KINTSUGI - Scherben bringen Glück - Pascal Akira Frank - E-Book

KINTSUGI - Scherben bringen Glück E-Book

Pascal Akira Frank

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Beschreibung

O Schreck! Herr Takeshi lässt seine Lieblingstasse fallen. Herr Nakamura gerät in eine existenzielle Lebenskrise. Was haben beide gemein? Kintsugi! Diese traditionelle japanische Handwerkskunst zeigt nicht nur, wie man zerbrochene Keramik kittet, sondern auch, wie man emotionale Wunden heilen kann – und zwar geduldig, achtsam und mit sehr viel Mitgefühl. Das Besondere: Der Kintsugi-Prozess (jap. Kint = Gold und Sugi = verbinden) ist aufwendig, erfordert Geduld und Sorgfalt, doch am Ende werden die Bruchstellen mit Gold veredelt und die Tasse mit ihren goldenen Adern erstrahlt kostbarer als zuvor. Das Gold offenbart die Bruchstellen, statt sie zu kaschieren, und so wird Kintsugi zu einer Metapher der wertvollen Heilung. Herr Takeshi trägt also seine geliebte Tasse zu einem Kintsugi-Meister. Herr Nakamura erlebt die Phasen des Kintsugi an Leib und Seele. Während Herrn Takeshis Tasse liebevoll und mit großem handwerklichen Geschick repariert und veredelt wird, bekommt Herr Nakamura die Gelegenheit, seinen emotionalen Schmerz zu betrauern und sein Leben zu reflektieren. In fünf heilsamen Schritten bewegt er sich vom ursprünglichen krisenhaften Ereignis bis hin zur tiefgreifenden Heilung. Das Schöne daran: Wie die zerbrochene Tasse von Herrn Takeshi ist auch das Leben von Herrn Nakamura am Ende nicht nur wieder ganz, sondern es erstrahlt grundlegend in neuem Glanz. Seine Beziehungen sind tiefer, sein Leben ist reicher und lebenswerter geworden. Dank Kintsugi. Eine zauberhafte Geschichte aus dem Herzen Japans. Mit hilfreichen Übungen und Reflexionen für den Leser.

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Impressum

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

Projektleitung: Anja Schmidt

Lektorat: Dr. Diane Zilliges

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Ina Maschner

ISBN 978-3-8338-6990-7

1. Auflage 2019

Syndication: www.seasons.agency

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Vor einer langen Zeit in Japan

Mein Weg zu Kintsugi

Ich war zwölf Jahre alt und zu Besuch bei meinen Großeltern in Chigasaki, einer Küstenstadt sechzig Kilometer südlich von Tokio. Es war ein längerer Aufenthalt. Ein halbes Jahr am Stück war ich dort und machte in dieser Zeit alles, was man als Zwölfjähriger in Japan macht: Vormittags besuchte ich die Schule. Der Unterricht auf Japanisch fiel mir nicht ganz leicht und das Essen in der Schulkantine war mehr als gewöhnungsbedürftig. Doch das Gute war, dass ich den ganzen restlichen Tag gestalten konnte, wie ich wollte.

Ich erinnere mich, dass ich viel Zeit im Garten verbrachte, in dem die Bonsaisammlung meines Opas stand. Er hatte mir gezeigt, wie man sie richtig gießt, was schnell eine meiner Lieblingsbeschäftigungen an den Nachmittagen wurde. Die Miniaturbäume hütete mein Opa wie kostbare Schätze und es machte mich stolz, ihnen Wasser geben zu dürfen. Ansonsten verbrachte ich die Zeit damit, mit Bunbun, unserem Hund, zu spielen, mit dem Fahrrad an den Strand zu fahren, Osembe, japanisches Reisgebäck, zu essen und mit den Jungen aus der Nachbarschaft Schabernack zu treiben – kurz: Ich hatte eine wirklich gute Zeit im Land meiner Großeltern.

Doch dann passierte es. Beim Spielen in der Wohnung warf ich aus Versehen eine Vase um, von der ich wusste, dass meine Oma sie sehr, sehr mochte. Es war eine kleine, elegante Vase aus Raku-Keramik. Als die Scherben auf dem Boden lagen, konnte ich es nicht fassen. »Was habe ich nur getan?! Oh nein, alles, nur nicht diese Vase!«, schoss es mir durch den Kopf.

Aber es war nichts mehr zu machen. Die Vase war und blieb kaputt. Und ich hatte sie kaputt gemacht. Ich kämpfte mit den Tränen.

Zu dem Zeitpunkt war ich allein in der Wohnung. Ich schaute auf den Boden, sah die Scherben und fühlte mich unendlich schlecht. Mir war sofort klar, dass ich etwas Schlimmes gemacht hatte. Meine Oma würde sehr traurig sein, wenn sie ihre geliebte Vase so in Trümmern sehen würde. Mit einem schlechten Gewissen, wie ich es selten in meinem Leben hatte, sammelte ich die Scherben auf.

Ich ging damit zu meinem Opa, der gerade im Garten mit seinen Bonsaibäumchen beschäftigt war. »Opa, schau, was ich gemacht habe«, sagte ich und zeigte ihm mit Tränen in den Augen die Scherben. Ich war sicher, dass er jetzt ordentlich wütend werden würde.

Aber er war es überhaupt nicht. Er sagte nur ganz ruhig zu mir: »Keine Sorge, das ist nicht weiter schlimm. Wir werden die Vase gemeinsam reparieren.«

Und das taten wir. In dem kleinen Werkzeugschuppen hinter dem Haus. Schritt für Schritt. Wir reparierten die Vase über Tage, ja sogar über Wochen hinweg mit einer besonderen Reparaturtechnik: Kintsugi. Was das Besondere daran war, konnte man am Ende sehen: Die Vase war nicht einfach nur wieder möglichst so wie zuvor, sondern die Bruchlinien hatten wir vergoldet.

Als ich die reparierte Vase meiner Oma zusammen mit einer von Herzen kommenden Entschuldigung überreichte, freute sie sich. Überhaupt war sie gar nicht traurig gewesen wegen meines Missgeschicks. Sie sagte, dass ihr Lieblingsstück jetzt noch mehr Charakter habe als vorher. Außerdem würde sie beim Anschauen der Vase von nun an immer an mich denken, wenn ich wieder in Deutschland sei.

Das war meine erste Berührung mit Kintsugi. Zu sagen, dass ich davon fasziniert war, wäre eine Untertreibung: Ich war begeistert! Kintsugi ließ mich nicht mehr los. Später, als ich älter war, ließ ich mir von meinem Opa zeigen, wie die Reparatur genau funktioniert, damit ich sie auch selbst durchführen konnte. Seitdem habe ich Kintsugi oft angewandt und damit kaputte Gefäße repariert, meine eigenen, die meiner Familie, von Freunden und Bekannten.

Dabei ist mir eines aufgefallen: Kintsugi ist nicht nur eine Reparaturmethode für kaputte Dinge. Man kann sich auch selbst damit heilen. Denn die einzelnen Schritte sind eine perfekte Anleitung, um mit Krisen fertigzuwerden, an ihnen zu wachsen und gereift aus ihnen hervorzugehen.

Wenn es mir schlecht ging und ich das Gefühl hatte, ein wenig in Scherben aufgegangen zu sein, übertrug ich einfach die Arbeitsschritte von Kintsugi auf mich und mein Leben. Ich konnte sofort sehen: Das hilft. Es funktioniert. Auf diese Weise unterstützte mich Kintsugi bei den kleinen und großen Krisen, die das Leben mit sich bringt.

In diesem Buch möchte ich das Wissen, das uns die uralte japanische Reparaturkunst schenkt, an Sie weitergeben. Da ich sowohl japanische als auch deutsche Wurzeln habe, eigne ich mich dafür vielleicht besonders gut. Mein Wunsch und meine Hoffnung ist, dass Ihnen Kintsugi wie mir hilft, ein gutes, glückliches Leben zu führen. Dass auch Sie erleben, dass Scherben Glück bringen.

Ich war sehr erleichtert. Kintsugi, diese alte japanische Kunst des Reparierens von Vasen und Schalen, Krügen und anderem Geschirr, hatte mich gerettet.

KINTSUGI – VOM GLÜCK, IN SCHERBEN ZU LIEGEN

Etwas Kostbares zerbricht, wird repariert und ist nachher noch schöner als zuvor. Was macht die einzelnen Schritte der alten Kunst Kintsugi aus? Und warum kann das, was dabei mit Vasen oder Teeschalen geschieht, auch für uns selbst bedeutsam sein?

Was genau ist Kintsugi?

Am Anfang geht etwas entzwei: ein Gefäß … oder etwas in unserem Leben

Kintsugi ist eine jahrhundertealte, traditionelle japanische Handwerkskunst, mit der zerbrochene Stücke aus Keramik und Porzellan repariert werden. Kin heißt »Gold« und sugi »verbinden«, Kintsugi lässt sich also mit »Goldverbindung« übersetzen. Dieser Name zeigt schon, dass Gold bei der Reparatur eine wichtige Rolle spielt. Der ganze Vorgang ist vielstufig, er erstreckt sich über einen längeren Zeitraum und er erfordert sehr viel Geduld, Präzision, Sorgfalt und Achtsamkeit. Schauen wir uns anhand eines Beispiels an, wie Kintsugi gelebt wird. Am Beispiel von Herrn Takeshi.

Kintsugi beginnt immer damit, dass etwas kaputtgeht. In diesem Fall ist es die Teeschale von Herrn Takeshi, ein besonders schönes Stück, aus dem er täglich seinen grünen Tee trinkt. Doch dann passiert das Missgeschick: Ein Augenblick der Unachtsamkeit und sie rutscht ihm beim Abwaschen aus den Fingern. Der Schreck ist groß, doch da ist es schon zu spät: Die Schale ist zerbrochen und liegt in Scherben verteilt auf dem Küchenboden.

DER ERSTE SCHRITT: ZERBRECHEN

Da Herr Takeshi sehr an seiner Teeschale hängt, kommt ihm nicht einmal kurz in den Sinn, die Scherben einfach in den Mülleimer zu bugsieren. Als Japaner weiß er, dass es Kintsugi gibt und die Schale keineswegs verloren ist. In einem Fernsehbericht hat er gesehen, dass es gerade sogar einen regelrechten Kintsugi-Boom gibt. Viele Menschen haben Kintsugi als Hobby entdeckt und reparieren und verschönern kaputtgegangene Dinge in Eigenregie mit dieser alten Technik. Es gibt mittlerweile sogar Kintsugi-Kits zu kaufen, die alles enthalten, was man zur Reparatur braucht. So können auch Laien aktiv werden.

Doch da Herr Takeshi von sich selbst glaubt, zwei linke Hände zu haben, beschließt er, auf Nummer sicher zu gehen und es auf die traditionelle Art zu machen: Er sammelt die Scherben ein und bringt sie zum nächsten Kintsugi-Meister, Herrn Musashi, dessen Familie schon seit mehreren Generationen eine Kintsugi-Werkstatt betreibt. Hier ist die Schale in guten Händen, findet Herr Takeshi.

DER ZWEITE SCHRITT: KLEBEN

Meister Musashi freut sich über den neuen Auftrag. Er ist genau nach seinem Geschmack, denn am liebsten repariert er zu Bruch gegangene Stücke, die für seine Kunden einen großen emotionalen Wert haben. So wie die Lieblingsteeschale von Herrn Takeshi. Also sagt er ihm: »Keine Sorge, das kriegen wir schon hin. Geduld müssen Sie aber schon ein wenig haben, denn Kintsugi geht nicht von heute auf morgen. Es braucht seine Zeit.«

Die Arbeit beginnt. Meister Musashi begutachtet zunächst einmal die Scherben. Er überprüft, ob sie vollständig sind und die Bruchkanten sich nahtlos ineinanderfügen. Hierfür muss er ein wenig puzzeln: Welche Scherbe gehört wohin? Meister Musashi hat schon so oft in seinem Leben mit Scherben gearbeitet, dass die kleine Teeschale kein Problem für ihn darstellt. Schon nach kurzer Zeit hat er das Scherbenpuzzle gelöst. Er erkennt, dass die Schale fast komplett ist, nur ein kleiner Teil am oberen Rand fehlt.

Nun geht es ans Kleben. Meister Musashi nimmt hierfür zwei passende Scherben und verteilt mit einem Spatel Urushi auf beiden Bruchkanten. Urushi ist ein Lack, der aus dem Saft des in Ostasien wachsenden Lackbaums gewonnen wird. Es wird schon seit mehr als 6000 Jahren von Menschen zum Kleben benutzt. In der Jungsteinzeit wurden damit Pfeil- und Speerspitzen befestigt, jetzt klebt Meister Musashi damit die Scherben von Herrn Takeshis Teeschale aneinander. Stück für Stück nimmt das Gefäß so wieder seine ursprüngliche Form an.

Nachdem er alle Scherben zusammengeklebt hat, ist nur noch eine kleine Lücke an der Stelle mit der fehlenden Scherbe. Doch auch hierfür hat Meister Musashi eine Lösung: Er mischt eine Paste aus Urushi und Tonpulver an und ergänzt damit das fehlende Stück, wobei er mehrere Lagen aufträgt.

Zum Abschluss wickelt er die Teeschale, die nun wieder ihre ursprüngliche Form hat, mit Schnüren ein. So ist sie bereit für den nächsten Arbeitsschritt.

DER DRITTE SCHRITT: RUHEN

Die Teeschale muss nun längere Zeit in einer Trockenkammer ruhen, damit der Lack vollkommen trocknen und aushärten kann. Dafür sind eine konstante Temperatur von etwa fünfundzwanzig Grad sowie eine hohe Luftfeuchtigkeit notwendig. Meister Musashi weiß, dass das Trocknen nicht nur wichtig ist, damit die Scherben gut aneinanderhaften. Es ist auch wichtig, weil im noch unausgehärteten Lack Urushi-Öle enthalten sind, die bei Hautkontakt allergische Reaktionen hervorrufen können. Erst wenn der Lack vollkommen trocken und ausgehärtet ist, besteht in dieser Hinsicht keine Gefahr mehr. Das Ruhen gibt der Schale Festigkeit und macht sie wasserdicht. So wird die Schale wieder gebrauchsfertig und kann erneut eine Rolle im Alltag von Herrn Takeshi spielen.

DER VIERTE SCHRITT: WIEDERHERSTELLEN

Nachdem der Lack vollständig ausgehärtet und getrocknet ist, macht sich Meister Musashi daran, die Teeschale völlig wiederherzustellen. Hierfür sind verschiedene Teilarbeitsschritte notwendig. Als Erstes entfernt Meister Musashi sorgfältig überschüssigen Urushi. Vorsichtig fährt er an den Bruchlinien entlang und ertastet feinste Unebenheiten. Nachdem er überschüssige Lackreste entfernt hat, schleift er die Bruchlinien mit Schleifkohle an.

Nun werden zwei weitere Lackschichten auf die Bruchlinien aufgetragen. Sie sollen für zusätzliche Stabilität sorgen. Zunächst bringt Meister Musashi mit einem Pinsel eine erste Schicht mit schwarzem Urushi auf. Dieser ist mit Ruß gemischt. Nachdem er getrocknet ist, folgt eine zweite Lackschicht mit rotem Urushi. Er hat seine Farbe von einer Mischung mit Eisenoxid und Zinnober. Mit diesem Schritt ist die Teeschale wiederhergestellt, Kintsugi jedoch noch nicht zu Ende. Es fehlt noch die Krönung.

DER FÜNFTE SCHRITT: VERGOLDEN

Meister Musashi weiß, dass richtiges Timing für den letzten Schritt eine große Rolle spielt. Die letzte Lackschicht darf nicht völlig trocknen, noch während sie feucht ist, streut er pulverisiertes Gold in sie ein. Dann folgt eine weitere Trockenzeit und danach eine letzte Schicht Klarlack zum Versiegeln. Zum Abschluss poliert Meister Musashi den Klarlack und bringt damit das Gold richtig zum Glänzen. Nun ist der Kintsugi-Prozess abgeschlossen.

Meister Musashi schaut sich sein Werk an und ist damit zufrieden. Es waren viel Sorgfalt, Geduld und Präzision bei der Arbeit notwendig, sie hat Zeit und Hingabe gekostet, doch es hat sich gelohnt. Denn aus den Scherben ist die Teeschale von Herrn Takeshi nicht nur auferstanden, sondern strahlt jetzt in ganz neuer Schönheit.

Am nächsten Tag holt Herr Takeshi seine Schale ab. Er bewundert die Arbeit des Kintsugi-Meisters und bedankt sich überschwänglich. Auch er findet, dass seine Teeschale jetzt sogar noch schöner ist als vor dem Missgeschick.

Zum Ursprung von Kintsugi

In Japan liebt man Geschichten. Und auch zum Ursprung von Kintsugi gehört eine Legende, die ich Ihnen gleich noch erzählen möchte. Ashikaga Yoshimasa, ein mächtiger Shōgun im Japan des 15. Jahrhunderts, besaß eine kostbare chinesische Teeschale. Aus ihr trank er bevorzugt seinen Tee bei den regelmäßig am Hof stattfindenden Teezeremonien. Dann passierte das Unglück: Aus Versehen zerbrach der Herrscher seine Teeschale. In seiner Trauer wusste er sich nicht besser zu helfen, als sie zur Reparatur zurück nach China zu schicken. Nach einigen Monaten kam die Gesandtschaft mit ihr zurück, doch mit enttäuschendem Resultat. Die Teeschale war zwar repariert, doch die Scherben waren einfach mit groben Metallklammern zusammengeflickt worden. Der Shōgun beauftragte daraufhin seine eigenen Kunsthandwerker, eine Reparaturmethode zu finden, die ein ästhetisch ansprechenderes Resultat liefern würde. Und das taten sie: Sie erfanden Kintsugi.

Es geht bei Kintsugi nicht darum, ein zerbrochenes Stück einfach nur zusammenzukleben und dabei den Bruch zu kaschieren. Ganz im Gegenteil: Der Bruch wird hervorgehoben. Die in leuchtendem Gold erstrahlenden Bruchlinien zeigen dem Betrachter, dass es sich bei dem Gefäß um etwas handelt, das einst zu Bruch ging, dem Besitzer aber so wertvoll war, dass er es mit Zeit, Geduld und Kunstfertigkeit zu neuem Leben erweckte.

Das Ergebnis: Das zerbrochene Stück ist durch den Schaden, den es genommen hat, nicht in seinem Wert gemindert, sondern ganz im Gegenteil sogar noch wertvoller und schöner geworden. Es hat nun eine komplexe Schönheit, die die eigene Geschichte und den Schaden, den es genommen hat, nicht verhehlt, sondern nach einer triumphalen Transformation offen zur Schau stellt. Nach dem Bruch ist es absolut unverkennbar ein Unikat. Seine wahre Schönheit kommt erst jetzt zum Vorschein.



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