Klar sehen und doch hoffen - Friedrich Schorlemmer - E-Book

Klar sehen und doch hoffen E-Book

Friedrich Schorlemmer

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Beschreibung

"Ein Mann der Zuversicht – ungebeugt und solidarisch" Richard von Weizsäcker, Laudatio zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels Ein Leben im Widerspruch zu den Herrschenden. Der Bürgerrechtler und Visionär Friedrich Schorlemmer blickt zurück auf sein Jahrhundert. Friedrich Schorlemmer vergewissert sich in dieser Autobiographie seiner Wurzeln und zeigt, wie man sich im Wandel treu bleiben kann. Hier spricht ein Pazifist, der zivile Alternativen bei der Lösung jeglicher Konflikte fordert. Ein Demokrat, dem die Freiheit des Individuums ebenso wichtig ist wie die Gleichheit aller Menschen Er erzählt von Freiheit inmitten der Enge, von der Suche nach lebensstiftendem Sinn angesichts einer früh erkannten gesellschaftlichen Sinnkrise. Er schildert Begegnungen mit Künstlern und Persönlichkeiten der Politik und Geistesgeschichte. Sein Buch erhellt, wie Seele und Verstand trotz Dogmen, Mauern und Staatssicherheit stark bleiben, wie Gemeinschaft mit Gleichgesinnten ermutigt, wie Literatur und Musik bereichert. Dieser Pfarrer bekennt sich zur Sinnlichkeit menschlicher Existenz. Gott ist ihm ein Synonym für Lebensmut aus Glauben, Lieben, Hoffen.

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FRIEDRICH SCHORLEMMER

Klar sehen und doch hoffen

Mein politisches Leben

Impressum

Mit 41 Abbildungen

ISBN 978-3-8412-0505-6

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, August 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Erstausgabe erschien 2012 bei Aufbau, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlageszulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie fürdas öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung hißmann, heilmann, hamburg /

Andreas Heilmann

unter Verwendung eines Motivs von Chris Keller

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Innentitel

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Eines Predigers Amt ist eigentlich darauf gerichtet, daß er immerdar liebe, predige, helfe, rate und die Hörer zum Glauben und zur Liebe anhalte.

Martin Luther

Wes Fuß wär’ niemals fehlgesprungen?Wer lief nicht irr’ auf seinem Lauf?Blick hin auf das, was dir gelungen,Und richte so dich wieder auf.

Theodor Fontane

Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.

Sokrates

Wege entstehen dadurch, daß man sie geht.

Franz Kafka

Wenn der Teufel der Lehre nichts anhaben kann, so legt er sich wider die Person, lügt, schmäht, flucht und tobt wider dieselbe.

Martin Luther

Inhaltsübersicht

WAS ICH ERINNERE, WAS ICH SUCHE

»Steh auf, Friedrich!«

Blick zurück ohne Zor

Vater und Sohn

Vater komm, erzähl vom Krieg

Bleibe im Lande und wehre dich täglich

Die Stimmung einer Zeit berücksichtigen

Wie sich alles zusammenfügt

Wege abschreiten

WO ICH GROSSGEWORDEN BIN

Was ein Kind gesagt bekommt

Familienbande und Mauerbau

Wo Gott ein Fremdwort ist

Ein geborener Staatsfeind

Meine Kirche, mein Refugium – ein Lern- und Lebensort

Ich war im Konsum

Das System ließ Lücken, und Gedanken reisen zollfrei

Konsumsender und Lipsischritt

WIE ICH WURDE, WAS ICH BIN

»Ich singe mit, wenn alles singt«. Paul Gerhardt

Mein Leben mit Tauben – mit der Taube Noahs und Picasso

Von meinem Volk erschüttert – mit meinem Volk ergriffe

Selbstvergewisserung eines Ostdeutschen

Warum ich Pfarrer geblieben bin

Wie ich bewahrt wurde

MEIN WEG IN DIE KONTRASTGESELLSCHAFT

Selbstbehauptung in der ummauerten Provinz

Arbeiten und Skat spielen

Den aufrechten Gang üben

Das Wagnis eines Doppelspiels

Die Sprengkraft einer antiken Metapher

Der einsame Mut einer Abiturientin

Ein Orgelkonzert mit Folgen

Wenn einer aus der Reihe tanzt

Mein Abschied von der Studentengemeinde in Merseburg 1978"

VERSUCHE, IN DER WAHRHEIT ZU LEBEN

Eine oppositionelle Gruppe

Das Recht zu reden und die Drohungen der Macht

Das Spiel mit dem Feuer

»Unsere Zukunft hat schon begonnen«

Mein Bild – Mattheuers »Jahrhundertschritt«

DER UNTEILBARE FRIEDEN

Sag nein, schwör keinen Eid

Die Abiturientin, der Spielpanzer und die Humorlosigkeit des Systems

Schwerter zu Pflugscharen! Feinde zu Partnern!

Spieße zu Winzermessern. Konversion statt neuer Kriege

UMKEHR FÜHRT WEITER

Die Zeit zu reden ist gekommen

Eine Hoffnung lernt gehen – die Ökumenische Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung

Beton platzt von innen

Der Herbst der Entscheidung

Lasst uns die Wahl! – Zum Auftakt der friedlichen Revolution am 4. September 1989" in Leipzig.

VOM AUGUSTINERKLOSTER ÜBER DIE SCHLOSSKIRCHE ZUM MARKTPLATZ

Luther: weder Heiliger noch stinkender Madensack

In der Schlosskirche predigen

Rufe nach einer neuen Reformation?

DIE TAGE DER BEFREIUNG

Der 9. Oktober und das unerledigte Erbe der Bürgerbewegung

Der unvergessliche 4. November und sein Mehrwert

Der Schießbefehl an die NVA blieb aus

Der 9. November in Wittenberg

Die Russen in Wittenberg

Ein NVA-Offizier bekennt sich öffentlich

ERNÜCHTERUNGEN – WEDER VERKLÄRUNG NOCH DÄMONISIERUNG

Der Tag, an dem die D-Mark kam

Die Wende war noch keine Umkehr

Konflikte im kommunalen Alltag der Demokratie. Bau auf, bau auf …

Eine neue politische Kultur und neue Untiefen

»Die Drecksau und die Trucksau«

Erinnerung an Vergangenes um der Zukunft willen

Dummheit gefährdet die Demokratie

Verdummung praktisch

Vom Ändern und Bessern

Eigentum verpflichtet – die Erfurter Erklärung

Der politische Journalismus als Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln

WIR SIND ÜBERALL AUF DER ERDE – STASI UND KEIN ENDE

»Wir sind überall auf der Erde« – Erfahrungen mit dem Spitzelstaat

»Ich habe meine Arbeit gern getan«

In den Abgrund sehen – Stasispitzel und Stasimethoden

Die Akten und die innere Einheit.

REISEERLEBNISSE

Wind, Sand und Schnellboote. Erlebnis Hiddensee

»Die Grenze der Freiheit bestimmen die Anrainer.« (Lec) Gute Nachbarschaft mit Polen

Reisen in die Goldene Stadt – Begegnungen auf der Prager Burg

MEIN LEBEN IN UND MIT DER KIRCHE

Ich glaube nicht an Gott, aber ihm.

Die Synoden als Übungsfelder der Demokratie

Luther gegenüber leben, lernen, lehren

Akademiearbeit: intellektuelle, geistige und politische Zeitgenossenschaft

Die Lebenswege erkunden – das Lebenswerk würdigen

Ostelbische und Linksrheinische begegnen sich

Unsere schöne deutsche Sprache – in der Bibel aufgehoben

Für jeden Tag ein gutes Wort

DIE HOFFNUNG LÄSST NICHT ZUSCHANDEN WERDEN

Fröhlich sein bei seiner Arbeit

Verrinnende Zeit, aufgehobenes Leben

Ich bin Leben mitten unter Leben

Danksagung

Anmerkungen

Bildnachweis

WAS ICH ERINNERE, WAS ICH SUCHE

»STEH AUF, FRIEDRICH!« – KLAR SEHEN UND DOCH HOFFEN

Am Morgen des 21.August 1968 weckte mich mein Vater früh um sechs mit dem waschwasserkalten Satz: »Friedrich, steh auf! Die Russen sind in Prag einmarschiert.«

Ich schreckte auf, fiel aber wie gelähmt in mich zurück. Was hatte Vater gesagt? Für ein paar Sekunden bestand ich darauf, geträumt und etwas falsch verstanden zu haben. Ich hatte nichts falsch verstanden und nicht geträumt. Mir kam die Inschrift auf dem Tor zur Hölle in den Sinn: »Lasst, die ihr eintretet, alle Hoffnung fahren!« (Dante)

Erst einen Tag zuvor war ich aus Prag gekommen, um am 22. August – meinem Tauftag – den Gottesdienst zur Silberhochzeit meiner Eltern zu halten. Prag war in jenem Sommer die Hauptstadt eines politischen Frühlings mitten im kalten Staatssozialismus. Und nun: die Russen. Panzer, an deren rasselnde Ketten die Hoffnung gelegt war wie eine Schwerverbrecherin. In Prag war nichts an sich selbst zerbrochen, es war eine Hoffnung niedergewalzt worden. Auf den Panzern saßen junge Soldaten, die vielleicht selber nicht begriffen, was sie da taten, aber sie taten's. Befehligt wurden diese Panzer von der Angst einer bolschewistischen sowjetischen Kaderpartei, der Ruf nach Freiheit würde das System insgesamt untergraben und zum Einsturz bringen.

Friedrich, steh auf! Vielleicht begriff ich in jenen Augusttagen erstmals, dass Wirklichkeit und Hoffnung aneinanderschlagen können wie unversöhnliche Metalle. Ich werde sein!, tönt die Hoffnung. Ich bin!, klirrt die Wirklichkeit. Und du stehst dazwischen, suchst fiebernd den Brückenschlag. Er kommt in dem kleinen starken Wörtchen »doch« zum Ausdruck. Klar sehen und doch hoffen! Diese Maxime wurde mein Lebensmotto. Ich leitete es aus dem Denken von Albert Camus ab.

Mit der Hoffnung, sagte Ernst Bloch, habe man nicht nur etwas zu essen, sondern auch etwas zu kochen. Sie ist Arbeit am Wirklichen. Hoffen heißt: an einen Überschuss glauben und aus solchem Vertrauen Handlungskraft gewinnen.

Ich lebte in jenen Jahren, in die der Schock von Prag fiel, ganz im Pathos der »Theologie der Hoffnung«. In mir pochte der Satz aus dem Johannes-Brief: »Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden.« (1. Joh. 3,2) Mag die Wirklichkeit den Menschen erschöpfen, seine Möglichkeiten sind es kaum. Mit Augenmaß für das Relative leben, ohne die weitgesteckten Horizonte zu verraten. Diese Spannung begriff ich mit den Jahren als eine Definition für so etwas wie Zufriedenheit. Ein Wort, das mir lange als kleinbürgerlich galt. Verriet, wer sich zufriedengab, nicht allen Sturm und Drang, alle Utopie? Nein, wer zu viel von der Welt fordert, erkrankt an ihr und an sich selber. Die Träume darf man nicht von den Gegebenheiten kappen, unter denen sie gedeihen sollen. Friedrich, steh auf! Das war der Weckruf für einen träumerischen Realismus und ein realistisches Träumen. Der graue Schein des jeweiligen Tages soll mir nicht den Sinn für ein ferneres Licht nehmen.

… und doch hoffen! Dies ist Bekenntnis, Trotz, es klingt auch ein wenig Furcht mit, zu niederreißend sei vielleicht, was ohne jede Bemäntelung wahrgenommen werden muss. Der sehr schwarz veranlagte Heiner Müller sagte, Hoffnung sei Mangel an Information. Nein, ich behaupte den aufrechten Blick in voller Kenntnis der Dinge, aber wie gesagt: Die Realität spaßt nicht mit ihren Fakten, und es gehört Mut zur Wahrheit. Sie kann wie ein Felsblock vorm Wunsch der Hoffnung stehen, am liebsten über alles Hemmende hinwegzusehen.

Martin Luther hob in der Heidelberger Disputation 1518 hervor: »Der Theologe der Herrlichkeit nennt das Schlechte gut und das Gute schlecht. Der Theologe des Kreuzes nennt die Dinge, wie sie wirklich sind.« (These 21) Im Unterschied zur gängigen Meinung, Theologie sei eine illusionäre Wirklichkeitsschau, ja geradezu falsches Bewusstsein, nimmt Luther sie dafür in Anspruch, schonungslos aufzuklären. Für einen evangelischen Theologen wird die Erkenntnis lebensleitend, dass die verruchte Wirklichkeit nur im Horizont des Kreuzes erträglich wird. Klar sehen – und doch hoffen!

Der Theologe der Herrlichkeit legt einen glitzernden Schein über die Wirklichkeit. Weil er sie nicht aushält, muss er sie beschönigen, Altäre üppig vergolden – und sei es mit dem Blut unterworfener Völker Südamerikas in den Kathedralen Spaniens. Der Theologe des Kreuzes dagegen kann die Wirklichkeit in all ihrer Härte sehen, weil ihm diese Härte die Hoffnung nicht rauben kann. Sola gratia – allein aus Gnade, die nicht unterwürfig macht, sondern aufrichtet. Dies ist der radikalste religiöse Widerspruch gegen einen Zynismus, der sich aus der Realität heraushält und sich über sie stellt.

Es geht mir, gewissermaßen berufsbedingt, immer wieder um Luther und mit ihm darum, Dinge beim Namen zu nennen. Wer sich für Minderheiten, Ausgegrenzte, Flüchtlinge einsetzt, darf nicht verschweigen, dass z. B. nicht alle Zugewanderten friedlich sind. Wer aber gewalttätige Kurden gewalttätig nennt, rechtfertigt damit noch lange nicht die Unterdrückung der Kurden durch die Türken. Wer Ausländerkriminalität benennt, ist nicht automatisch ausländerfeindlich. Wer offen den Verdacht äußert, »Hartz IV« könne auch als Hängematte missbraucht werden, diskriminiert damit nicht alle Arbeitslosen. Und wer die Enttäuschung alter Kommunisten über die aus der Geschichte gejagte DDR versteht, ist deshalb weder ein Nostalgiker, noch verhöhnt er Opfer der SED-Diktatur. Worte wie Pflicht und Gehorsam, Bescheidenheit und Ordnung, Heimatliebe und Nationalstolz können und müssen wieder in ihr Recht gesetzt werden. In ihnen stecken Werte, ohne die wir nicht gemeinschaftlich leben können. Daher dürfen wir nicht auf sie verzichten. Aber es sollte nicht verschwiegen werden, für welchen Missbrauch, für welches Unrecht diese Begriffe herhalten mussten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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