Kettensprenger - Ingo Hamm - E-Book

Kettensprenger E-Book

Ingo Hamm

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Beschreibung

Für alle, die mehr vom Job erwarten als nur ein Gehalt.
Mal ehrlich: Macht Sie Ihr Job glücklich? Oder fühlen Sie sich gefangen zwischen starren Regeln, endlosen Meetings und Chefs, die Sie am liebsten dauerhaft im Büro sehen würden?
Viele Menschen spüren es längst: Etwas muss sich ändern. Wie wollen wir in Zukunft eigentlich arbeiten? Wann, wo, mit wem – und vor allem: Wie viel Freiheit ist möglich, ohne das »Wir« zu verlieren?
»Kettensprenger« zeigt, warum die Debatte ums Homeoffice nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn tatsächlich geht es um mehr: um Freiheit, Selbstwirksamkeit und Sinn in der Arbeit – und gleichzeitig um neuen Teamgeist. Basierend auf aktuellen psychologischen Erkenntnissen und jahrzehntelanger Praxiserfahrung macht Wirtschaftspsychologe Ingo Hamm deutlich: Erfolg entsteht heute nicht mehr durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen, Verantwortung und kluge Zusammenarbeit.
Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine echte Arbeitsreform – jenseits von New-Work-Romantik und Büro-Dogmen. Es ist Augenöffner, Kompass und Praxisbuch zugleich: für alle Menschen, die Arbeit neu denken wollen.
Für Führungskräfte, die mutig neue Wege gehen wollen. Und für Teams, die gemeinsam mehr erreichen wollen – egal, ob im Office, remote oder hybrid.

Werden Sie zum Kettensprenger – und gestalten Sie die Arbeitswelt, die Sie sich wünschen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Zum Inhalt

Für alle, die mehr vom Job erwarten als nur ein Gehalt.

Mal ehrlich: Macht Sie Ihr Job glücklich? Oder fühlen Sie sich gefangen zwischen starren Regeln, endlosen Meetings und Chefs, die Sie am liebsten dauerhaft im Büro sehen würden?

Viele Menschen spüren es längst: Etwas muss sich ändern. Wie wollen wir in Zukunft eigentlich arbeiten? Wann, wo, mit wem – und vor allem: Wie viel Freiheit ist möglich, ohne das »Wir« zu verlieren?

»Kettensprenger« zeigt, warum die Debatte ums Homeoffice nur die Spitze des Eisbergs ist. Denn tatsächlich geht es um mehr: um Freiheit, Selbstwirksamkeit und Sinn in der Arbeit – und gleichzeitig um neuen Teamgeist. Basierend auf aktuellen psychologischen Erkenntnissen und jahrzehntelanger Praxiserfahrung macht Wirtschaftspsychologe Ingo Hamm deutlich: Erfolg entsteht heute nicht mehr durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen, Verantwortung und kluge Zusammenarbeit.

Dieses Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für eine echte Arbeitsreform – jenseits von New-Work-Romantik und Büro-Dogmen. Es ist Augenöffner, Kompass und Praxisbuch zugleich: für alle Menschen, die Arbeit neu denken wollen.

Für Führungskräfte, die mutig neue Wege gehen wollen. Und für Teams, die gemeinsam mehr erreichen wollen – egal, ob im Office, remote oder hybrid.

Werden Sie zum Kettensprenger – und gestalten Sie die Arbeitswelt, die Sie sich wünschen.

Zum Autor

Prof. Dr. Ingo Hammist Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Darmstadt, war Berater bei McKinsey & Company, arbeitete dann auf Konzernseite in Human Resources und Kommunikation und folgte schließlich seiner Leidenschaft für angewandte Forschung und Beratung.

Hamm berät Organisationen bei der Umsetzung von Strategien und durchleuchtet als Autor und Redner aktuelle Trends für die Unternehmenspraxis. Zudem ist Hamm stellvertretender Leiter des Darmstädter Instituts für Wirtschaftspsychologie.

KETTENSPRENGER

Mehr Freiheit, mehr Wir –Der Weg zur selbstbestimmtenund erfolgreichen Arbeit

von

PROF. DR. INGO HAMM

Verlag Franz Vahlen München

5Inhaltsverzeichnis

Nervt Sie Ihr Boss? Oder nerven Sie Ihre Mitarbeitenden?

Die Vertreibung aus dem Paradies

»Big Tech wants you back in the office«

»Wie die Sklaven auf der Galeere«? Von wegen!

»Auch Du, Deutsche Bank?«

Mehr als Home vs. Office – Freiheit, Selbstbestimmung, Wirksamkeit zählt

Was ist eigentlich das Problem?

Alles eine Frage der Perspektive – aber wessen?

Das Karriere-Ende droht

Reaktanz – Verbote machen das Verbotene attraktiver

Verzicht ist das Eine, aber Verzicht auf Freiheit …?!

Reaktanz-Taktiken – die Kunst des stillen Widerstands

Die Flucht aus dem Büro – psychologisch betrachtet

6

Freiheits-Motiv #1: Mehr Privatheit als Belohnung

Freiheits-Motiv #2: Befreiung vom Ballast des Büros

Freiheits-Motiv #3: Besinnung auf wirksames Tun

Die Big Three der neuen Arbeit

Individuelle Freiheit, gemeinsamer Erfolg: Die 5 Motivationstypen verstehen und führen

Typ #1: Verweiger:in

Arbeitszeitbetrug

Der schöne Schein der Verweigerungshaltung

Verweiger:innen motivieren: So gewinnen Sie verlorenes Engagement zurück

Souveränität und Wertschätzung – auch in der Trennung

Typ #2: Jongleur:in

Lieber Chef, weißt du, wie deine Leute leben?

Knockout in der Firma

Jongleur:innen unterstützen: So fördern Sie Balance und Fokus

Typ #3: Eskapist:in

Job Crafting – den Job selbst in die Hand nehmen

Eskapist:innen integrieren: So nutzen Sie verborgenes Potenzial

Service-Based Leadership – alles, wirklich alles für seine Leute tun

Kennen Sie die Mad Skills Ihrer Leute?

Typ #4: Essenzialist:in

Die moderne Organisation hält Arbeitende von der Arbeit ab

Was manwirklichbraucht – Fünf Faktoren der Arbeitszufriedenheit

Diagnose »Professionelle Einsamkeit«

Essenzialist:innen halten: So bieten Sie, was wirklich zählt

Typ #5: Fatalist:in

7

Energie für die Arbeit: Antrieb und Motivation pflegen, bevor der Akku leer ist

Das Erste, was verloren gehen kann: Wanting

Das Zweite, was verloren gehen kann: Liking

Das Dritte, was verloren gehen kann:Effort-Based Decision-Making

Verschütteten Elan reaktivieren:Ein 4-Schritte-Plan

Liking wieder lernen: Genusstraining

Anstrengung als Ressource: So planen Sie gezielt und vermeiden Überlastung

Fatalist:innen aktivieren: Auswege aus der Resignation aufzeigen

Predictive Maintenance – »Instandhaltung« von Mitarbeitenden

Mehr Wir braucht mehr als Freiheit

Das ECHTE WIR – Nicht virtuell, sondern wirklich zusammen

Der Schlüssel liegt im Blickverhalten

Warum Technik allein nicht kreativ macht

Das GESUNDE WIR: Körper und Geist brauchen mehr als Homeoffice

Kreativität braucht Bewegung, nicht nur im Kopf

Das KREATIVE WIR: Zwischen Anspannung und Entspannung

Kreativität liebt Stress und Druck!

DAS VERTRAUENSVOLLE WIR – Gemeinsam arbeiten, gemeinsam erleben

Die Wissenschaft vom Vertrauen

Videocalls killen Vertrauen

Virtuelle Teams brauchen mehr Vertrauensmaßnahmen

Das RESILIENTE WIR: Stärke und Widerstandskraft durch das Team

8

Resilienz ist teamspezifisch

Teamgeist und Unternehmenskultur:Der Schlüssel zur Resilienz

Das AUTHENTISCHE WIR – Zwischen Inszenierung und Echtheit

Selbstdarstellung strengt an – erst recht virtuell

Erfolg – Eine Frage der Einstellung, nicht der Rahmenbedingungen

Die goldene Mitte: Wie hybride Kooperation den Flow freisetzt

Besser als die Polizei erlaubt – eine bahnbrechende Studie

Hybrid ist wichtig.Wichtiger ist gute Führung dabei

Die hybriden magischen 70 Prozent

Rotation: Wie man »hybrid« am besten organisiert

Drei Schlüsselstrategien für erfolgreiches Remote Work

Von Ameisen lernen: Eine Blaupause für hybride Teamarbeit

Hybride Kommunikation ist, wenn alle an einem Strang ziehen

Die Schwarm-Intelligenz (nicht nur der Ameisen)

Co-Working statt Remote Work: So maximieren Sie die Produktivität

Stille Motive im Büro – Warum wir oft aneinander vorbeireden

Wenn denken, handeln und reden total verschiedene Dinge sind

Das stille Motiv »Wirksamkeit«

Die Ur-Motiv »Helfen«

Das Ur-Motiv»Bewegung«

Das stille Motiv Stabilität

Das stille Motiv Einzigartigkeit

Das stille Motiv Teamgeist

9

Das stille Motiv Status und Selbstdarstellung

Das stille Motiv »Peace of Mind«

Das stille Motiv Sinnfindung

Das stille Motiv Zugehörigkeit

Moral bei der Arbeit – Verpflichtung zum Widerspruch!

Stille Motive als Chance begreifen

Führungskräfte im Spannungsfeld – zwischen Macht, Kontrolle und Vertrauen

Spannungsfeld #1: Macht und Machtverlustangst

Spannungsfeld #2: Kontrolle und Kontrollverlustangst

Spannungsfeld #3: Wertschätzung und Angst vor Bedeutungslosigkeit

Das Meeting, die Arena der Missverständnisse

Das überragende Chef-Motiv

Vom Manager zur Führungskraft: Konkrete Schritte für eine bessere Führung

Chef:in sein heute: Vier Führungsstile für die neue Arbeitswelt

Flexibel führen heißt: auf Menschen eingehen

Führungsstil #1: »Telling« – Klare Anweisungen in unsicheren Zeiten

Führungsstil #2: »Delegating« – Verantwortung übertragen und Eigenverantwortung fördern

Führungsstil #3: »Participating« – Gemeinsam entscheiden, gemeinsam umsetzen

Führungsstil #4: »Selling« – Überzeugen statt anweisen: Motivation für erfahrene Teams

Situatives Führen: Welcher Stil passt wann? – Eine Praxishilfe

Führen in Extremsituationen

Hybrid heißt: die Beziehung steht im Vordergrund

10

Bessere Arbeit durch besseren Arbeitsplatz

Homeoffice allein ist nicht die Lösung …

Physical Space Design – Arbeitsorte radikal neu denken

Social Collision Points: Wo man sich trifft

Community Spaces: Hier bin ich Mensch

Team-Aktivitäten, die verbinden: So funktioniert Zusammenhalt über Räume hinweg

Nur ängstliche Chefs fürchten Kontrollverlust

Der Mensch ist, was er sieht

Von Kreativzellen bis Makerspaces

Kreativitäts-Booster: Konkrete Maßnahmen für innovative Arbeitsplätze

Mensch im Mittelpunkt: Strategien für eine mitarbeiterzentrierte Arbeitsumgebung

Low-Budget, High-Impact: Menschlichkeit fördern ohne Kosten

Bessere Arbeit durch Unternehmenskultur

Kultur ist mehr als Vanilletee und Räucherstäbchen

Kulturfundament #1: Stillschweigende Annahmen – keiner sagt’s, aber alle denken es

Die IBM-Banane und andere Statussymbole

Cultural Management: So gestaltet man eine Kultur, die zu gemeinsamen Werten passt

Kulturfundament #2: Werte – das Handbuch menschlichen Verhaltens

Corporate Wording: Sprache als Kulturhebel nutzen

Sprache als Kulturhebel: Wie Worte das Verhalten beeinflussen

Kulturfundament #3: Artefakte (»Form follows function«)

Architektur ist Kultur, die bleibt

»Wenn Wände reden könnten«

Werte gestalten Arbeit, nicht Regeln

11

Schöne neue Arbeit, schöne neue Welt - Ein Fazit

Home vs. Office – (Unnötiger) Kampf der Welten

Raus aus der Bequemlichkeit!

Mehr Zeit für mich!

Wieder das tun, was wir gut und gerne machen

Nicht jedes Team funktioniert, schon gar nicht von allein

Arbeit ist »alles dazwischen«

Nimm es dir raus: Die We-Me-Balance!

Quellen

13»Home is where I work, and I work everywhere.«

Alfred Nobel

15Nervt Sie Ihr Boss? Oder nerven Sie Ihre Mitarbeitenden?

Nehmen wir an, Sie arbeiten im Homeoffice. Und gerne. Aber Ihre Chefin, ihr Chef, will Sie plötzlich unbedingt zurück im Büro haben, weil seit Monaten ein Sturm tobt, bekannt unter dem Akronym

RTO – Return to Office.

Wofür die amerikanische Arbeiterschaft als Antwort darauf den Slogan geprägt hat:

»RTO? WTF!«

»Zurück ins Büro!« lautet die Devise in vielen Unternehmen weltweit. In Ihrem auch? Ein unerhörter Imperativ nach Corona-Monaten der grenzenlosen Freiheit, des ungestörten Arbeitsglücks, der maximalen Arbeitszufriedenheit und der unbestritten weiter hohen Produktivität im seligen Homeoffice. Die Vorgesetzten dagegen schwingen die Peitsche: »Zurück ins Büro!« Ihrer Meinung nach zu Recht: »Wenn die Leute nicht freiwillig zurückkommen, dann eben auf Kommando!« Ist doch klar, meinen die Chefs. Ist eine Sauerei, meint die Belegschaft.

Am Homeoffice scheiden sich die Geister; sie prügeln sich regelrecht, sie streiten sich: Wer hat Recht? Heimarbeiter oder Chefs? Der Konflikt tobt deshalb so heftig, weil das Homeoffice 16auf beiden Seiten lediglich als der Anfang einer bedrohlichen Eskalationsspirale empfunden wird. Denn wenn der Chef mich aus dem kuscheligen Homeoffice vertreiben kann – was kann er dann noch alles mit mir anstellen? Gegen meinen expliziten Willen? Die Frage ist nicht mehr nur »Homeoffice oder nicht«, sondern:

Was dürfen Chefs und Chefinnen ihren Leuten vorschreiben und was nicht?

Wohlgemerkt: Wir diskutieren an dieser Stelle weder Arbeitsrecht, Gesetze noch Betriebsvereinbarungen (diese wichtigen Fragen werden anderswo verhandelt). Wir behandeln diese Frage hier nicht juristisch. Es geht nicht um Juristerei, auch nicht um Ökonomie. Es geht uns an dieser Stelle um das wirklich wahre, reale Leben; also um Psychologie, Motivation, Expectation Management und Arbeitszufriedenheit. Es geht um existenzielle Fragen wie:

Was erwarten Sie als Arbeitnehmende von Ihrer Arbeit und Ihrem Chef? Dass er Sie wie einen Arbeitssklaven zurück ins Büro oder sonst wohin befiehlt?

Was erwarten Sie als Chef von Ihren Mitarbeitenden: Dass sie Ihnen aus der Wagenburg des Homeoffice heraus den Finger zeigen, wenn Sie sie anweisen, ihre Arbeit nach Ihren Vorstellungen zu erledigen?

Wenn ich diese Fragen auf Teppichetagen, in Büros und an Werkbänken stelle, kochen als Antwort regelmäßig die Gefühle hoch. Ihre auch? Warum? Weil wir hinter diesen Fragen tiefere, existenzielle Fragen erahnen. Und diese werden nicht nur von Büroarbeitern gestellt, die sich den Luxus eines Homeoffice leisten können. Sie werden von allen Menschen mit einem Dienst- oder Arbeitsvertrag, von Arbeitern, Technikern, Managern, Produktions- und Lagermitarbeitern gestellt:

17Was darf meine Chefin, mein Chef mit mir anstellen?

Was darf sie oder er sich mir gegenüber erlauben?

Darf sie oder er mir vorschreiben, wie ich zu arbeiten habe?

Was stört mich sonst noch an der Arbeit?

Was motiviert mich?

Was finde ich noch richtig cool, geil, supi an meinem Job?

Oder umgekehrt gefragt: Was sind Ihre Mitarbeiter Ihnen schuldig?

Was brauchen Ihre Mitarbeiter grundsätzlich, damit sie motiviert sind, voll dabei, absolut engagiert, volles Commitment?

Und wo sind sie das eher, rein empirisch, evidenzbasiert betrachtet: Im Homeoffice? Oder im Büro?

Das sind keine rhetorischen oder suggestiven Fragen. Die Antworten darauf sind tatsächlich immer noch offen. Und von diesen Antworten hängt nicht nur die Zukunft Ihres Homeoffice ab.

Von diesen Antworten hängt die Zukunft der Arbeit und der Wirtschaft ab. Ganz generell und kategorisch: Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen Sie arbeiten (lassen)?

Was müssen Sie sich gefallen lassen? Dass Ihre Führungskraft Ihnen vorschreibt, wie Sie zu arbeiten haben? Dass Ihre lieben Mitarbeiter Ihnen eine Nase drehen, wenn Sie ihnen sagen, wie Sie sich korrekte Arbeit vorstellen?

Sie spüren bei solchen Fragen etwas hochkommen? Es regt sich in Ihnen Empörung, Frust, Ärger?

Hoffnung?

Das sind jene Emotionen, die diese Fragen abseits der publizierten Meinungsbildung seit Monaten mit einer Vehemenz provozieren, welche die Nationen spaltet.

Finden wir Antworten auf diese Fragen.

18Besuchen wir jene Unternehmen, die bereits eine Antwort gefunden zu haben glauben – begleitet vom Aufstöhnen einer, wenn nicht beider Seiten.

19Die Vertreibung aus dem Paradies

That’s the great irony of letting passionate people work from home.

A manager’s natural instinct is to worry about his workers not getting enough work done, but the real threat is that too much will likely get done.

Jason Fried

»Big Tech wants you back in the office«

So titelte die amerikanische Kultzeitschrift Wired angesichts des RTO-Trends1und lieferte eine Reihe von krassen Beispielen. Nach Monaten des ungestörten post-Corona-Arbeitsglücks im Homeoffice befehlen viele einst total hippe, innovative, menschenfreundliche und moderne Tech-Konzerne: »Genug gefaulenzt im Homeoffice!« Zum Beispiel X, früher Twitter.

Elon Musk verschickte nach seiner Twitter-Übernahme um 2:30 Uhr in der Nacht eine Mail an seine Belegschaft mit der Anweisung, noch am selben Tag das geliebte Homeoffice zu verlassen und umgehend im Firmenbüro in Reih und Glied anzutreten. Wir können uns die Welle der Empörung vorstellen, der daraufhin bei Tausenden Mitarbeitenden ausbrach – im »Land of the free and the brave«. Weder noch. Nicht bei X. Nicht »free«. Ganz im Gegenteil: zurück an die Kette.

X ist keine Ausnahme. Renommierte, extrem erfolgreiche 20Tech-Konzerne, die früher oft als Sinnbild für humane, ja lockere Arbeitsbedingungen, als Inbegriff von New Work galten, die für die Befreiung des geknechteten Arbeitssklaven, innovative Produkte und modernes Design standen, erkennt man in RTO-Zeiten nicht wieder, weil sie regressiv in Methoden von Kaiser Wilhelms Zeiten zurückfallen. Auch Apple.

Apple und seine Büropflicht

Apple war einst Vorreiter für humane, ja moderne Arbeitsbedingungen. Apple war eines der ersten Unternehmen, das die Ketten seiner Angestellten sprengte und sie ins Homeoffice entließ. Seit kurzem nun die Kehrtwendung: strikte 3-Tage-Büropflicht. Diese Pflicht wird rigide überwacht und durchgesetzt.

Viele aus dem Homeoffice Vertriebenen hassen das. Sie empören sich. Zu Recht? Auf den ersten Blick würden wir alle zustimmen: Was fällt den Apple-Chefs ein, ihre Leute derart zu versklaven? Der Clou ist: Ihnen fällt tatsächlich etwas ein. Etwas, das fehlt.

Wer nur in T-Shirt und Pyjama-Hose zu Hause arbeitend vorm Notebook sitzt, dem fehlt tatsächlich etwas. Etwas, das ganz jenseits der verständlichen Homeoffice-Zufriedenheit beginnt. Was da fehlt, betrachten wir genauer in Kapitel 3. Vielleicht haben Sie selbst schon bemerkt, dass trotz aller Euphorie für das Homeoffice diesem etwas Wesentliches abgeht. Was vermuten Sie?

Meta, Google & Zoom: Ende einer Ära

Beide setzen ebenfalls auf das 3-Tage-Modell. Für Google ist das ein geradezu sensationeller/skandalöser Kultur-Bruch. Denn früher, in der »Beanbag Era«, war Google für seine Spielwiesen-Atmosphäre bekannt, beliebt und geschätzt – Personalleiter anderer Unternehmen gingen bei Google staunend ein und aus, um etwas von diesen sensationell neuen, verspielten 21Büroumgebungen zu lernen. Für diese Atmosphäre hätte es sich vielleicht noch gelohnt, nach Corona wieder ins Büro zurückzukehren.

Doch dieses Flair gibt es nicht mehr. Google versprüht heute den Charme einer Großraumbüro-Farm, über die ein Journalist in dem Wired-Artikel sagte: »Google ist jetzt wie IBM oder General Electric – ein reifes, unsexy Unternehmen.« Und dahin sollen wir zurückkehren? Nur weil der Chef das will?

»Es hat Zoom gemacht« – ja, auch dieses Unternehmen befiehlt RTO. Die ultimative Ironie: Ausgerechnet das Symbol für Remote Work während der Pandemie kommandiert seine Belegschaft jetzt zurück ins Büro und verlangt zumindest eine zeitweise Büropräsenz von seinen Mitarbeitenden – ein fast schon tragikomischer Backlash.

Die härteste Gangart

Salesforce, das große internationale Software-Haus für BWL-Programme vollzog die schärfste Kehrtwende. Noch 2022 verkündete CEO Marc Benioff: »RTO-Mandate werden nicht funktionieren.« Nur um eineinhalb Jahre später anzuweisen: Zurück ins Büro, bitteschön! Seit Oktober 2023 verlangt er von bestimmten Teams vier bis fünf Tage Büropräsenz.

Pikante Ironie: Ausgerechnet der Eigentümer von Slack, dem Tool für Remote Work, legt seine Leute wieder an die Kette – mit Signalwirkung. Denn die Firma mit dem ikonischen Salesforce Tower ist der größte private Arbeitgeber in San Francisco.

Bei Amazon gilt mittlerweile wieder eine 5-Tage-Büropflicht für Corporate-Mitarbeiter. Das ist, nach deren Empfinden, Vollzeit-Sklaventum. Das ist zurück auf die Galeere.

Besonders bemerkenswert erscheint, wie knallhart das Management diese RTO-Pflicht kommentiert, zum Beispiel in Person des Chefs von AWS (die Cloud-Sparte von Amazon): »Wenn es Ihnen nicht passt, können Sie ja woanders hingehen!« Das ist 22die einzige Gnade, die er seinen Sklaven gewährt: Freilassung auf Wunsch, die Entlassung aus der Sklaven-Galeere. Apropos Galeere.

»Wie die Sklaven auf der Galeere«? Von wegen!

Die Galeeren-Sklaven waren schon vor RTO sozusagen die »Posterboys« des ausbeuterischen Haifisch-Kapitalismus, der dem Proletariat den Klassenkampf angesagt hat. In gutbürgerlich humanistisch gebildeten Belegschaften hört man heute noch: »Wir schuften hier wie die Galeeren-Sklaven und die da oben fahren mit ihren dicken Firmenwägen spazieren / trommeln nur / schwingen die Rute / lassen rudern!« und so weiter. Schöne Bilder…

Leider historisch daneben. Es gab nie Sklaven auf den Ruderbänken von Galeeren. Galeeren waren Kriegsschiffe. Würden Sie in einem Seegefecht Ihr Schicksal, Ihr Leben und Ihr Schlachtenglück in die schwieligen Hände von Leuten geben, die zum Dienst gezwungen, null engagiert und null committed, mit der Peitsche »motiviert« werden müssen?

Die Admiräle und Kapitäne damals waren antik, sie waren aber nicht bescheuert. Sie hätten nie ausgezehrte und missmutige Sklaven auf die Ruderbänke gesetzt, weil man bei diesen niemals das technische Ausbildungsniveau, die Physis, muskuläre Kondition und das Engagement von professionellen Kräften hätte voraussetzen können. In den Deutschland-Achter von heute würde auch niemand gepresste Ruderer setzen, die eigentlich lieber selbstbestimmt Fußball spielen würden. Was da in den Schiffen zum Takt den Bizeps schwellen lässt, waren und sind Vollprofis, Soldaten, Schwerstarbeiter, Heavy Duty-Einsatzkräfte.

So viel zum Myth Busting.

23Von den antiken Ruderbänken zu den modernen Bürostühlen

Was bedeutet das nun für uns, in einer Zeit, in der »New Work« und »Future of Work« in aller Munde sind? Eine ganze Menge. Denn die Galeere, von ihrem Mythos befreit, lehrt uns überraschend viel über das, was Arbeit im Kern ausmacht – und was sie erfolgreich macht:

Ohne intrinsische Motivation geht nichts. Galeerenkapitäne wussten: Zwang und Peitsche mögen kurzfristig funktionieren, aber auf Dauer führen sie zu Meuterei und Misserfolg. In der modernen Arbeitswelt, in der Kreativität und Wissensarbeit dominieren, ist intrinsische Motivation, also die Freude an der Tätigkeit selbst, wichtiger denn je. »Neue Arbeit« muss diesen Faktor in den Mittelpunkt stellen.

Expertise ist Trumpf. Galeerenrudern war kein Job für jedermann. Es brauchte Profis, die ihr Handwerk beherrschten und bereit waren, sich ständig weiterzuentwickeln. Auch in der »Neuen Arbeit« sind Fachwissen, Spezialisierung und Lernen entscheidende Erfolgsfaktoren.

Vorsicht vor einfachen Antworten. Der Mythos der Galeeren-Sklaven suggeriert eine trügerische Einfachheit: Man müsse Menschen nur zwingen, dann würden sie schon funktionieren. »Neue Arbeit« darf nicht auf solche Simplifizierungen hereinfallen. Mehr Homeoffice oder agile Methoden allein machen noch keine gute Arbeit.

»Gute Arbeit« braucht gute Bedingungen. Auch wenn Galeerenruderer keine Sklaven waren – angenehm war 24ihr Job sicher nicht. Doch es gab Anreize: Verpflegung, Kameradschaft, Beute, vielleicht sogar so etwas wie Aufstiegschancen. »Neue Arbeit« muss Rahmenbedingungen schaffen, die motivieren und binden: faire Bezahlung, Entwicklungsperspektiven, eine gesunde Teamkultur.

Führung ist mehr als Kontrolle. Ein Galeerenkapitän war kein bloßer Sklaventreiber. Er musste seine Ruderer rekrutieren, ausbilden, motivieren, im Kampf zusammenhalten. »Neue Arbeit« braucht Führungskräfte, die inspirieren, befähigen und unterstützen, anstatt zu kontrollieren.

Kurzum: Die Galeere, befreit vom Ballast des Mythos, ist ein Lehrstück in Sachen Arbeitsmotivation und Leistungsfähigkeit. Sie erinnert uns daran, dass Arbeit, auch wenn sie hart ist, immer dann am besten funktioniert, wenn Menschen mit Können, Engagement und aus innerem Antrieb bei der Sache sind. Und das ist eine Erkenntnis, die in der Debatte um »Neue Arbeit« oft unterzugehen droht. Es wird Zeit, sich mit diesem Mythos auseinanderzusetzen!

Zurück zu den heutigen »Arbeitssklaven«. Wir finden diese nicht nur bei US Tech-Firmen, sondern auch hierzulande.

»Auch Du, Deutsche Bank?«

Ab dem Jahr 2025 wurde die Freiheit des Homeoffice und von Remote Work (im Straßencafé, am Strand …) massiv eingeschränkt auf maximal zwei Tage die Woche. Immerhin erhalten die Mitarbeitenden zusätzlich zwei Wochen am Stück pro Jahr, in denen sie von zuhause oder von sonstwo aus arbeiten dürfen – quasi »Homeoffice-Urlaub«.

25Leitende Angestellte dagegen erwischt es härter. Sie bekommen nicht zwei Wochentage, sondern nur noch einen Tag Homeoffice-Privileg. Denn sie sollen ja leuchtendes Vorbild sein. Vorbild wofür?

Währenddessen, im Rest von Deutschland

Im Rest von Deutschland herrscht latenter oder offener Streit darüber, ob man nun zwei oder drei Wochentage Homeoffice machen darf. Weshalb etliche Unternehmen durchsickern lassen, dass man sich, um den ewigen Streit endlich zu beenden, auf »fifty fifty« einigen werde. Frage: Wie geht fifty fifty bei fünf Arbeitstagen?

Wir könnten die Liste der zerstrittenen RTO-Unternehmen endlos fortsetzen. Mit vielen Beispielen für das, was seit Monaten weltweit Management und Belegschaften bewegt, zerlegt, aufhält, entzweit, kulturell zerreißt. Und das in Krisenzeiten, wo wir produktiv arbeiten sollten, anstatt darüber zu streiten, wann und wo wir produktiv sein wollen. Sind unsere Chefs und Chefinnen nach Corona zu Sklavenhaltern mutiert?

Und Belegschaften zu Star Wars-Rebellen, die sich gegen die tyrannischen Übergriffe des bösen Imperiums auflehnen? Fallen wir plötzlich 200 Jahre zurück in Zeiten der autoritären Führung? Weil um uns herum immer mehr Nationen von Autokraten und Tyrannen regiert werden? Stehen wir an der Schwelle einer neuen Wirtschaftsordnung? Steht der Tod des Kapitalismus bevor?

26Mehr als Home vs. Office – Freiheit, Selbstbestimmung, Wirksamkeit zählt

»Es gibt nur eine Sache, die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir wegnimmt.«

Che Guevara

Was ist eigentlich das Problem?

Das fragen sich – und mich – viele Führungskräfte. Warum stellen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so an? Wenn ich als Chefin sage »Herr Meier, nächstes Jahr übernehmen Sie auch noch die Produktgruppen E und F« – dann spurt der Meier doch auch. Warum nicht beim Homeoffice? Viele Chefs wundern sich. Und unterschätzen das Problem:

»Ob wir jetzt zwei oder drei Tage Homeoffice erlauben – wo ist das Problem?«

»Vor Corona waren die Leute doch auch fünf Tage im Büro. Das war damals kein Problem!«

»Ich bezahle Sie für Ihre Arbeit! Deshalb möchte ich mindestens das Gefühl haben, dass Sie bei mir an Bord sind!«

27Originalton Führungspraxis. Homeoffice oder Büro – das ist kein Problem. Aus Sicht der Chefs. Das Problem wird erst zum Problem, wenn wir es aus Sicht der Betroffenen betrachten. Zugegeben, keine leichte Übung; nicht nur in einer Führungsposition (weder unsere Gesellschaft noch Wirtschaft oder Erziehung sind bekannt für ihre Empathie-Stärke).

Wer als Chefin, als Chef also der Meinung ist, »Die müssen spuren! Schließlich bezahle ich die!«, der sei an dieser Stelle entschuldigt. Alle anderen lade ich zu einem kleinen Gedankenexperiment ein.

Alles eine Frage der Perspektive – aber wessen?

Wenn ich Unternehmen der Wirtschaftspraxis begleite, vertrauen mir Management wie Belegschaft hinter vorgehaltener Hand auch heikle Themen und Meinungen an – weil ich als »wissenschaftlicher Berater« sozusagen die neutrale Instanz bin. Selbst mich hat jedoch die Intensität der Reaktionen der Mitarbeitenden auf den »RTO-Marschbefehl« anfangs überrascht; hier einige Kostproben:

»Ab nächste Woche heißt es ›Zurück ins Büro!‹ Ich krieg die Krise. Ich könnte k…«

»Zurück in diesen Laden mit den politischen Spielchen, dem ewigen Konflikt und ständig schaut mir wer über die Schulter.«

»Zurück zu entweder teurem oder aber preisgünstigem und dann schlechtem Mittagessen, zu nervigen und unnötigen Präsenzmeetings, die man nicht mal schnell auf stumm schalten kann wie die Zoom-Sitzung.«

28 »Zwei verlorene Stunden jeden Tag auf der Autobahn, die mir keiner bezahlt und von denen ich nichts habe!« (respektive der Variante: »Statt zweimal am Tag auf dem zugigen Bahnsteig auf die verspätete Bahn zu warten, hätte ich zu Hause schon zwei Stunden was weggeschafft!«)

Wir entnehmen solchen Empörungstiraden: Es gibt objektive Nachteile des Firmenbüros, welche die Rückkehr in dasselbe problematisch machen. Problematisch daran ist nicht, dass Chefs diese ignorieren oder leugnen würden. Führungskräfte sind nicht weltfremd – wenigstens kenne ich keinen völlig weltfremden Chef, keine in Träumen gefangene Chefin von Rang. Problematisch daran ist einfach nur, dass jene Chefs, die sich über den RTO-Boykott beklagen, dieses Problem nicht problematisieren.

Sie thematisieren es nicht, sie erwähnen es nicht, sie einwandsbehandeln es nicht, sie diskutieren es nicht, sie kommunizieren es nicht. Und das, obwohl jeder Vorgesetzter im Grundlagenseminar an nauseam hört: »Führung ist zu 90 Prozent Kommunikation!« Kein Vorwurf: Niemand in dieser Republik (und anderen) kommuniziert auch nur annähernd ausreichend – aus dem Blickwinkel der Kommunikationsempfänger betrachtet (was eine wirklich selten eingenommene Perspektive ist).

Also verweigern sich die Empfänger. Nicht (nur), weil sie sich in der Tram nicht mehr die Beine in den Bauch stehen möchten. Sondern auch, weil ihre Führung diese als unbillig empfundenen Härten mit keinem Wort anspricht. In jeder romantischen oder auch Arbeitsbeziehung bedeutet das einen letalen Rapportbruch: Die Interessen, Befindlichkeiten und Gefühle des Partners nicht zu validieren (psychologischer Begriff), nicht zu wertschätzen (Zeitgeist-Begriff), nicht zu respektieren (umgangssprachlich).

29Nirgends wird das deutlicher als beim Split Run sozusagen im Feldexperiment: In Regionalniederlassung A eines Konzerns kommentierte die Niederlassungsleiterin den RTO-Befehl der Konzernleitung mit: »Jaja, ich weiß – jetzt müssen wieder einige von uns mit der ständig ausfallenden S-Bahn fahren, andere nehmen wieder drei Kilo zu, weil man in diesem Viertel kein anständiges Essen kriegt und wieder andere können hier in diesem Affentheater nicht mehr ungestört arbeiten – geht mir ja auch so.« Was ist das? Validierung – das Gütesiegel der Leader. In Niederlassung B betrachtete deren Leiter einen solchen Kommentar als selbstverständlich und buchstäblich nicht der Rede wert. Er kommentierte nicht. A hatte eine Rückkehrer-Quote von 70 Prozent. B von 20 Prozent. »See the difference?«, wie Lord Tyrion Lannister in Game of Thrones süffisant bemerkte.

Mangelnde Wertschätzung löst Weigerung aus.

Diese Weigerung registrieren selbst empathielose Führungskräfte dann doch. Und dann?

Das Karriere-Ende droht

Dann eskalieren viele Chefs. Weil sie glauben, keine andere Wahl zu haben. Auf die mehrheitliche Weigerung der Belegschaft eines US-Tech-Konzerns, dem RTO-Befehl zu folgen, erließ das Management eine zweite Anordnung:

»Wer das Homeoffice nicht verlässt, wird nicht mehr befördert!«

Das Todesurteil für die Karriere. Flüchteten die Bedrohten daraufhin scharenweise zurück in den Schoß des Firmenbüros?

Nein. Dieser niedliche kleine Erpressungsversuch flog bloß deshalb auf, weil einige der Erpressten auf sozialen Medien den Taschenrechner rausnahmen und vorrechneten: »Wenn 30ich jeden Tag zur Arbeit fahre, kostet mich das für Benzin, Straßenmaut, Kfz-Abschreibung und Verpflegung rund 4.000 Dollar im Jahr. Werde ich befördert, verdiene ich nach Steuern aber nur 2.500 mehr. Also. Wer rechnen kann, hat mehr vom Leben.«

Dahinter erhob sich der versteckte Vorwurf: »Könnt ihr nicht rechnen? (Und seid daher unfähig zur Führung eines Unternehmens). Oder wollt ihr uns absichtlich hinters Licht führen? (Was unsere RTO-Weigerung nur noch verstärkt).« In beiden Fällen bleibt man doch lieber zuhause. Ohne Beförderung. Warum funktionierte der Manipulationsversuch nicht?

Weil dieses spezielle Management tatsächlich nicht rechnen kann oder seine Leute wirklich bescheißen möchte?

Das möchte ich niemandem unterstellen. Wie gesagt: Ich kenne keine naiven Chefs oder Chefinnen, die nicht ökonomisch denken können.

Es liegt nicht an der Ökonomie. Es liegt an der Psychologie.

Ich weiß, Psychologie ist in vielen Unternehmen (Familien, Parteien, Behörden, Vereinen, Hochschulen, Kirchen …) ein Böhmisches Dorf. Akzeptiert. Verstehe ich. Psychologie ist wie eine Fremdsprache. Die einzigen beiden Gründe, warum man/frau sie sprechen können sollte:

Das »Betriebssystem« des Menschen ist nicht in Java oder C++ programmiert, sondern in Psychologie.

Wer diese Sprache beherrscht, kann Menschen führen – und muss sie nicht erpressen, manipulieren, bedrohen oder kujonieren.

Und eines der wichtigsten Idiome dieser Sprache ist …

31Reaktanz – Verbote machen das Verbotene attraktiver

Eine genervte Personalreferentin sagte mir: »Wir reden hier doch bloß übers Homeoffice – und nicht über drohende Kündigung, lebensgefährliche Unter-Tage-Arbeit, Galeeren-Dienst oder die Blutmine. Was haben die Leute denn? Warum überreagieren sie so überzogen, geradezu hysterisch?« Gute Frage.

Spontane Antwort des Psychologen vom Dienst: Das ist, rein fachlich betrachtet, keine Überreaktion und auch keine Hysterie.

Das ist Reaktanz (der korrekte psychologische Begriff)2.

Umgangssprachlich nennen wir es Trotz, Widerwille, Widerstand.

Psychologisch betrachten wir hier ein sehr einfaches Phänomen und gleichzeitig eines der am meisten unterschätzten Phänomene der Psychologie überhaupt.

Deshalb trifft es der umgangssprachliche Trotz oder Widerstand nicht ganz. Beide treten meist ganz spontan auf. Reaktanz jedoch ist sozusagen dauerhaft, ist angeboren, ein fixer Charakterzug des menschlichen Wesens seit tausenden von Jahren – was es umso seltsamer macht, dass die meisten Menschen noch nie etwas davon gehört haben (obwohl sie es täglich dutzendfach praktizieren – unbewusst). Das ist so, als hätten wir noch nie etwas von der Leber oder der Lunge gehört.

Reaktanz bedeutet: Wir Menschen können quasi von Natur aus nicht anders, als auf Änderungen, die uns etwas wegnehmen wollen, extrem negativ zu reagieren. Vor allem dann, wenn ich vorher die Wahlfreiheit hatte, mich für dieses Etwas zu entscheiden und es deshalb schätzen gelernt habe. Dann reagieren wir wie des Menschen bester tierischer Freund, wenn ich ihm seinen Lieblingsknochen wegnehmen möchte. Mit gefletschten Zähnen und drohendem Knurren. Manchmal mit Schaum vorm Maul.

32Der kleine Unterschied zwischen Hund und Mensch

Dem Hund mag es bei seiner Reaktion hauptsächlich um den Knochen gehen. Der Mensch dagegen reagiert schärfer. Denn es geht ihm nicht nur um das konkrete Gut (Knochen, Homeoffice …), das ihm weggenommen werden soll.

Es geht ihm noch viel stärker um die Freiheit, die ihm damit ebenfalls weggenommen wird. Seine Wahlfreiheit, seine Entscheidungsfreiheit, die Freiheit seiner Lebensgestaltung und seine Selbstentfaltung. Ich weiß, das ist zum Teil ein kulturelles Problem.

In totalitären Staaten sind Bürgerinnen und Bürger es gewohnt, keine oder kaum Freiheit zu haben. Doch selbst in Moskau knurren nicht nur die Hunde, wenn wegen des Embargos die Supermarkt-Regale leer und leerer werden.

Der Reaktanz-Schaden ist dabei umso heftiger, je stärker Hund und Mensch ahnen oder befürchten, dass Knochen und Homeoffice nur der Beginn einer fortfahrenden, ständig wiederholten »Enteignung« sind.

Was bringt Menschen also derart auf die Palme, wenn es ums Homeoffice geht?

Es ist nicht das Homeoffice. Es ist die bedrohte oder beschnittene Freiheit, die uns auf die Barrikaden steigen lässt.

Die Teamleiterin eines Kosmetik-Unternehmens antizipierte die Reaktanz ihrer Leute und operierte taktisch klug: Sie machte aus dem schönen großen Büro eines als dauerhaft betrachteten Nicht-Rückkehrers eine »Leisure Area« zum Abhängen und informellen Treffen der Büroarbeiter. Die Rückkehr ihres Teams ging deshalb sehr viel friktionsärmer und zahlenstärker über die Bühne: wegen verminderter Reaktanz. Warum?

Wegen der »Area«? Nein, wegen der klugen Anti-Reaktanz-Botschaft: »Ich nehme euch eine Freiheit und gebe euch im Gegenzug eine neue. Das Risiko, dass ich nach diesem einen Freiheitsentzug einen nächsten plane, ist also gering bis null.« 33Kluge Frau. Sie setzte ein Anti-Reaktanz-Signal. So funktionieren Leadership und Reaktanz-Management.

Verzicht ist das Eine, aber Verzicht auf Freiheit …?!

Ein kleines Beispiel zum besseren Verständnis: Sie sitzen in einem guten Restaurant und haben einen gesunden Appetit. Der Ober empfiehlt Ihnen als alternative Gerichte des Tages das Rumpsteak oder die Buddha Bowl (Erläuterung für Fleisch-Esser: ein hippes und leckeres vegetarisches oder veganes Gericht in einer dekorativen Schale oder Schüssel).

Nehmen wir an (Veganer und Vegetarier bitte kurz mitspielen), Sie entscheiden sich für das Rumpsteak und geben Ihre Bestellung auf, während Sie (in Antizipation des kommenden lukullischen Genusses) bereits Speichelbildung spüren. Plötzlich sagt der Ober: »Oh, ich sehe gerade: Steak ist leider aus. Also die Buddha Bowl?« Wie reagieren Sie?