Klärungshilfe 2 - Christoph Thomann - E-Book

Klärungshilfe 2 E-Book

Christoph Thomann

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Beschreibung

Das Handbuch gegen gestörte Zusammenarbeit Es wäre schön, wenn die Zusammenarbeit im Beruf ohne Störungen der Kommunikation oder gar persönliche Konflikte bliebe. Doch wer kennt sie nicht, die unterschwelligen Aggressionen in Arbeitsgruppen, das Verstummen wichtiger Mitglieder in Gremien, die häufig in Drohungen oder Frust endenden Auseinandersetzungen zwischen Kollegen? Allzu oft sind die Konfliktbeteiligten nicht in der Lage, ihre Beziehungen zueinander zu entwirren. In dieser verfahrenen Situation braucht es entschlossene Klärungshilfe von außen. Neutrale Moderatoren führen die Konfliktpartner in ein klärendes, lösungsorientiertes Gespräch. Wie dies durch alle Stadien hindurch mit Erfolg geschieht, demonstriert diese praxisnahe Fortsetzung der «Klärungshilfe 1».

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Seitenzahl: 470

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Christoph Thomann

Klärungshilfe 2

Konflikte im Beruf:Methoden und Modelle klärender Gespräche

Unter Mitarbeit von Wibke Stegemann

Inhaltsverzeichnis

Dank

Vorwort zur Neuausgabe 2004

Vorwort

Einführung

Klärungshilfe

Überblick über das Vorgehen in der Klärungshilfe

Konfliktentwicklung

Interventionen

Grundhaltungen in der Klärungshilfe

Den Konfliktparteien glauben

Akzeptanz und Konfrontation als Grundlage von Veränderungen

Widerstand beachten – er ist wichtig

Die Beziehung des Klärungshelfers zu den Konfliktparteien

Das Idealbild eines Klärungshelfers

Adlerblick

Herz

Flügel

Kopf/Gehirn

Schnabel

Krallen

Konkretes Vorgehen Schritt für Schritt

Phase 0 – Auftragsklärung

Auftragsklärung für Zweierklärungen

Ziel

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen in der Zweierklärung

Fehler und Fallstricke

Auftragsklärung für Teamkonflikte

Ziel

Rolle

Konkretes Vorgehen in der Teamklärung

Fehler und Fallstricke

Meine Einstellung zur Team-Auftragsklärung

Interner Klärungshelfer Interne Klärungshelferin

Phase 1 – Anfang

Ziel

Anfangsphase bei Zweierklärungen

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen in der Zweierklärung

Umgang mit Hindernissen und Bedingungen

Anfangsphase bei Folgesitzungen

Anfangsphase bei Teamklärungen

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen in der Teamklärung

Mini-Kontrakte

Fehler und Fallstricke

Exkurs 1 – Wahrheit der Situation

Exkurs 2 – Moderation nach TZI

Exkurs 3 – Co-Leitung

Phase 2 – Selbstklärung

Ziel

Rolle und Methoden

Konkretes Vorgehen in der Zweierklärung

Konkretes Vorgehen in der Teamklärung

Vorstellung der Bilder

Dauer der Selbstklärung pro Person

Sonderfall Großgruppe

Diagnose des Ist-Zustands bei Teamklärungen

Fehler und Fallstricke

Phase 3 – Dialog der Wahrheit

Ziel

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen bei Zweierklärungen

Dialogisieren und Doppeln

Konkretes Vorgehen bei Teamklärungen

Alle gegen einen

Sonderfall Verweigerung

Dauer der einzelnen Klärungen

Sonderfall Großgruppe

Wie lang soll die Dialogphase sein, und wie wird sie beendet?

Fehler und Fallstricke in der Dialogphase

Exkurs 4 – Der Mensch – ein Schichtenwesen

Exkurs 5 – Einsatz von Musik

Exkurs 6 – Führung, Hierarchiespielregeln und Konferenzen

Hierarchiespielregeln

Umgang mit kollegialen Konflikten

Umgang mit hierarchischen Konflikten

Konferenzablauf

Phase 4 – Erklärungen und Lösungen

Ziel

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen

Lösungen und Transfer

Lösungen und Transfer bei Teamklärungen

Lösungen und Transfer bei Zweierklärungen

Dauer der Phase 4

Wie sich die Phase der Erklärungen für mich verändert hat

Fehler und Fallstricke

Exkurs 7 – Das Kommunikationsquadrat

Exkurs 8 – Der systemische Blickwinkel

Exkurs 9 – Menschen sind verschieden

Die vier Grundstrebungen

Akzeptanz statt Diagnostik

Die vier Grundstrebungen in der Arbeitswelt

Mitarbeiter sind verschieden

Führungskräfte sind verschieden

Exkurs 10 – Metakommunikativer Führungsstil

Der «ideale» Führungsstil

Der metakommunikative Führungsstil

Das metakommunikative Führungsgespräch

Anleitung zur Durchführung (für die Führungskraft)

Fehler und Fallstricke

Phase 5 – Abschluss

Ziel

Rolle des Klärungshelfers

Konkretes Vorgehen

Dauer

Fehler und Fallstricke

Nach der Klärungssitzung

Phase 6 – Nachsorge

Folgetreffen (Follow-up)

Konkretes Vorgehen bei Folgetreffen

Fehler und Fallstricke bei Folgetreffen

Nachsorge per Telefon

Fehler und Fallstricke bei Nachsorge-Telefonaten

Handwerkszeug

Aktives Zuhören

Vorgehen

Fehler und Fallstricke

Beraten

Dialogisieren: Zwischen den Konfliktparteien hin- und herschweifendes Moderieren

Real verhandeln

Doppeln

Wie doppeln?

Was doppeln?

Fehler und Fallstricke

Exkurs 11 – Wirkung der Klärungshilfe

Resultate empirischer Forschung

Praxisbeispiel mit Übungen

Praxis, Phase 0: Auftragsklärung

Praxis, Phase 1: Anfang

Praxis, Phase 2: Selbstklärung

Praxis, Phase 3: Dialog der Wahrheit

Klärung: Herr Central – Herr Nachfolger

Klärung: Herr Central – Frau Schutz

Klärung: Herr von Tiefe – Frau Distanz

Praxis, Phase 4: Erklärungen und Lösungen

Praxis, Phase 5: Abschluss

Praxis, Phase 6: Nachsorge

Ausbildung und Supervision

Ausbildung

Meine persönlichen Voraussetzungen für die Klärungshilfe

Supervision und Intervision

Literatur

Dank

Die Klärungshilfe ist nicht alleine auf meinem Mist gewachsen, und dieses Buch wäre ohne Hilfe von Wibke Stegemann nicht entstanden. Sie hat aus meinen umgangssprachlichen Erfahrungen in helvetischem Hochdeutsch korrekte Sätze gemacht und die Fülle des Gesamtmaterials immer wieder gebündelt und durch Gliederungsvorschläge in eine für den Leser (hoffentlich) nachvollziehbare Ordnung gebracht. Darüber hinaus war sie eine Bereicherung für meine Familie. Ihre Anwesenheit während unserer «Schreibzeiten» hat die Kinder in neue Welten blicken lassen. Auch Claudia Renner bin ich für die jahrelange Aufbewahrung von Tonbändern des Praxisfalls und für ihre Transkripte dankbar. Ich konnte all das plötzlich gut brauchen.

Geistige und handwerkliche Urväter und Urmütter der Klärungshilfe sind Ruth C.Cohn, Dieter Dauber und Fritz Perls. Bei Ruth C.Cohn habe ich nicht nur Themenzentrierte Interaktion (TZI) gelernt, sondern auch die ersten fünf Jahre meiner Praxis supervidieren lassen. Sie war mir Lichtblick und Orientierung mit ihrer praktischen und direkten Art. Von Dieter Dauber, der mein Familien- und Systemtherapielehrer war, habe ich das handwerkliche Vorgehen in allen Varianten gelernt. Er ist ein hervorragender Doppler. Fritz Perls hat mich über seine Bücher geprägt.

Ganz besonders und grundsätzlich muss ich aber noch Friedemann Schulz von Thun, Professor am Fachbereich Psychologie der Universität Hamburg, danken. In unserer nunmehr zwanzigjährigen Zusammenarbeit fühle ich mich sehr geborgen, gefördert, unterstützt und herausgefordert, unter anderem zu diesem Buch. Er hat mich aus der psychotherapeutischen Praxis heraus in die Arbeits- und Wirtschaftswelt eingeführt. Ohne ihn gäbe es die Klärungshilfe nicht als vermittelbare Methode. Obwohl wir 800Kilometer voneinander entfernt wohnen, stehen wir in ständigem persönlichem und fachlichem Kontakt. Es ist wunderbar, mit dir zusammenzuarbeiten, Friedo. Danke.

An der Universität Hamburg und vor allem am Münchener Institut für Wissenschaftliche Lehrmethoden (IWL) habe ich seit Jahren Gelegenheit, die Klärungshilfe Kollegen zu lehren. Auch den Testlesern muss ich für ihre Anregungen und Kontrollen des Manuskripts danken. Besonders Alexander Redlich habe ich dadurch nicht nur als absolut zuverlässig, sondern auch über seine zahlreichen Kommentare persönlicher kennen gelernt.

Für die tieferen Schichten des Gefühls hat Samuel Widmer indirekt einen großen Einfluss auf die Klärungshilfe, wie sie hier beschrieben ist, gehabt. Sanftes, schonungsloses Konfrontieren und damit den Punkt treffen, um den es geht, habe ich selber bei ihm viele Male erlebt. Durch ihn habe ich die Angst vor der innersten Wahrheit verloren. Dadurch hat die Klärungshilfe nochmals an Direktheit gewonnen.

Viel habe ich auch gelernt von und mit Klaus Heer, Dorothee Rosin, Pierre-Alain Emmenegger, Vreni Widmer, Ruth M.Clemann, Danièle Nicolet, Catarina Barrios, der Hamburger und Berner Klärungshilfe-Supervisionsgruppe und natürlich im Hamburger Arbeitskreis für Kommunikation und Klärungshilfe.

Ein besonderer Dank gilt all den mutigen, verzweifelten und vertrauensvollen Menschen in Führungspositionen, die sich für eine Klärung der Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter an mich wandten und die ich dann durch Konfliktsituationen begleitet habe. Ich habe mit Ihnen sehr viel lernen können, und Sie bilden eine Grundlage meines Einkommens. Danke.

Mit Jadwiga Zawadynska-Thomann, meiner Frau, habe ich den häufigsten fachlichen Austausch. Seit Jahrzehnten reden wir auch über die Klärungshilfen in allen akuten Stadien. Besonders in der Auftragsklärung gibt sie mir wichtige Anregungen und Rückmeldungen. Dafür danke, liebe Iga, für den Rest sowieso.

C.T.

Schüpfen/​Bern, im Dezember 1997

Vorwort zur vollständig überarbeiteten Neuausgabe 2004

Seit Erscheinen der Erstauflage habe ich viele Dankesschreiben von Berufskolleginnen, Berufskollegen und anderen Lesern erhalten, über die ich mich jedes Mal gefreut habe. Die Prinzipien der Klärungshilfe fanden verbreitete Anwendung in Praxis, Ausbildung und Supervision. Zum Teil flossen diese Erfahrungen zu mir zurück und in die Neuausgabe ein.

Das Buch ist dadurch über 40Seiten umfangreicher geworden. Wenn Sie das nun schreckt, lassen Sie beim Lesen erst mal die Exkurse aus. Dann haben Sie nur den Aufbau einer Konfliktklärung mit den verschiedenen Phasen vom ersten Telefonanruf bis zur Nachsorge vor Augen.

Die Exkurse sind Hintergrundinformation für die Durchführung einer Klärungshilfe und geben Ihnen Orientierungshinweise im weiten Feld der Zusammenarbeitskonflikte zwischen Hierarchiespielregeln und der Theorie negativer Gefühle.

Sie können aber auch gleich hinten beim Praxisbeispiel beginnen und erleben von A–Z konkret, wie Klärungshilfe aussieht, klingt und sich anfühlt.

Ich möchte Christian Prior, Barbara Kramer, Angela Durry und Matthias Stilp für ihre jeweiligen Beiträge in Forschung, Lehre und Verbreitung der Klärungshilfe danken.

C.T.

Schüpfen/​Bern und San Telmo im September 2003

Vorwort

Friedemann Schulz von Thun

Fünfzehn Jahre sind vergangen, seit unser erstes Buch über Klärungshilfe erschien (Christoph Thomann, Friedemann Schulz von Thun: Klärungshilfe, Reinbek 1988). Dieses Taschenbuch ist nicht ganz ohne Folgen geblieben.

Obwohl für Fachmenschen geschrieben, liegt es nach 14Auflagen mittlerweile in einer Neuausgabe vor (Reinbek 2003, rororo Sachbuch 61476), erschien auf Ungarisch und Polnisch und hat die inzwischen in Deutschland erstarkte Mediationsbewegung (z.B. Besemer 1993) deutlich beeinflusst. Damals hatten wir es ‹nur› mit Paaren und Familien zu tun. Schon vorher kamen aber Anfragen mehr und mehr aus der Berufswelt, aus der Welt, in der Menschen so viel miteinander zu schaffen haben – und einander so viel zu schaffen machen.

Hier wird alles noch etwas komplizierter und schwieriger. Es gibt nicht nur Betroffene, sondern auch Auftraggeber, Institutionen, Hierarchien, kurz: ein zuweilen verwickeltes systemisches Drumherum, das vom Klärungshelfer, noch bevor er seine ‹eigentliche› Arbeit beginnt, mit größter Bewusstheit und eigener Klarheit erkundet und bewältigt sein will. Und es gibt ganze Teams, in denen es knirscht und brodelt. Christoph Thomann ist diesen Anfragen weitgehend ohne mich nachgegangen und hat, nach und nach, die Regeln der Kunst erweitert und zu einem stimmigen Gesamtkonzept entwickelt. Wenn «jeder gegen jeden und Gott gegen alle» ist, wie es der Chef im Praxisbeispiel von seiner Abteilung beschreibt, dann entsteht eine gruppendynamische Komplexität, deren Bewältigung in diesem Konzept auf eine einfache und geradezu geniale Weise gelingt: Zum einen dadurch, dass jeder Beteiligte zu Beginn einer Konfliktklausur mit seinem «Bild» der Verhältnisse ausführlich zu Wort kommt, ohne Dreinreden, ohne Diskussionen. Zwar wird hier keinesfalls immer sogleich deutlich, wie es der Person wirklich ums Herz ist – die Verhärtung verhindert manchmal, dass sie es selber weiß. Gleichwohl, sie darf sich zeigen, und man bemüht sich, sie zu verstehen und von innen her zu begreifen. Allein das ist nicht nur klärend, sondern vielfach Balsam für verwundete und verstockte Seelen. – Zum anderen dadurch, dass der Klärungshelfer den ganzen Klumpatsch des Teamkonflikt-Potenzials in dyadische Klärungen gliedert, im Beisein aller, verbunden mit einer klaren Vorstellung von der richtigen Reihenfolge. Dadurch bleibt die Situation übersichtlich, und ein «guter Dialog über Schlechtes», wie Christoph Thomann das nennt, kann stattfinden und Prägnanz gewinnen.

So bekam ich mit der Zeit den Eindruck, auch aus mancher Forschungsarbeit, die wir an der Universität Hamburg dazu gemacht haben (siehe auch Redlich 1996 und 2003), dass dieses Konzept mit seinen insgesamt fünf plus zwei plausiblen Phasen inzwischen sehr ausgereift und mitteilenswert geworden ist. Auch waren die Praxisberichte des Autors immer spannend und überzeugend. Daher freue ich mich sehr, dass Christoph Thomann meinem Drängeln nachgegeben und etwas getan hat, was dem intuitiven Praktiker oft schwer fällt: die Regeln der Kunst so zu Papier zu bringen, dass sie sowohl aus der konkreten Praxis heraus verstehbar werden als auch generalisierend über diese hinausweisen. Dies ist hier nun wunderbar gelungen, und somit scheint alles bestens. – Oder?

Oder hängt der Erfolg nicht letztlich doch von der Intuition des routinierten Praktikers ab, welcher mit «Scharfblick, Herz und Kralle». (wie wir in der Einführung lesen werden) der menschlichen Verzweiflung und Verhärtung, der Feindseligkeit und der heillosen Verstrickung zu Leibe rückt, mit dem unerschütterlichen Optimismus dessen, der es schon oft geschafft hat? «Es war schwierig, ist aber gut herausgekommen», so lautet oft der Kurzbericht nach einer dreitägigen Klausur mit einem Team, in der «die Luft bleihaltig» war, die «Nacht der langen Messer» befürchtet wurde und es allgemein als «ungeheuerlich» empfunden wurde, «wie man sich das Leben gegenseitig schwer machen kann». (Zitate aus dem Praxisbeispiel). Wie wird ein Klärungshelfer mit so etwas fertig? Schwebt er als harmonisierender Friedensengel ein? Die hier erfreulich konkret und ausführlich dokumentierte Praxis der Klärungshilfe zeigt eher das Gegenteil: Die oft erkalteten Konflikte wollen erst einmal richtig empfunden und ausgekämpft sein, bevor man sich wieder (v)ertragen kann. Wenn der Klärungshelfer den dabei zutage kommenden Gefühlen von Verachtung und Angst, Verletzung und Rachsucht gewachsen ist, wenn er keinen allzu großen Schrecken bekommt angesichts der Wucht menschlicher Gehässigkeiten, sondern die Kontrahenten mit Liebe und aufgekrempelten Ärmeln dort in Empfang nimmt, wo sie sich selber als «Stachelwesen» empfinden – dann löst sich etwas, und was wie ein Zauber erscheint, ist vor allem die heilsame Kraft einer ehrlichen, meist lange verschleppten Aussprache. Kann man das lernen? Ein fundiertes Konzept, ein solides Handwerkszeug: Das ist der halbe Weg. Die andere Hälfte: Man muss dem menschlich gewachsen sein. Im «Inneren Team» des Klärungshelfers verbinden sich höchst unterschiedliche Fachleute, um gemeinsame Sache zu machen: Neben dem versierten Gesprächsmoderator ist da ein sensibler Psychotherapeut, der die Gefühle hinter den Worten ahnt und einordnet (siehe Kapitel «Der Mensch – ein Schichtenwesen», S.175ff.); ferner ein Organisationsfachmann, der das Zwischenmenschliche im Kontext von Hierarchien und Strukturen begreift (siehe Kapitel «Führung, Hierarchiespielregeln und Konferenzen», S.189); und da ist nicht zuletzt, leider und zum Glück, der berührbare, irritierbare und verletzliche Mitmensch, der selbst eine Konfliktgeschichte hinter sich hat und immer auch auf seine eigene Art reagiert – und nicht nur und nicht immer gemäß professioneller Interventionsstrategie.

Von daher ist es richtig und wohltuend, dass der Autor nicht nur das Konzept erklärt, sondern uns Leser hin und wieder zu «Meditationen» einlädt, zum Beispiel: «Welche der genannten Situationen ist für Sie persönlich am schwierigsten? Warum? Was hat das mit Ihnen persönlich, Ihren Erfahrungen und Ihrem Streitstil zu tun?…»

Und noch einmal: Kann man das lernen? Ja, wenn man fachliches Lernen, methodisches Üben und menschliches Reifen als Einheit begreift – und wenn man das Glück hat, bei einem Meister in die Lehre gehen zu können. So ein Buch wie dieses bietet dafür keinen Ersatz, wohl aber einen wunderbaren Auftakt und eine gute Nach-Lese.

Einführung

Klärungshilfe

Überall, wo Menschen miteinander schaffen, machen sie sich über kurz oder lang auch zu schaffen. Ob sie wollen oder nicht. Konflikte sind ein Anzeichen von Vertiefung. Diese Vertiefung ist auch eine Chance, wenn man sie ergreifen kann. Allerdings ist diese Chance mit höchst unangenehmen Gefühlen und Situationen verbunden, die einen erst mal von der normalen, vorher vielleicht sogar sehr gut funktionierenden Zusammenarbeit abhalten. Konflikte sind weder wünschenswert noch notwendig, sondern einfach unvermeidbar.

Wenn ein Konflikt da ist, ist es entscheidend, wie damit umgegangen wird. Da es zu kaum einer Ausbildung gehört, Konflikte im Beruf lösen zu lernen, greifen wir alle in solchen Situationen auf unser – von Haus aus gelerntes – Konfliktverhalten zurück: Vermeidung, Verleugnung, Ausbrüche, Beschwichtigungen, oberflächliche Sachlösungen, faule Kompromisse, Nachgeben etc. Wie auch im Privatleben haben diese Strategien im Berufsleben fatale Langzeitfolgen. Kurzfristig ist der Konflikt zwar gezähmt, langfristig führen sie aber zu einer enormen Erschwerung der Zusammenarbeit. Auch die größten Konflikte haben klein angefangen. Wenn die Eskalation schon lange im Gange ist, sieht man meistens nur noch die unerhörten Taten und Tatsachen und nicht mehr die vorher nicht erhörten Gefühle, Wünsche und Grenzen der Menschen. An diesem Punkt ist es subjektiv schwer glaubhaft, dass Konflikte positive Auslöser sein können. Man sieht nur das «zu Bruch gegangene Geschirr» und die «schmutzige Wäsche» und hat die innere Gewissheit, dass es nie mehr so schön oder problemlos wird, wie es mal war. Alles, was jetzt noch kommen kann, ist Flickwerk. Tatsächlich kann aber durch die gründliche und saubere Bearbeitung eines Konflikts eine qualitativ neue, realere Zusammenarbeit entstehen. Es stimmt tatsächlich, dass es nicht so wird wie früher. Es wird anders – und besser. Besser heißt hier nicht strahlender, sondern realistischer, tatsächlicher und wahrer. Das ist immer mehr wert als eine oberflächliche oder problemlose Zusammenarbeit. Die Illusionen von heute sind die Katastrophen von morgen.

In der Klärung von konkreten Konflikten in der Zusammenarbeit werden der vordergründige Anlass, die Gründe und Hintergründe des Konflikts bearbeitet. Zusätzlich und fast in der Hauptsache erhöhen die Konfliktparteien ihre gemeinsame Konfliktfähigkeit. Die betroffenen Personen werden befähigt, in Zukunft anders und besser mit Konflikten untereinander umzugehen. Sie lernen, sich offener auszudrücken, einander besser zuzuhören, die Realität schneller zu akzeptieren und flexibler darauf zu reagieren, um die gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Bei einer Konfliktklärung in der Arbeitswelt darf nie vergessen werden, dass es sich nicht um Psychotherapie, Gruppenselbsterfahrung oder dergleichen handelt. Die Klärungshelferin hat immer die sachliche Zusammenarbeit zur Erreichung des Teamziels vor Augen. Sie greift nur in solchen Fällen zwischenmenschliche und gefühlsmäßige Phänomene auf, in denen das unmittelbar zur Erreichung des Ziels unumgänglich ist. Diese Grenze ist aber fließend, und es ist unter anderem von der Person der Klärungshelferin abhängig, wie weit sie in diese tieferen Bereiche hineingehen will und kann. (Das gilt natürlich auch für männliche Klärungshelfer. Das jeweils sprachlich nicht berücksichtigte Geschlecht ist im ganzen Buch immer mitgemeint. Sorry!)

Die hier vorgestellte Methode der Konfliktauflösung betrifft in dieser Form, wie der Titel des Buches ja schon sagt, Konflikte im Beruf, d.h. bei der Zusammenarbeit in Firmen, Organisationen, Verwaltungen, Interessengruppen, Schutzvereinigungen, beruflichen Zusammenschlüssen, Ausbildungsinstituten, in Produktion, Handel und Dienstleistung. Für private Beziehungskonflikte steht die «Klärungshilfe I» von Christoph Thomann und Friedemann Schulz von Thun (rororo-Sachbuch 61476), was analog für Ehe, Familie, Wohngemeinschaften, Freundesbeziehungen, Nachbarschaft, Verwandtschaft, Freizeitgruppen und Werte-Gruppierungen (politisch, ethisch, religiös) gilt, es sei denn, sie wären offiziell hierarchisch organisiert.

Für größere oder andere Konflikte, z.B. zwischen ganzen Völkern, Staaten, Volksgruppen, Religionen oder zwischen politischen Parteien, in Kriegen oder bei Geiselnahmen, Entführungen, in politisch-militärischen Krisen kann ich keine Aussagen machen, da ich keine Erfahrungen habe. Die Klärungshilfe bezieht sich bisher immer auf eine überschaubare und endliche Anzahl von Menschen, die auch tatsächlich in Kontakt sind oder sein könnten, sein sollten oder müssten.

Überblick über das Vorgehen in der Klärungshilfe

Der Ablauf der Klärungshilfe gliedert sich von der Anfrage bis zum Abschluss des Falles in sieben Phasen auf:

Die Konflikt-Klärungshilfe-Brücke (‹bridge over troubled water›) mit ihren 5 + 2Phasen:

0.Auftragsklärung

1.Anfangsphase

2.Selbstklärung

3.Dialogphase

4.Erklärungen und Lösungen

5.Abschluss

6.Nachsorge

In der Auftragsklärung wird überprüft, ob die angefragte Situation überhaupt für Klärungshilfe indiziert ist. Wenn dem so ist, wird hier auch das konkrete Vorgehen mit dem Auftraggeber zusammen geplant. In der Anfangsphase treffen sich alle am Konflikt Beteiligten, lernen den Klärungshelfer kennen, nehmen mit ihm und untereinander Kontakt auf, um herauszufinden, ob es noch Hindernisse gibt, bevor man in die Klärung des Konflikts einsteigt. In der Selbstklärungsphase geht es ans «Eingemachte». Jede anwesende Person erklärt aus ihrer subjektiven Sicht, was alles zu dem Konflikt zu sagen ist, wie er entstanden ist, wie er sich auswirkt. Im Dialog der Wahrheit (Dialogphase) werden diese unterschiedlichsten und sich gegenseitig widersprechenden subjektiven Sichtweisen miteinander in Kontakt gebracht. Es findet eine Art verlangsamter und dadurch vertiefter Streitdialog zwischen den Konfliktparteien statt. Schwierige ‹negative› Gefühle und belastende Vergangenheit müssen erst aufgelöst werden, bevor man Lösungen für die Gegenwart und Zukunft finden kann. Dies geschieht dann in der Phase Erklärungen und Lösungen. Zunächst wird der Konflikt anhand einer Theorie für alle annehmbar erklärt. Das bewirkt eine allgemeine Beruhigung. Die Beteiligten sind nun fähig, sachlich nach neuen Lösungen zu suchen. Es vergehen also über zwei Drittel der Zeit, bevor man zu den Lösungen kommt. Hier werden nun Sachthemen diskutiert und Abmachungen getroffen. In der Abschlussphase wird der Klärungsprozess abgeschlossen, Reste werden benannt und Konsequenzen für nicht Besprochenes oder nicht Gelöstes formuliert. Außerdem wird hier natürlich auch Abschied genommen. In der späteren Nachsorgephase findet eine Begleitung und Überprüfung des Transfers und eventuell eine Nachbetreuung statt.

Dieser Weg führt über viele Details und Stolpersteine, die in den folgenden Kapiteln ausführlich behandelt werden.

Bei der Beschreibung der einzelnen Phasen in den nächsten Kapiteln wird immer zwischen Zweier- und Teamklärungen unterschieden. Bei Zweierklärungen lassen sich zwei Konfliktparteien, die auch wirklich aus je nur einer Person bestehen, von einem Dritten bei der Klärung ihres Konflikts unterstützen. Bei Teamklärungen sind mehr als zwei Personen anwesend, beteiligt und betroffen. Meist handelt es sich um eine ganze Abteilung.

Wer die Teamklärung als Klärungshelfer lernen und beherrschen will, muss die Zweierklärung können, nicht aber umgekehrt. Bei Teamklärungen ist ungleich mehr zu bedenken. Die kleinen Piktogramme hinter den Überschriften zeigen jeweils an, ob sich dieses Kapitel hauptsächlich auf Teamklärung oder Zweierklärung bezieht.

Das Ziel der Klärung im beruflichen Bereich ist immer die Stärkung

der Zusammenarbeit,

der guten, nützlichen, fach- und personengerechten Führung,

der sachgerechten Hierarchie,

der Klarheit,

der Transparenz, Effizienz und Effektivität.

Das alles bei gutem, mindestens aber annehmbarem und sachlichem Klima. Dazu muss in der Klärungshilfe das «Unsachliche» angeschaut und erledigt werden. Das heißt dann konkret: Fehler in der Vergangenheit müssen zugegeben werden, aufgestaute und verhärtete Gefühle müssen aufgelöst werden, und die versiegte Kommunikation muss wieder zum Fließen gebracht werden. Insgesamt entsteht durch die in diesem Buch beschriebenen Grundhaltungen und Interventionen ein Klima der Toleranz und Offenheit. Dieses Klima wirkt sich enorm beruhigend auf die Teilnehmer aus, sodass die fachlich/​sachliche Zusammenarbeit in relativ kurzer Zeit wieder eine Chance hat.

Klärung heißt nicht, dass es hinterher schöner wird, nur wahrer. Oft ist es hinterher trotzdem besser. Klärung kann aber auch zu unangenehmen Klarheiten und Wahrheiten führen, für die der Klärungshelfer dann aber nicht schuldig ist. Klären heißt den Nebel wegblasen. Aber was dann ans Licht kommt, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Klärungshelfers. Er kann vorher nicht wissen, ob sich unter dem Nebel eine saftige Wiese, ein schroffer Felskamm, ein tosendes Meer oder gar ein Gletscher verbirgt. Auf alle Fälle hilft die Klärung allen Beteiligten, sich in Zukunft der Realität entsprechend zu verhalten. Klärung kann auch zu Trennung bzw. Kündigung führen. Das passiert allerdings nur in den seltensten Fällen. Trotz dieser Risiken ist das Ziel der Klärung immer die Stärkung der Zusammenarbeit.

Klärung in einem Team kann nicht in zwei Stunden bewirkt werden. Insbesondere, wenn der Konflikt schon älter ist, bedarf es mehr Zeit (Zeitplanung siehe Auftragsklärung). Jeder Konflikt, bei dem um Vermittlung ersucht wird, ist älter oder geht tiefer.

Konfliktentwicklung

Bei der normalen und guten Zusammenarbeit zwischen Menschen ist die Sachebene (oben im Kommunikationsquadrat) unproblematisch und wird nicht durch Stiche aus der Beziehungsebene (unten) gestört.

Störungen auf der Beziehungsebene beeinträchtigen den Sachertrag, bohren ihn quasi von unten an. Wenn diese Störungen öfter auftreten oder chronisch werden, sinkt der Sachertrag. Sach- und Beziehungsebene werden heillos miteinander verflochten. Ist das der Fall, müsste die Kommunikation auf der Sachebene abgebrochen werden, um erst einmal zu schauen, was da so unter dem Tisch (auf der Beziehungsebene) los ist, bevor sachlich weiter zusammengearbeitet wird. Dies könnte zum Beispiel von dem Leiter der Sitzung, einem mutigen Teilnehmer oder einem externen Beobachter eingeleitet werden.

Fieberkurve der Konflikt-Entwicklung

Findet an diesem Punkt jedoch keine Metakommunikation statt, steigt die «Fieberkurve» des Konflikts an. Die kleinen und mittleren Nadelstiche, Verletzungen und Anfeindungen sammeln sich an. Irgendwann überschreitet die Fieberkurve dann eine imaginäre Grenze (37˚C), und wir haben es mit einem latenten Konflikt zu tun. Die Beteiligten schlucken, machen gute Miene zum bösen Spiel, versuchen geduldig und nicht kleinkariert zu sein. Das alles kommt aber nur vom Kopf her und entspricht dem Bild, wie man gerne sein würde. Innerlich ist man längst woanders, nämlich kleinkariert, empfindlich, aufgebracht und verletzt. Wenn die Situation günstig wäre, könnte man auch darüber sprechen, aber die günstige Gelegenheit ergibt sich nie. Das Ganze ist noch nicht gravierend genug, um eine solche Gelegenheit extra herbeizuführen. Man ist sich auch nicht sicher, ob das alles noch im Bereich des Tolerierbaren ist oder diesen bereits überschritten hat. Jedes weitere Ereignis füllt das Fass, das irgendwann überlaufen wird. Es wird jedoch nichts dagegen unternommen, und die Fieberkurve steigt weiter an.

Durch weitere kleine und dann auch mittlere Vorfälle überschreitet die Fieberkurve dann eine weitere imaginäre Grenze (39˚C), den «Point of no return». Nun kann man nicht mehr ruhig über die Sache sprechen, obwohl man sich nun sicher ist, dass der Konflikt angesprochen werden sollte. Man weiß genau, dass man jetzt bei einem Gespräch darüber einen roten Kopf kriegen würde. Man ist aufgeregt. Wenn man nun das nächste Ereignis zum Anlass nehmen würde, die Sache anzusprechen, dann würde man unverhältnismäßig reagieren und eventuell sogar «ausflippen». Also reißt man sich am Riemen und beißt die Zähne zusammen, solange es noch eben geht. Da sich nichts ändert, kommen weitere «Vorfälle» dazu, das Fass füllt sich weiter. Inzwischen ist auch die subjektive Empfindlichkeit erhöht.

Beim Überschreiten der nächsten imaginären Grenze (40˚C) gibt es drei Möglichkeiten: Explosion, Implosion (Tiefkühlung) oder Chronifizierung des Konflikts.

Wenn das Fass endlich überläuft, kommt es zum Beispiel zu einer Explosion. Solche Explosionen befreien zunächst einmal das Gemüt, erschweren aber die soziale Situation der Zusammenarbeit meist enorm. Am besten ist es, wenn alle Konfliktpartner explodieren. Die Sache ist dann klar, und die Beteiligten sind auf gleicher Stufe. Wenn einer aber cool bleibt oder sich überheblich über die Explosion äußert, verschlimmert sich die Lage für den Konflikt und die Explodierten noch. Zu jeder Explosion gehört unbedingt, quasi als zweiter Akt, das Darüber-Reden. Im Alltag wird dieser zweite Akt jedoch oft ausgelassen. Oft kommen dann Vernebelungsfloskeln wie «Der beruhigt sich schon wieder», «Ich hatte halt einen schlechten Tag», «Schwamm drüber», «Gras drüber wachsen lassen» usw. zum Einsatz. Diese Verleumdungs- und Verschleierungstechniken führen schleichend zur nächsten Explosion oder zur Chronifizierung des Konflikts.

Eine weitere Möglichkeit ist auch, dass eine Konfliktpartei implodiert, sich innerlich ganz zurückzieht («Dieser Mensch ist für mich gestorben»). Das Ergebnis ist ein so genannter kalter Konflikt. Der Betroffene macht Dienst nach Vorschrift und begegnet dem Konfliktgegner neutral oder sogar (über)höflich, aber kalt. Echte Zusammenarbeit ist nun nicht mehr möglich.

Es kann auch passieren, dass der Konflikt nach dem «Point of no return» chronisch wird. Es kommt durch Unterdrückung der Gefühle nicht zu Explosionen, die unterschwelligen Sticheleien und kleinen Vorfälle gehen aber weiter. Einerseits kommt nichts wirklich Neues dazu, andererseits löst sich aber auch nichts. So eine Chronifizierung eines Konflikts kann nur in Situationen entstehen, in denen sich die Beteiligten weder ausdrücken können (oder dürfen) noch flüchten können. Es entsteht ein festgefahrener, verbissener Konflikt, aber ohne erleichternde Explosionen.

Mit Begriffen der Medizin könnte man die Explosionen als blutende Wunde, den latenten Konflikt als Entzündung, den chronischen Konflikt als eitrig verklebte Wunde und den kalten Krieg als Krebs eventuell mit immer mehr unsichtbaren Metastasen bezeichnen.

Interventionen

Es gibt verschiedene Stellen, an denen eine interne oder externe Moderation (Klärungshilfe) angefragt und hinzugezogen wird. Am Anfang ist eine ganz gewöhnliche Sachmoderation angebracht. Sie soll verhindern, dass die Beteiligten sich gegenseitig anfeinden oder lahm legen. Meistens führt schon die Anwesenheit eines Moderators dazu, dass das Konfliktverhalten gedämpft wird. Explizite Metakommunikation ist hier nur in Ausnahmefällen notwendig.

Bei einem latenten Konflikt wird eventuell eine Teamentwicklung angefragt. Die Anfrage könnte folgendermaßen lauten: «Bei uns geht es eigentlich grundsätzlich gut, aber es gibt Empfindlichkeiten und schwierige Punkte unter der Oberfläche. Würden Sie uns mal in einer Teamentwicklung begleiten?» Latente Konflikte können auch anlässlich eines jährlichen Metakommunikationsgesprächs der Führungskraft mit der Gruppe der Mitarbeiter thematisiert werden (siehe «Metakommunikativer Führungsstil», S.256ff.).

Es kommt auch vor, dass die Klärung latenter Konflikte quasi «zufällig» anlässlich eines internen Kommunikationsseminars entsteht.

In der darüber liegenden Schicht, der Konflikteskalation, kann folgende Anfrage kommen: «Bei uns steht alles unter Strom. Es fehlt nur noch ein Tropfen, bis das Fass überläuft.» Als Moderator oder Klärungshelfer fühlt man sich in solchen Situationen schnell wie ein Kaninchen zwischen zwei sich anfeindenden Giftschlangen. Entweder ist dann alles hochgradig blockiert und in Nebenschauplätzen festgefahren, oder es kommt schon zu Beginn der Arbeit zur Explosion. Es ist relativ schwierig, sich dann als neutraler Auslöser nicht schuldig zu fühlen, obwohl man natürlich objektiv gesehen keine Verantwortung für die Eskalation hat. Streitvermeider unter den Anwesenden machen dann oft den Klärungshelfer direkt verantwortlich. Als Klärungshelfer muss man sich dann klar machen, dass es nicht zu vermeiden ist, dass es bei der Arbeit an Konflikten zu Explosionen kommt. Sie dürfen sein. Natürlich ist es nicht jedermanns Sache, diese Explosionen auszulösen und zu erleiden.

Die «angenehmste» Anfrage kommt in einem heißen Konflikt, nach der Explosion. Es ist offensichtlich, dass Konflikte da sind, sie müssen nicht ausgegraben werden, und es muss keine Begründungs- und Rechtfertigungsarbeit geleistet werden. Man wird richtig als Auftragshandwerker angefragt: «Bei uns liegt es im Argen. Helfen Sie uns! Wir kommen alleine nicht zurecht.» Das ist die schönste Anfrage, weil man gleich loslegen kann mit der Klärungshilfe. Jedem ist klar, dass hier ein Konflikt vorliegt, dass man ihn mit eigenen Bordmitteln nicht mehr lösen kann und dass der Sachertrag durch den Konflikt empfindlich beeinträchtigt wird.

Die schwierigste Anfrage entsteht bei einem kalten Konflikt. Die Klärungshilfe wird natürlich nicht von einer der Konfliktparteien angefragt und schon gar nicht von dem, der den kalten Krieg führt. Meistens kommt die Anfrage vom Chef oder von anderen Mitarbeitern. Das Schwierige ist, dass derjenige, der sich in die Kälte zurückgezogen hat, nie zugeben würde, dass es überhaupt einen Konflikt gibt, dass er verletzt, eingeschnappt etc. ist. Da dann nachzufragen, Kontakt herzustellen und den Konflikt ins Heiße zurückzuführen ist nicht leicht.

Neben der Explosion gibt es auch die Implosion, bei der eine Konfliktpartei den Dampf nicht nach außen, sondern nach innen ablässt. Die Folgen können Resignation, aggressiver Sarkasmus, Depression und psychosomatische Erkrankungen sein. Dieser Prozess läuft oft unbewusst ab. Auch die Implosion ist eine Sackgasse. Der notwendige Weg zurück ist besonders heikel, weil es arbeitsrechtlich nicht erlaubt ist, jemanden über seine Krankheiten zu befragen. Der Klärungshelfer braucht zuerst seine Einwilligung dazu.

Meditation

In welcher Schwierigkeitsreihenfolge sehen Sie persönlich die oben beschriebenen Konfliktstadien? Was ist für Sie als Klärungshelfer die schönste Anfrage? Ist das realistisch? Kann die überhaupt vorkommen? Welche Situation ist für Sie persönlich am schwierigsten? Warum? Was hat das mit Ihnen persönlich, Ihren Erfahrungen und Ihrem Streitstil zu tun? Darf das alles so sein? Gestehen Sie es sich zu, diese Vorlieben, Schwierigkeiten und Grenzen zu haben? Oder ist das für Sie inakzeptabel? Muss etwas verändert werden?

Wenn keine der oben besprochenen Hilfeleistungen in Anspruch genommen wird, verschärft sich der Konflikt weiter. Zuerst eskaliert es gefühlsmäßig und zwischenmenschlich, dann wird es «juristisch», und schlussendlich gibt es Zerstörung und Vernichtung (siehe auch Glasl 1990 und Redlich 1997). So eine Konfliktkette ist natürlich immer wesentlich kostspieliger und schmerzvoller als eine Klärungshilfe.

Grundhaltungen in der Klärungshilfe

Den Konfliktparteien glauben

Es ist wichtig, dass der Klärungshelfer den Konfliktparteien glaubt, was sie sagen. In der Klärungshilfe geht es nicht so sehr darum, die objektive Wahrheit herauszusuchen, sondern vielmehr darum, die subjektive Erlebnisweise, aufgrund deren die Konfliktparteien handeln, für alle sichtbar werden zu lassen. So spielt es erst einmal überhaupt keine Rolle, ob etwas objektiv oder subjektiv wahr ist, es zählt nur das subjektiv Wahre. Besonders in der Selbstklärungsphase ist es die Aufgabe des Klärungshelfers, herauszufinden, wie die Konfliktparteien sich selber, die anderen und die Situation sehen, und dieses erst einmal zu akzeptieren. Eine spätere Konfrontation der Konfliktparteien mit anderen Wahrnehmungen ist dadurch nicht ausgeschlossen. Der Klärungshelfer nimmt zunächst alles, was die betroffenen Menschen sagen, mit der inneren Einstellung auf: «Dieser Mensch sieht es momentan so und hat sicher einen triftigen Grund dafür, es anders zu sehen (oder darzustellen), als es mir oder anderen erscheint.» Konfrontation oder Provokationen sollten erst eingesetzt werden, wenn sich der Klärungshelfer in alle Konfliktparteien ganz einfühlen kann. Diese Einfühlung ist gleichzeitig auch notwendige Grundlage für die spätere Vermittlung im Dialog zwischen den Konfliktparteien.

Akzeptanz und Konfrontation als Grundlage von Veränderungen

Erst auf der Grundlage der Akzeptanz dessen, was und wie ein Mensch sich fühlt und ausdrückt, kann Konfrontation mit anderen Sichtweisen oder seinen nonverbalen Begleitsignalen fruchtbar sein. Beides ist wichtig, gehört zusammen und ergibt die Möglichkeit zur Veränderung. Akzeptanz allein unterstützt alles, leider auch neurotische und die Wahrheit verschleiernde Tendenzen. Konfrontation allein bewirkt Widerstand, Blockade, Rückzug und Abbruch des Kontakts. Erst wenn die grundsätzliche Akzeptanz deutlich geworden ist, kann konfrontiert werden – nicht umgekehrt.

Widerstand beachten – er ist wichtig

Den Widerstand beachten heißt, ihn ernst zu nehmen. Und das nicht nur aus taktischen Gründen. Widerstand ist ein wichtiger Teil der subjektiven Wahrheit. Daher sollte er als solcher anerkannt werden. Ohne Beachtung und Bearbeitung des Widerstands kann der Konflikt nicht wirklich behoben werden.

Die Beziehung des Klärungshelfers zu den Konfliktparteien

Der Klärungshelfer muss sich ganz einlassen und in jede Konfliktpartei hineinversetzen können und wollen (um allparteilich zu sein). Sein Verstehen der Konfliktparteien von ihrer Warte aus, wie sie es subjektiv sehen und erleben, ist die Bedingung für alles andere! Selbst wenn sich der Klärungshelfer angegriffen fühlt, soll er sich fragen: «Bin wirklich ich gemeint, oder ist es nur ein Notsignal des Klienten?» Zum Beispiel sagt ein 66-jähriger Chefarzt zum 33-jährigen Klärungshelfer: «Sie sind ja nur 33, ich bin doppelt so alt wie Sie!» Statt dies persönlich als Inkompetenzangriff zu interpretieren und entsprechend automatisch zu reagieren, lohnt es sich, das zu überprüfen: «Was hätte ich anders gesehen und verstanden, wenn ich 66 wäre?» Also den Klienten verstehen wollen, auch wenn dieser sich in seiner Not komisch und schwierig ausdrückt: «Sie müssten mal mit meinen Assistenten sprechen, aber hier bin ich ja nur Angeklagter!» Klärungshelfer: «Wer macht Sie hier zum Angeklagten, und was würde ich verstanden haben, nachdem ich mit Ihren Assistenten gesprochen hätte?»

Wenn möglich schnappt der Klärungshelfer nicht sofort ein und geht damit auf die gleiche Ebene des Klienten, auch wenn die Art der Ansprache zu dieser Reaktion verlockt.

Der Klärungshelfer muss sich also abgrenzen können, um zu verstehen und um konfrontieren zu können. Ist die Beziehung zwischen dem Klärungshelfer und einer Konfliktpartei aber im Gefühl des Klärungshelfers tatsächlich gestört, dann muss das sofort zum Hauptthema werden. Sagt zum Beispiel eine Konfliktpartei: «Sie werden mir das wahrscheinlich wieder nicht glauben…», dann muss der Klärungshelfer nachfragen: «Aha, haben Sie das Gefühl, ich glaube Ihnen nicht?» Oder: «Warum sollte ich das nicht glauben?» Und: «Wieso ‹wieder›? Wann habe ich Ihnen schon mal nicht geglaubt?» Der Klärungshelfer muss also nachfragen, um so die Störung zu klären, indem er sich Gefühle, Gedanken oder Ereignisse, die dazu führen, nennen lässt und Stellung bezieht. Geht der Klärungshelfer über solche Störungen hinweg, dann nistet sich allmählich eine Unklarheit und damit ein Konfliktkeim in die Beziehung zwischen Klärungshelfer und Konfliktpartei ein. Die Klärung des ursprünglichen Konflikts wird dadurch immer schwieriger. Die Beziehung zwischen Klärungshelfer und Konfliktpartei soll jederzeit klar sein. Die Konfliktparteien zeigen Störungen in der Beziehung zum Klärungshelfer meist, wie oben beschrieben, in Nebensätzen oder nonverbal/​atmosphärisch. Der Klärungshelfer muss auf beides reagieren und darauf eingehen.

Genauso wichtig sind die Störungen des Klärungshelfers zu den Konfliktparteien. Mit der Zeit wird der Klärungshelfer in der eigenen Supervision herausfinden, dass all diese Störungen in erster Linie mit ihm selber zu tun haben. Der Klärungshelfer muss sich als Gegenmaßnahme der unsympathischeren oder störenden Konfliktpartei verstärkt zuwenden, bis sich die Störung aufgelöst hat. Im Idealfall ist der Klärungshelfer in seiner Wahrnehmung ungetrübt, ohne eigene Interessen, im Gefühl offen und wohlwollend und in den Gedanken frei.

Das Idealbild eines Klärungshelfers

Was für ein Wundertier muss ein Klärungshelfer sein, der solche Klärungen erfolgreich durchführt? Der ideale Klärungshelfer sähe etwa folgendermaßen aus:

Adlerblick

Der Klärungshelfer muss einen Scharfblick für das Negative haben, für das, was schlecht läuft, für die objektiven und subjektiven Schwierigkeiten. Das bezieht sich auf die vier Ebenen persönlich, zwischenmenschlich, inhaltlich und strukturell. Mit diesem Blick kann er mitten in das Zentrum des «heißen Breis» hineinsehen und braucht nicht mehr um den Brei herumzureden. Der Scharfblick bezieht sich einfach auf die Realität. Er ist damit gegen Illusionen, Verschleierungen, Hoffnungen, Sich-und-andern-in-die-Tasche-Lügen gerichtet, aber nicht verurteilend, sondern gütig und direkt. Damit ist der Klärungshelfer Agent der Realität, die vielleicht sonst gerne als zu hart verleugnet wird, er benennt sie nur, er verteidigt oder rechtfertigt sie nicht. Realität ist Autorität, sagte meine Lehrerin Ruth Cohn immer wieder. Und – wie schon gesagt – die Illusionen von heute sind die Katastrophen von morgen!

Eine Realität, für die die Klärungshilfe im Arbeitsleben grundsätzlich steht, ist der Balanceakt zwischen Profit, Geld, Output, Effektivität, betriebswirtschaftlicher Logik auf der einen Seite und Menschlichkeit mit allem, was dazu gehört (Menschenwürde, Menschenmöglichkeit, Menschengrenzen, menschengerecht…), auf der anderen Seite. Also für beides!

Herz

Das Herz ist weit und offen, schließt das Positive und Negative mit ein, verurteilt nicht, verdammt nicht und hat keine moralischen Wertungen. Scharfblick und Herz müssen eine gute Verbindung zueinander haben. Auch das Herz soll sich nicht nur nach außen richten, sondern auch das Innere des Klärungshelfers liebevoll akzeptieren.

Das offene Herz akzeptiert alles so, wie es ist. Nicht, dass es automatisch gut so ist, aber es ist jetzt erst mal so. Das Herz kämpft nicht gegen das, was da ist. Das ist nur möglich, wenn das Herz auch nach innen offen ist. Alles, von «A» wie «aalglatt» bis «Z» wie «zu», muss Platz haben. Natürlich ist das am Anfang nicht so, besonders wenn es um Dinge geht, mit denen der Klärungshelfer selbst nicht im Reinen ist. Das ist normal. Das Ziel ist es, sich mit den eigenen Schattenseiten auseinander zu setzen. Alle Schattenseiten, die man an sich kennt und akzeptiert, kann man auch bei anderen akzeptieren.

Flügel

Der Klärungshelfer muss für sich Freiheit und Unabhängigkeit herstellen. Auch in Situationen, in denen seine Flügel mehr oder weniger fest gebunden sind (zum Beispiel bei der Arbeit als interner Klärungshelfer), gibt es Freiheitsgrade, die er nutzen kann und muss. Freiheit ist die Macht des Klärungshelfers. Damit ist nicht inhaltliche Macht gemeint. In den allermeisten Fällen hat der Klärungshelfer keine reale Macht über die Konfliktparteien. Freiheit, Kontaktfähigkeit und Allparteilichkeit gleichen diese Machtlosigkeit aus. Die Macht des Klärungshelfers entsteht dadurch, dass er die Oberhand in der Klärungssituation hat. Ohne diese Macht kann man nichts klären. Hat der Klärungshelfer einmal nicht die Oberhand, so passiert es schnell, dass in der Klärung unkontrolliert die Fetzen fliegen.

Zur Freiheit gehört es auch, Einsamkeit auszuhalten. Der Klärungshelfer befindet sich oft in einer einsamen Situation. Er wird unter Umständen von beiden Seiten abgelehnt. Je weniger Angst der Klärungshelfer vor Einsamkeit hat, desto unabhängiger ist er. Dadurch ist es ihm überhaupt erst möglich, unangenehme Wahrheiten anzusprechen.

Kopf/​Gehirn

Klärungshelfer müssen auch ein gut ausgebildetes «Adlerhirn» haben, das sich besonders mit Hierarchie, Führung, Strukturen und Abläufen in Organisationen auskennt. Bei Klärungshilfen im beruflichen Bereich geht es in erster Linie nicht um die Persönlichkeitsentwicklung der Einzelnen, sondern um organisatorische, hierarchische, strategische und strukturelle Klärungen (zum Beispiel: Wer muss mit wem über was sprechen?). Im Gehirn des Klärungshelfers sind natürlich auch psychologische Inhalte gespeichert, wie Kommunikationsmuster, Gruppendynamik, Persönlichkeitsstrukturen, Beziehungsabläufe, Aufbau und Funktion von Gefühlen, Konfliktmechanismen und deren Eskalationen.

Schnabel

Der Klärungshelfer sollte mit seinem «Schnabel sprechen, wie er ihm gewachsen ist», also echt klingen und es auch echt meinen, aber nicht picken oder gar hacken. Die Sprache des Klärungshelfers muss natürlich, klar und direkt sein, ohne unnötig zu verletzen (oder zu schonen). Es ist eine Gratwanderung, eine leider seltene Kombination aus Direktheit und Sanftheit. Direkt, genau, unerschrocken und sanft, ruhig, verständnisvoll, wohlwollend.

Direktheit ist sonst oft verletzend und ärgerlich bis aggressiv, Sanftheit dagegen mit Schonung und «positivistischem Zuckerguss» verbunden. Diese alten Verbindungen zu lösen geht meist nur, wenn der Klärungshelfer sich selber akzeptiert und verzeiht, wo er nicht seinem eigenen Konflikt-, Kommunikations-, Verhaltens- und Seinsideal entspricht. Das wiederum ist Ziel einer eigenen Psychotherapie.

Aus dem Glauben, dass Wahrheit heilt und mit dem Grundwillen, alles erst mal so zu akzeptieren, wie es nun mal (in Konflikten nicht zum Besten bestellt) ist, ergibt sich dann auch ein Sprechen mit dem sanften Klarheits-Schnabel.

Gerade für die Konfliktparteien am Anfang eines Klärungskontaktes, wo sie noch nicht wissen, ob da nicht ein Richter und Schuldsucher und Verurteiler vor ihnen steht, ist das richtungsweisend und explosionsverhindernd. So muss der Klärungshelfer statt «Konflikt» oft «Irritationen», «schwierige Situationen» oder «Missverständnisse und ihre Folgen» sagen. Statt «Sie haben Angst, dass…», ein leichter zu nehmendes «Sie haben Bedenken, dass…», «Es ist Ihnen unwohl beim Gedanken, dass…» oder «Sie sind vorsichtig, ob nicht…». (Einmal war auch das noch zu viel. Es wurde dann «Sie sind angevorsichtigt, ob nicht…»)

Der Klärungshelfer beherrscht das «Nicht-Widerstand-erzeugende-Sprechen», was klar und wahr ist, ohne zu verletzen oder zu beschönigen.

Krallen

Der Klärungshelfer muss den roten Faden und die Werkzeugkiste fest und sicher in den Händen (Krallen) behalten. Beides darf ihm nicht abhanden kommen. Der rote Faden leitet ihn sicher durch die Phasen der Klärung und lässt ihn das inhaltliche Ziel nicht aus den Augen verlieren. Im Werkzeugkasten hat er seine Interventionsmöglichkeiten griffbereit verstaut.

Konkretes Vorgehen Schritt für Schritt

Phase 0 – Auftragsklärung

Diese Phase umfasst Anfrage, Auftragsklärung und Beratung des Auftraggebers, inhaltliche Vorgespräche und organisatorische Absprachen. Bei internen, angestellten Klärungshelfern ist die Auftragsklärung ein normaler (bezahlter) geschäftlicher Ablauf. Bei freiberuflichen Klärungshelfern ist sie dagegen erst einmal eine unbezahlte Beratung bzw. Akquisitions-Investition oder muss als Konfliktanalyse und -beratung deklariert und somit als zu bezahlen erklärt werden. Ich persönlich schätze die Freiheit in der Situation des unbezahlten Angefragtwerdens.

Diese Vorphase der Klärungshilfe ist leider auch die komplizierteste und schwierigste. Sie ist die Grundlage, auf der die ganze Konfliktklärung steht und hält, schwankt, rutscht oder fällt. Hier ist es besonders wichtig, dass dem Klärungshelfer keine Fehler unterlaufen. Es gilt eine Unzahl von Kleinigkeiten zu beachten, zu erfragen und herauszufinden:

Um was geht es?

Wer ist der Anfragende?

Ist das überhaupt die richtige Person?

Was will sie genau?

Was will sie wirklich (vielleicht heimlich)?

Als Klärungshelfer muss man bei dieser ersten Anfrage sowohl vorsichtig als auch offen und aufmerksam sein. Der Klärungshelfer muss alles aufnehmen und registrieren. Nicht nur das Explizite, sondern auch das, was zwischen den Zeilen und situativ angeboten und inszeniert wird.

Das alles klingt nicht ohne Grund sehr vorsichtig und misstrauisch. Wird bei dieser Grundlage gemauschelt, bleibt irgendetwas undurchsichtig oder werden irgendwelche Fehler gemacht, dann wirkt sich das hinterher immer aus – meist negativ. Die Auftragsklärung dient sozusagen auch dem Schutz des Klärungshelfers. Um langfristig den guten Ruf als Konfliktklärer zu wahren, sollte man wirklich nur Aufträge annehmen, denen man sich auch gewachsen fühlt.

Die vielen Regeln und beachtenswerten Punkte in dieser Phase sind meist aus Fehlern entstanden, die ich in meiner Tätigkeit als Klärungshelfer gemacht habe und für die ich teilweise mit sehr unangenehmen Erfahrungen bezahlen musste.

Bei einer Teamklärung ist die Auftragsklärung viel umfangreicher als bei einer Zweierklärung. Für Teamklärungen ist es immer auch wichtig, sich im Vorfeld über die Inhalte der Konflikte zu informieren. Außerdem muss ein Vertrauensverhältnis zum obersten anwesenden Hierarchen aufgebaut werden. Bei einer Zweierklärung ist das weniger notwendig. Es ist sogar hinderlich, im Vorfeld zu viele Informationen zu erhalten (siehe folgendes Kapitel). Im Folgenden wird zuerst die Auftragsklärung bei einer Zweierklärung und dann die bei einer Teamklärung beschrieben.

Auftragsklärung für Zweierklärungen

Ziel

Ziel der Auftragsklärung für einen Zwei-Personen-Konflikt ist es, herauszufinden, ob alle Voraussetzungen für die Klärung gegeben sind, und den ersten Termin abzumachen. Ist es wirklich nur eine Zweierklärung, oder müssen noch andere Betroffene zu Beteiligten gemacht werden? Wollen oder müssen die beiden beteiligten Personen weiterhin miteinander zu tun haben (sonst lohnt es sich eher nicht, es sei denn, das Unternehmen will einer Mobbing- oder Gerüchteentstehung vorbeugen, z.B. wenn beide im Unternehmen bleiben)? Darüber hinaus müssen auch organisatorische Themen wie Ort, Zeit und Geld besprochen und vereinbart werden.

Am Ende der Auftragsklärung muss der Klärungshelfer ein gutes Gefühl haben zur bevorstehenden Klärung.

Rolle des Klärungshelfers

Der Klärungshelfer ist also Berater, Organisator und verhandelt real (siehe «Real verhandeln», S.290f.). Auch eine kurze, grobe Einschätzung der Situation und des Konflikts gehört in diese Phase, um abzustimmen, ob die angefragte Maßnahme aus der Sicht des Klärungshelfers ebenfalls die richtige ist, und um ihre Dauer abschätzen zu können.

Konkretes Vorgehen in der Zweierklärung

Das Vorgehen bei der Auftragsannahme in der Zweierklärung ist, wie gesagt, weniger komplex als bei der Teamklärung. In den meisten Fällen ruft mich einer der beiden Betroffenen an, um anzufragen, ob ich eine Klärung machen würde und wie das abläuft. Ich höre dem Anrufer erst einmal zu. Dabei versuche ich zu erfahren,

um was für einen Konflikt es sich handelt (zum Beispiel zwischen zwei Kollegen, zwischen Chef und Mitarbeiter oder zwischen Geschäftspartnern),

wer der Anrufer ist und

um wen es sich bei der anderen Konfliktpartei handelt.

Im Gegensatz zur Teamklärung muss der Klärungshelfer bei einer Zweierklärung die inhaltliche Sichtweise des Auftraggebers nicht kennen. Er sollte Versuche in dieser Richtung sogar unterbinden. Gerade wenn die Konfliktpartner auf derselben Hierarchie-Ebene stehen oder in gleichrangigen Zusammenarbeitsformen arbeiten (Projektarbeit), ist es hinderlich, die Sichtweisen der Beteiligten vorab zu erfahren. Handelt es sich aber um eine normale Linienhierarchie, kann mir der ranghöhere Beteiligte seine Sichtweise berichten, muss dies aber nicht (im Gegensatz zur Teamklärung).

Bremsen kann der Klärungshelfer den Redefluss, zum Beispiel indem er aus Du-Botschaften Ich-Botschaften macht, also aktiv zuhört, ohne weiter auf die Inhalte einzugehen (siehe «Aktives Zuhören», S.281ff.). Formulierungen wie «Dann ist es ja wirklich an der Zeit, so eine Klärung zu machen…» können helfen, nun weiter über die Organisation der Klärung zu sprechen. Es ist wichtig, dass die Konfliktinhalte erstmals in Anwesenheit des Konfliktpartners formuliert werden und nicht schon im Vorgespräch. Der inhaltliche Schwall der Details sollte unbedingt abgebremst werden. Stattdessen stehen die Fragen zur Situationsdiagnose im Vordergrund, um abschätzen zu können, ob es richtig ist, dass nur diese beiden Personen zur Klärung kommen.

In beruflichen Zusammenhängen kommt eine Zweierklärung eher selten vor, meist ist doch eher eine Teamklärung angebracht. Zweierklärungen sind nur dann sinnvoll, wenn die Beteiligten einen isolierten Konflikt miteinander haben, in dem es keine Verbündeten oder andere Beteiligten gibt. Diese Fälle sind meistens hierarchisch hoch angesiedelt (zum Beispiel zwei Eigentümer einer Firma oder zwei selbständige Partner). Es handelt sich um Personen, die auf ihrer Ebene weit und breit allein miteinander sind und zusammenarbeiten (müssen).

Ein seltener Grund dafür, «nur» eine Zweierklärung anzuberaumen, ist eine extrem starke private Verwicklung der Konfliktparteien. Privat-berufliche Konfliktverwicklung kommt zwar oft vor, ist aber selten so schwer wiegend, dass die Klärung nur unter sechs Augen stattfinden sollte.

Fragen zur Situationsdiagnose für die Zweierklärung

Folgende Fragen müssen bei der ersten Kontaktaufnahme mit mindestens einem der beiden Beteiligten geklärt werden.

«Weiß der andere, dass Sie anrufen?»

«Hat er den Auftrag gegeben?»

«Wie steht er dazu?»

Wenn er dies nicht weiß, dann gebe ich dem Anfragenden den Auftrag, es ihm zu sagen und mich erst danach wieder anzurufen. Ich lehne es grundsätzlich ab, selbst den Konfliktpartner über den Klärungswunsch zu informieren.

«Können Sie kurz sagen, um was es geht?»

Der Klärungshelfer muss abschätzen können, ob es sich wirklich nur um eine Zweierklärung handelt oder ob noch andere Personen einbezogen werden müssen.

«Welche offizielle Beziehung haben Sie zueinander (hierarchisch, kollegial)?»

«Was wurde bereits zur Klärung unternommen?»

«Wie kommen Sie gerade auf mich?»

Die letzte Frage ist kein fishing for compliments, sondern dient dazu, den Auftragsweg herauszufinden (Zufall oder Empfehlung? Wer hat empfohlen? Warum?).

Einladung der zweiten Konfliktpartei

Am stimmigsten und für die Konfliktlösung am unproblematischsten ist es, wenn beide Konfliktparteien vereinbaren, dass sie ihr Anliegen mit einem neutralen Dritten besprechen wollen. Da dies aber eine Einigung auf einer Metaebene über den Konflikt voraussetzt, ist diese Ausgangslage selten.

Häufig ist es so, dass der mit dem größten Leidensdruck oder kleineren Trotzpegel zum anderen geht. «Ich habe ein Problem in unserer Zusammenarbeit und möchte es gerne mit einem möglichst neutralen Dritten unserer Wahl besprechen.» Diesen Satz auszusprechen fällt schwer. Die Angst vor Demütigung und Abweisung muss überwunden werden. Es könnte ja passieren, dass der Angesprochene hämisch lächelnd erwidert: «Gut, dass du endlich auch siehst, dass du Probleme hast.» Einen zusätzlichen Einfluss hat immer auch die Hierarchie-Situation. Hierarchie wirkt sich erleichternd aus, wenn die Klärung von oben nach unten befohlen werden kann. Wenn sich der Klärungswunsch aber von unten nach oben durchsetzen muss, ist das schwer bis unmöglich, obwohl es für diesen Fall auch Hierarchiespielregeln gibt (siehe «Umgang mit hierarchischen Konflikten», S.194ff.).

Das Wichtigste in der Auftragsklärung ist es, die Balance zu wahren zwischen:

einerseits möglichst viele Informationen zu erhalten, um entscheiden zu können, ob Klärungshilfe überhaupt angezeigt ist, und

andererseits nicht zu viele Informationen und «Geheimnisse» über den Kontrahenten und den Konflikt anvertraut zu bekommen, weil darunter die gleichberechtigte Ausgangslage leiden würde.

Nachdem deutlich geworden ist, dass es sich um eine Zweierklärung handelt, an der auch beide Konfliktparteien teilnehmen werden, müssen nun die organisatorischen Fragen wie Dauer, Termin, Geld, Absagemodus etc. gelöst werden.

Für Zweierklärungen werden keine Vortreffen abgemacht. Eventuell wird der erste Klärungstermin offiziell «Vortreffen». (zum Schnuppern oder Sichkennenlernen) genannt, unterscheidet sich aber im Vorgehen nicht von einem normalen ersten Treffen.

Meditation

Überlegen Sie sich Ihre Arbeitsbedingungen für eine Zweierklärung: Wie ist Ihr Absagemodus? Fahren Sie hin, oder sollen die Konfliktpartner zu Ihnen kommen? Wie weit würden Sie fahren? Was kostet eine 1½-Stunden-Sitzung bei Ihnen (mindestens/​maximal)? Ist das Honorar für alle gleich, oder hängt es von den finanziellen Möglichkeiten der Auftraggeber ab?

Fehler und Fallstricke

Fallstrick: Fehlende Information zum Organisationshintergrund

Es wäre ein Fehler, sich nicht nach dem organisatorischen Hintergrund und der Situation der Betroffenen zu erkundigen. Das kann durchaus auch ungewöhnliche Fragen, wie zum Beispiel: «Wie viel Prozent des Aktienkapitals haben Sie, und wie viel hat der andere?» einschließen, um abschätzen zu können, ob noch andere Personen in die Klärung einbezogen werden müssen.

Fallstrick: Zu viele Informationen zum Inhalt des Konflikts

Wenn sich der Klärungshelfer bereits im Anfangstelefonat die Schilderungen des Anfragenden sehr ausführlich anhört, steigt die Gefahr, dass er innerlich parteiisch in die Klärung geht. Der andere könnte das sofort merken und sich deswegen der Klärung verweigern. Außerdem ist es wichtig, dass der Klärungshelfer die Sichtweisen der Betroffenen authentisch und deshalb erstmals in der Klärungssituation hört.

Was tun, wenn zu viele inhaltliche Informationen angeboten werden? Eine Möglichkeit ist es, das direkt anzusprechen, vielleicht so: «Ich möchte noch nichts inhaltlich über Ihren Konflikt hören, damit ich in der Klärung so unvoreingenommen wie möglich sein kann. Wir besprechen das dann zu dritt bei unserem ersten Termin. Es ist wichtig, dass Sie mir das alles frisch in Anwesenheit der anderen Person sagen, sonst weiß ich es ja schon, und Sie sagen es dann eventuell nicht mehr bei unserem gemeinsamen Treffen. Dadurch können wichtige Informationen verloren gehen.»

Fehler: Stellungnahme des Klärungshelfers schon während der Auftragsklärung

Der Klärungshelfer sollte sich nicht zu einer Stellungnahme hinreißen lassen, etwa indem er die Diagnose des Anrufenden «Das ist doch untragbar, oder?» bestätigt. Stattdessen kann er sagen: «Ja, für Sie ist das untragbar, das wollen Sie nicht länger tolerieren», also aktiv zuhören (S.281). Für den Anfragenden ist in erster Linie wichtig, verstanden zu werden. Je eher sich der Anfragende verstanden fühlt, desto weniger Details des Konfliktinhalts muss er dem Klärungshelfer mitteilen.

Fallstrick: Hereinfallen auf «Solidarisierungsmaschen»

Jeder von uns hat seine Maschen, Leute auf seine Seite zu ziehen, wenn er sich bedroht fühlt. Folglich haben das auch unsere Auftraggeber. Die wollen sich absichern, dass wir zumindest nicht gegen sie Partei ergreifen (am besten noch auf ihrer Seite sind). Oft geht das nach dem Ähnlichkeitsprinzip: «Wir beide sind doch ähnlich und sehen die Welt auch ähnlich.» Beispiele:

«Finden Sie es nicht auch eine bodenlose Frechheit, dass…»

«Sie als Psychologe (Betriebswirtschaftler, Personalverantwortlicher etc.) sehen sicher auch…»

«Sie als Konfliktprofi sind doch sicherlich auch für offene Kommunikation und gegen solche hinterhältigen Tricksereien!»

Es gibt verschiedene Möglichkeiten zu reagieren, ohne in die Falle zu tappen:

distanzierte Einfühlung durch aktives Zuhören: «Für Sie wäre es also wichtig…» (siehe «Aktives Zuhören», S.281ff.);

wohlwollend diplomatisches Überhören, ohne äußerlich zu reagieren;

sachlich und inhaltlich auf diese Fragen eingehen. Dabei besteht allerdings die Gefahr einer Fachdiskussion an falscher Stelle;

eine Rollenantwort geben: «Ich will Sie verstehen und den anderen. Ich verstehe mich nicht als neutral oder gar parteilich, sondern als allparteilich.»

Fallstrick: «Kann ich erst mal alleine kommen?»

Antwort: «Nein, das wäre ungünstig!» Diese Anfrage kommt nicht selten. Selbstverständlich würde sich die andere Konfliktpartei durch diese Sonderbehandlung benachteiligt fühlen.

Fehler: Einzelvorgespräche mit den Konfliktparteien

Auch zwei Einzelvorgespräche (mit jedem eines) sind ungünstig. Die Energie, die die beiden aufwenden, um mich in diesen Gesprächen zu informieren, soll für die Klärungssituation direkt genutzt werden.

Fehler: Versprechungen

Auf Fragen wie: «Wird das dann wieder wie früher?» oder «Wird das alles wieder gut?», darf der Klärungshelfer keine Zuversicht verbreiten, auch wenn er sie hat. Eine passende Antwort wäre: «Nein, so wie früher wird es nie mehr. Das ist weder möglich noch erstrebenswert. Das hat ja dazu geführt, dass es jetzt so ist, wie es ist. Ich kann Ihnen nichts versprechen, ich kann nicht ‹schönklären›. Ich kann nur klar und wahr klären. Ich kann Ihnen garantieren, dass die Sache klar wird, nicht aber, dass das schön sein wird.»

Grundsätzlich sollte der Klärungshelfer nichts versprechen, was nicht machbar ist.

Auftragsklärung für Teamkonflikte

Ziel

In der Teamklärung ist das Ziel der Auftragsklärung, eine seriöse Grundlage zu schaffen, auf der die Klärungshilfe sicher aufruht, wenn sie zustande kommt. Diese Grundlage besteht zu großen Teilen aus zwischenmenschlichen Aspekten. Es muss ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber (zumeist der oberste hierarchisch Betroffene) und dem Klärungshelfer entstehen. Konflikte innerhalb einer Abteilung zu klären ist die Aufgabe der (darüber stehenden) Führungskraft. Diese Führungsaufgabe wird während der Klärung an den Klärungshelfer delegiert, und dazu ist Vertrauen wichtig.

Zudem muss der Auftraggeber als oberster Anwesender in der Hierarchie (mit oder ohne meine zusätzliche Motivationsspritze)

die Wahrheit wirklich wollen, daran glauben, dass «das alles». (Vergangenheit und Gegenwart der Kommunikation und Zusammenarbeit mit all ihren Knackpunkten, Verletzungen, Fehlschlägen, Gefühlen, Missverständnissen…) auf den Tisch muss,

daran glauben, dass sich das für die zukünftige Zusammenarbeit lohnt (Wollen oder müssen diese Menschen überhaupt weiterhin zusammen arbeiten, sich gegenseitig vertreten, gemeinsam Fachprobleme bewältigen? Lohnt sich der Einsatz von Zeit und Geld?),

die Klärungshilfe jetzt wollen (Ist es der richtige Zeitpunkt?) und

diesen Klärungshelfer wollen (Vertrauensvorschuss aufgrund des jetzigen Kontaktes oder von Vorinformationen Dritter).

Das sind vier Bedingungen, die alle mit einem klaren Ja beantwortet sein müssen.

Eine weitere Grundlage für die erfolgreiche Klärung ist die Organisation von

Zeit,

Raum,

Geld,

Material und

Teilnehmerkreis.

Stimmt einer dieser Faktoren nicht, wird sich das rächen. Es ist zum Beispiel wichtig zu überlegen, ob die Klärung in der Freizeit oder in der Arbeitszeit der Beteiligten stattfinden soll. Was macht man, wenn sich jemand weigert? Was macht man, wenn jemand ankündigt, dass er dann krank sein wird? Diese Fragen und andere organisatorische Themen wollen wohl überlegt und abgewogen werden. Mit ihrer Beantwortung wird die Situation vorbereitet (siehe «Planung», S.63).

Ziel ist es natürlich, bei der positiven Lösung all dieser Fragen zu einem Konsens, einem Kontrakt bzw. einer Abmachung zu kommen. In den allermeisten Fällen wird dieser Kontrakt nicht schriftlich festgehalten, sondern per (telefonischen) Handschlag vereinbart.

Rolle

In der Auftragsklärung hat der Klärungshelfer eine Doppelrolle: Neutraler Berater und Vertragspartner. Einerseits ist er ein neutraler, uneigennütziger Berater für den potenziellen Auftraggeber und seine Situation. Er muss herausfinden, ob der Zeitpunkt für eine Klärung geeignet ist, ob Klärungshilfe die richtige Maßnahme ist und ob er (der Klärungshelfer) die richtige Person dafür ist. Das alles sollte er versuchen, so objektiv wie möglich in Erfahrung zu bringen. Es kann auch vorkommen, dass ich an einen Kollegen verweise, der mir für die Sache geeigneter erscheint. Manchmal schlage ich auch eine andere Maßnahme vor (zum Beispiel Coaching der Führungskraft), für die ich vielleicht, vielleicht aber auch nicht, die richtige Person bin.

Gleichzeitig hat der Klärungshelfer die Rolle des Vertragspartners. Er stellt Bedingungen, die er für seine Arbeit braucht (Geld, Zeit, Teilnehmer, Rahmen). Diese Bedingungen können zum Teil auch ausgehandelt werden. Je offener diese Verhandlungen geführt werden, umso positiver ist der Kontakt zwischen Auftraggeber und Klärungshelfer insgesamt.

Konkretes Vorgehen in der Teamklärung

Zu irgendeinem unerwarteten Zeitpunkt kommt ein ebenso unerwarteter Anruf. Eine dem Klärungshelfer unbekannte Person ist am Apparat, stellt sich vor und beginnt zu erzählen. Für gewöhnlich ist eine der ersten Fragen an den Klärungshelfer auch schon, ob er Zeit für eine Klärungshilfe hat. Bevor diese Frage beantwortet werden kann, muss Verschiedenes herausgefunden werden: Um was geht es genau? Wen habe ich als Anfrager am anderen Ende des Telefondrahts? Ist es die richtige Person, die anfragt?

Nicht «richtig» wäre

jemand, der sich selbst einen Auftrag gegeben hat («weil mal jemand etwas unternehmen muss und doch niemand etwas tut»), insbesondere dann, wenn es sich um eine Konfliktsituation handelt, die in der Hierarchie über der anfragenden Person angesiedelt ist;

ein Betroffener, der Vorabklärungen betreiben will, um dann in einer Sitzung oder beim zuständigen Chef einen Vorstoß zu machen;

ein Delegierter, der von einer Mitarbeiterversammlung oder von einem anderen Gremium dazu auserkoren wurde, jemanden zu suchen, der so etwas macht;

jemand (zum Beispiel der Stellvertreter des Chefs), der von der richtigen Person beauftragt wurde.

Wenn es nicht die richtige Person ist, spreche ich den Anfragenden nicht als Verhandlungspartner, sondern als Betroffenen an, der jetzt informiert und beraten werden muss, was in seiner Situation getan werden kann. Ich erkläre, dass und warum ich die Anfrage von der hierarchisch höchsten Person, die in den Konflikt verwickelt ist, oder von deren Vorgesetzten brauche. Trotzdem ist der Anfragende natürlich in den Konflikt, die Beziehungen und die eigenen Gefühle verwickelt («Wessen Herz voll ist, dessen Mund geht über»). Es entsteht dann schnell die Situation, dass der Klärungshelfer den Gesprächsfluss abblocken muss. Dies sollte geschehen, ohne den Betreffenden zu verletzen oder zu vergraulen.

Der Auftraggeber muss die hierarchisch höchste betroffene Führungskraft oder deren Vorgesetzter sein. Sie ist zugleich auch die Person, an die die Rechnung geht und mit der die Vorklärung läuft.

Fragen an den Auftraggeber

Wenn der Klärungshelfer mit der richtigen Person verbunden ist oder ihr in einem Treffen gegenübersitzt, geht es mit folgenden Fragen weiter:

Erzählen Sie mal, um was es geht: wer, wann, was, warum, mit welcher Auswirkung usw.

Was haben Sie bisher schon zur Verbesserung der Situation unternommen?

Was möchten Sie erreichen?

Warum rufen Sie mich gerade jetzt an?

Was wäre für Sie das schlimmste Resultat oder Ereignis?

Was darf auf keinen Fall passieren?

Was machen Sie, wenn die Klärungshilfe nicht greift, wenn