Killing Innovation - Thorsten Reiter - E-Book

Killing Innovation E-Book

Thorsten Reiter

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Beschreibung

Fast ein Krimi…
Warum sind etablierte Firmen, die es geschafft haben, eine Innovationsfähigkeit aufzubauen, plötzlich nicht mehr innovativ? Können Unternehmen ihre wichtigsten Kompetenzen für Innovation wieder verlieren, ja sogar selbst zerstören?
Der Innovationsexperte Dr. Thorsten Reiter zeigt,

  • welche versteckten Vorgänge die Innovationsfähigkeit von Unternehmen von innen her bedrohen und vor welchen Kräften Innovationsprojekte und die mit ihnen betrauen Personen zu schützen sind,
  • dass Innovation wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie sein sollte, mit einem kontinuierlich gelebten Bekenntnis und Vertrauen insbesondere auch der Unternehmensführung,
  • wie Innovation in einer dezidierten Abteilung aufgebaut und gelebt werden muss und
  • welchen Mindsets und welcher Strukturen es in Unternehmen bedarf, um Innovationsfähigkeiten aufzubauen und dauerhaft zu erhalten.
Das Buch eröffnet ein ganzheitliches Verständnis von Innovation und beleuchtet die wesentlichen Faktoren zum Aufbau einer effektiven Innovationsstrategie, eingebettet in die Rahmenhandlung einer spannenden Obduktion. Am besten lassen Sie es gar nicht so weit kommen…

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Zum Inhalt:

Fast ein Krimi…

Warum sind etablierte Firmen, die es geschafft haben, eine Innovationsfähigkeit aufzubauen, plötzlich nicht mehr innovativ? Können Unternehmen ihre wichtigsten Kompetenzen für Innovation wieder verlieren, ja sogar selbst zerstören?

Der Innovationsexperte Dr. Thorsten Reiter zeigt,

welche versteckten Vorgänge die Innovationsfähigkeit von Unternehmen von innen her bedrohen und vor welchen Kräften Innovationsprojekte und die mit ihnen betrauen Personen zu schützen sind,

dass Innovation wesentlicher Teil der Unternehmensstrategie sein sollte, mit einem kontinuierlich gelebten Bekenntnis und Vertrauen insbesondere auch der Unternehmensführung,

wie Innovation in einer dezidierten Abteilung aufgebaut und gelebt werden muss und

welchen Mindsets und welcher Strukturen es in Unternehmen bedarf, um Innovationsfähigkeiten aufzubauen und dauerhaft zu erhalten.

Das Buch eröffnet ein ganzheitliches Verständnis von Innovation und beleuchtet die wesentlichen Faktoren zum Aufbau einer effektiven Innovationsstrategie, eingebettet in die Rahmenhandlung einer spannenden Obduktion. Am besten lassen Sie es gar nicht so weit kommen…

 

Zum Autor:

Dr. Thorsten Reiter ist Experte für Corporate Strategy und spezialisiert auf strategische Innovation. Im Fokus seiner Tätigkeiten als Dozent an der Universität St. Gallen, Autor und Speaker steht die Frage, wie eine robuste Innovationsfähigkeit als wichtigster Teil der Strategie einer Organisation erfolgreich etabliert werden kann. Seiner Ansicht nach ist die wichtigste Aufgabe der Innovation die Transformation der globalen Wirtschaft hin zu einem System, dessen Fundament individuelle Freiheit, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit ist. Als Manager in der Privatwirtschaft beschäftigt er sich mit der Etablierung neuer Geschäftsmodelle und dem kontinuierlichen Ausbau der strategischen Innovationsfähigkeit.

Dr. Thorsten Reiter studierte Betriebswirtschaft, Management und International Business & Politics an den Universitäten Mannheim (Deutschland), Aston (United Kingdom) und South Carolina (USA). An der Universität St. Gallen (Schweiz) forschte er zum Thema strategische Innovation mit Ansätzen, die auf international renommierten Konferenzen veröffentlicht wurden und große Beachtung fanden. Während seiner Zeit in Mannheim führte er ein Team von 175 Mitgliedern einer internationalen gemeinnützigen Organisation, die sich auf das Gründen von Social Startups für benachteiligte Bevölkerungsgruppen spezialisiert hat, und beriet in der Schweiz als selbstständiger Berater Firmen im Bereich Strategie. Aus diesen Tätigkeiten sind auch seine zwei ersten Management-Ratgeber zu den Themen „Startups“ und „Corporate Entrepreneurship“ entstanden, an die er nun mit „Killing Innovation“ – einem strategischen und bisher im Management unbekannten Blick auf Innovation – anknüpft.

KillingInnovation

Wie Unternehmen ihre Innovationskraft selbst zerstören …und wie sie überlebt!

von

Thorsten Reiter

TOMORROWBELONGSTO THOSEWHO CAN HEARIT COMING!

David Bowie

7INHALT

Der Mord an der Innovation

Kapitel 1: Ein neues Verständnis von Innovation

Innovation ist „die Hälfte“ der gesamten Strategie eines Unternehmens

Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens

Die Anatomie von Innovation

Fangen wir beim Kopf an: Wahrnehmen

Weiter mit den Extremitäten: Ergreifen

Zuletzt das Herz: Transformation

Innovation als institutionalisierter Wandel

Kapitel 2: Wie eine nachhaltige Innovationsfähigkeit aufgebaut wird

Die Innovationsabteilung

Die Innovationsabteilung und der Lernprozess zur Innovationsfähigkeit

Aktives Wissensmanagement zum Aufbau der Innovationsfähigkeit

Artikulation

Kodifizierung

Teilen

Internalisierung

Warum gibt es so wenige Innovationsabteilungen und wer arbeitet dort?

Innovation als Institution

Kapitel 3: Die Zerstörung: Ein Insider-Job

Der Zusammenbruch der Institution

Was ist innen und außen?

Die drei apokalyptischen Reiter – politische, funktionale und soziale Kräfte der Zerstörung

Politische Kräfte der Zerstörung

Wie Stress die Politik verändert

Wie neue Leute die Politik verändern

Funktionale Kräfte der Zerstörung

Veränderte Einschätzung des Nutzens

Verlangen nach technischer Spezifität

Ein Paradigmenwechsel der Managementprozesse

Soziale Kräfte der Zerstörung

Soziale Fragmentierung

Bruch der historischen Kontinuität

Kapitel 4: Die Zerstörung der Innovationsfähigkeit

Kapitel 5: Die Zerstörung der Wahrnehmungsfähigkeit

Die politische Zerstörung der Wahrnehmungsfähigkeit

Wie Performance-Einbrüche eine Innovations-Meuterei auslösen können

Zentralisierung & Zeit

Autonomie & Suchrichtung

Der strategische Filter

Wie überlebt die Wahrnehmungsfähigkeit politische Kräfte

Die funktionale Zerstörung der Wahrnehmungsfähigkeit

Die veränderte Wahrnehmung des funktionalen Nutzens

Das gesteigerte Bedürfnis nach technischer Spezifität

Konzentration auf das Lokale

Konzentration auf Risiko anstatt „tiefer Unsicherheit“

8Wie überlebt die Wahrnehmungsfähigkeit funktionale Zwänge

Wie soziale Kräfte die Wahrnehmungsfähigkeit zerstören

Wie überlebt die Wahrnehmungsfähigkeit soziale Kräfte

Kapitel 6: Die Zerstörung des Ergreifens

Die politische Zerstörung des Ergreifens

Multiple konkurrierende Investitionspfade

Der interne Kampf

Zu eng gesteckte Unternehmensgrenzen

Wie überlebt das Ergreifen politische Kräfte

Die funktionale Zerstörung des Ergreifens

Veränderte Wahrnehmung des funktionalen Nutzens

Interdependente unsichere zukünftige Zahlungsströme & ko-spezialisierte immaterielle Vermögenswerte

Wie überlebt das Ergreifen funktionale Zwänge

Die soziale Zerstörung des Ergreifens

Soziale Fragmentierung und implizite Organisationsstrukturen

Komplementaritäten

Wie überlebt das Ergreifen soziale Kräfte

Kapitel 7: Die Zerstörung der Transformation

Die politische Zerstörung der Transformation

Pfadabhängige Routinen

Corporate Governance & Strategisches Fehlverhalten

Wie überlebt die Transformation politische Kräfte

Die funktionale Zerstörung der Transformation

Teurer Wissensaustausch

Die fehlgeleitete Governance

Wie überlebt die Transformation funktionale Zwänge

Die soziale Zerstörung der Transformation

Wie überlebt die Transformation soziale Kräfte

Kapitel 8: Wie die Innovation diese Welt überlebt

Wie die Meritokratie die Innovation zerstört

Wie die Innovation eine Zukunft hat

Top 10 Lessons Learned

Der Obduktionsbericht

Danksagungen

Endnoten

Literaturverzeichnis

9DER MORDAN DERINNOVATION

Zitternd stoßen wir die verbarrikadierte Tür zu der einst prunkvollen Eingangshalle auf. Der weiße Marmorboden wurde an einzelnen Stellen von den herabgefallenen Deckenlampen aufgesprengt und die Fenster, die einst das Symbol für Weltoffenheit und Ambition waren, sind verdreckt, haben Risse oder sind gar ganz zerbrochen. Uns fährt ein kalter Schauer über den Rücken, als wir weiter in das zwielichtige Innere dieser einst so bewunderten Stätte des Fortschritts und lebendigen Unternehmertums vordringen. Wie konnte das geschehen? Wie konnte ein Ort, der noch vor wenigen Jahren die hellsten Köpfe und voll Motivation schlagende Herzen angezogen hat, so verkommen? Was ist hier geschehen?

Wir betreten einen dunklen Raum: Die einst farbenfrohen Tische und ergonomisch-geformten Stühle wurden umgestoßen und sind zerbrochen. Überall liegen Fetzen von aufgeschlitzten, bunten Sitzsäcken. Plötzlich ertönt ein schriller Schrei und mein Begleiter, Joachim, zeigt mit seiner starrgefrorenen Hand in eine Ecke des Raums. Mir versagen beinahe die Knie, denn was ich da zu sehen bekomme, dreht mir den Magen um. Wer würde etwas so Schreckliches tun? Inmitten von zersplittertem Glas, breitet sich auf dem Boden langsam eine weitläufige Lache aus … eine Lache aus Club-Mate. Was für eine Verschwendung! Ich gehe in die Hocke und berühre mit meinen Fingerspitzen andächtig die letzten Überreste einer lockeren Unternehmenskultur, mit flachen Hierarchien und in der jeder als Familienmitglied gesehen wird – nicht als Mitarbeiter.

10Erst jetzt erkennen wir in der Dunkelheit das gesamte Ausmaß der Zerstörung: Eine niedergebrannte Sofaecke mit Playstation, die an einem flackernden Bildschirm hängt, ein abgerissenes „Bullshit-Bingo“-Spielplakat, eine zerbrochene Tischtennisplatte (weil Kicker so 90er sind) und so viele Hoodies mit ausgerissenen Hipster-Barthaaren. Doch nichts hätte uns auf das vorbereiten können, was nun folgt: Irgendwo aus der Dunkelheit hören wir ein Röcheln und Stöhnen. Ich nehme die Taschenlampenfunktion meines iPhones und leuchte in Richtung der Geräusche. Da liegt sie – kaum noch am Leben festhaltend und schrecklich zugerichtet: die Innovation. Wir rennen sofort zu ihr und knien uns neben ihren starr daliegenden Körper. Langsam hebe ich ihren Kopf an und versuche, ihr einige Tropfen der Club-Mate zu verabreichen, in der Hoffnung es wird ihr ein wenig Kraft verleihen. Aber es ist zu spät. Die Innovation ist verstorben … nein, sie ist ermordet worden!

Ich breche weinend über dem leblosen Körper zusammen und schreie aus tiefster Lunge: „Nein! Das darf nicht sein! Warum?“ Und da schwöre ich mir, in jenem Moment, dass wir herausfinden werden, wer es getan hat, wie und auch warum. Ich werde dieses Verbrechen am unternehmerischen und gesellschaftlichen Fortschritt aufdecken, indem ich genau rekonstruiere, was hier geschehen ist, und zwar mit allen Mitteln, die mir die Managementforschung bietet. Und was ich finde, werde ich hier niederschreiben in: Killing Innovation – Wie Unternehmen ihre Innovationskraft selbst zerstören … und wie sie überlebt!

11KAPITEL 1:EIN NEUESVERSTÄNDNIS VON INNOVATION

12Als ich vor einigen Jahren ein Forschungspapier mit dem Titel „Warum Apple scheitern wird“ vorstellte, erntete ich schräge Blicke und ungläubiges Schmunzeln. Immerhin hatte Apple kurz zuvor den höchsten Aktienkurs in der gesamten Unternehmensgeschichte verzeichnet und hier kam ich mit der absurden Idee, Apple stehe vor dem Untergang. Als wenige Monate später die Aktie schließlich auf ein für die Firma historisches Tief fiel, verwandelten sich die skeptischen Blicke in Fragen: „Wie bist du darauf gekommen?“, „Warum Apple?“, „Wer ist als nächstes dran?“ und „Wie viel soll ich gegen Apple wetten?“.

Dabei ging es mir nicht um Apple im Speziellen und auch nicht darum, eine kurzfristige Entwicklung vorauszusagen. Mir ging es um die Frage, ob einst höchst innovative Firmen diese Fähigkeiten wieder verlieren können und wenn ja, warum. Apple war hierfür ein prominenter Kandidat, denn wie ich fand, lag der letzte innovative Knalleffekt des Unternehmens schon einige lange Jahre zurück (wobei ich die Apple Watch nicht einmal dazuzählen würde). Außerdem muss ich zugeben, dass ich während meiner Recherche zu diesem Thema einen kleinen Tipp erhalten hatte. Diese Person hat also auch einige der Lorbeeren bzgl. der nicht immerwährenden innovativen Überlegenheit Apples verdient. Nicht nur gab mir diese Person einen ersten Anhaltspunkt, womit ein solcher Verlust von Innovationsfähigkeit zusammenhängen könnte, sie kam zusätzlich bereits fast 40 Jahre vor mir auf die Idee. Wer diese Person war? Steve Jobs, der Gründer von Apple.

Ironischerweise bezog sich Steve in einem Interview Mitte der 80er Jahre nicht auf seine eigene Firma, sondern auf Xerox. Seine Message aber könnte heute seinem Nachfolger Tim Cook, CEO von Apple, die Augen öffnen: Steve war der Ansicht, dass sich mit dem Innovationserfolg einiger Firmen der interne Fokus von technologischen Errungenschaften wegbewegt hin zu Marketing & Sales, die für die enormen Erträge des Unternehmens im Hier und Jetzt verantwortlich sind. Dies hat natürlich eine Implikation auf die Verwendung interner Ressourcen, die nun nicht mehr risikoreichen Experimenten zufließen, sondern der Ertragssteigerung durch Werbung und Vertrieb. Diese kleine Anekdote enthält zu meiner Belustigung eine doppelte Ironie: Auf der einen Seite war Steve Jobs selbst über allem anderen ein Verkäufer und kein Technikgenie. Vertrieb und Marketing zu verteufeln, war daher wohl etwas scheinheilig. Zum anderen präsentierte Tim Cook im Jahr 2015 den Apple Pencil für das iPad – gerade mal acht Jahre, nachdem Steve Jobs zum ersten Mal das iPhone mit den Worten präsentiert hatte: „Wer will schon einen Stift? Du musst ihn dir erst kaufen, dann verstauen und am Ende verlierst du ihn. Igitt! Niemand möchte einen Stift. Also verwenden wir keinen.” Lustig, oder?

Diese Anekdote, die mir bis heute ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, hat mich schließlich zu einer mehrjährigen Forschungsarbeit geführt, in der ich ergründen wollte, was genau dazu beiträgt, dass Firmen ihre einst so umjubelte Innovationsfähigkeit verlieren. 13Denn die Idee, dass Innovation nicht das Endziel, das Paradies ist, in dem sich Firmen sonnen und für immer frei von Wettbewerbsdruck bewegen können, ist bisher noch unangetastet. Warum auch sollte eine Firma, die so offensichtlich in den letzten Jahren von ihren Innovationstätigkeiten profitiert hat, plötzlich damit aufhören? Die Antwort ist gleichermaßen ernüchternd wie alarmierend, denn: Die Faktoren, die zum Verlust der Innovationstätigkeiten führen, kommen nicht von außen: Sie kommen von innen.

Das Unternehmen zerstört seine eigene Innovationsfähigkeit selbst!

Warum und wie dies genau geschieht, möchte ich in dem vorliegenden Buch erläutern und erklären, wie der Mensch selbst, der die Innovation überhaupt erst möglich macht, für ihren Untergang verantwortlich ist. Es ist eine Geschichte voller Paradoxien und eine, die es verdient hat, mit Kopfschütteln betrachtet zu werden. Jedoch ist es eine Geschichte, die so überall und jeden Tag geschieht. Daher möchte ich in diesem Buch zwei Dinge erreichen: Erstens, wie bereits der Titel und die Einführung suggerieren, möchte ich die verschiedenen Vorgänge innerhalb von Unternehmen aufzeigen, mit denen diese ihre eigene Innovationskraft bzw. ihre eigene Fähigkeit zur Innovation zerstören. Aber um dies zu tun, ist es zweitens wichtig, unser gemeinsames Verständnis von Innovation zu verändern. Denn der ein oder andere Leser mag nun denken: „Ich weiß genau, was Innovation ist! Erst machen wir kreative Workshops mit Design-Thinking, dann entsteht daraus eine Idee, aus der wir einen Prototyp bauen. Schließlich holen wir Feedback ein und implementieren das neue Produkt im Markt! Vielleicht klappt es dann, vielleicht nicht – Innovation ist sowieso Zufall.“ Das ist jedoch zu kurz gesprungen und stimmt so nicht.

Was wir gemeinhin als Innovation verstehen, sind einzelne Produkt-, Service- oder Geschäftsmodellinnovationen. Die Prozesse, die wir gemeinhin als Innovation verstehen – wie eben zuvor erwähnt Design-Thinking und dergleichen, sind lediglich kleine isolierte Werkzeuge, die mit dem Verständnis einer Innovationsfähigkeit nichts zu tun haben. Wer Innnovation so betrachtet, kann schnell den Eindruck gewinnen, ihre erfolgreiche Ausführung sei „Zufall“. Wenn ich jedoch in diesem Buch von Innovation spreche, dann spreche ich von der Fähigkeit zur Innovation, die Kraft zur Innovation in einem Unternehmen. Diese Innovationskraft ist eine organisationale und dynamische Fähigkeit1, die es dem Unternehmen ermöglicht, nicht nur eine oder zwei Produktinnovationen hervorzubringen, sondern kontinuierlich und nachhaltig innovativ zu sein; bezogen auf jegliche Art der Innovation.

14Wenn wir Innovation nur als marginale und isolierte Produkt-, Service- oder Geschäftsmodellinnovation betrachten, können wir niemals verstehen, warum manche Unternehmen permanent innovativ sind und manche nur hin und wieder mal. Wir können auch nicht verstehen, warum Innovationen scheitern. Es ist wie in der alten Metapher mit den Männern, die zu nahe an einem Elefanten stehen: Der eine sieht nur eine große graue Fläche und sagt: „Der Elefant ist flach und grau“, während der, der am Rüssel steht, sagt: „Nein, der Elefant sieht aus wie eine Schlange“, weil er gerade nur den Rüssel sieht. Vielleicht waren die Männer auch blind, ich weiß es nicht mehr genau. Am Ende kann jedoch keiner der drei Männer erkennen, wie ein Elefant tatsächlich aussieht. Sie sehen das große Ganze nicht und erkennen nur einzelne Teile, die sich sogar noch gegenseitig zu widersprechen scheinen. Beim Thema Innovation ist es ganz genau so: Erst, wenn wir gemeinsam verstehen, wie Innovation tatsächlich in ihrer grundlegenden Architektur funktioniert, wenn wir erkennen, welche (vor allem) menschlichen Elemente sich dahinter verbergen, erst dann können wir verstehen, wie sie funktioniert, und vor allem auch, wie sie nicht funktioniert.

Innovation ist „die Hälfte“ der gesamten Strategie eines Unternehmens

Ohne jetzt zu weit ausholen zu wollen, möchte ich dennoch kurz die Vogelperspektive einnehmen, eben auf das große Ganze eingehen, damit ich alle Leser abhole – egal ob sie aus den verwinkeltsten Buchhaltungsabteilungen kommen oder aus dem übercoolen „Innovation Hub“: Es gibt für alle etwas zu lernen. Ein Unternehmen verfolgt prinzipiell zwei strategische Aufgaben: Exploitation und Exploration.2Exploitation bedeutet, dass ein Unternehmen seine bestehenden Ressourcen und Geschäftsmodelle so effizient wie möglich nutzt, um bestehende Kunden in bestehenden Märkten zu bedienen. Mittels Skaleneffekten (also der Tatsache, dass die Stückkosten für die Herstellung eines weiteren Produktes sinken, je mehr Produkteinheiten hergestellt werden, da die fixen Kosten gleich bleiben und sich der Umsatz erhöht) können sie bestehende Ressourcen „ausnutzen“ und je effizienter sie dies tun, desto mehr Gewinn tragen sie am Ende nach Hause. Exploitation ist also der „effiziente“ Arm des Unternehmens – die Dinge richtig tun.

Wie wir alle schon erahnen können, funktioniert dies aber nur eine gewisse Zeit lang; denn Produkte werden irgendwann technologisch überholt oder die Mode ändert sich. Sprich die Kunden haben irgendwann genug vom Existierenden und wollen etwas „Neues“. Hier kommt also die zweite strategische Aufgabe eines Unternehmens ins Spiel: Exploration. Exploration – wie das Wort schon andeutet – beschäftigt sich mit dem Entdecken neuer Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsmodelle. Vereinfacht könnten wir jetzt sagen, dass dies der „innovative“ Arm des Unternehmens ist. Und je „innovativer“ ein Unternehmen ist, sprich je stärker seine organisationale 15Fähigkeit zur Innovation ist, desto eher wird es ihm immer wieder gelingen, dieser ebenso wichtigen strategischen Aufgabe nachzukommen. Hierbei geht es also darum, im Gegensatz zur Exploitation, die richtigen Dinge zu tun.

Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen ist also die Fähigkeit, strategischen Wandel herbeizuführen3, um einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil vor allen anderen Unternehmen zu haben, die dieser essenziellen strategischen Aufgabe der permanenten Erneuerung nicht oder nicht so effektiv nachkommen können – insbesondere gilt dies dann, wenn wir es mit einem höchst dynamischen externen Umfeld zu tun haben.4 Ich nehme an, einige Leser kennen den Begriff VUCA-World, der eine Welt beschreibt, die volatil ist, unsicher, komplex (complex) und uneindeutig (ambiguos). Sprich, sie verändert sich ständig in nicht vorhersehbare Richtungen auf sehr komplizierte Art und Weise und wir können immer seltener mit Sicherheit sagen, welche Ursache zu welcher Wirkung geführt hat. In einer solchen Welt ist es für Unternehmen nicht nur erfolgsentscheidend, sondern überlebenswichtig, sich eine robuste Innovationsfähigkeit zu erarbeiten und diese auch zu behalten. „Robust“ bedeutet in diesem Fall, dass sie klare Muster und Vorgehensweisen haben, auf die sie immer wieder verlässlich zurückgreifen können.5 Und hier wird es auch schon spannend – leider auch kompliziert und alles andere als intuitiv. Denn:

Wenn Innovation die Fähigkeit zum strategischen Wandel ist, wie kann sie ein vorgefertigtes Muster haben?

Diese scheinbar paradoxe Beziehung zwischen Wandel und Stabilität – diese Dualität6 – zu verstehen ist notwendig, um das Innerste der Innovation, um unternehmerischen Erfolg, ja, um die gesamte ökonomische Welt um uns herum zu ergründen.

Vereinfacht können wir die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens einteilen in: „Was sie tut“ und „Wie sie es tut“. Denn die Antwort auf „Was sie tut“ ist: Sie ermöglicht strategischen Wandel; und die Antwort auf „Wie sie es tut“ ist: Auf wiederholbare und in Traditionen eingebettete Art und Weise. Fangen wir an mit „was sie tut“ – was ist Innovation, wenn wir sie als Fähigkeit zum strategischen Wandel verstehen? In Kapitel 2 sehen wir uns dann an, „wie sie es tut“.

16Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens

Laut dem Innovationsforscher David Teece7 von der Berkley University in Kalifornien umfasst die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens das Integrieren, Aufbauen und Transformieren der internen und externen Kompetenzen des Unternehmens. Dies geschieht, um auf das sich schnell verändernde externe Umfeld zu reagieren – VUCA eben. Diese organisationale Fähigkeit ermöglichst es dem Unternehmen also, neue und innovative Formen von Wettbewerbsvorteilen zu schaffen, die sie immer wieder aus ihrem einst eingeschlagenen Pfad herausholen und auf neue Gleise setzen. Denn tatsächlich sind die meisten Organisationen – und auch Menschen – „pfadabhängig“. Es ist nur mit enormem Aufwand zu bewerkstelligen, sich nicht von vergangenen Taten und Aktivitäten auch in der Zukunft bestimmen zu lassen.

Diese Fähigkeit, sich nicht vom vergangenen Pfad einschränken zu lassen, ist einer der wichtigsten Beiträge der Innovation zu einem Unternehmen. Dadurch können Unternehmen die Vorteile ihrer gefestigten Marktposition nutzen (Ressourcen, Netzwerk, etc.) und dennoch wie ein Startup auf eine veränderte Welt reagieren. Das bedeutet, die organisationale Fähigkeit zur Innovation nimmt externe Chancen und Bedrohungen wahr, die aus dem sich verändernden Umfeld entspringen, und transformiert die eigene Ressourcenbasis, um nun in dieser neuen Welt wieder effizient agieren zu können.8 Die Unternehmen schaffen es, den Dynamiken des Marktes zu trotzen und erhalten dennoch ihren Wettbewerbsvorteil aufrecht.9

Eine kleine akademische Nerd-Exkursion: Die Art und Weise, wie wir in der modernen Managementforschung Unternehmen betrachten, hat sich seit Beginn der 90er Jahre vehement verändert. Ursprünglich hatte Jay Barney im Jahr 1991 die sogenannte Ressourcen-basierte Perspektive entwickelt, die davon ausgeht, dass Unternehmen dann einen Wettbewerbsvorteil haben, wenn sie gewisse VRIN-Ressourcen besitzen. VRIN steht für wertvoll (valuable), selten (rare), nicht nachzuahmen (in-imitable) und nicht zu ersetzen (non-substitutable). Aber in der heutigen VUCA-Welt gibt es fast keine VRIN-Ressourcen mehr – soll heißen: Jede Ressource ist entweder imitierbar oder kann durch eine andere Herangehensweise ersetzt werden. Deswegen verstehen wir heute Firmen wesentlich dynamischer und tendenziell eher immateriell – sprich wir fokussieren uns darauf, was ein Unternehmen als Kollektiv KANN, anstatt auf das, was es HAT. Eine Perspektive, die sich also mit organisationalen Fähigkeiten10 und strategischen operationalen Routinen beschäftigt11 . Aber diese kleine Exkursion sei nur für die, die sich schon immer gefragt haben, wie Unternehmen in der heutigen Managementforschung im Vergleich zu den 90er Jahren verstanden werden. Nerds eben.

17Das wirklich Interessante an Innovation ist jedoch, dass sie nicht nur die Ressourcenbasis und Kompetenzen des eigenen Unternehmens verändert, sie interagiert auch auf besonders befähigende Art und Weise mit dem externen Umfeld selbst. Damit gibt Innovation nicht nur dem eigenen Unternehmen die Fähigkeit, mit Veränderungen – wie Chancen und Gefahren – im externen Umfeld umzugehen, sie hat natürlich auch die Macht, das externe Umfeld an sich zu verändern, und ermöglicht so neue Produkte, Dienstleistungen, aber auch neue Arten, wie wir arbeiten, kommunizieren und uns als Spezies verhalten.12

Wie der Titel dieses Buches jedoch suggeriert, möchten ich hier aufklären, was zum Verlust der Innovationskraft eines Unternehmens führt. Dafür müssen wir sie in ihre Einzelteile zerlegen und jedes Stück einzeln untersuchen, um herauszufinden, wie sie einst funktioniert hat. Außerdem benötigen wir wie bei jedem „gewöhnlichen Mordfall“ gut ausgebildete Pathologen, die die Obduktion durchführen: Das werden Sie (die Leserinnen und Leser) am Ende dieses Buches sein. Aber ohne ein gutes Verständnis der Anatomie von Innovation wird das nichts. Nur wenn wir sie im Detail verstehen, können wir feststellen, was der Innovation zugestoßen ist – wer es getan hat und noch wichtiger: Wie ein Unternehmen das Überleben seiner Innovationsfähigkeit sicherstellt.

Die Anatomie von Innovation

Grundsätzlich besteht eine Innovationsfähigkeit aus drei wichtigen Elementen: Wahrnehmen, Ergreifen und Transformation. Wobei sich Wahrnehmen auf die Fähigkeit bezieht, externe Chancen und Gefahren adäquat identifizieren zu können, Ergreifen auf die internen Fähigkeiten, diese Chance auch zu nutzen bzw. die Gefahren abzuwehren und die Fähigkeit zur Transformation auf das kontinuierliche Neuausrichten der internen Ressourcenbasis, Kompetenzen, Prozesse und Strukturen auf eine nach der Innovation veränderte Realität.13

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