, wenn der Einzelne die Möglichkeit hat, zu tun, was ihm am meisten liegt, also seine Stärken auszuleben.

Viele Arbeitgeber fühlen sich mit den neuen, gegenüber früher deutlich selbstbewussteren Ansprüchen der Mitarbeiter dennoch überfordert. Er ist voll entbrannt, der War for Talents, auch erkennbar an den vielen Abwerbungsversuchen, die zu beobachten sind.

Mitarbeiter lassen sich nicht mehr wie früher von blumigen Versprechen einer tollen Arbeitsatmosphäre und der Versicherung, den »Menschen in den Mittelpunkt« zu stellen, blenden. Werden diese Versprechen nicht eingehalten, dann entsteht eine »Glaubwürdigkeitslücke« (vgl. Bauer 2021) – im Klartext: Es geht Vertrauen verloren und damit auch Engagement für den Arbeitgeber.

Liest man bei LinkedIn die Posts von Unternehmen, so könnte man glauben, dass alle Firmen großartig sind: Alle Mitarbeiter umarmen sich fröhlich auf den Fotos, es gibt schicke Kaffeemaschinen, Workations, Chai-Lattes, Mac-Books, Fußballkicker, Ruheräume usw. Fast schon könnte man Komplexe bekommen, weil der eigene Arbeitsplatz im Vergleich so schrecklich fad ist. Doch im täglichen Kontakt mit den Unternehmen erlebe ich etwas anderes.

Geschäftsführer und Führungskräfte fragen mich: »Wir stellen täglich frisches Obst auf den Tisch, wir haben schon Tischtennisplatten, Erholungsräume usw. eingerichtet, aber es verändert sich nichts. Herr Sajdak, was sollen wir denn noch tun, um die Mitarbeiter endlich zu motivieren?«

Die einzige Antwort, die ich als externer Trainer geben kann und stets gebe, lautet: »Haben Sie eigentlich schon die Mitarbeiter selbst gefragt, was sie haben möchten?« Fast immer heißt es: Nein.

Theoretisch kann man sich vieles aus den Fingern saugen: Vielleicht wollen die Mitarbeiter keine Kantine, aber dafür eine Sporthalle, vielleicht auch etwas ganz anderes. Doch ein Blick in die Glaskugel hilft ebenso wenig wie die Befragung von externen sogenannten »Experten«. Und damit sind wir mittendrin im Thema Kulturwandel und Führungskultur:

Viel zu lange, schon seit Jahrzehnten, wird über die Mitarbeiter gesprochen statt mit ihnen. Führen, das heißt auch heute noch oft: Anweisungen geben und diktieren, anstatt gemeinsam etwas zu erarbeiten und zu moderieren.

Man versucht, Tricks zu finden, um die Mitarbeiter zu motivieren, weil man sich auf einer recht abgehobenen Ebene mit dem Thema Motivation beschäftigt. Dabei wird das Nächstliegende versäumt, nämlich die Mitarbeiter einfach mal zu fragen: »Was würde euch Spaß machen und gefallen?«

Vor einigen Jahren wurde eine groß angelegte Studie durchgeführt, bei der man feststellte: Unternehmen investieren Millionen Euro in Beratungsleistungen, doch die Berater kommen überwiegend zu denselben Ergebnissen wie die Mitarbeiter. Was die Belegschaft dachte und an Verbesserungen ohnehin im Sinn hatte, stimmte weitestgehend mit den Erkenntnissen überein, die auch die Berater gewonnen hatten. Wenn das Management die Mitarbeiter gefragt hätte, was sie längst wussten, hätte man sich das teure Consulting ersparen können. Aber die Mitarbeiter waren nicht einbezogen worden. Externe Berater wissen meist weniger als die Mitarbeiter. Es kommt darauf an, deren Wissen anzuzapfen, indem man ihnen die Chance gibt, sich mitzuteilen, und gemeinsam mit ihnen Lösungen findet.

2.1 Die jüngeren Generationen haben andere Erwartungen

Klar ist, dass es mit einem optimierten Recruiting – verbesserten Stellenanzeigen, ein paar mehr Annehmlichkeiten am Arbeitsplatz oder intensiveren Abwerbungen von der Konkurrenz – in den Unternehmen nicht mehr getan ist, um die vielen vakanten Stellen zu besetzen und weiterer Fluktuation vorzubeugen. Die Pandemie ist zu einem Beschleuniger, einem Katalysator in der Veränderung der Arbeitswelt geworden, zugleich zu einem Beschleuniger in Richtung Digitalisierung. Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen – schon deshalb nicht, weil der sogenannte »Fachkräftemangel« keine vorübergehende Erscheinung ist, sondern ein strukturelles Problem mit demografischem Hintergrund, das uns noch die nächsten 20 bis 25 Jahre beschäftigen wird. In den letzten 25 Jahren wurden bedeutend weniger Menschen geboren als in den vorherigen Generationen. Bis 2030 werden allein in Deutschland rund 5 Millionen Arbeitnehmer fehlen, weil jährlich Hunderttausende mehr in den Ruhestand gehen, als Arbeitskräfte nachrücken (vgl. Spiegel 2022); in anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus.

Derzeit sind vier Generationen gleichzeitig in der Arbeitswelt tätig: die Babyboomer-Generation (geboren 1956–1965), die Generation X (1966–1980), Generation Y (1981–1995) und Generation Z (ab 1996). Sie unterscheiden sich gravierend in ihren Bedürfnissen, aber auch in ihrer Einstellung zur Arbeit: Die Babyboomer haben den Begriff »Workaholic« geprägt und messen der Arbeit einen hohen Stellenwert bei; für Generation X hingegen geht es schon um die »Work-Life-Balance«. Für Generation Y, die »Digital Natives«, ist die Karriere nicht mehr so wichtig, und der Spaß am Job steht stärker im Vordergrund (vgl. Rosenbaum). Am wichtigsten jedoch ist er für Generation Z, die schon aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten keine Trennung von Arbeit und Privatleben mehr kennt und noch viel stärker das Bedürfnis nach einem erfüllenden, sinnvollen Job hat als alle vorangegangenen Generationen. Die meisten Führungspositionen im Management der Unternehmen haben derzeit noch die Babyboomer und Mitglieder der Generation X inne, die ganz andere Werte und eine andere Haltung zur Arbeit leben als die Generation Z – hier prallen Welten aufeinander!

»Altersgemischte Teams sind die beste Plattform, um den Transfer von Know-how und Kompetenzen zwischen Alt und Jung zu fördern.« (Ralf Overbeck, https://www.generationenmanagement.info/zitate)

Die Mitglieder der Generation Z haben keinen Bock mehr, in streng hierarchischen Systemen zu arbeiten, die ihnen nicht genug Freiheit einräumen. Diese Systeme sind nicht mehr zeitgemäß, zumal der digitale Wandel heute ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Kommunikation bietet. Mit Bootcamps, Innovationswerkstätten, Interaction Rooms, Innovation Labs, agilen Tools usw. ist New Work angesagt. Die Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit, zwischen Arbeits- und Lebensort fällt mehr und mehr weg. Man ist überall erreichbar und kann nahezu überall arbeiten. Umso weniger wollen sich die jüngeren Mitarbeiter in einem zu eng gewordenen Korsett hierarchischer Systeme einsperren lassen.

Unternehmen müssen sich den Bedürfnissen der neuen Generation anpassen, ansonsten wird der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften zum größten Engpass für ihre Entwicklung und gefährdet möglicherweise sogar ihre Existenz. Die Situation hat sich in der Pandemie nochmals verschärft: Stellte der Fachkräftemangel 2020 mit 56 Prozent laut Statista schon das größte Risiko dar, so stieg er 2022 nochmals auf jetzt 67 Prozent an – und rangiert damit noch vor schwankenden Energie- bzw. Rohstoffpreisen (64 bzw. 60 Prozent).

Unternehmen brauchen in Zukunft überzeugende Antworten auf die Frage: Warum sollen sich Mitarbeiter gerade bei uns bewerben? Was bieten wir ihnen? Womit können wir uns von anderen Unternehmen positiv abheben? Und wie binden wir unsere derzeit Beschäftigten, so dass sie nicht aus Frust kündigen?

Das sind Fragen, über die viele Unternehmen noch nicht nachgedacht haben. Es ist für sie sehr ungewohnt, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Anbieter- zu einem Nachfragemarkt komplett gedreht hat, dass jetzt die Arbeitnehmer am längeren Hebel sitzen und ihren Vorteil auch zu nutzen wissen. Sie beugen sich nicht mehr so einfach fremden Erwartungen, treten selbstbewusster auf, wissen, was sie wollen und was nicht. Die übliche Methode, die besten Kandidaten zu identifizieren und sie mit Boni, Incentives und anderen Zusatzleistungen an Bord zu holen und zu halten, funktioniert nicht mehr.

Unternehmen bzw. Arbeitgeber sind nun in der Position, dass sie sich bei den Bewerbern bewerben und bei den Mitarbeitern bewähren müssen, um offene Stellen zu besetzen und um Kündigungen wie Abwerbungen vorzubeugen.

3Die Führungskultur als Schlüssel

3.1 Kommunikative Einbahnstraßen von oben nach unten

Ich bin der Ansicht, dass Unternehmen durchaus in der Lage sind, den neuen Anforderungen der jüngeren Generation(en) proaktiv zu begegnen und die Situation so zu steuern, dass sie genügend Arbeitskräfte für sich gewinnen und halten. Die Frage ist, mit welchen Mitteln und Maßnahmen das am besten geschieht. Meine These lautet:

Unternehmen brauchen weniger ein verbessertes Recruiting als eine Kultur, die die Mitarbeiter aktiv einbezieht, die ihre Stärken zu nutzen weiß und die ihnen die Möglichkeit zur Weiterentwicklung gibt – eine Kultur, die auf intakten Beziehungen und auf Vertrauen basiert. Das ist der sicherste Weg in die Zukunft.

Eine zentrale Rolle spielen dabei die Führungskräfte. Sie sind quasi die »Markenbotschafter« eines Unternehmens. Durch zahlreiche Gallup-Studien in den letzten Jahren wissen wir: Mitarbeiter kommen wegen des Jobs, sie bleiben wegen des Unternehmens, und sie kündigen wegen ihres Vorgesetzten. Niemand hat einen größeren Einfluss auf die Motivation und das Engagement von Mitarbeitern als der direkte Vorgesetzte!

Eine Ursache dafür, dass es in vielen Unternehmen an einer echten Führungskultur fehlt, liegt am vielfach noch verbreiteten Verständnis einer Hierarchie, die entsprechend einseitige Kommunikationsstrukturen hervorbringt – gewissermaßen eine »Führungsrutsche«, in der Führung ausschließlich »von oben nach unten« funktioniert und gelebt wird.

Vor einiger Zeit kontaktierten mich ein Personalchef und eine Marketingleiterin, weil ich für ihre Führungskräfte ein Trainingskonzept ausarbeiten sollte. Ich fragte: »Was sind Ihre Ziele?« »Das wissen wir auch nicht so genau.« »Gut«, sagte ich, »wir können die Ziele in einem Workshop erarbeiten.« Darauf meinte die Marketingleiterin: »Workshops kommen bei unseren Leuten nicht so gut an.« »Wie anders wollen Sie denn eine Bestandsaufnahme machen, was gut oder weniger gut läuft?«, fragte ich. »Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder verraten Sie mir die Ziele, und ich mache das. Oder wir entwickeln im Workshop gemeinsam mit den Führungskräften die Kernfelder, in denen wir später trainieren.«

Schließlich hieß es, ich solle doch einfach ein Trainingskonzept zuschicken, was ich allerdings ablehnte. Im weiteren Verlauf des Gesprächs wurde mir klar, dass die Geschäftsführung bei allen Dingen im Hause mitreden wollte, auch bei der Gestaltung der Trainings. Die Kultur war sehr hierarchisch »von oben« geprägt, die Entscheidungsbefugnis »nach unten« stark eingeschränkt, was unter meinen beiden Gesprächspartnern erkennbar zu Unsicherheit führte. Außerdem hatte das Unternehmen einen Schock erlitten, weil früher einmal ein Coach im Hause trainiert hatte, der die Teilnehmer angeschrien und zum Weinen gebracht hatte, damit sie »besser« wurden. Offenbar hatten die Marketingleiterin und der Personalchef generelle Bedenken in Bezug auf mein Training, aber auch Bedenken, ob ich die Überzeugungskraft hätte, das Konzept der Geschäftsführung vorzustellen und mich durchzusetzen.

»Ich habe den Eindruck, dass Sie nicht wissen, was zu tun ist, und große Angst haben, dass Sie Ihre Idee mit mir zusammen nicht nach oben verkaufen können und der Chef das Training ablehnt«, sagte ich ganz offen. Die beiden Führungskräfte waren völlig unvorbereitet in das Gespräch mit mir gekommen und dachten, ich brächte eine »Wundertüte mit Führungslösungen« mit. Ich musste sie erst einmal aufbauen, um die Idee, den Führungsansatz, der Geschäftsleitung nahebringen zu können, was letztlich auch gelungen ist.