Kirschgarten - John von Düffel - E-Book

Kirschgarten E-Book

John von Düffel

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Beschreibung

Rowohlt E-Book Theater Die Urenkel von Tschechows Figuren treffen aufeinander, und noch erbitterter als ihre Vorfahren streiten sie um den Kirschgarten, der eigentlich längst nicht mehr existiert. Die Familie Ranjewskaja ist in den USA zu Reichtum gekommen. Doch Anja, benannt nach ihrer Großmutter, fühlte schon immer die Sehnsucht nach der alten Heimat. Zusammen mit ihrem Bruder Gajew, einem eher unsentimentalen Militär, ist sie zurückgekehrt, um Lopachin den ehemaligen Familiensitz wieder abzukaufen und den Kirschgarten neu aufzuforsten. Denn tatsächlich: Der Nachfahre des Kaufmanns führt die Geschäfte weiter, allerdings mittlerweile mit besten Kontakten in das Mafiamilieu. Noch weitere alte Bekannte begegnen sich in diesem «Kirschgarten revisited», durch den möglicherweise sogar noch der Geist des alten Dieners Firs spukt. Trotz diverser Systemumbrüche gelten erstaunlich schnell wieder die alten Herrschaftsverhältnisse. Doch dann kommt es erneut zu einem sentimentalen Abschied und zu einem skrupellosen Sieg des schlitzohrigen Lopachin. Und der Kirschgarten bleibt abgeholzt.

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Seitenzahl: 83

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John von Düffel

Kirschgarten – Die Rückkehr

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Rowohlt E-Book Theater

 

Über John von Düffel

Inhaltsübersicht

PersonenMottoAkt IAkt IIAkt IIIAkt IV

Personen

ANJA

GAJEW ihr Bruder

TROFIMOW ehemaliger Tierarzt, neu in der Politik

LOPACHIN eine Größe der Halbwelt

SASCHA seine «rechte Hand»

DUNJASCHA Saschas Freundin

OLEG der Glückspilz

Ort

Das einstige Gutshaus der Ranewskaja

 

Zeit

Anfang der 1990er

«Mama, der Kirschgarten ist verkauft, es gibt ihn nicht mehr, das ist die Wahrheit, aber weine nicht, weine nicht, Mama, komm, gehen wir weg von hier. Wir werden einen neuen Garten pflanzen, schöner noch als diesen, du wirst ihn wachsen sehen, und du wirst lächeln, Mama …»

 

Anjas Traum, aus Der Kirschgarten von Anton Tschechow, Ende III. Akt

Akt I

Salon des einstigen Herrenhauses, baufällig, abgehängt und in Teilen als Büro genutzt. Es ist zwei Uhr nachts. Sascha und Dunjascha kommen vom Kirschblütenfest zurück, sie trägt eine Blütenkrone im Haar.

SASCHA

Jetzt hab dich nicht so, Dunjascha, immer hast du dich so!

DUNJASCHA

Lass mich! Lass uns zurück zum Fest.

SASCHA

Zum Fest! Damit sie dich weiter anstarren, mit solchen Augen!

DUNJASCHA

Na und? Ich bin die Königin, ich bin zum Anstarren da.

SASCHA

Aber nicht mit solchen Augen! Hey!

DUNJASCHA

Das ist der Neid. Ist doch schön.

SASCHA

Ich bring sie um.

DUNJASCHA

Du bist ja bloß eifersüchtig, weil ich gewählt wurde, unter Hunderten auserwählt. Ich bin eine Kirschblüte, guck!

SASCHA

Du bist blau.

DUNJASCHA

Königinnen sind nie blau, Königinnen haben einen Schwips!

SASCHA

Mann, Mann, Mann!

DUNJASCHA

Ich hab dir die Hälfte abgegeben, meine Freigetränke, alles, geteilt durch zwei! Ich sorge nämlich für meine Untertanen, du Fallobst! So und jetzt komm, sonst gibt’s nichts mehr. – Was war das?

SASCHA

Was?

DUNJASCHA

Da war was.

SASCHA

Soll’n gewesen sein?

DUNJASCHA

Lass uns abhauen, Sascha, hier spukt’s. (Flüstert) Firs …

SASCHA

Firs!

DUNJASCHA

Marianna sagt, er ist ihr erschienen!

SASCHA

Marianna sind hier auch drei Engel erschienen und der größte Teil vom lieben Gott. Erst hat sie den Malern das Terpentin weggesoffen, dann wollt sie mit ihrem Freier in eins von den Zimmern im Hinterhaus und fällt durch ’n Loch in ’n Dielen. Mann, Mann, Mann! So tief kann man sinken, dass man sich auf ’m Autostrich zu Fuß abschleppen lässt.

DUNJASCHA

Du denkst wirklich immer nur an das eine.

SASCHA

Aber mit dir, Dunjascha, nur mit dir.

DUNJASCHA

Das ist traurig.

SASCHA

Frauen können einfach nicht trinken. Ich versteh das nicht. Ein und derselbe Alkohol, aber Männer werden gemütlich, Frauen anstrengend. Warum ist das so?

DUNJASCHA

Ich geh jetzt. Ich will feiern!

SASCHA

Warte! (Geht zum Schreibtisch, öffnet ihn) Guck, was ich hier habe. Die eiserne Ration – oder wie der Kenner sagt: «Die Weisheit des Verwalters».

DUNJASCHA

Wie du’s hier jeden Tag aushältst in diesem Geisterhaus …

SASCHA

Trink, ist gut gegen Gespenster!

DUNJASCHA

Nee, dann weiß ich morgen nichts mehr, und ich will mich doch erinnern an diese Nacht.

SASCHA

Einen für den Weg.

DUNJASCHA

Du hast ja nicht mal Musik hier, das ist so traurig. Ach, Sascha.

SASCHA

Weinst du?

DUNJASCHA

Weiß ich doch nicht.

SASCHA

Frauen können nicht trinken, ich sag’s ja. Mann, Mann, Mann! Ein und derselbe Alkohol, aber wenn’s lustig wird, heulen sie los.

Er trinkt. Gajew kommt. Dunjascha erschrickt.

GAJEW

Knock, knock. Ist es gestattet?

SASCHA

Beachten Sie die Bürozeiten, irgendwo hängt ’n Schild.

GAJEW

Nur eine Frage.

SASCHA

Wir haben geschlossen.

GAJEW

Mit Verlaub, ich suche den Kirschgarten –

SASCHA

Gibt keinen Kirschgarten!

GAJEW

Aber das Gut – oder wie sagt man?

SASCHA

Sie meinen die Siedlung.

GAJEW

Aber das Haus hier – bin ich nicht richtig? – ist doch das Gutshaus?

SASCHA

Diese Ruine ist mein Büro, Gott sei’s geklagt.

DUNJASCHA

Jetzt lass doch. Lass uns gehen.

GAJEW

Dann sind Sie Lopachin?

SASCHA

Was?

GAJEW

Lopachin?

SASCHA

(zu Dunjascha) Er hält mich für Lopachin, he, he.

DUNJASCHA

Auch das noch.

SASCHA

(zu Gajew) Glauben Sie, Lopachin würde hier sitzen zu nachtschlafender Zeit? Er hat Besseres zu tun!

GAJEW

Und, wenn ich fragen darf, wer sind Sie?

SASCHA

Ich? Seine rechte Hand. Instandhaltung und Inkasso. Also hauptsächlich Inkasso.

Dunjascha seufzt schwer.

GAJEW

(zu ihr) Es friert Sie? Man sagt, es gibt Nachtfrost.

DUNJASCHA

Ich frier wegen ihm.

GAJEW

Es ist nicht gut, wenn die Kirschblüten Frost bekommen.

SASCHA

Wovon reden Sie eigentlich?

GAJEW

Meine Sprache ist ein wenig rostig, ich habe sie noch nie gesprochen, außer mit meiner Großmutter. Sie ist jetzt fünfunddreißig Jahre tot.

DUNJASCHA

Der Typ ist voll unheimlich, Sascha.

SASCHA

Sie sind wohl nicht von hier.

GAJEW

(zu Dunjascha) Ich wollte Ihnen keine Angst einjagen – sagt man einjagen?

SASCHA

Ich hab gefragt, ob Sie von hier sind!

GAJEW

Meine Familie, ja, meine Großmutter, Urgroßmutter, ich bin aus den Staaten.

SASCHA

Welchen Staaten?

GAJEW

Sagt man nicht Staaten?

SASCHA

Gibt viele Staaten.

DUNJASCHA

Er meint –

GAJEW

Man sagt doch Staaten? USA?

SASCHA

Sie sind aus Amerika?

GAJEW

Ja.

SASCHA

Warum nicht gleich so. Mann, Mann, Mann!

GAJEW

Dort bin ich um diese Zeit immer im Schießstand. Deswegen kann ich nicht schlafen.

SASCHA

Jetzt hören Sie mir mal gut zu, Mister Vereinigte Staaten!

DUNJASCHA

Sascha …

SASCHA

Schnauze! – Passen Sie auf, ich mach Ihnen ’n Angebot. Sie sagen mir jetzt einen Satz, den ich Lopachin sage, und dann verduften Sie, verstanden? Ich habe hier nämlich gerade meine Privatsphäre.

DUNJASCHA

Sascha. Ich will tanzen!

SASCHA

Ich arbeite! – Also, Mister. Was wollen Sie? Wer ist Ihr Auftraggeber?

GAJEW

Ich reise mit meiner Schwester, Anja …

SASCHA

Ein Satz, hab ich gesagt.

GAJEW

Sie hat einen Traum, von Kindesbeinen.

SASCHA

Das ist doch kein Satz! Wenn ich das Lopachin sage, reißt er mir den Kopf ab!

GAJEW

Es geht um den Kirschgarten. Sie will ihn zurück.

SASCHA

Was?

GAJEW

Sie will den Kirschgarten zurück. Den unserer Großmutter selig.

SASCHA

Den Garten vom Haus hier oder …

GAJEW

Und das Land dahinter, bis zum Fluss. Dreitausend Morgen.

SASCHA

Dreitausend? Aber das ist ja – die komplette Siedlung!

GAJEW

Wir zahlen in Dollar.

SASCHA

Das … das wird aber verdammt teuer für einen Garten!

GAJEW

Sofern es Lopachin überhaupt gehört.

SASCHA

Was soll das heißen?

GAJEW

Die Eigentumsverhältnisse sind ungeklärt.

SASCHA

Von wegen.

GAJEW

Ein Bombeneinschlag ’43. Die Grundbücher, alles verbrannt.

SASCHA

Die Eigentumsverhältnisse sind geklärt. Und wenn nicht, klärt sie Lopachin!

GAJEW

Überlassen wir das den Anwälten.

SASCHA

Nee, Mister. Wissen Sie, was Lopachin aus Ihnen macht, Ihnen und Ihrer Großmutter? Wissen Sie was Borschtsch ist? Das macht er aus Ihnen, Borschtsch!

DUNJASCHA

Sascha. Mir ist langweilig.

SASCHA

Halt die Klappe.

DUNJASCHA

Du hast mir überhaupt nichts zu befehlen, ich bin hier die Königin!

Sascha schlägt sie kurzerhand, Dunjascha fliegt in eine Ecke, ihr Blütenkranz in eine andere.

SASCHA

’schuldigung, Mister, aber Frauen können einfach nicht saufen.

DUNJASCHA

Du bist ein Arschloch, Sascha, so ein Arschloch.

SASCHA

Wo waren wir? Ach ja! Sagen Sie Ihrer Großmutter einen schönen Gruß, aber: Vergessen Sie’s.

GAJEW

Schwester. Anja ist meine Schwester, aber sie heißt nach unserer Großmutter.

SASCHA

Lassen Sie ihn bloß mit Familiengeschichten in Ruhe, Lopachin hasst Familiengeschichten! – Dunjascha? He! Sag ihm, was Lopachin mit deiner Schwester gemacht hat!

DUNJASCHA

Du meinst das Baby?

SASCHA

Nein, die andere Sache.

DUNJASCHA

Ach so.

SASCHA

Jedenfalls: Mit Lopachin ist nicht gut Kirschen – he, he – nicht gut Kirschen essen. Und die Siedlung hier ist seine Haupteinnahmequelle seit der Katastrophe.

GAJEW

Welcher Katastrophe?

SASCHA

Perestroika. Also ich sag ihm kein Wort, Mister, bin ja nicht lebensmüde. Und wenn er mich fragt – hörst du, Dunjascha? – wenn Lopachin uns fragt: Dieses Gespräch hat nie stattgefunden. Ist das klar?

DUNJASCHA

(betastet ihr Gesicht) Wie seh ich aus? Scheiße! Sieht man was?

SASCHA

Ob das klar ist?!

DUNJASCHA

Ja, Mann.

Draußen hört man eine kleine Kapelle vorüberziehen, den letzten Rest vom Blütenfest. Einen Moment lang lauschen alle.

DUNJASCHA

Schade.

SASCHA

Was?

DUNJASCHA

Sie spielen den Auszug der Musikanten. Das Fest ist vorbei. Schad.

SASCHA

Du hast den Ernst der Lage nicht erfasst. Dieser Mann hier – weißt du, was er gesagt hat?!

DUNJASCHA

Ich dachte, wir wissen von nichts.

SASCHA

Ah, ja. Sie haben’s gehört, Mister, wir sind uns nie begegnet.

GAJEW

Keine Sorge. Meine Schwester ist die Geschäftsfrau, ich bin Offizier und hege keinerlei Absichten.

SASCHA

Gut, gut. Waffengattung?

GAJEW

General Infantry.

SASCHA

Panzergrenadier. Da haben wir ja richtig Glück, dass Frieden ist.

GAJEW

Wie man’s nimmt.

SASCHA

Also, auf Ehre: Wir kennen uns nicht.

Sie geben sich die Hände. Dunjascha lauscht …

DUNJASCHA

Jetzt sind sie weg. Und nächstes Jahr trägt eine andere den Kranz …

Lopachin kommt, sieht Gajew, scheint sich aber nicht für ihn zu interessieren und geht an ihm vorbei.

LOPACHIN