Kein Mann für eine Nacht - Fae Clarke - E-Book

Kein Mann für eine Nacht E-Book

Fae Clarke

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Beschreibung

Das Leben ist ein Arschloch. So oder ähnlich würde Abby sagen. Nur mit großer Kraft entkommt sie einer miserablen Beziehung und lernt auch recht bald die wahre Liebe mit all ihren Ecken und Kanten kennen. Und das ist kein Leichtes für sie. Allein auf eigenen Beinen stehend, wankt sie zwischen Euphorie und tiefem Fall. Doch die Freundin und vor allem ER stehen ihr stets zur Seite. Er, der sie ein ums andere Mal um den Verstand zu bringen scheint. "Kaum verlässt er vor sich hin schimpfend mein Zimmer, wische ich mir angewidert den Mund ab. Wie so häufig vernehme ich übelste gegen mich gerichtete Beleidigungen, doch diese prallen mittlerweile an mir ab. Zu oft habe ich diese schon zu hören bekommen." "Eine Woge naht heran, ich kann es selbst kaum glauben. Ich sehe Lichtblitze auf den Innenseiten meiner Lider, das Blut rauscht in meinen Ohren. Meine Finger verkrampfen sich, klammern sich irgendwo fest, ich weiß nicht wo. »Oh Gott!«, schreie ich, doch es hört sich wie ein Flüstern an."

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Seitenzahl: 504

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Fae Clarke

Hommes à Femmes

Kein Mann für eine Nacht

Das Leben ist ein Arschloch.So oder ähnlich würde Abby sagen. Nur mit großer Kraft entkommt sie einer miserablen Beziehung und lernt auch recht bald die wahre Liebe mit all ihren Ecken und Kanten kennen. Und das ist kein Leichtes für sie.Allein auf eigenen Beinen stehend, wankt sie zwischen Euphorie und tiefem Fall. Doch die Freundin und vor allem ER stehen ihr stets zur Seite. Vor allem er, der sie ein ums andere Mal um den Verstand zu bringen scheint.

Fae Clarke ist das Pseudonym einer deutschen Autorin.

Bereits als Kind war sie eine Leseratte und verschlang reihenweise Bücher. In frühester Jugend schrieb sie immer wieder Kurzgeschichten und Gedichte.

Erst etliche Jahre später entschloss sie sich, ihren ersten Roman "Das bittersüße Traumkonzert" zu veröffentlichen. Eine Fortsetzung folgte allerdings sehr schnell.

Und jetzt wird eine erotische Reihe begonnen.

Bereits erschienen:

»Das bittersüße Traumkonzert«

Eine Vorgeschichte aus der Lilith-Chronik

»Bitter Elation«

Band II aus der Lilith Chronik

Fae Clarke

Hommes à Femmes

~

Kein Mann für eine Nacht

Band I

Impressum

© 2021 Fae Clarke

1. Auflage 2021

Autor: Fae Clarke

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15|01237 DresdenUmschlaggestaltung: Fae Clarke

Druck und Verlag: epubli GmbH|Berlin|www.epubli.de

ISBN: 978-3-754926-52-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

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1

W

ieder warte ich sprichwörtlich Stunde um Stunde; mir reißt bald der Geduldsfaden. Wieso hält er mich fortwährend so hin? Warum gibt es jedes Mal solch ein Theater? Es ist Samstagabend und wie immer, wenn es daran geht, in den Club zu fahren, lässt er sich Zeit, stellt meine Geduld auf die Probe. Es macht mich wahnsinnig, lässt mich regelrecht unruhig werden. Einmal, wenn wir nach drei Monaten wieder weggehen, stellt er sich wie ein kleines, bockiges Kind an. Seit einer halben Stunde befinde ich mich nun fertig angezogen in der Küche und tigere auf und ab. Der Herr bewegt sich keinen Millimeter von der Couch.

»Nur noch diese eine Folge!«, meinte er vorhin noch schnippisch, bevor ich ins Badezimmer hinaufgegangen war, um mich fertigzumachen. Ich schaue auf die Uhr - das war vor über einer Stunde. Das ist aber eine merkwürdige Serie. Vorsichtig schleiche ich mich hinüber und linse ins Wohnzimmer.

»Gleich!«, bekomme ich prompt zu hören.

»Ich dachte … «, beginne ich und werde auf der Stelle von einem schweren, theatralischen Seufzer unterbrochen.

»Dann schau ich es eben nicht mehr an!«, mault er mich an und schaltet demonstrativ den Fernseher aus, um danach die Fernbedienung lautstark auf den Tisch zu werfen.

Verunsichert schaue ich ihn an. »Du meintest doch vorhin, dass du ›nur noch diese eine Folge‹ anschaust.«

»Ja, da wusste ich aber noch nicht, dass drei Folgen hintereinanderkommen. Aber nun habe ich ihn ja ausgemacht. Zufrieden?« Sein eiskalter Blick macht mir von Mal zu Mal mehr Angst. Wortlos ziehe ich mich in die Küche zurück.

Was will er eigentlich noch von mir? Warum ist er noch mit mir zusammen, wenn er sich doch ständig über mich beschwert und nichts mehr mit mir unternehmen will, sogar nur auf sein Recht pocht? Diese Fragen schwirren mir bereits seit Monaten durch den Kopf.

Tagtäglich behauptet er, dass er mich liebt, doch davon merke ich nichts. Außer Grapschen und feuchten Küssen gibt es nichts Liebevolles mehr in unserer Beziehung. In letzter Zeit komme ich immer öfter zu dem Schluss, dass das Ganze ein Ende haben muss, nur weiß ich noch nicht wie ich das anstellen soll. Die Angst vor einem kompletten Neuanfang hält mich nach wie vor bei ihm.

»Bist du nun zufrieden?«, blafft er mich an, als er mir in die Küche folgt.

Wenn ich jetzt nicht irgendetwas erwidere, bricht gleich wieder ein großes Donnerwetter über mich herein. »Dann schau weiter.« Wieso sage ich das, spinne ich jetzt vollkommen? Nun hat er mich doch wieder in der Hand?

»Ich mach mich jetzt fertig, obwohl ich wirklich keine Lust habe«, hält er mir buchstäblich vor und trottet ins Badezimmer hinauf. Das wird nun wieder eine Stunde dauern, wie immer. Verdammt! Und wieder werden es bloß zwei Stunden im Club werden. Aufseufzend zünde ich mir eine Zigarette an; ich rauche mittlerweile viel zu viel.

Vor acht Jahren hatten wir uns in ebendiesen Club kennengelernt. Wir hatten uns unterhalten und uns bereits nach wenigen Sätzen sympathisch gefunden, aber anscheinend nicht anziehend genug, um uns zu verabreden. Bei einem zweiten zufälligen Aufeinandertreffen einige Wochen später, hatte er mir Komplimente über meinen Tanzstil, meine Kleidung, meine fröhliche Art gemacht. Damals hatte ich eine enganliegende kurze Hose und eine Korsage getragen, das weiß ich noch bis heute. Genauso wie ich mich daran erinnern kann, dass er mit einer dunkelblauen Jeans und einem schwarzen Shirt bekleidet war. Insbesondere waren mir seine außergewöhnlichen Chucks aufgefallen, woraufhin ich ihn auch ansprach.

Auf meine Frage, ob er überhaupt etwas mit der Szene anfangen könne, da er so schlicht gekleidet war, hatte er gemeint: »Ja klar, sonst wäre ich ja nicht hier, oder?«

Schon bald stellte sich heraus, dass dies eine Lüge war, denn er hatte nur vorgegeben, diese Art Musik zu mögen. Nach kurzer Zeit hatte ich den Eindruck, dass er das nur gesagt hatte, um auf diese perfide Weise an eine Frau heranzukommen, dabei war ihm anscheinend egal, wen er da anbaggerte. Wieso er sich überhaupt in dieser Szene aufgehalten hatte, kann er mir bis heute nicht beantworten.

Bei dem dritten Treffen und dem tatsächlich ersten Date, nach über drei Monaten, waren wir zusammengekommen, obwohl ich mich dabei nicht wirklich wohlgefühlt hatte. Irgendetwas in meinem Inneren hatte mir damals gesagt, dass ich es bleiben lassen sollte, doch ich tat dieses Gefühl als trügerisch ab, ignorierte meine Intuition und verrannte mich prompt in eine für mich beinahe ausweglose Situation.

Die ersten Wochen waren romantisch, zu romantisch, wenn ich genau darüber nachdachte. Dieses Level konnte er auf Dauer nicht halten. Oft hatte er mir irgendwelche Kleinigkeiten geschenkt, meist alte oder gebrauchte Dinge von sich, was mich eigentlich stutzig hätte machen sollen. Stattdessen hatte ich mich über diese kleinen Gaben gefreut, wenngleich es schon merkwürdig war, dass er mir CDs und Filme aus seiner Sammlung geschenkt hatte. Nach Monaten stellte sich dann auch heraus, dass er damit nichts mehr anfangen konnte. Diese wären ihm zu düster, wie er meinte. Demzufolge gab er diese Dinge einfach an mich weiter und beschenkte mich damit nicht, wie ich anfangs annahm.

Zu Beginn hatte er mir unmissverständlich erklärt, dass er nicht mit mir zusammenziehen wolle, da er seinen Individualismus beibehalten und sein eigenes Leben weiterführen möchte. Das wäre ja an und für sich in Ordnung gewesen, wenn er sich nicht nach nur vier Wochen klammheimlich bei mir eingerichtet hätte. Wieso kam ich damals nicht auf den Gedanken, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging? Denn er bestand nach wie vor darauf, offiziell nicht bei mir zu wohnen. Immer mehr meiner Dinge wurden verdrängt, da er seine eigenen Sachen platzieren wollte. Was ich damals nicht merkwürdig fand, sondern toll. Wie dumm, wie blauäugig von mir!

Nach einem halben Jahr gab er seine Einzimmerwohnung endgültig auf. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich einfach alles. Er mäkelte an meinem Kleidungsstil herum, wollte nicht, dass ich so gekleidet in den Club ging. Warum? Immerhin hatte er mich doch genauso kennengelernt. Auf meine Fragen hatte er keine für mich befriedigenden Antworten. Dennoch, ich unternahm schlichtweg nichts! Wieso hatte ich ihn nicht spätestens in diesem Moment meiner Wohnung verwiesen?

Nach und nach schränkte er mich ein, ich durfte mich nicht mehr allein mit Freunden treffen, was ich auch noch okay fand, da er mich immer und überallhin begleitete. Meine Freunde erklärten mich für verrückt, ich empfand es als normal. Dieser Eindruck änderte sich, sobald er nicht mehr mit mir weggehen wollte und mir dementsprechend nicht mehr erlaubte, weiterhin meine Bekannten zu besuchen oder allein in den Club zu gehen. Damit verlor ich nach und nach alle, die mir lieb waren und war plötzlich allein. Zumindest fast, denn meine beste Freundin Alice blieb an meiner Seite, bis heute.

Was ich an ihm von Anfang an mochte, war, dass er sich pflegte. Jeden Tag rasierte er sich, duftete fantastisch und seine glatte Brust lud dazu ein, diese berühren zu wollen. Bis der Zeitpunkt kam, als er sich zu vernachlässigen begann. Plötzlich sprießten Bart- und Brustbehaarung. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Haare auf der Brust, solange es gut aussieht, aber das ist bei ihm eben nicht der Fall. Sein Bart ist zudem äußerst kratzig und ungepflegt, und er ist irrsinnigerweise stolz darauf.

Am schlimmsten war aber der Geruch. So etwas Grauenvolles hatte ich noch nie zuvor wahrgenommen. Zum ersten Mal fiel es mir beim Sex auf. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich auch, warum er immer so viel Deodorant und Eau de Toilette verwendete. Gut, er kann nichts dafür, das sah ich ein, aber die Körperpflege vernachlässigte er schließlich ebenfalls. Er duschte sich nicht mehr regelmäßig und wo sich vorher seine Duschgels stapelten, gähnte auf einmal Leere.

Nach gut zwei Jahren begann die für mich schlimmste Zeit, die bis heute andauert. Er fing an, mich zu bedrängen, immer und überall Sex zu wollen. Am liebsten hätte er täglich gewollt, doch das konnte ich nicht, weil sich in mir alles blockierte. Durch meine Zurückweisungen wurde er aggressiv und enthüllte sein wahres Ich, welches er so lange vor mir versteckt hielt. Deshalb lasse ich ihn bis heute zuweilen über mich rutschen, damit ich für die nachfolgenden Tage meine Ruhe habe.

Obwohl ich es nicht mag, befummelt er mich in der Öffentlichkeit. Er verstand mein Nein nicht, im Gegenteil, er deklarierte es sogar als Spiel, als ob ich ihn damit anheizen wolle. Manchmal packte er mich auch am Arm und tat mir weh, wenn ich ihm sagte, dass ich keine Lust habe. Seine laute Stimmlage machte mir immer öfter Angst, ebenso wie seine Wutausbrüche. Vermehrt zog ich mich deshalb zurück, wollte von mir aus nicht mehr weggehen.

Selbst wenn wir uns mit seinen Freunden trafen, zog er mich vor ihnen durch den Kakao, verkaufte sich als starken Macker. Ich war nur sein lästiges Anhängsel, das er fertigmachen konnte, wann und wo er wollte. Nach einer Weile ertrug ich das nicht mehr und stellte ihn nach etlichen Malen zur Rede. Das war ein großer Fehler, denn nun muss ich mir beinahe täglich anhören, dass ich mich nicht anstellen soll. Schließlich habe ich gewusst, worauf ich mich einlasse. Was aber schlichtweg gelogen war, denn so gab er anfangs überhaupt nicht.

Vermehrt lud er all seinen Frust auf mir ab, seine Ausbrüche eskalierten immer mehr. Die Arbeit ist Scheiße, alle Mitmenschen sind dämlich und das Leben ist eh sinnlos und stinklangweilig, es gab andauernd etwas auszusetzen. Sobald sich der Unmut in meiner Mimik widerspiegelte, weil ich seine Tiraden einfach nicht mehr ertrug, donnerte er los, warum ich solch ein Gesicht ziehe, ich habe schließlich keinerlei Probleme. Die habe doch nur er. Bis heute tut er so, als ob das ganze Leid der Welt auf seinen Schultern laste.

In all diesen Jahren waren wir nie gemeinsam im Urlaub, wobei ich sagen muss, dass das wohl auch besser ist, denn ich möchte nicht wissen, wie er sich gibt, wenn ich ihn zwei Wochen am Stück um mich habe. Nichtsdestotrotz vermisse ich es sehr, mich an den Strand zu setzen, um abschalten zu können. Oder Städtereisen zu unternehmen. England hat so viel zu bieten, es muss ja kein Auslandsaufenthalt sein.

Verträumt blicke ich auf die Postkarten meiner ehemaligen Freunde, die sich über die Jahre bei mir angehäuft haben und mit Magneten an dem großen Kühlschrank heften. Madeira, Toskana, Alpen, sogar eine aus Florida ist dabei. Aber am schönsten finde ich die aus der Provence und den Highlands. Sacht streiche ich über die farbenprächtigen Karten und verliere mich in meinen verflixten Gedanken.

Als wir vor drei Jahren in dieses Haus zogen, hätte ich das nicht tun sollen, ich hätte stattdessen die Flucht ergreifen müssen. Warum tat ich es nur nicht? Ob es daran gelegen hatte, dass er all meine Sachen zuvor entsorgte? Ich hatte zu dem Zeitpunkt kaum mehr etwas besessen, was rein mir gehörte. Als er vor dem Umzug meine Bücher auszusortieren begonnen hatte, bin ich das erste Mal ausgetickt. Niemand darf sich an meiner heiß geliebten Bibliothek vergreifen! Nicht einmal mein cholerischer Freund.

Das hatte er sich natürlich nicht gefallen lassen. Er hatte mich damals gegen das Regal gestoßen, sodass ich mir eine Prellung zuzogen hatte. Ab diesem Moment hatte er anscheinend Blut geleckt, denn die harten Klapse auf mein Hinterteil empfindet er bis heute als lustig, sogar anregend, genauso wie seine Kniffe in meine Brust oder den Bauch. Ich konnte es ihm hundert Mal erklären, dass ich das nicht mag und er mir damit wehtut, es interessierte ihn nicht.

Schlussendlich hatte er begonnen, mich wegen meiner Figur aufzuziehen. Ich hatte zugenommen, das ist richtig, doch so, wie er mich vorzugsweise vor anderen beschrieb und darstellte, war es dann doch nicht. Allerdings fühlte ich mich seitdem fett. Wenn ich ihn hingegen auf seinen schwabbeligen Bauch ansprach, war er sofort beleidigt und zog noch mehr über mich her, um sogleich von sich abzulenken. Seine Hartherzigkeit zehrte nach und nach an mir.

Bis zum heutigen Tag zieht er über die Menschen und die Musik der Szene her, da er nichts mit ihnen anfangen kann. Dabei sind die meisten intelligente Leute, die genauso ihren Spaß haben wie andere auch. Er behauptet allerdings immer wieder, dass sie alle selbstmordgefährdet und viel zu düster wären. Man könne keine normalen Gespräche führen und die Musik, die sie alle hören, ist krank und öde.

Ja, warum war er damals überhaupt in diesem Club und weshalb lief ihm damit über den Weg? Wieso komme ich verdammt noch mal nicht aus dieser verflixten Beziehung raus? Weswegen lasse ich es zu, dass er mich so behandelt? Immer wieder frage ich mich das - seit Jahren. Die Vermutung liegt nahe, dass ich mich mittlerweile mit all dem abgefunden habe. Zudem bin ich auch nicht mehr die Jüngste, um mich so mir nichts, dir nichts auf Partnersuche zu begeben. Kann ich das überhaupt noch – flirten? Hm, zu gern würde ich wissen, wie sich diese berühmten Schmetterlinge im Bauch anfühlen. Ich weiß es nämlich nicht mehr, denn selbst als ich mit Pete zusammenkam, hatte ich dieses Gefühl nicht verspürt. Leider … oder doch nicht?

Warum denke ich eigentlich über dieses verfluchte Gefühl der Verliebtheit nach, anstatt erst einmal mit meinem Leben zu Recht zu kommen? Verdammt! Das kann doch nicht sein? Denn falls ich mich endlich dazu aufraffen kann, mich zu trennen, sollte ich erst einmal das Alleinsein genießen, die Ruhe. Niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, das wäre ein Traum! Aber wahrscheinlich kann ich gar nicht allein sein, zumindest vermute ich das.

Obwohl … Ich wäre nie ganz allein, da Alice immer für mich da wäre, auch wenn ich sie in den letzten Jahren sehr vernachlässigt hatte. Aber eine beste Freundin ist kein Partner, der mich vielleicht einmal glücklich machen könnte, woran ich allerdings nicht mehr so recht glaube. Und wieder schweifen meine Gedanken ab. Nein, Stopp, rüge ich mich selbst und schüttle energisch den Kopf.

Langsam ziehe ich mir die kniehohen Stiefel an. Vor Langeweile wische ich noch einmal über das schwarze Leder. Die Zeit rast davon, es ist mittlerweile nach 23 Uhr, wir werden erst kurz vor Mitternacht im Club sein. Mit einem enttäuschten Gefühl krame ich in meiner Handtasche, hole einen Geldschein heraus. Heute muss ich alles bezahlen, damit er überhaupt mitfährt.

Niedergeschlagen setze ich mich auf einen Küchenstuhl, rutsche nervös hin und her. Das Nichtstun lässt mich immer wieder grübeln. Ich empfinde schon lange nichts mehr für Pete und er tut so, als ob er das nicht wüsste. Wie dumm oder blind muss man sein? Der Sex ist stinklangweilig, Einheitsbrei und er merkt nicht einmal, dass ich währenddessen keine Gefühlsregung zeige. Hinterher tue ich so, als ob ich erschöpft wäre, um ihn schnell wieder loszuwerden. Er schwitzt und stinkt dabei. Oh Gott! Was habe ich nur für abscheuliche Gedanken?

Schnell schüttele ich mich, um nicht erneut in einen Strudel aus Hass und Ekel zu fallen. Rücksichtsvoll sollte ich schon noch bleiben. Aber warum eigentlich? Er beschimpft mich aufs Übelste, zieht bei Freunden und hinter meinem Rücken über mich her und denkt, dass ich davon nichts mitbekomme. Nun bin ich auch noch den Tränen nahe! Klasse ganz toll gemacht, Abby! Ich sollte mir abgewöhnen nachzudenken.

Erstaunt höre ich ihn schwerfällig die Treppe heruntertappen. Schnell wische ich mir über die Augen, fächle mir Luft zu, damit er nichts bemerkt.

»Na? War ich schnell, oder was?«, tönt er auch bereits hinter mir.

Der Blick auf die Uhr zeigt mir allerdings, dass mittlerweile vierzig Minuten vergangen sind, von wegen. »Ja, ich bin baff«, sage ich und hoffe inständig, dass ich damit überzeugend klinge.

»Siehst du, so geht das! Ich zieh mich an und schau noch was nach, dann können wir meinetwegen los«, lässt er beinahe stolz verlauten und brummelt etwas, als er denkt, dass ich ihn nicht mehr hören kann. Er meckert wieder herum, dass er keine Lust auf den ganzen Mist hat.

Zorn kocht in mir hoch, ich muss jetzt wahrscheinlich weitere zwanzig Minuten warten. Frustriert rauche ich die nächste Zigarette. Wie oft hatte ich mir schon vorgenommen, einfach jemanden zu kontaktieren, der mich mitnimmt. Immer wieder bot Alice mir an, mich abzuholen. Was will er schon machen, außer toben und das tut er so oder so bereits. Warum habe ich es bloß noch nie gemacht? Weil ich einfach dumm bin, antworte ich mir selbst. Etwas anderes kann es schlichtweg nicht sein.

Hach, wäre es nicht einmal schön, ohne größeren Ärger im Vorfeld in den Club zu fahren und einfach den Abend zu genießen? Die Musik, die Gespräche, das Tanzen. Aber Nein, ich dumme Pute muss mich ja immer runterziehen lassen, sodass ich die Zeit, die eh schon so knapp bemessen und vor allem so selten ist, kaum mehr genießen kann.

Grinsend muss ich plötzlich daran denken, dass mich die letzten Male etliche Männer angestarrt haben und ich bis heute nicht weiß, warum. Abgesehen davon war eh keiner darunter, der mir auch nur ansatzweise gefallen hätte. Ja, ich weiß, ich bin oberflächlich, doch seit Monaten habe ich das unergründliche Verlangen, nur einmal einen Mann küssen zu wollen, der ein ansprechendes Äußeres hat. Nur ein einziges Mal, sodass ich mich nur seufzend und schwerlich von ihm lösen kann.

Wieso hege ich solch einen quälenden Gedanken überhaupt? Schließlich weiß ich, dass es nie dazu kommen wird. Klar, ein attraktiver Kerl küsst mich einfach so, ohne Hintergedanken. So was Dummes, schelte ich mich selbst und richte mich auf. Ich gehe in den Vorraum, ziehe meine Jacke über und stelle mich dabei vor den großen Spiegel, um mein Make-up noch einmal zu überprüfen. Das bekommt Pete natürlich im Vorbeigehen mit, fasst es sofort als Druck auf und murrt erneut herum. Mit den Händen in der Jackentasche versuche ich unsichtbar zu wirken, was ihn aber anscheinend noch wütender macht.

»Dadurch gehts auch nicht schneller!« Nicht dass er noch herummault, weil ich atme oder existiere! »Geh doch schon raus, wenn du es nicht erwarten kannst.«

Pete öffnet die Haustür und schmeißt mich tatsächlich hinaus. Es sind Minusgrade, ziemlich kalt in dem gerade einmal knielangen Rock. Zitternd gehe ich zum Zaun und warte frierend weitere fünf Minuten, bis er endlich herauskommt. Aufgebracht knallt er die Tür zu, schließt nicht ab, wie immer. Mittlerweile weise ich ihn nicht mehr darauf hin, da er mich doch nur anfährt. Sollen sie eben bei uns einbrechen, dann hat er wieder etwas zum Meckern, wenn die Versicherung nichts zahlt, da nicht abgeschlossen wurde. Soll mir nur recht sein, gebe ich resigniert auf.

Mit schnellen Schritten rauscht er an mir vorbei und lässt mich links liegen. Wie ein begossener Pudel trotte ich ihm zum Auto hinterher. Auf dem Beifahrersitz liegen wie immer CDs, Kopfhörer, Essensreste. Und wieder muss ich warten, nimmt das heute denn gar kein Ende? Kaum sitze ich endlich im Auto, fährt er auch schon los, ohne dass ich mich anschnallen konnte. Hastig greife ich nach dem Gurt, um ihn zu fixieren.

Fluchend, worüber weiß er wohl selbst nicht, rast er die schmale Gasse entlang. Auf dem Weg in den Club herrscht eisiges Schweigen, ich starre aus dem Seitenfenster und tue so, als ob es etwas Interessantes in der Dunkelheit zu sehen gäbe. Besser diese bedrückende Stille ertragen als eine dieser endlos nervigen Diskussionen.

»Was ist los?«, fragt er mich plötzlich allen Ernstes. Zu früh gefreut.

»Nichts«, antworte ich ihm tonlos. Augenverdrehend wende ich mich wieder dem Fenster zu und starre hinaus. Wie sehr ich diese Fragerei satthabe. Was soll schon los sein?

Anfangs habe ich zu Genüge den Fehler begangen und ihm ehrlich darauf geantwortet. Das Ergebnis war meist, dass wir uns stritten, über nichts. Nie wieder werde ich auf diese Frage wahrheitsgemäß Auskunft geben, zumal er weiß, was los ist. Und erst recht nicht jetzt, wo wir doch bald da sind.

Endlich wieder tanzen, mich mit den wenigen Freunden und Bekannten, die mir noch geblieben sind, unterhalten und mit denen ich Spaß haben kann. Er wird wiederum dumm rumstehen und sich deplatziert vorkommen. Über die Musik und die Leute nörgeln, nur ab und an frustriert nach draußen gehen, um zu rauchen. Die restliche Zeit wird er mich genau beobachten, jeden Mann um mich herum mustern, um sich aufregen zu können. Jeder Typ will schließlich etwas von mir.

Nun muss ich doch schmunzeln, er sieht es glücklicherweise nicht. Es ist Jahre her, dass es einer gewagt hatte mich anzusprechen. Sofort stand Pete wutschnaubend neben mir und tötete den Mann mit Blicken. Seitdem versuche ich lieber eine eiskalte Miene aufzusetzen, damit ja keiner auf die Idee kommt mich anzusprechen, obwohl dies gar nicht meiner Natur entspricht. Ich würde mich nämlich sehr gern unterhalten, neue Freundschaften schließen, aber das kann ich mir abschminken. Jeden, den wir bisher zusammen kennengelernt haben, hat er auf seine Seite gezogen, für sich vereinnahmt und ich wurde außen vorgelassen. Allerdings sind das auch nie Leute aus dem Club gewesen. Tom war der Letzte, mit dem ich mich frei unterhalten konnte, bevor Petes Eifersucht zu groß wurde. Beinahe heimlich haben wir uns angefreundet. Ob er heute ebenfalls da ist?

Auf dem Parkplatz hinter dem Club hält Pete an, doch er denkt nicht daran auszusteigen. Er werkelt hier und da herum, tut so, als ob er etwas suchen würde, wie immer eben. Dann schaut er mich gelangweilt an. »Na? Noch immer keinen Kuss?«, fragt er.

Eigentlich ist das keine Frage, sondern eine Aufforderung. Ich weiß, wenn ich ihn jetzt nicht küsse, werde ich wieder vor allen anderen ein Drama erleben. Also beuge ich mich hinüber und spüre seine feuchten, aufgestülpten Lippen auf meinem Mund und Kinn. Rasch muss ich mich innerlich schütteln. Küssen konnte er wirklich noch nie, es ist nur ekelhaft nass. Tief einatmend steige ich nun doch aus, mir ist es plötzlich egal, ob er folgt oder nicht, ich muss auf der Stelle aus diesem Auto raus. Fort von dieser Enge, diesem Gefühl des Ausgeliefertseins und weg von ihm.

Nun kann so einiges nachkommen, allerdings ist er heute erstaunlich gelassen und schlingt nur seinen Arm um mich. Die übliche Demonstration, dass ich ihm gehöre. So betreten wir auch den Club, jedoch muss er sich gezwungenermaßen von mir lösen, damit ich den Eintritt zahlen kann. Max, der Türsteher, zwinkert mir klammheimlich zu, als ich das Geld hinblättere.

In der Garderobe im Eingangsbereich hilft Pete mir wie immer nicht aus der Jacke, sondern stöhnt erst einmal lautstark über die Menschenmassen und wie wenige Kleiderbügel es doch gäbe. Früher hatte er mir galant geholfen, aber auch nur, wenn er wollte, das macht er allerdings schon lange nicht mehr. Somit knülle ich meine Jacke zusammen und lege sie weit hinten in eine Ecke auf den Boden. Was soll ich groß herummachen? Mich über den Mangel an Aufbewahrungsmöglichkeiten ärgern?

Bei dem ersten Schritt in den Barbereich erkenne ich einige bekannte Gesichter, umgehend werde ich kopfnickend gegrüßt. Nur Alice kann ich nirgends entdecken, wahrscheinlich steht sie wie üblich auf der Tanzfläche. Als Erstes besorge ich mir eine Cola und für Pete ein Bier. Kaum stehen die Getränke auf dem Tresen, schnappt er sich seine Flasche und geht seines Weges. Darüber bin ich sehr dankbar, denn nun kann ich mich um die Bekannten kümmern. Nach nur wenigen Minuten bin ich auch schon in ein Gespräch verwickelt und wippe dabei zur Musik, die dumpf aus dem Tanzbereich herüberschallt.

Tom, der sich rasch zu mir gesellt hat, sieht mich nach einer Weile mit einem verschmitzten Grinsen an und meint: »Na los, gehen wir tanzen!« Noch einmal linse ich zu Pete hinüber, der mich aber schon vergessen zu haben scheint, da er einen alten Freund getroffen hat. Heute könnte ich Glück haben und die Zeit genießen, ohne mir ständig sein Gezeter anzuhören, wie Scheiße doch alles wäre. Ist das fies? Nein, es ist nur die Wahrheit!

Aufgeregt folge ich dem Freund in den Tanzbereich hinüber. Sein hellblondes Haar fällt in der Menge ziemlich auf. Er nimmt mir die Flasche aus der Hand und stellt sie mit seiner auf den Tisch neben dem Eingang. Ich kann mich weder umsehen noch nach Alice suchen, denn er zieht mich augenblicklich mit sich auf die Tanzfläche und ich bin sofort in meinem Element.

Diese Musik macht mich glücklich, lässt alle Sorgen von mir abfallen; ich werde augenblicklich zu dem Menschen, der ich eigentlich bin. Rhythmisch bewege ich meinen Körper im Takt, ich weiß selbst, dass das nicht uninteressant wirkt, doch keiner würde es wagen mich anzusprechen, ebenso wenig wie eine der anderen Frauen im Club. Hier wahren die Männer respektvoll Abstand. Die Jungs um mich herum nicken mir nur wiedererkennend zu. Ich bin bekannt, auch wenn ich in den letzten Jahren so selten anwesend war, kenne die meisten, zumindest vom Sehen oder vom Namen her. Früher war ich schließlich Stammgast und immer hier, wenn der Club geöffnet hatte, ließ kaum eine Veranstaltung aus, im Gegensatz zu heute.

Als die Musik umschwenkt, kehre ich zu dem kleinen Tisch zurück. Heute sind ungewöhnlich viele neue Leute zugegen, fällt mir auf, während ich neugierig in die mir unbekannten Gesichter blicke. Aber was weiß ich schon, ich bin nicht mehr allzu oft hier und kann darüber gar nicht urteilen. Wahrscheinlich werde ich bereits als Neuling eingestuft, denke ich schmunzelnd.

Ich greife zu der Flasche und lasse trinkend meinen Blick schweifen, nicke denen, die ich flüchtig kenne, leicht zu. In dem Moment, als ich mich herumdrehe, halte ich abrupt inne, sodass ich mich beinahe an der Cola verschlucke, und schaue ungläubig zurück.

Ein äußerst attraktiver Mann, den ich noch nie hier gesehen habe, blickt mir direkt in die Augen. Er lehnt mit verschränkten Armen nur einige Meter von mir entfernt an der Wand gegenüber und mustert mich ebenfalls neugierig. Trotz der schummrigen Beleuchtung kann ich sein leichtes Schmunzeln, das seine Mundwinkel umspielt, erkennen. Verlegen schaue ich schnell weg, viel zu schnell. Auffälliger konnte ich das Ganze nicht gestalten!

»Hey Süße!«, ertönt es neben mir und werde von der zuckersüßen Alice umarmt. »Bist du auch mal wieder da? Wie gehts dir? Wo ist Pete?«

»Draußen an der Bar«, lasse ich recht abfällig verlauten, nachdem ich mich kurz gesammelt habe.

»Na Gott sei Dank!«, ruft sie. Und schon schnattert die quirlige, schwarzhaarige Schönheit los. Verstohlen blicke ich wieder zu dem dunkelhaarigen Typ hinüber und bemerke, dass er mich unverhohlen von oben bis unten betrachtet. Fahrig streiche ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuche die plötzlich aufkommende Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Meine Hände zittern, als ich die Flasche auf den Tisch stelle. Was ist denn nur los mit mir? Ich muss mich auf der Stelle ablenken!

»Entschuldige, ich geh tanzen«, unterbreche ich hastig den nicht enden wollenden Redeschwall der Freundin und flüchte regelrecht auf die Tanzfläche. Normalerweise lasse ich niemanden einfach so stehen, aber dieses Mal muss ich es tun. Alice wird das sicherlich verstehen, wenn ich es ihr in einer ruhigen Minute erkläre.

Mal sehen, ob der alte Trick noch funktioniert, um herauszufinden, ob ich mir das nur einbilde oder er tatsächlich Interesse an mir zeigt. Ich positioniere mich so, dass er sich etwas vorbeugen muss, um mich beobachten zu können. Doch selbst nach einigen Minuten kann ich ihn nicht entdecken. Was solls, dann genieße ich eben seine Blicke, wenn ich wieder am Tisch stehe. Schulterzuckend drehe ich mich herum und tanze zu einem langsamen Lied.

Jemand tippt mir nach einer Weile auf die Schulter und ich mache kehrt, um die Person böse anzufunkeln; ich mag es nämlich gar nicht, wenn man mich beim Tanzen stört. Nur sehr wenige dürfen das und einer derjenigen steht vor mir. Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um dem Hünen Adam in die Augen sehen zu können. Dieser nimmt mich lächelnd in den Arm und hebt mich hoch. Laut aufquiekend schlinge ich meine Arme um seinen Hals und knuddle ihn.

Adam ist mit seinen 48 Jahren einer der Ältesten unter den Stammgästen und ein langjähriger Bekannter, den ich bloß hier antreffe. Seitdem ich mit Pete zusammen bin, sehe ich ihn deshalb nur noch selten. Es ist immer spaßig, seinen Geschichten zu lauschen, die stets lustiger werden, je später der Abend wird und desto mehr Guinness er intus hat. Aber er ist selbst nach Stunden noch so klar, dass er beim nächsten Treffen weiß, was er wem erzählt hat.

»Hey Abby, schön dich mal wieder zu sehen!«, sagt er freudig und stellt mich wieder auf den Boden zurück. »Lass dich nicht aufhalten. Ich wollte dich nur begrüßen.«

Damit zieht er sich zurück und während ich wieder zu tanzen beginne, bemerke ich zufällig, dass der Schönling mich nun doch anschaut. Wie erwartet, muss er sich etwas zur Seite lehnen, um mich zu beobachten. Triumphierend senke ich den Kopf. Ja, ich habe mir das also doch nicht eingebildet!

Aber was mache ich nun mit der Tatsache, dass er anscheinend Interesse an mir zeigt oder ich zumindest seine Neugier geweckt habe? Ich kann ihn ja schließlich kaum anquatschen. Pete würde vor Wut rasen und mich unter Dauerbeobachtung stellen, mich keine Sekunde mehr aus den Augen lassen. Das wäre mehr als peinlich und der Abend wäre somit gelaufen. Verzweifelt überlege ich hin und her, komme zu keinem Schluss.

Kurz schaue ich auf und unsere Blicke begegnen sich erneut. Sein Gesicht zeigt keinerlei Regung, ich kann plötzlich nicht mehr sagen, ob er angetan ist oder ob es doch nur meine Einbildung ist. Vielleicht ist es Zufall und es steckt nichts dahinter. Das kenne ich von mir selbst, bloß keine Emotionen zeigen, um nichts zu provozieren. Mir ist es eigentlich auch egal, aus welchem Grund er mich gerade ansieht, seine Blicke tun mir einfach gut.

Auf einmal wendet er sich ab. Aus Gewissensgründen? Aus Desinteresse? Wie jung mag er wohl sein? Er wirkt wie Anfang dreißig, aber es ist dunkel und er ist zu weit weg, da kann man so etwas schwerlich einschätzen. Stopp! Was mache ich denn nur? Wieso frage ich mich, was er denkt und wie alt er ist? Bin ich nun vollkommen durchgeknallt?

Verloren drehe ich mich wieder herum, um ihn nicht weiter anzustarren. Doch nur weil ich ihn nicht mehr betrachte, heißt das nicht, dass ich nicht mehr an ihn denken muss, er nicht mehr vor meinem geistigen Auge auftaucht. Wie kann es sein, dass ein Wildfremder, den ich noch nie zuvor gesehen habe, mich innerhalb von Minuten so sehr in ein Gedankenchaos versetzen kann?

Okay, Abby. Ruhig bleiben! Ich plustere meine Wangen auf und presse die Luft stoßartig aus meinen Lungen. Vielleicht ist er ja auch mit seiner Freundin hier, die nur gerade anderweitig beschäftigt ist, womöglich sogar mit mir auf der Tanzfläche steht. Oder er ist ein Idiot, mit dem ich niemals etwas zu tun haben möchte. Eventuell ist er auch ein Macho, der reihenweise Frauen flachlegt und nur in einem neuen Revier wildert, um ein neues Opfer zu suchen, was ich total abtörnend finden würde. Mein Hirn rattert, arbeitet auf Hochtouren, Hauptsache, ich finde einen absurden Grund, warum ich ihn überhaupt nicht leiden kann. Was ist, wenn er ein toller Küsser ist?

Ah! Ich muss hier raus an die frische Luft. Sofort! Noch bevor das Lied zu Ende ist, quetsche ich mich an wogenden Körpern vorbei. Manch einer würde mich wahrscheinlich am liebsten töten, mir aber völlig einerlei. Da ich Alice auf die Schnelle nicht entdecken kann, gehe ich weiter. Als ich an ihm vorbeieile, bemerke ich aus dem Augenwinkel, dass er mich verwundert anstarrt und somit doch eine Reaktion zeigt. Verdammt, was soll ich nur tun? Immerhin bin ich gebunden, ich kann nicht mit einem anderen Mann flirten! Das verbietet mir meine momentane Moral, selbst mit den Augen ist dies ein Tabu. Obwohl ich so etwas sehr gerne tat, vor Pete. Hastig gehe ich zur Garderobe, um meine Jacke aufzulesen und mir überzustreifen.

»Hey! Ohne mich?«, vernehme ich plötzlich Petes Stimme hinter mir. Instinktiv verdrehe ich die Augen, warum muss er mir immer und überallhin folgen? Kann ich nicht einmal den Raum ohne ihn verlassen? Ich brauche gerade Ruhe und nicht sein nerviges Getue. Nicht jetzt!

»Ich wollte euer Gespräch nicht unterbrechen«, rechtfertige ich mich leise. Gut, dass ich ihn tatsächlich vor wenigen Sekunden mit jemandem unterhalten gesehen habe.

»Nerv ich dich etwa?«, erwidert er sofort gereizt.

Was soll das nun wieder? Wieso kann ich jetzt nicht einfach hinausgehen, um eine zu rauchen? »Nein, ich wollte dich nur nicht stören«, wiederhole ich schwach.

»Ich komme mit.« Doch damit ist es nicht getan, er muss sich erst anziehen, sehr langsam, und ich sollte den Club jetzt nicht ohne ihn verlassen, ein Krach wäre sonst vorprogrammiert. Eigentlich will ich nicht auf ihn warten, ich wollte doch nur an die frische Luft. Pete richtet sorgfältig seine Kapuze, zupft hier und da an sich herum, schaut immer wieder zu mir, um in meinem Gesicht eine Reaktion ablesen zu können. Bilde ich mir das ein oder sucht er nach einem Grund, um meckern zu können? Unvermittelt fällt mir wieder der süße Typ ein und eine leichte Röte steigt in mein Gesicht.

»So warm da drüben?«, fragt er mich belanglos.

Aufseufzend drücke ich die Tür auf und gehe voraus, ich kann nicht mehr warten, ich muss hier raus.

»Hey! Warum antwortest du mir nicht?«, fragt er mich erzürnt, als er mir hinterhereilt.

Am liebsten würde ich losrennen, ihn einfach stehen lassen. »Na klar ist es drinnen warm«, antworte ich, obwohl ich ihn vorzugsweise anschreien möchte. Aber ich hasse öffentliche Szenen, im Gegensatz zu ihm. Er liebt die Aufmerksamkeit, die er damit erregen kann.

Mit zitternden Fingern zünde ich mir eine Zigarette an, ignoriere dabei sein hingehaltenes Feuerzeug. »Dann eben nicht, Emanze«, fährt er mich an. Wenn er das sagt …

Zum Glück gesellt sich Tom einige Augenblicke später zu uns und lenkt Petes Aufmerksamkeit auf sich. Bibbernd hüpfe ich von einem Bein aufs andere. Normalerweise würde er mich jetzt ungefragt an sich drücken, doch da er nun Unterhaltung hat, interessiert er sich momentan nicht für mich. Das soll mir auch ganz recht sein. Nach zehn Minuten verkünde ich, dass ich wieder hineingehe, da es mir zu kalt wäre. Was ja stimmt, doch im Grunde genommen, möchte ich den Fremden wiedersehen. Desinteressiert nickt Pete, klatscht mir beiläufig einen Kuss auf die Lippen. Wie ich das hasse!

Ich drehe mich zur mittlerweile geöffneten Tür um und sehe den Typ mit einem desillusionierten Gesichtsausdruck darin stehen. Verdammt! Er hat den Kuss gesehen, das war’s dann wohl.

Beschämt senke ich den Blick und murmle: »Danke«, und husche schneller als gewollt in den Club. Im Vorbeigehen komme ich ihm sehr nahe und bemerke einen fantastischen Duft. In diesen Millisekunden schließe ich unwillkürlich die Lider, als ob ich diesen Geruch abspeichern könnte. Drinnen drehe ich mich noch einmal nach ihm um und bemerke, dass er grün-braune Augen hat, die mich unvermittelt anlächeln. Sein Haar ist dunkelbraun, fast schwarz und sein schöner Mund …

Aufseufzend löse ich meinen Blick von ihm und gehe zur Garderobe, um meine Jacke abzulegen. Als ich auf dem Weg zur Bar wieder am Eingang vorbeigehe, ist er verschwunden. Aus unerfindlichen Gründen hoffe ich, dass er noch nicht gegangen ist. Wieso klammere ich mich auf einmal an einen mir völlig unbekannten Kerl? Bin ich wirklich schon so verzweifelt? Zumal wir uns wahrscheinlich niemals unterhalten werden. Hm, aber er soll mich doch einfach nur weiter anschauen.

So ein Unsinn, schelte ich mich selbst und gehe wieder in die Halle, in der die Bässe hämmern. Nach meiner Flasche greifend blicke ich mich um. Alice tänzelt ausgelassen auf mich zu. »Boah, ist das heute voll!«, ruft sie mir zu, um die laute Musik zu übertönen.

Da hat sie allerdings recht, es ist wirklich ungewöhnlich voll. Dann tanzen wir eben hier auf der Stelle, diesbezüglich kennen wir nichts, die Stammgäste sind das auch bereits von uns gewohnt. Ausgelassen bewegen wir uns neben dem Tisch, wobei ich mich immer wieder umblicke, ob ich ihn nicht irgendwo entdecke, doch er bleibt verschwunden. Mit keinem Wort erwähne ich Alice gegenüber diesen Typen, sie fragt aber auch nicht, was vorhin los war. Es war sicherlich eh alles nur Einbildung, er war einfach bloß nett und hat mich angelächelt.

Nach und nach leert sich der Club etwas und wir haben wieder mehr Platz für uns. Es ist mittlerweile kurz vor zwei. Bald wird Pete mit einem langen Gesicht hinter mir stehen und immer wieder entnervt auf die Uhr blicken. Dieser wortlose, immense Druck lässt meine Laune jedes Mal ins Bodenlose sinken. Unverhofft zieht Alice mich auf die noch immer gut gefüllte Tanzfläche.

Ob dieser Typ ebenfalls tanzt? Und wenn ja, wie würde das wohl wirken? Wie oft musste ich belustigt feststellen, dass ein Mann, der einigermaßen gut aussah, sich überhaupt nicht im Takt bewegen konnte oder so sehr herumhampelte, dass ich mir das Lachen regelrecht verbeißen musste. Doch das werde ich heute wohl nicht mehr herausfinden, leider. Etwas enttäuscht lasse ich mich lustlos zur Musik treiben. So etwas kommt wirklich sehr selten vor. Ob er noch einmal auftauchen wird, irgendwann? Hoffentlich!

Bedrückt verlasse ich nach einiger Zeit wieder die Tanzfläche, um mich zu Pete zu stellen, der mittlerweile an unserem Platz steht. Und schon tippt er auf seine Uhr, er will fahren. Na gut, heute werde ich eh keinen Spaß mehr haben, da der Fremde mich zu sehr an sich gefesselt hat, sodass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen und mich selbst die Musik nicht einmal mitreißen kann. Das ständige Absuchen des Clubs macht es auch nicht besser. Er ist schlicht und ergreifend nicht mehr da. Aber noch immer trage ich diesen Wunsch im Herzen, das er eines Tages wieder auftauchen wird. Obwohl … Ach verdammt!

Auf der Heimfahrt herrscht Stillschweigen, worüber ich mehr als froh bin, denn so kann ich in Gedanken dem süßen Typen nachhängen. Leise seufze ich auf, als mir wieder klar wird, dass er mich beim Küssen gesehen hat und anscheinend danach enttäuscht von dannen gezogen ist. Warum schießen mir jetzt Tränen in die Augen? Das kann doch nicht wahr sein! Verzweifelt versuche ich gegen das Chaos in meinem Kopf anzukämpfen. Ich muss endlich in mein Bett, um ihn überwinden zu können. Die Nacht wird fürchterlich werden, aber danach werde ich ihn bestimmt so gut wie vergessen haben, da bin ich mir sicher. Morgen sieht alles anders aus.

Gerade bin ich mal wieder mehr als froh darüber, dass wir seit Jahren in getrennten Zimmern schlafen. Pete hatte mir vorgeworfen, ich würde ihn zu sehr herumschubsen, wenn er schnarcht. Was stimmt, denn sein lautes Schnarchen machte mich damals wahnsinnig, ließ mich keine Nacht mehr durchschlafen. Jeden Morgen war ich wie gerädert und gereizt. Heute ist mir diese Tatsache mehr als recht. Herrje, wieso habe ich auf einmal solch bösartige Gedanken?

Kaum halten wir vor unserem Haus, steige ich aus. Der kalte Wind lässt mich auf der Stelle wieder zur Besinnung kommen. Als wir das Haus betreten, drängt Pete mich gegen die Kommode und beginnt mich abzuschlabbern. Augenblicklich fühle ich mich ausgeliefert, komme weder vor noch zurück. Unbewusst macht sich Abscheu in meinem Gesicht breit und sofort stößt er mich von sich.

»Na dann mal wieder nicht. Wann willst du mal wieder ficken? Mir steht das Weiße schon in den Augen«, keift er bissig und findet seinen Spott auch noch lustig. »Dann muss ich eben wieder selbst Hand anlegen. Willst du zuschauen, vielleicht törnt dich das ja an?«

Seine Worte verletzen mich, ich will ihn anbrüllen, doch keine Silbe verlässt meine Kehle. Ich bin wie gelähmt, will nur noch hinauf in mein Zimmer, will mich zurückziehen. Er wettert immer weiter, lässt mich nicht gehen.

»Ich bin müde, Pete. Bitte, ich möchte ins Bett«, bettle ich ihn nach einer Weile regelrecht an.

Abwinkend geht er wütend nach oben in sein Zimmer. Erleichtert lehne ich mich gegen die Kommode und atme tief durch. Das war verdammt knapp. Geräuschlos ziehe ich die Jacke und Stiefel aus, damit ich ihn nicht noch einmal auf mich aufmerksam mache und gehe hinauf, um mich abzuschminken. In meinem Zimmer ziehe ich mich um und schlüpfe anschließend unter die wärmende Decke, wickle mich regelrecht darin ein. Hoffentlich kann ich schnell einschlummern.

Doch je mehr man um Schlaf bemüht ist, desto wacher und aufgedrehter wird man, das ist immer so. Denn kaum schließe ich meine Augen, sehe ich den Schönling vor mir. Sein süßes Lächeln, seine tollen Augen, seinen Duft. Immer wieder schalte ich das Licht ein, um zu lesen. Was mich kurzfristig auch ablenkt, doch an Schlaf ist bis in die frühen Morgenstunden nicht zu denken. Erst nach stundenlangem Herumwälzen dämmere ich endlich mit einem letzten Gedanken an den schönen Unbekannten fort.

2

I

ch vergaß die Jalousien herunterzulassen. Zum ersten Mal seit Wochen scheint die Sonne und genau heute mitten in mein Gesicht. Missmutig kehre ich dem Fenster den Rücken und zähle sinnloserweise die Muster auf meinem Kissen, nur um nicht aufstehen zu müssen.

Jeder Sonntag verläuft ähnlich; erst fläzt er mit seinem Handy auf dem Sofa, zappt sich anschließend durch die Fernsehprogramme, um sich einen Mist nach dem anderen anzusehen und schnauzt mich nach Stunden an, warum ich nicht mit ihm kuschle, sondern in meinem Arbeitszimmer am Rechner sitze oder nähe.

Wenn ich dann doch mal einen Sonntag neben ihm auf der Couch Platz nehme, langweile ich mich zu Tode, da mich seine merkwürdigen Männerserien nicht die Bohne interessieren. Am Anfang war es ja noch amüsant, da es mal etwas Neues war, aber mittlerweile sind sie nur noch trivial oder er schaut sich tatsächlich die Wiederholung der Wiederholung an. Nach einigen Stunden meint er dann meistens, dass wir uns irgendeinen grottenschlechten Film anschauen könnten, zumindest empfinde ich seine vorgeschlagenen Werke als solche, denn sie sind genauso langweilig wie er. Also versuche ich mich meist um einen gemeinsamen Sonntag zu drücken.

Wie erwartet schläft er noch, als ich in die Küche herunterkomme. Wieder darf ich alles allein machen. Während der Kaffee vor sich hin tröpfelt, drehe ich das Radio auf und putze summend die Küche. Da ich morgens nie etwas esse, schenke ich mir nur eine Tasse ein und setze mich nach getaner Arbeit an den Küchentisch. Rauchend lese ich in dem Buch weiter, welches ich bereits in der Nacht begonnen hatte.

Nach knapp einer Stunde kommt Pete nur in Unterhose bekleidet in die Küche geschlurft und kratzt sich erst einmal demonstrativ vor mir im Schritt. Sehr sexy, schießt es mir durch den Kopf und wende mich angewidert ab.

»Gu’n Morng«, nuschelt er gähnend.

»Guten Morgen«, erwidere ich und bin von seinem fast nackten Anblick nicht unbedingt beeindruckt.

Er denkt noch immer, dass er gut gebaut ist. Ja, er ist groß, aber seine Proportionen stimmen nicht. Sein Bauch wackelt, als er sich zu mir hinunterbeugt, um mich feucht zu küssen. Dabei schiebt er mir die Zunge beinahe bis zum Anschlag in den Hals.

Ich weiß selbst, dass ich nicht mehr die Schlankeste bin, was auch daran liegt, dass mein einziger Sport das Tanzen und Schwimmen war, was ich ja nun nicht mehr machen kann oder darf. Denn weggehen will er sehr selten und schwimmen hasst er. Und allein darf ich nicht. Halb nackt vor anderen herumturnen, hatte er einmal verlauten lassen. Ja, soll ich im Ganzkörperanzug schwimmen gehen? Manchmal komme ich mir wie im Mittelalter vor.

Seit Monaten will ich wenigstens zu Hause Sport treiben, aber ich kann mich nicht zu diesen stupiden und monotonen Übungen hinreißen lassen, die ich zudem für absolut affig halte.

Pete stakst barfuß über den kalten Küchenboden und schenkt sich Kaffee ein. Seine Frisur ist zerzaust, ebenso wie sein ungepflegter Bart, den er sich seit Wochen wachsen lässt. Wenn ich mir vorstelle, dass er mit dem kratzigen Ding unten an mir rummacht … schnell schüttle ich jeden weiteren Gedanken ab. Wieso kommen mir seit einiger Zeit vermehrt solche gehässigen Eingebungen hoch?

Seit Monaten versuche ich mir vorzustellen, wie es wäre, mich von ihm zu trennen. Und immer öfter komme ich zu dem Schluss, dass es sein muss, auch wenn es alles andere als einfach werden wird. Aber ich muss hier raus, weg von ihm. Seine Psychospielchen machen mich krank, wirklich seelisch krank. Bis heute weiß ich noch nicht wann und wie. Planen tue ich es nicht, irgendein Wink des Schicksals wird mir schon aufzeigen, dass der richtige Zeitpunkt da ist.

Plump lässt er sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen, reißt mich damit aus meinen Überlegungen. Dabei entfleucht ihm ein Lüftchen, innerlich schüttle ich mich, er ist einfach nur noch widerlich! »Tschuldige, aber das muss raus«, meint er beinahe vorwurfsvoll.

Warum er mich anblafft, weil er seine Körperfunktionen nicht unter Kontrolle hat, wird mir ein Rätsel bleiben, denn das tut er immer.

»Und heute wieder PC«, fragt er abfällig, »oder meinst du, wir schaffen es mal einen Tag zusammen zu verbringen?« Und wie immer schwingt dieser missbilligende Tonfall mit.

»Was hast du denn geplant?« Ich versuche interessiert zu klingen, obwohl ich jetzt schon weiß, wie der Tag enden wird, wie immer.

»Du sollst auf meine Fragen nicht immer mit einer Gegenfrage antworten! Ich hasse das!« Erbost knallt er die Tasse auf den Tisch, sodass der Kaffee überschwappt. »Warum soll ich mir immer was einfallen lassen? Jedes Mal, wenn ich was vorschlage, jammerst du eh nur wieder rum, dass dir dies oder jenes nicht gefällt.«

Da hat er ausnahmsweise recht, aber nur, weil unsere Interessen so weit auseinanderliegen, dass wir uns niemals einig werden können, welchen Film wir beispielsweise anschauen wollen. Meist endet es damit, dass wir erst seine merkwürdigen Komödien ansehen, mit denen ich gar nichts anfangen kann und danach einen meiner DVDs, bei denen er grundsätzlich einschläft. Bei Thrillern oder Action einschlafen, am helllichten Tag!

»Okay, hm. Alien?« Der geht immer, denke ich mir und der gefällt ihm angeblich auch.

»Ach nee.« Und er schlägt wieder einen dieser langweiligen Filme vor. Abermals bestimmt er, was wir schauen, aber erst einmal Theater machen. Seufzend stimme ich zu und er erhebt sich, fasst sich wieder an seinen Sack. Wieso tut er das immer dann, wenn er vor mir steht, also direkt vor meiner Nase? Es kann nur Absicht sein, obwohl er mehrfach das Gegenteil behauptet hatte. Grinsend verschwindet er ins Bad. Ekliger Mistkerl. Hoffentlich lässt er mich heute in Ruhe.

Er kann sich keine halbe Stunde beherrschen. Sein Drängen ist widerwärtig und alles andere als sinnlich oder verführerisch. Nachdem ich einsehe, dass er die nächste Zeit nicht von mir ablassen würde, ergebe ich mich ihm widerwillig, in der Hoffnung, dass er mich tatsächlich ein paar Tage in Ruhe lässt.

Pete zerrt an meiner Jeans, ich lasse ihn gewähren, ich werde aber keinen Finger rühren, denn ich habe keinerlei Lust auf ihn, warum soll ich ihm also auch noch helfen. Er versucht mich mit zusammengekniffenen Augen sinnlich anzuschauen, es bleibt nur bei dem Versuch, denn nichts an seinem Antlitz ist betörend. Verführung ist seit Jahren Fehlanzeige, denn kaum hat er mir meine Hose samt Slip abgestreift, steckt er seine Finger in mich. »Warst schon mal feuchter«, meint er. Oh ja Baby, ich steh auf deine Anmachsprüche! Ihm zum tausendsten Mal zu erklären, dass man eine Frau erst einmal anheizen sollte, damit sie erregt ist, macht keinen Sinn, also lasse ich es seit Jahren.

Minutenlang schiebt er seine Finger in mich, leckt und reibt wie immer an den falschen Stellen. Ich recke ihm nach einer gefühlt endlosen Zeit mein Becken entgegen, damit er endlich loslegt. Hastig entkleidet er sich, schiebt mein Shirt nach oben, um meine Brüste zu kneten und auf meinen Brustwarzen herumzubeißen. Nur zu gut weiß er, dass ich nicht darauf stehe, aber es ist ihm egal.

»Hm?«, ertönt es aus seinem Mund. Ich hasse es, denn das bedeutet immer, dass er nicht weiß, was er machen soll. Er erwartet meist, dass ich die Führung übernehme und er sich bedienen lassen kann. Das mache ich allerdings seit Jahren nicht mehr. Wenn er was von mir will, muss er sich bemühen.

Während er in mir herumstochert, denke ich verzweifelt an den süßen Typen aus dem Club. Versuche mir dabei vorzustellen, wie es mit ihm wäre, wie er mich sinnlich küsst. Ich nutze die Erinnerung an ihn, um mich selbst etwas anzuheizen. Irgendwie kommt das Gefühl in mir auf, als ob ich ihn missbrauchen würde. Verloren seufze ich innerlich auf. Pete merkt nicht einmal, dass ich meine Augen geschlossen halte, da er eh nebenbei in den Fernseher starrt. Eigentlich fehlt nur noch ein Bier, um das Ganze abzurunden.

Dann dringt er in mich ein. Ich spüre ihn kaum, weil er einen ziemlich kleinen Schwanz hat und immer den falschen Winkel nutzt. Sex ist für mich eine Farce geworden, es macht keinen Spaß, es bringt mir nichts und es ekelt mich an. Also lasse ich es über mich ergehen. Nachdem er, wie gewöhnlich, schnell fertig ist, ziehe ich mich rasch an. Ich kann mir bei ihm nicht einmal das holen, was ich brauche. Denn, sobald ich etwas stürmischer werde, um ebenfalls etwas in den Genuss zu kommen, spritzt er sofort ab und will anschließend noch mal, was ich aber unbedingt vermeiden will, da das zweite Mal immer länger dauert und er sich dabei grundsätzlich bedienen lässt.

Seine Fragerei währenddessen, ob es gut sei, geht mir gehörig auf den Keks. Deshalb antworte ich entweder gar nicht und tue so, als ob ich es nicht gehört hätte oder reagiere mit einem knappen Ja. Natürlich ist es mies und langweilig, aber das werde ich ihm nicht immer und immer wieder sagen. Ich bin schließlich nicht seine Lehrmeisterin auf Lebenszeit, die ihm alles erklären oder beibringen muss, obwohl ich es ihm schon tausendmal gezeigt und beschrieben habe.

Er will es nicht verstehen, das ist zu viel Arbeit. Ganz am Anfang hatte er noch versucht mich glücklich zu machen, doch das wurde ihm irgendwann zu viel. Hauptsache er kommt innerhalb von Minuten zum Höhepunkt, was mir allerdings seit Jahren recht ist, denn mehr als diese zehn Minuten würde ich auch nicht mehr ertragen.

»Ich geh duschen«, sage ich und will mich an ihm vorbei schlängeln. Doch da habe ich nicht mit Petes Bedürfnis nach vermeintlichen Kuscheleinheiten gerechnet.

»Halt! Komm her.« Er zieht mich lüstern an sich und fasst mir an die Brust. »Ich liebe deine Titten!«

Toll, Danke auch, ich habe ja sonst keine Körperteile, an denen ich zu gern einmal berührt werden möchte, weil es einfach guttut und mir ein Gefühl der Geborgenheit und des Geliebtwerdens vermitteln würde. Kaum gedacht greift er mir an den Po. »Und deinen dicken Hintern.«

Er zwickt und knetet ihn. »Aber weißt du«, beginnt er erneut, »man merkt, dass du alt wirst.« Geschockt starre ich ihn an. Habe ich mich gerade verhört? Doch bevor ich weiter darüber nachdenken kann, zucke ich heftig zusammen. Er greift mir tatsächlich in den Schritt und fährt an der Naht entlang. »Aber deine Muschi mag ich am meisten.« Tränen schießen mir in die Augen, das ist zu viel des Guten. Hastig versuche ich mich aus seinem Griff zu winden, um nach oben zu eilen.

»Hey! Hast du nicht was vergessen?« Damit packt er meinen Hinterkopf und schiebt damit mein Gesicht zu sich. Und wieder drängt er seine Zunge zwischen meine Lippen. Er spielt nicht, so wie ich es mir wünsche, im Gegenteil, seine Zunge rotiert wild in meinem Mund herum. Wenn es nach ihm ginge, würde das Ganze minutenlang andauern, doch das konnte ich ihm wunderlicherweise, aber zu meinem Glück gleich zu Beginn schnell abgewöhnen, da Schnappatmung mich nicht unbedingt antörnte.

»Okay, ich geh mal hoch, schau du ruhig weiter. Ich kenn den Film ja schon«, versuche ich so ruhig wie möglich zu sagen, obwohl ich mir am liebsten auf der Stelle den Mund auswaschen würde.

»Lass dir Zeit, ich zocke dann noch.« Dabei schaut er mich nicht einmal mehr an. Er hat bekommen, was er wollte, nun kann ich verschwinden. Immer wieder komme ich mir wie eine Hure vor, die er benutzen kann, um mich danach wegzuschmeißen oder zu demütigen. Aber ist es nicht genau das, was ich seit Jahren provoziere?

Sobald er sich abgewendet hat, haste ich nach oben und schließe mich im Badezimmer ein. Duschen werde ich tatsächlich und zwar ausgiebig, da sein Schweiß noch immer an mir klebt. Angewidert entkleide ich mich, um in die Duschkabine zu steigen. Das heiße Wasser tut meiner geschundenen Seele gut. Schon allzu oft habe ich das anschließende Ritual hinter mir, ich fühle mich benutzt und muss diesen Schmutz von mir herunterschrubben, bis meine Haut feuerrot ist.

Doch heute ist es besonders schlimm. Einige Striemen zieren bereits meinen Oberkörper, doch ich kann nicht aufhören, selbst als ich vor Schmerzen zusammenzucke, während ich immer und immer wieder über die offenen Wunden schrubbe. Tränen rinnen meine Wangen herab, vor allem wegen dem seelischen Schmerz. Wie lange werde ich das noch durchstehen können?

Ich bin auch nicht fehlerfrei, das weiß ich selbst, ich habe etliche Macken, wie diese, mir den Körper wund zu schrubben, wenn ich psychisch am Boden bin. Auch schimpfe ich wie ein Rohrspatz, wenn mir etwas gegen den Strich geht, oft auch viel zu voreilig. Eine weitere Marotte ist das zu intensive Grübeln, meist unbegründet und exzessiv.

Wenn mir etwas nicht schnell genug geht, werde ich unruhig und beginne an meinen Lippen zu knabbern. Ich mag mich selbst nicht im Spiegel anschauen, da ich mich als zu dick empfinde. Und ein ganz neuer Fehler hat sich nun auch aufgetan, ich vergucke mich viel zu schnell in wildfremde Männer. Nun muss ich doch wieder lächeln und der Gedankengang lenkt mich von dem Geschehenen ab.

Nach gut einer halben Stunde, greife ich nach meinem Handtuch und tupfe vorsichtig über die mittlerweile leicht blutenden Wunden. Sofort werfe ich das Badetuch in die Wäschetonne, ich will nicht, dass Pete meinen Schmerz entdeckt. Er würde mich doch nur wieder als abartig betiteln, wie allzu oft.

Was soll ich jetzt tun? Hinuntergehen will ich nicht. Da fällt mir ein, dass ich das Großprojekt weitermachen könnte. Es steht ein guter Gewinn ins Haus, wovon Pete natürlich nichts weiß, denn das könnte ein gutes Startkapital für mich sein. Mit dem Ersparten hätte ich insgesamt knapp 12.000 Pfund zusammen, was für einen Neuanfang reichen würde und ich hätte noch etwas Puffer für einen schlechten Neustart.

Zum zweiten Mal nähe ich ein außergewöhnliches Brautkleid, es ist zwar nicht meine Stärke, aber ich kann es ganz gut. Alice hatte mir diesen Auftrag vermittelt, wofür ich ihr unheimlich dankbar bin. Gemeinsam haben wir es so gedreht, dass ich etwas für sie anfertige, was sehr aufwendig ist. Und selbst wenn er das Kleid entdecken sollte, würde er es nicht mal als solches erkennen. Warum? Weil es ihn nicht interessiert, antworte ich mir selbst.

Ich besitze zwar eine Schneiderpuppe, benutze sie aber nur zum Fotografieren. Das ist mein Stil, der mich relativ bekannt gemacht hat, ich probiere die Kleidungstücke nie an der Puppe, ich arbeite nach Gefühl und das hat mich noch niemals im Stich gelassen. Der ultimative Test wird an der Frau selbst durchgeführt, dann erst nehme ich die Feinarbeiten vor. Denn somit können die Kundinnen einschätzen, wie meine Arbeit werden wird und können währenddessen Änderungen bestimmen. Dadurch habe ich schon so einige Kontakte geknüpft.

Zudem fertige ich sowieso keine 0815-Klamotten und es sind immer Einzelstücke. Das aktuelle Kleid entsteht aus schwarzer Spitze und blutrotem Taft. Es soll eine ungewöhnliche Hochzeit werden, nämlich eine Vampirhochzeit, ich freue mich jetzt schon auf die Fotos. Die passenden Accessoires wie Tasche, Stola, Armstulpen und Kopfschmuck habe ich bereits fertiggestellt.

Im Arbeitszimmer lege ich eine CD ein und drehe laut auf, um keinen Gedanken mehr fassen zu können. Musik lenkt mich meistens von meinem Gedankenchaos ab, weil ich mitsinge und somit gar nicht mehr überlegen kann. Sofort bin ich in meinem Element und komme bis zum Abend gut voran. Wenn ich so weiter arbeite, kann die Kundin das Kleid bereits nächste Woche anprobieren.

Als ich Petes Schritte auf der Treppe höre, versuche ich es so zu legen, dass er es nicht als solches erkennt. »Na? Wieder am Arbeiten? Ich dachte, wir wollten den Sonntag zusammen verbringen?«, fragt er gängelnd.

Ist das wirklich sein Ernst? »Du sagtest doch, dass du zocken wolltest?«, erwidere ich ruhig, obwohl ich gerade explodieren könnte.

»Ja und? Hätte ja sein können, dass du wieder runterkommst, dann hätte ich bestimmt die DVD eingelegt, die du sehen wolltest.«

»Echt? Cool, ich schneide noch schnell den Stoff zurecht, dann komm ich runter«, sage ich begeistert, da ich mich wirklich auf den Film freue.

»Na ja, dafür ist es aber schon ein bisschen spät, oder? Schau mal auf die Uhr.«

Kann er irgendwann mit seinen abartigen Spielchen aufhören? Zudem ist es noch nicht einmal 20 Uhr, wir hätten also genug Zeit! Dieses Hin und Her geht seit Jahren so. ›Ällabätsch, hättest du mal, dann könnten wir …‹ Es macht mich wahnsinnig. »Und was willst du dann jetzt von mir?«, entgegne ich nun doch sichtlich entnervt.

»Na, wenn du mal runtergekommen wärst, dann …«

»Ach hör endlich mit dem Mist auf, Pete!«, fahre ich ihn mit einem Mal an. Ich kann seinen verbalen Müll nicht mehr hören, es reicht mir schlagartig und ich bin selbst erstaunt.

»Was ist denn nun wieder los?«, fragt er mich allen Ernstes. »Und was habe ich jetzt wieder Falsches gesagt?« Er zieht die Worte gekünstelt in die Länge, um so seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Theatralisch holt er tief Luft und geht in die Hocke. Nein! Nicht jetzt! Wir werden im Moment keine unsinnige Diskussion starten, die eh wieder darauf abzielt, dass er heulend vor mir hockt und ich wie immer alle Schuld auf mich nehmen muss.

»Du hast nichts falsch gemacht, okay? Geh bitte, ich habe einen dringenden Auftrag. Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe«, erwidere ich rasch und beuge mich vor, damit er mich endlich feucht küssen kann, was er, wenn auch widerwillig, sofort macht.

Kaum verlässt er vor sich hin schimpfend mein Zimmer, wische ich mir angewidert den Mund ab. Wie so häufig vernehme ich übelste gegen mich gerichtete Beleidigungen, doch diese prallen mittlerweile an mir ab. Zu oft habe ich diese schon zu hören bekommen.

Bereits zwei Stunden später kommt es zum großen Krach, wie fast jedes Wochenende, das bin ich gewohnt. Wieder geht es darum, warum ich keine Zeit für ihn finde. Pete hat im Endeffekt auch recht. Ich will nicht ständig für ihn da sein, zumal sich eh alles nur um das Thema Sex dreht. Er glotzt die heißen Frauen im TV an, nicht dass er gleich lossabbern würde, und macht sofort wieder Anspielungen. Diese sind aber mitnichten verführerisch, im Gegenteil. Das mag am Anfang einer Beziehung noch reizvoll und neu sein, aber doch nicht nach Jahren? Oder ticke ich da vollkommen falsch?

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