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Klassik ist altmodisch und langweilig - das sind nur zwei von vielen Vorurteilen über klassische Musik. David Pogue und Scott Speck zeigen Ihnen, dass das ganz und gar nicht der Fall ist. Sie bringen Ihnen unterhaltsam und informativ die Musikgeschichte vom Mittelalter bis heute nahe: die bedeutendsten Komponisten, ihre wichtigsten Stücke und die spannendsten Anekdoten. Darüber hinaus erfahren Sie alles über die verschiedenen Instrumente und ihre Rolle im Orchester. Ein wenig nützliche Musiktheorie und ein kleiner Konzert-Knigge runden das Buch ab. Ein Rundumwohlfühlbuch für Neulinge in der Welt der Klassik.
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Seitenzahl: 445
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3., aktualisierte Auflage 2016
© 2016 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original English language edition © 1997 by Wiley Publishing, Inc.
All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This translation published by arrangement with John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe © 1997 by Wiley Publishing, Inc.
Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Diese Übersetzung wird mit Genehmigung von John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
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Coverfoto: senticus/Shutterstock.com
Korrektur: Oliver Fehn, Münchberg
Satz: SPi-Global, Chennai
Druck und Bindung:
Print ISBN: 978-3-527-71272-4
ePub ISBN: 978-3-527-80144-2
mobi ISBN: 978-3-527-80145-9
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Einführung
Törichte Annahmen über die Leser
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Warum Sie leichter klassische Musik genießen können, wenn Sie noch nichts davon verstehen
Teil I: Willkommen zur klassischen Musik
Kapitel 1: Vorsichtig an die klassische Musik herantasten
Was ist klassische Musik?
Woher weiß ich, ob es mir gefallen wird?
Die sieben Eigenschaften der größten Komponisten
Ihre Musik kommt von Herzen
Sie verwenden eine Struktur, die Sie fühlen können
Sie sind kreativ und originell
Sie drücken ein maßgebliches menschliches Gefühl aus
Sie sichern sich Ihre Aufmerksamkeit durch Abwechslung und Tempowechsel
Ihre Musik ist leicht zu merken
Sie rühren Sie mit ihrem Werk an
Kapitel 2: Eine vollständige Geschichte der Musik auf 70 Seiten
Wie die klassische Musik begann
Das Mittelalter
Gregorianische Gesänge
Ein Mönch namens Guido
Wegtreten!
Die Renaissance
Das Madrigal
Es erscheint: Die Oper
Barock
Noten außer Rand und Band
Könige, Kirchen und andere beliebte Arbeitgeber
Antonio Vivaldi
Georg Friedrich Händel
Johann Sebastian Bach
Die Wiener Klassik
Joseph Haydn
Wolfgang Amadeus Mozart
Ludwig van Beethoven: Der Mann, der alles veränderte
Schubert und seine Lieder
Felix Mendelssohn Bartholdy
Hoffnungslose Romantiker
Carl Maria von Weber
Hector Berlioz
Frédéric Chopin
Robert Schumann
Johannes Brahms
Die Superstars: Paganini und Liszt
Richard Wagner
Strauss und Mahler
Richard Strauss: Der Mann, der mit Musik malte
Gustav Mahler, seines Zeichens Neurotiker
Klassische Musik im Zeitalter des Nationalismus
Bedřich Smetana
Antonín Dvořák
Edvard Grieg
Jean Sibelius
Carl Nielsen
Glinka und das »Mächtige Häuflein«
Peter Tschaikowsky
Sergej Rachmaninow
Klassische Musik im 20. Jahrhundert
Debussy und Ravel
Hier kommt Ravel
Igor Strawinsky
Sergej Prokofjew
Dmitri Schostakowitsch
Die Zweite Wiener Schule
Die Amerikaner
Aaron Copland
George Gershwin
Samuel Barber
Und dann war da noch …
Amerikanische Musik hören
Kapitel 3: Sonaten, Symphonien & Co
Symphonien
Erster Satz: flott und lebendig
Zweiter Satz: langsam und lyrisch
Dritter Satz: tänzerisch
Finale: ausgelassen
Sonaten und Sonatinen
Konzerte
Die Struktur eines Konzerts
Die Kadenz
Tänze und Suiten
Serenaden und Divertimenti
Themen und Variationen
Fantasien und Rhapsodien
Tondichtungen (auch Symphonische Dichtungen genannt)
Kunstlieder
Der Liedermeister
Formen von Liedern
Oratorien und andere Chorwerke
Opern, Operetten und Arien
Ouvertüren und Vorspiele
Ballette und Ballerinen
Streichquartette und andere Sammelsurien
Wozu braucht man überhaupt eine Form?
Teil II: Aufgemerkt!
Kapitel 4: Daves und Scotts Konzert-Überlebensführer für Anfänger und solche, die noch nicht einmal das sind
Wie man sich vorbereitet – oder auch nicht
Wann man im Konzertsaal ankommen sollte
Kann ich einen Lendenschurz zu »Le sacré du printemps« tragen?
Der Gourmet-Führer für die Zeit vor dem Konzert
Wo man sitzen sollte – und wie man die billigsten Karten abzockt
Klatschen oder nicht klatschen – das ist hier die Frage
Warum niemand klatscht
Noch mehr Informationen über das blödsinnige Klatschverbot
Wen man mitbringen sollte und wer besser zu Hause auf den Hund aufpasst
Welche Konzerte man bei einem Rendezvous besuchen sollte und welche nicht
Ein Blick in das Konzertprogramm
Eine typische Konzertabfolge
Die Musik selbst
Eine andere Art von Programm
Der Konzertmeister trifft ein!
Hier kommt der Kammerton …
Drehen, schieben, drücken, kurbeln
Der Dirigent tritt auf
Warum es Interpretationen gibt
Mit dem Stock in der Luft
Die Stellenbeschreibung eines Dirigenten
Teil III: Ein Führer durch das Orchester
Kapitel 5: Alles, was Tasten hat
Das Klavier
Die Namen der Töne
Was ist eine Oktave?
Die schwarzen Tasten
Wie ein Klavier funktioniert
Die Pedale
Wo man Klaviermusik hören kann
Das Cembalo
Wo man Cembalomusik hören kann
Die Orgel
Alle Register ziehen
Wo man Orgelmusik hören kann
Der Synthesizer
Kapitel 6: Seitenweise Saiteninstrumente
Die Violine
Der Bogen
Das Stimmen
Wie die Violine gespielt wird
Vibrato
Die unerträgliche Leichtigkeit des Streichens
Pizzicato
Wo man Geigenmusik hören kann
Die anderen Saiteninstrumente
Die Bratsche
Wo man Bratschenmusik hören kann
Das Cello
Wo man Cello-Musik hören kann
Der Kontrabass
Wo man Kontrabassmusik hören kann
Die Harfe
Wo man Harfenmusik hören kann
Die Gitarre
Wo man Gitarrenmusik hören kann
Andere Saiteninstrumente
Kapitel 7: Klopf auf die Holzbläser
Die Querflöte
Wo man Ihnen die Flötentöne beibringt
Die Piccoloflöte
Die Oboe
Oboe spielen
Wo man Oboenmusik hören kann
Das Englischhorn
Die Klarinette
Transponierende Instrumente
Wo man Klarinettenmusik hören kann
Das Saxophon
Das Fagott
Kapitel 8: Heavy Metal: Die Blechbläser
Ärger für die Blechbläser
Wie Blechblasinstrumente funktionieren
Das Waldhorn
Das Naturhorn
Das moderne, trügerische Horn
Wo man Waldhörner hören kann
Die Trompete
Der Zungenstoß
Dämpfer
Wo man Trompetenmusik hören kann
Die Posaune
Umhergerutsche
Wo man die Posaune hören kann
Die Tuba
Ein Haufen voller Tuben
Wo man die Tuba hören kann
Kapitel 9: Die größten Hits des Schlagzeugs
Die Kesselpauke
Einen Paukenwirbel, bitte!
Wo man Kesselpauken hören kann
Die große Trommel
Das Becken
Die kleine Trommel
Das Xylophon
Andere xylophonartige Instrumente
Andere nette Instrumente, auf die man prima einschlagen kann
Der Triangel
Das Tamburin
Das Tamtam und der Gong
Die Kastagnetten
Die Peitsche
Die Kuhglocke
Die Ratsche
Teil IV: Der Hinterkopf des Komponisten
Kapitel 10: Das gefürchtete Kapitel über Musiktheorie
Rhythmus: Der Motor der Musik
Die Zeit aufteilen
Die Einschläge spüren
Ihre erste Übung im Notenlesen
Längere Noten
Kürzere Noten
Der Punkt
Abschlussprüfung
Die Tonhöhe: Beethoven mit 5000 UpM
Ein Experiment, von dem die ganze Menschheit profitiert
12 Töne!
Wie man Tonhöhen notiert
Noten lesen
Tonartvorzeichnungen
In welcher Tonart steht das?
Daves und Scotts 99,9999-Methode zur Bestimmung der richtigen Tonart
Was soll das mit den Tonarten eigentlich?
Und weiter geht's mit den Intervallen
Die große Sekunde
Die große Terz
Die Quarte
Die Quinte
Die große Sexte
Die große Septime
Die Oktave
Große und kleine Intervalle
Die kleine Sekunde
Die kleine Terz
Die verminderte Quinte – nein, der Tritonus!
Die kleine Sexte
Die kleine Septime
Die Tonleiter hinaufsteigen
Der Melodiebaukasten für Jung und Alt
Friede und Harmonie
Duroplast und Tesa-Moll – die chemische Industrie in der Musik
Freunde und Verwandte: harmonische Fortschreitungen
Freunde, Römer, Akkordfolgen
Zurück zu den Oldies
Vor dem Gebrauch gut schütteln
Ihr Diplom in Musiktheorie
Kapitel 11: Das Ganze noch einmal, aber diesmal mit Gefühl: Tempo, Dynamik und Orchestrierung
Das dynamische Duo: Laut und leise
Liebling, ich habe das Laut/Leise geschrumpft
Italienische Haarnadeln
Eine Frage des musikalischen Geschmacks
Tempolimit
Vom Heckelphon zum Pianoforte: Orchestrierung für Anfänger
Mit den Klangfarben spielen
Wie man Orchestrierungen aufschreibt
Wer orchestriert eigentlich?
Teil V: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 12: Zehn großartige Werke der Kammermusik
Kapitel 13: Die zehn häufigsten Missverständnisse über klassische Musik
Klassische Musik ist langweilig
Klassische Musik ist nur etwas für Snobs
Moderne klassische Musik kann man sich kaum anhören
Klassische Musik wird heute nicht mehr komponiert
Wenn ich ins Konzert gehe, muss ich mich schick anziehen
Wenn ich von dem Gastsolisten noch nichts gehört habe, kann er nicht gut sein
Profimusiker haben ein lockeres Leben
In der ersten Reihe sind die besten Plätze
Mozart hat »Heute kommt der Weihnachtsmann« komponiert
Klassische Musik kann mein Leben nicht verändern
Kapitel 14: Die zehn wichtigsten musikalischen Fachbegriffe für Cocktailpartys
Kapitel 15: Die zehn besten Witze über klassische Musik
Keine Details bitte!
Der Meister aller Klassen
Aufnahmeprüfung
Übung macht den Meister
Der weinende Bratschist
Hunde müssen draußen bleiben
Sechzehntel
Berufliche Neuorientierung
Geheimer Zettel
Und last but not least
Kapitel 16: Zehn Tipps, wie Sie nach der Lektüre dieses Buches weitermachen können
Gehen Sie in Konzerte
Machen Sie bei einer Klassik-Tournee mit
Vernetzen Sie sich mit den Künstlern
Begeistern Sie andere für klassische Musik
Holen Sie sich Informationen aus dem Internet
Holen Sie sich eine Musik-Flatrate
Schalten Sie einen Klassiksender ein
Sehen Sie sich Filme über klassische Musik an
Lernen Sie weiter
Machen Sie selbst Musik
Teil VI: Anhänge
A: Eine Sammlung mit klassischer Musik aufbauen
B: Zeittafel zur klassischen Musik
C: Glossar
Stichwortverzeichnis
Wiley End User License Agreement
Über die Autoren
David Pogue studierte Musik in Yale und promovierte in Musik am Shenandoah Conservatory. Er arbeitete zehn Jahre lang am Broadway – unter anderem als Dirigent und Koordinator. Neben seiner musikalischen Karriere ist er auch IT-Experte und schreibt entsprechende Kolumnen für die New York Times und den Scientific American. Er hat zahlreiche Bücher geschrieben – viele davon auch in der … für Dummies-Reihe, zum Beipiel Oper für Dummies und Mac für Dummies. Er lebt mit seiner Frau Nicki und drei tollen Kindern in Connecticut.
Scott Speck studierte ebenfalls Musik in Yale und ist als erfolgreicher Dirigent auf der ganzen Welt tätig. Er dirigierte hunderte Meisterwerke – Symphonien, Konzerte und Opern – unter anderem im London's Royal Opera House, in der Pariser Oper, der Moskauer Tchaikovsky Hall, im Washington's Kennedy Center und im Los Angeles Music Center. Gemeinsam mit David Pogue hat er auch Oper für Dummies verfasst.
Einführung
Sie haben dieses Buch aufgeschlagen und sind dabei, in die furchteinflößende, mysteriöse, überlebensgroße Welt der klassischen Musik einzutauchen, wo hundert Leute auf der Bühne sitzen, die wie Kellner aus dem 17. Jahrhundert gekleidet sind, seltsame Dinge mit Metall- und Holzstücken machen und dabei merkwürdige und exotische Klänge erzeugen.
Wir können geradezu spüren, wie sich Ihnen jetzt die Nackenhaare aufstellen. Aber keine Angst: Ob es Ihnen bewusst ist, oder nicht, Sie haben schon Ihr ganzes Leben lang Erfahrungen mit klassischer Musik gemacht, sei es nun in Filmen, im Fernsehen, im Radio oder in Aufzügen. Wenn Sie schon einmal die Namen Bach, Mozart oder Beethoven gehört haben, dann wissen Sie schon mehr als nötig, um in dieses Thema einsteigen zu können.
Törichte Annahmen über die Leser
Wir gehen davon aus, dass Sie ein sehr intelligenter Mensch sind. Schließlich ist es Ihnen ja schon gelungen, dieses Buch aus einem ganzen Regal voller hochqualifizierter Musikbücher auszuwählen.
Aber in dieser komplexen, unüberschaubaren, von Informationen überfluteten Gesellschaft erwartet man von Ihnen, dass Sie sich in 1.006.932.408,7 verschiedenen Themen bestens auskennen (die 0,7 stehen für Schuhplattler, die nicht als vollwertiges Thema zählen). Da ist es nur natürlich, wenn selbst das größte Genie nicht alles weiß. Es scheint, als seien Sie, verehrter Leser, noch im Anfangsstadium der Genialität, was klassische Musik anbetrifft.
Daher ist dieses Buch genau das richtige für Sie. Sie erwerben ein profundes Verständnis der Grundlagen der klassischen Musik, ohne dass Sie irgendwelche Vorkenntnisse benötigen. Sie werden sich sicher fühlen, über klassische Musik zu reden, und diese Kunstform besser zu schätzen wissen. Und obwohl dieses Buch keine vollwertige Alternative zu einem Musikstudium ist, macht es mehr Spaß und kostet auch etwa 100.000 Euro weniger.
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Dieses Buch ist in sechs verschiedene Teile aufgeteilt:
Teil I führt Sie in die Welt der klassischen Musik ein, wozu auch Musikgeschichte und Erläuterungen gängiger Erscheinungsformen – wie Symphonien, Streichquartette und so weiter – gehören.
Teil II nimmt Sie mit in den Konzertsaal, um Live-Musik zu erleben.
Teil III ist ein Führer durch all die Instrumente, aus denen sich ein Orchester zusammensetzt.
Teil IV seziert die klassische Musik und erklärt die Atome, aus denen sie besteht.
Teil V und VI steigen noch tiefer in die klassische Musik ein und helfen Ihnen, noch mehr davon zu profitieren.
Wir haben dieses Buch so geschrieben, dass Sie an jeder Stelle anfangen können zu lesen. Sie müssen auch nicht ein Kapitel zu Ende lesen, bevor Sie mit dem nächsten anfangen. Wenn Sie wollen, suchen Sie sich im Inhaltsverzeichnis oder im Index aus, was Sie im Moment gerade interessiert. Oder wenn Sie in romantischer Stimmung sind, dann legen Sie eine schöne CD ein, kuscheln Sie sich mit Ihrem Schatz zusammen und fangen Sie einfach vorn an zu lesen. (Wir würden aber empfehlen, das Impressum auszulassen, so etwas kann die romantische Stimmung ganz schnell zerstören.)
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Dieses Symbol weist auf eine nützliche Technik oder einen Vorschlag hin, mit dem Sie mehr aus der klassischen Musik herausholen können.
Damit wir Ihr Gehirn nicht in einem Überraschungsangriff überlasten, setzen wir dieses Symbol neben fortgeschrittenere Themen und spezielle Fachausdrücke.
Bei diesem Symbol haben Sie die Gelegenheit, aufzustehen, zum Klavier oder zur Stereoanlage zu gehen und ein kleines Experiment durchzuführen.
Auch wenn wir dieses Buch für eine großartige Möglichkeit halten, etwas über Musik zu lernen, kann es doch dem Anhören von Musik bei Weitem nicht das Wasser reichen. Dieses Symbol weist auf besonders bemerkenswerte Werke hin, die Sie sich anhören sollten.
Wenn wir eine Tatsache oder einen Diskussionsgegenstand behandeln, den normalerweise die Snobs der klassischen Musik für sich beanspruchen, dann warnen wir Sie mit diesem Symbol.
Musik gibt es schon ewig. Mit diesem Symbol weisen wir Sie darauf hin, wie Trends und Rituale, die es heute noch gibt, angefangen haben.
Und auch hier sollten wir den Tatsachen ins Auge blicken: Musik ist eine schicke Kunstform, und das Wissen um lustige oder interessante Details über die Musik verschafft Ihnen überall Aufmerksamkeit und Respekt. Mit diesem Symbol kennzeichnen wir bemerkenswerte Geschichten, die man gut weitererzählen kann.
Warum Sie leichter klassische Musik genießen können, wenn Sie noch nichts davon verstehen
Ob Sie es glauben oder nicht, verehrter Anfänger der klassischen Musik, aber Sie haben einen großen Vorteil gegenüber den Fanatikern der klassischen Musik. Sie betreten diesen erstaunlichen Bereich der Kunst ohne musikalische Vorurteile oder Prägung. Sie kommen mit offenem Geist in die Konzerthalle und sind noch eine leere Leinwand, auf die die großen Komponisten ihre emotionalen Landschaften malen können.
Viele Musik-Profis vergessen das gern: In der klassischen Musik sollte der Verstand hinter dem Gefühl zurücktreten. Noch viel mehr als andere Künste richtet sich die klassische Musik direkt an die Sinne. Wir werden Ihnen zeigen, wie Sie diese Sinne aktivieren können – und Sie in die Lage versetzen, einen der größten Höhepunkte des Lebens zu erleben.
Teil I
Willkommen zur klassischen Musik
In diesem Teil …
Klassische Musik hat Sie schon umgeben, als Sie noch im Mutterleib waren – in Fahrstühlen, als Hintergrundmusik in Filmen, in der Fernsehwerbung und auch sonst so ziemlich überall. Aber obwohl Sie vielleicht schon davon gehört haben, fangen Sie jetzt endlich damit an, zuzuhören und zu kapieren. In diesem Teil werden Sie herausfinden, was wir unter »klassischer Musik« verstehen, in welchen Formen sie auf Sie zukommt und was den mittelmäßigen Kram von den Meisterwerken unterscheidet.
Kapitel 1
Vorsichtig an die klassische Musik herantasten
In diesem Kapitel
Was ist eigentlich so toll an klassischer Musik?
Wie Sie herausfinden, was Ihnen gefällt
Die sieben Eigenschaften der größten Komponisten
Die Welt der klassischen Musik ist ein Hort des Idealismus, wo das Gute das Böse und die Liebe einfach alles besiegt, wo man immer eine zweite Chance bekommt, wo am Ende alles gut ausgeht und wo man alles auf einmal bekommen kann.
Klassische Musik ist eine der wenigen lebendigen Künste. Sie lebt immer weiter, weil sie unaufhörlich neu erschaffen wird, und das live, vor Publikum. Im Gegensatz zu den bildenden Künsten umgibt die klassische Musik Sie unmittelbar und wird vor Ihnen lebendig; im Gegensatz zu Literatur oder Theater können alle Menschen, unabhängig ob und welche Sprache sie sprechen, klassische Musik gleich gut verstehen – und im Gegensatz zum Ballett müssen Sie auch nicht in einem engen Body eine gute Figur machen, um klassische Musik aufführen zu können.
Erleben Sie klassische Musik wegen der puren Freude, als Trost, zur Erbauung, zur spirituellen Erhöhung und – wenn Sie unseren Empfehlungen folgen – für weniger als 25 Euro.
Was ist klassische Musik?
In diesem Buch verstehen wir unter klassischer Musik die Musik, die in der westlichen Welt in den letzten paar hundert Jahren komponiert wurde (aber nicht die moderne Pop- und Folk-Musik). Diese Musik ist normalerweise für ein Orchester oder eine Kombination aus Orchesterinstrumenten, für Tasteninstrumente, Gitarre oder Gesang geschrieben.
Bis vor ganz kurzer Zeit (zumindest aus erdgeschichtlicher Sicht) machten die Leute keine großen Unterschiede zwischen »populärer« und »klassischer« Musik oder U- und E-Musik. Im 18. und 19. Jahrhundert war das alles einfach Musik, und die Leute liebten sie. Man ging zur Aufführung der neuesten Symphonie, eines Konzertes, Liederzyklus oder einer Oper so, wie Sie heute vielleicht zu einem Rock-Konzert gehen – einfach, um Spaß zu haben. Die Leute freuten sich darauf, ihre Lieblingsstars zu sehen, mit ihren Freunden zu klönen und ihre Lieblingsmelodien zu hören. Sie trugen Freizeitkleidung, brachten sich Essen und Trinken mit und klatschten und jubelten sogar während des Vortrags, wenn ihnen danach war. Klassische Musik war damals Popmusik.
Woher weiß ich, ob es mir gefallen wird?
Nicht jedes Stück klassischer Musik wird Ihnen von Anfang an gefallen. Und das ist auch völlig in Ordnung so.
Zunächst einmal sind manche Stücke, wie wir Leute aus der klassischen Musik es ausdrücken, »zugänglicher« als andere, das heißt, sie haben wunderschöne Melodien, die Sie sofort mitsummen können, wohingegen andere beim ersten Hören mehr danach klingen, als würden Gänse durch einen Flugzeugmotor gesaugt.
Es gibt kein Richtig und kein Falsch bei klassischer Musik, sie soll ja schließlich Spaß machen, wenn man ihr zuhört. Das Problem besteht nur darin, herauszufinden, was Ihnen Spaß macht.
Und wenn Ihnen einfach alles an klassischer Musik gefällt, umso besser. Unsere Arbeit wird damit nur einfacher.
Die sieben Eigenschaften der größten Komponisten
Obwohl es eine unglaubliche Vielzahl von Stilen in der klassischen Musik gibt, sind es doch immer wieder die gleichen Eigenschaften, die großartige Musik erst großartig machen.
Ihre Musik kommt von Herzen
Gute Komponisten versuchen nicht, Sie mit falschem Trara zu benebeln. Sie stehen hinter dem, was sie komponieren. Nehmen Sie zum Beispiel Tschaikowsky: Dieser Knabe hat sein halbes Leben emotional völlig aufgewühlt zugebracht, und so klingt seine Musik auch (aber hallo!).
Mozart war ein Komponist, dem das Komponieren unglaublich leicht fiel: Die Melodien blubberten aus seinem Kopf wie Seifenblasen aus der Badewanne, und diese Leichtigkeit merkt man den Stücken auch an. Strawinsky dagegen war ein berechnender, komplexer Charakter mit strenger Disziplin, und so ist auch seine Musik. Obwohl diese beiden Persönlichkeiten so unterschiedlich waren, schrieben sie doch beide großartige Musik, die ihrem Wesen entsprach.
Sie verwenden eine Struktur, die Sie fühlen können
Großartige Musikstücke haben eine Struktur, eine musikalische Architektur. Das fällt Ihnen vielleicht beim Hören nicht unmittelbar auf, aber Sie werden instinktiv fühlen, wie diese Musik aufgebaut ist. Vielleicht folgt das Stück einem der klassischen, übergreifenden Muster (das sind dann Dinger, die Sonatenhauptsatzform oder Rondoform heißen, und die wir in Kapitel 3 erklären werden). Vielleicht ist es auch nur ein musikalisches Thema am Anfang, das am Ende wieder auftaucht. Wie auch immer, wir hätten Schwierigkeiten, ein großartiges Musikstück zu finden, dass keine in sich geschlossene Struktur hat.
Kürzlich an der Universität von Kalifornien gemachte Studien haben gezeigt, dass Studenten, die vor einer Prüfung Mozart hören, bessere Noten erzielen als solche, die es nicht tun. (Wir gehen allerdings davon aus, dass diese Studenten noch bessere Noten bekommen hätten, wenn sie vor der Prüfung auch einmal gelernt hätten.) Wenn Sie einem Mozart-Stück zuhören, aktiviert Ihr Gehirn offensichtlich logische Bereiche, die diese Form verarbeiten können. Diese Bereiche sind dann auch für die Verarbeitung anderer Informationen geeignet. Klassische Musik macht Sie also tatsächlich schlauer.
Sie sind kreativ und originell
Sie werden immer wieder hören, dass einige der besten Komponisten – selbst solche, deren Werke uns heute eher zahm und leicht zugänglich erscheinen – zu ihrer Zeit nicht verstanden wurden. Nicht jeder konnte etwas mit den Kompositionen eines Beethoven, Brahms, Mahler, Strauss, Débussy, Strawinsky oder Ives anfangen, als diese Stücke geschaffen wurden. (Eigentlich war das jetzt die Untertreibung des Jahres, denn das Publikum randalierte bei der Aufführung von StrawinskysLe sacré du printemps, zerlegte das Theater und stürzte zu den Ausgängen.)
Der Grund dafür, dass solche Stücke anfangs nicht akzeptiert wurden, ist das Ungewohnte an ihnen. Die musikalischen Formen oder die mit ihnen ausgedrückten Ideen waren völlig neu. Und doch ist das einer der Gründe, warum es sich dabei um so großartige Musikstücke handelt. Gute Komponisten haben eigene Ideen.
Haben Sie den Film Amadeus gesehen? Der Komponist Salieri fungiert als »Moderator« in diesem Film, er wird als einer der bekanntesten weniger guten Komponisten dargestellt – er lebte zur Zeit von Mozart und wurde in den Augen der Nachwelt von ihm völlig in den Schatten gestellt. Nun war Salieri nicht gerade ein schlechter Komponist, tatsächlich war er sogar sehr gut. Aber er war nicht einer der ganz großen Komponisten, weil seine Arbeiten nicht originell waren. Was er schrieb, klang genauso wie das, was alle anderen zu der Zeit ebenfalls schrieben. Ein etwas einfallsloser Komponist also.
Sie drücken ein maßgebliches menschliches Gefühl aus
Große Komponisten haben etwas Wichtiges mitzuteilen. Sie haben ein Gefühl, das so drängend ist, das es aus ihnen herausschreit. Die besten Musikstücke (egal welcher Musik, von Rock bis Rap, von Sinatra bis Selena) bedienen sich dieser Fähigkeit, das Unaussprechliche auszudrücken.
Als Beethoven entdeckte, dass er taub werden würde, wurde er von einem unglaublichen, überwältigenden, lähmenden Frust erfasst. Seine Musik drückt dieses Gefühl aus. Er machte seinen Frust in jedem Ton seiner Kompositionen deutlich – mit den Mitteln der Musik. Beethovens Musik ist von einer großen Intensität.
Das heißt jetzt aber nicht, dass ein großer Komponist unbedingt eine solche Intensität an den Tag legen muss. Joseph Haydn beispielsweise strahlte fröhliche Verspieltheit in allem aus, was er schrieb. Aber wie alle guten Komponisten hatte er etwas Wichtiges zu sagen.
Sie sichern sich Ihre Aufmerksamkeit durch Abwechslung und Tempowechsel
Gute Komponisten wissen, wie sie Sie fesseln können. Ihre Musik ist vom Anfang bis zum Ende interessant.
Das kann man beispielsweise durch Abwechslung erreichen. Wenn der Komponist in einem Stück eine Vielzahl von musikalischen Ideen, Melodien oder Harmonien und Dynamik (das Abwechseln von lauten und leisen Passagen) verwendet, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass Sie interessiert bleiben. So gesehen ist ein großartiges Stück Musik wie ein großartiger Film. Sie werden doch auch aufmerksam, wenn es gleich am Anfang eine Explosion gibt, oder? Aber haben Sie jemals einen Film gesehen, in dem es zwei Stunden lang im Minutentakt explodiert (gut, mal abgesehen von Independence Day). Ist Ihnen schon aufgefallen, wie jede Explosion ein klein bisschen weniger interessant ist als die letzte, bis Sie am Ende nicht einmal mehr darauf achten. Sie brauchen Abwechslung – ein wenig Kontrast zwischen den Explosionen.
In einem Film kann eine Explosion packend sein, wenn die Spannung im Film richtig daraufhin aufgebaut wird. Gute Komponisten wissen auch, wie man so eine Steigerung konstruiert. Ihre Musik baut eine Spannung auf. Boléro von Maurice Ravel (bekannt geworden durch den Film Zehn – Die Traumfrau mit Bo Derek) ist ein berühmtes Beispiel. Das ganze Stück ist ein einziges Crescendo (es wird immer lauter) – die Spannung baut sich über fünfzehn Minuten immer weiter auf, und der Höhepunkt ist nervenzerfetzend.
Ihre Musik ist leicht zu merken
In der heutigen Welt der Popmusik wird mit dem Wort Hook ein auffälliges, oft wiederholtes Element in einem Musikstück bezeichnet. Die Lieder der Beatles sind so eingängig, weil fast jedes davon einen solchen Hook hat. Denken Sie an »Help!«, »A Hard Day's Night« oder »She Loves You« (»Yeah! Yeah! Yeah!«). Eingängigkeit ist nicht wissenschaftlich messbar, aber Sie werden einen Hook erkennen, sobald Sie einen hören.
In der klassischen Musik gilt das gleiche Konzept. Ein Hook hilft Ihnen, sich an ein bestimmtes Musikstück zu erinnern, und sich damit zu identifizieren. Die Kompositionen von Mozart, Tschaikowsky, Chopin, Rachmaninow, Bizet, Dvořák, Gershwin, Grieg und Schubert haben jede Menge davon, sogar so viele, dass einige davon für die Melodien von heutigen Rock-Songs recycelt worden sind. Barry Manilows Titel »Could It Be Magic?« ist beispielsweise das Klavier-Präludium in c-Moll von Chopin mit ein paar Worten dabei – Barry hat die Musik nicht selbst geschrieben. Und »Midnight Blue« wird zur Melodie der Pathétique von Beethoven gesungen. Die Musik der besten Komponisten ist voll von Elementen, die Ihnen im Ohr bleiben werden.
Sie rühren Sie mit ihrem Werk an
Die wichtigste Eigenschaft der großen Komponisten ist es, dass sie Ihr Leben verändern können. Ist es Ihnen schon einmal passiert, dass Sie aus einem Film kommen und die Welt außerhalb des Kinos auf einmal anders empfinden? Dass die echte Welt da draußen gefährlicher, trauriger, fröhlicher oder einfach nur verwunderlicher ist als sie vorher war?
Ein musikalisches Meisterwerk kann dazu führen, dass Sie die Fähigkeiten der Menschheit höher einschätzen, sich selbst erhoben fühlen oder einfach nur bester Laune sind. Nichts ist triumphaler als das Ende von Gustav Mahlers Zweiter Symphonie; wenn Sie sie gehört haben, fühlen Sie sich wie neugeboren, erfrischt, irgendwie besser in der Lage, mit der Welt fertig zu werden.
Kapitel 2
Eine vollständige Geschichte der Musik auf 70 Seiten
In diesem Kapitel
Schieben Sie's auf die Mönche
Hoffnungslos romantisch – und barock und klassisch
Eine Galerie der größten Komponisten, die jemals gestorben sind
Jeder große Komponist war einmal ein lebendes und atmendes menschliches Wesen mit einer einzigartigen Persönlichkeit, Familiengeschichte und persönlichen Hygienevorstellungen. Wenn man die Lebensläufe der großen Komponisten kennt, ist das Hören ihrer Musik hundertmal interessanter und bedeutungsvoller.
Mit sehr wenig Anstrengung und einem preisgünstigen Gabelstapler können Sie eine wirklich gute, vollständige, 800-seitige Geschichte der Musik erwerben. Unsere Absicht ist es dagegen, die gesamte Musikgeschichte des Planeten Erde in 72 Seiten zu stopfen – und das, ohne einen kleineren Zeichensatz zu verwenden. Manchmal staunen wir über uns selbst.
Wie die klassische Musik begann
Musik gibt es, seit es Menschen gibt – oder doch zumindest seit diese wenigstens grunzen können. Die primitiven Menschen drückten sich mit Worten aus, und die dabei entstehenden Geräusche waren oft musikalisch. (Diese frühen Aufnahmen gibt es allerdings nicht auf CD.)
Über die Jahrtausende wurde die Musik komplexer. Der Mensch erfand Musik-instrumente, um Geräusche zu erzeugen, die er nicht singen konnte. Flöten und Pfeifen gaben die Töne von Vögeln und den Klang des Windes wieder, Trommeln verstärkten das Geräusch des Herzschlags. Tonleitern wurden standardisiert, Gewerkschaften gegründet. Die klassische Musik war geboren.
Die ersten Lieder waren wahrscheinlich religiöser Natur. Die Menschen, die von ihrer Umgebung permanent in Erstaunen und Schrecken versetzt wurden, sangen Gebete und opferten den Elementen. Wenn der Wind heulte, heulten sie zurück, wenn der Himmel seine Schleusen über ihnen öffnete, dann sangen sie unter der Dusche. Natürlich sangen sie auch, um mit ihren Eroberungszügen anzugeben, den Göttern für eine gute Jagd zu danken und hartnäckige Flecken zu entfernen.
Der Rhythmus tauchte schon früh in der Musikgeschichte auf, um das regelmäßige Pochen zu imitieren, das zu hören war, wenn man ging, lief oder einander mit Steinen auf den Schädel schlug. Tänze wurden erfunden, um die Götter zu besänftigen, und Musik wurde für Tänze aufgeführt.
In diesen frühen Jahren wurde die Musik mündlich weitergegeben. In einigen östlichen Kulturen ist das auch heute noch der Fall. Erst in den letzten etwa tausend Jahren sind die Menschen darauf gekommen, Musik auch aufzuschreiben.
Das Mittelalter
Das Zeitalter, das heute als Mittelalter bekannt ist, war eine Zeit der Seuchen, der Pest und der Selbstgeißelung, aber ansonsten war es schon eine prima Zeit. Hinter den Mauern der europäischen Klöster waren die Mönche damit beschäftigt, eine der größten Errungenschaften der Musik zu entwickeln. Nein, nein, nicht Guildo Horn – sondern die Notenschrift!
Gregorianische Gesänge
Es verging so manch ein Jahrtausend über dem Musikmachen, bis jemand auf die Idee kam, die Musik auf Papier niederzuschreiben. Etwa um das Jahr 600 nach Christus entwickelte Papst Gregor I. (»der Große«) ein System, um die musikalischen Tonleitern zu beschreiben, die bis dahin in der Kirchenmusik verwendet worden waren. Er war derjenige, der den Noten so einfallsreiche Namen wie A, B, C und D gab – die gleichen, die wir heute auch noch verwenden!
Nach Papst Gregor wurden auch die gregorianischen Gesänge benannt: einfache, dahinplätschernde Melodien, die einstimmig mit lateinischen Texten von einem Trupp Leuten in braunen Kutten gesungen wurden. Gregor hätte sicherlich seinen kleinen Papsthut gegessen, wenn er erfahren hätte, dass in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts gregorianische Gesänge ein weltweiter Superhit werden sollten, als eine bestimmte Aufnahme, gesungen von bis dahin völlig unbekannten Brüdern aus einem Kloster in Spanien, an die Spitze der Charts kletterte.
Dieses Comeback geschah nicht ohne Grund: Gregorianische Gesänge haben wirklich spirituelle Tiefe. Wenn Sie Ihre Augen schließen und diesen Gesängen lauschen, dann scheinen all Ihre Sorgen hinweg zu schweben. Ihre Atemzüge werden länger und tiefer. Ihr Stoffwechsel verlangsamt sich. Schließlich bläst es Sie auf, und Sie steigen in die Lüfte wie ein Ballon.
Aber wir schweifen ab.
Ein Mönch namens Guido
Guido von Arezzo war ein genialer Mönch, der diverse musikalische Neuerungen erfand, darunter auch die Idee »do, re, mi, fa …« für die Noten der Tonleiter zu singen. (Sie erinnern sich vielleicht daran, wie Julie Andrews Guido im Film The Sound of Music eine Ehre erweist, wenn sie singt »Doe, a deer, a female deer; ray, a drop of golden sun …«) Dieses System, bestimmte festgelegte Silben zu bestimmten Noten der Tonleiter zu singen, eine jahrhundertealte Fähigkeit von Opernsängern und Absolventen der Musikhochschulen auf der ganzen Welt, wird Solfège genannt.
Guido von Arezzo entwarf auch ein neues Notationssystem für Musik, wozu er eine vereinfachte Version des Notenliniensystems verwendete, das wir auch heute noch benutzen (siehe Kapitel 10).
Es ist schwer vorstellbar, was mit der Musik passiert wäre, wenn es die Erfindungen des Guido von Arezzo nicht gegeben hätte. Glücklicherweise müssen wir das ja auch gar nicht. Guido lebte, sein Notensystem lebt fort, und bis zum heutigen Tag haben seinetwegen die Gelehrten auf der ganzen Welt die Chance, den lustigsten Namen der Musikgeschichte auszusprechen (vielleicht mit Ausnahme von Engelbert Humperdinck).
Wegtreten!
Aber die Mönche waren nicht der einzige Faktor, der den Gang der Musikgeschichte beeinflusste. Auch ihr System der Anbetung tat das – insbesondere die katholische Messe. Einige der großartigsten Chor- und Orchesterwerke, die jemals geschrieben wurden, sind Messen.
Die katholische Messe (auf lateinisch missa) bekam ihren Namen von den letzten Worten jeder lateinischen Messe: »Ite, missa est« (grobe Übersetzung: »Ich habe fertig, wegtreten!«). Jede Messe und jedes Musikstück, das auf der katholischen Messe basiert, hat die gleichen Texte. Selbst, wenn Sie nicht katholisch sind, haben Sie wahrscheinlich einige davon schon gehört: Das Kyrie Eleison (»Herr, erbarme dich«, englisch »Lord have mercy« – ein uraltes Stück, das kürzlich zu einer Disco-Hit-Single wurde), das Gloria in excelsis Deo (»Ehre sei Gott in der Höhe« – bekannt aus vielen Weihnachtsliedern), das Credo (das Glaubensbekenntnis), das Sanctus, (»Heilig, heilig, heilig« – noch ein Weihnachtsschlager) und das Agnus Dei (»Lamm Gottes«). Wenn Sie der Musik zu einer Messe aus einer beliebigen Zeit von der Renaissance bis heute zuhören, werden Sie diese Worte hören.
Die Renaissance
Etwa vierhundert Jahre nach dem Tode von Guido und seinen Mitmönchen begann das Zeitalter, das heute als Renaissance (das französische Wort für »Wiedergeburt«) bekannt ist. In dieser Zeit blühten die Künste auf, begünstigt durch die finanzielle Unterstützung kunstliebender Adliger und Kaufleute sowie durch steuerfreie Einnahmen.
Einer der berühmtesten italienischen Komponisten war Giovanni da Palestrina (1525–1594), dessen Bild Sie in Abbildung 2.1 sehen. Er war ein besonderer Liebling des damaligen Papstes – ja, geradezu dessen Hätschelkind – und bekannt für seine Lieder, die nur für Gesang, ohne Instrumentalbegleitung, geschrieben waren. Im Gegensatz zu den gregorianischen. Gesängen wurde in der Musik von Palestrina nicht einstimmig (alle singen immer das gleiche) gesungen, sondern er entdeckte erstaunliche Harmonien, indem er mehrere Melodien gleichzeitig und unabhängig voneinander singen ließ. Damit war es Giovanni da Palestrina, der die Grundlagen für die Musik der Spice Girls schuf.
Abbildung 2.1 Giovanni da Palestrina, einer der größten Komponisten der Renaissance
Palestrina schuf großartige Messen und andere religiöse Musik. Aber zur selben Zeit begannen Komponisten auch, über die Kirche hinauszublicken, wenn sie nach Texten zu ihrer Musik suchten. Lange Passagen der großen römischen Dichter und nichtreligiöse Schriften – ja, selbst Dantes Inferno – wurden in Melodien umgewandelt.
Das Madrigal
Die beliebteste musikalische Form für diese Lieder war das Madrigal. Ein Madrigal ist ein Musikstück mit weltlichen Texten für mindestens drei Stimmen, normalerweise ohne Begleitung. In der Renaissance trafen sich Familien oder Freunde, um gemeinsam Madrigale zu singen, wobei jeder eine andere Stimme übernahm und man dem Nachbarn den Ellenbogen in die Rippen haute, wenn dieser falsch sang.
Es machte Spaß, Madrigale zu singen, weil diese oft eine schlaue Technik namens Tonmalerei verwenden. Immer wenn im Text ein besonders bildhaftes Wort auftrat, schrieb der Komponist dazu Musik, die das Wort in Tönen nachbildete. Kam beispielsweise das Wort Seufzer vor, dann gab es dazu eine Stimme, die am oberen Ende des Tonumfangs des Sängers begann und dann klagend auf eine tiefere Note fiel. Bei den Worten laufen, fliegen oder auch fröhlich schrieb der Komponist einen wilden Haufen schneller Noten. Zum Glück für die Tonmaler sollte es noch Jahrhunderte dauern, bis Begriffe wie
»oberaffengeil« oder »voll die Härte« in Mode kamen.
Es erscheint: Die Oper
Der Komponist Claudio Monteverdi (1567–1643) lebte zur Blütezeit der italienischen Renaissance. Er fügte der ohnehin schon populären Form des Madrigals weitere mitsummbare Melodien und Instrumentalbegleitungen hinzu.
Außerdem war Monteverdi einer der Erfinder des musikalischen Dramas, auch als Oper bekannt. Wie so viele Aspekte der Renaissance war auch die Oper ein Versuch, das alte Griechenland wieder auferstehen zu lassen. In diesem Fall war das Vorbild die griechische Tragödie, die in Freilicht-Amphitheatern mit einer Begleitung von Holzbläsern und Streichern gespielt wurde. Monteverdi und seine Freunde bemühten sich, diese Form in ihrer Zeit neu zu erschaffen – und veränderten damit die Musik von Grund auf. Unglücklicherweise bekam Monteverdi nie auch nur einen Cent an Tantiemen.
Wir könnten hier viel über Opern erzählen – 304 Seiten lang. Deswegen haben wir gleich ein ganzes Buch daraus gemacht: Oper für Dummies, erhältlich bei Ihrem Buchhändler.
Barock
Monteverdi und seine Anhänger bereiteten den Weg für eine neue Periode in der Musik-geschichte, die heutzutage als Barock bezeichnet wird.
Das Zeitalter des Barock (von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts) war eine Zeit der üppigen, emotionsgeladenen Kunst – und entsprechend auch der blumigen, emotionalen Musik. Wie Sie in Abbildung 2.2 sehen können, schmückten die Kreativen des Barock ihre Kunst und ihre Musik mit vielen kleinen Schnörkeln und Verzierungen.
Abbildung 2.2 Der üppige Barock-Stil.
Noten außer Rand und Band
Wenn Sie sich Barockmusik anhören, dann werden Sie sich vielleicht wundern, warum man diese Musik für sehr emotional hielt. Heutzutage klingt das eigentlich recht gesittet, aber damals galten all diese verzierten Melodien, die wild durch die Gegend tobten, als Musik außer Rand und Band. Komponisten experimentierten mit allen möglichen musikalischen Strukturen und brachen die Regeln, die bisher bestimmten, wie sich die Musik von einem Abschnitt zum nächsten zu entwickeln habe.
Die Tonmalerei, die in den Madrigalen der Renaissance so beliebt geworden war, fand auch Eingang in die Barockmusik und wurde dort noch erweitert. Zuvor hatte ein Sänger vielleicht einige klagende, fallende Noten gesungen, um das Wort Seufzer zu illustrieren. Jetzt konnte ein Komponist die gleichen klagenden Noten auch für eine Instrumentalkomposition verwenden, in der überhaupt keiner sang. Die Zuhörer wussten, dass dieses Muster für einen Seufzer stand, auch wenn das niemand durch Gesang vermittelte. Tonmalerei ohne Worte wurde eines der grundlegenden emotionalen Elemente der Barockmusik.
Könige, Kirchen und andere beliebte Arbeitgeber
Wenn Sie vor dreihundert Jahren als junger Musiker in Europa gelebt hätten, hätte Ihnen ein damaliger Karriereberater sicherlich den Rat gegeben, sich einen Job in einem der drei folgenden Bereiche zu suchen: an einem Adelshof, im Haus eines reichen Mannes oder bei der christlichen Kirche.
Alle großen Komponisten früherer Zeiten, deren Namen wir heute noch kennen, hatten solche Jobs. Manche hatten dabei mehr Glück als andere: So mancher Komponist mit einem berühmten Namen verbrachte am Ende die meiste Zeit mit Hausarbeit. Wie oft braucht man schließlich eine neue Komposition für die Familie, und wie oft müssen die Hemden gewaschen werden? Na, sehen Sie.
Ein Beispiel: Giuseppe Sammartini (ca. 1700–1775) war ein großer italienischer Oboist, er komponierte einige der ersten Symphonien der Welt und hatte großen Einfluss auf den zukünftigen Stern am Komponistenhimmel, Wolfgang Amadeus Mozart. Wollen Sie wissen, was er für einen Job hatte? Er arbeitete für den Prinzen von Wales und war der Haushofmeister. Können Sie sich vorstellen, wie sein Arbeitsalltag aussah?Der Prinz von Wales: Das war eine wundervolle Lasagne, Giuseppe.Giuseppe Sammartini: Ich bin Eurer Majestät zu großem Dank für diese überaus unverdiente Würdigung meiner bescheidenen Arbeit verpflichtet. Und was wünschen Eure Majestät für nächsten Sonntag?Der Prinz: Ich denke, ich nehme eines deiner exquisiten Oboen-Konzerte. Ich liebe diese Ausschmückungen, diese üppigen Melodien, dieses Rauf- und Runtergedudel!Sammartini: Ich erröte vor Stolz, Eure allerhöchste Majestät.Der Prinz: Ach ja, Giuseppe, und könntest du in Zukunft meine Unterhosen etwas weniger stärken?Sammartini: Okay.
Antonio Vivaldi
Antonio Vivaldi, eine italienische Berühmtheit aus dem Barock, arbeitete für die katholische Kirche. Wenn es um Produktivität geht, war dieser Mann kaum zu schlagen: Er schrieb im Laufe seines Lebens mehr Musikstücke als so ziemlich jeder andere auf der Welt. Neben 50 Opern, mehr als 40 Stücken für Chor und Orchester und 100 Werken nur für Orchester schrieb er auch fast 500 Konzerte für diverse Soloinstrumente und Orchester. Sein Kaffeekonsum muss ziemlich hoch gewesen sein.
Manche von Vivaldis Kritikern bemäkeln allerdings – auch heute noch –, dass Vivaldi 500-mal das gleiche Musikstück geschrieben hat. Was wir allerdings zu bezweifeln wagen – wir würden nie das gleiche Stück mehr als 200-mal schreiben, und wenn doch, dann nur um eine Abgabefrist nicht zu überschreiten. Dass Vivaldis Musik insgesamt einen ziemlich einheitlichen Stil hat, wollen wir ja gar nicht in Frage stellen.
Der kleine Pfarrer, der es nicht brachte
Antonio Vivaldi wuchs in Venedig auf, und als er das entsprechende Alter erreicht hatte, beschloss er, Priester zu werden. Dieser Entschluss und sein feuerrotes Haar brachten ihm den Spitznamen »Der rote Priester« ein.
Seine Zeit als Priester währte aber nicht lange, es gibt unzählige Geschichten über seine Fehler und Versäumnisse. Eines Tages fiel ihm beispielsweise während der Messe eine wunderbare kleine Melodie ein. Ohne sich zu entschuldigen oder auch nur zu zögern, stürzte er in den nächsten Raum, um die Melodie zu Papier zu bringen. Die Gemeinde war fassungslos. (Dazu brauchte es damals allerdings auch nicht besonders viel.) Vivaldi wurde vor ein Tribunal gebracht, das über seine Bestrafung entscheiden sollte. Glücklicherweise waren die Inquisitoren gerade guter Laune. Das Urteil: Wahnsinniges Genie. Die Strafe: Vivaldi durfte nie wieder eine Messe lesen. Wir haben allen Grund zu der Annahme, dass ihm diese Strafe sehr gelegen kam. Und so wurde der rote Priester einfach nur rot.
Die Philharmonie der ungeplanten Mädchen
Im nächsten Job hielt es Vivaldi 35 Jahre lang aus, bis zum Ende seiner Karriere. Er wurde Geigenlehrer am Ospedale della Pietà (wörtlich: Heim der Barmherzigkeit). Das war eine einzigartige Institution mit zwei Bestandteilen, einem Musikkonservatorium und einer Schule für nichteheliche Mädchen. Das kann heutzutage keine Bildungseinrichtung von sich behaupten.
Im Laufe der Jahre übernahm Vivaldi mehr und mehr Aufgaben im Ospedale, bis er praktisch den ganzen Betrieb am Laufen hielt. Er organisierte wöchentliche Konzerte, die in ganz Europa bekannt wurden. Immer, wenn er die musikalischen Talente eines der Mädchen vorführen wollte, schrieb er einfach ein Concerto für sie. (Mehr – sehr viel mehr – zu Concerti finden Sie in Kapitel 3.)
Vivaldis Concerti haben drei Sätze, die alle einem bestimmten Muster folgen, das vielen anderen Komponisten des Barock als Vorbild diente. Die Formel lautete:
Musik von Vivaldi hören
Wir sind uns ziemlich sicher, dass Sie schon mal eine Komposition von Vivaldi gehört haben, insbesondere sein berühmtestes Musikstück überhaupt: Die vier Jahreszeiten. Es handelt sich dabei um eine Reihe von vier Konzerten für Geige mit Orchester, bei denen jedes Konzert eine bestimmte Jahreszeit beschreibt.
Der Frühling ist voll von Vogelgesang, einem rasch vorüberziehenden Gewitter mit Blitz und Donner, einem schlafenden Ziegenhirten samt bellendem Hund, tanzenden Schafhirten und Nymphen (vor allem Nymphen). Im Sommer fühlen Sie die Hitze der brennenden Sonne, hören den Kuckuck, bekommen ein paar Mückenstiche ab und erleben die volle Wucht eines Hagelsturms. Der Herbst beginnt mit einem weinseligen Erntedankfest und endet mit einer wilden Jagd samt simulierten Jagdhörnern. Im Winter schließlich frieren und zittern Sie, stampfen mit den Füßen, sitzen am Kamin, um sich aufzuwärmen, und gehen dann wieder nach draußen, nur um auf dem Glatteis auszurutschen und schließlich im Eis einzubrechen. Irgendwie schon ein bisschen sadistisch. All diese Gefühle werden wunderbar in der Musik zum Ausdruck gebracht.
Wir lieben Die vier Jahreszeiten, aber nicht nur wir, auch unzählige Werbespots, Filme und Fernsehshows haben dieses Stück für ihre Zwecke verwendet.
Wenn Sie noch mehr hören wollen, empfehlen wir diese Leckerbissen:
Konzert für Gitarre in D-Dur, RV 93
Konzert für zwei Trompeten in C-Dur, RV 537
Sonate für zwei Geigen, RV 60
Gloria (ein Oratorium für drei Gesangssolisten, Chor und Orchester), RV 589
Konzert für zwei Celli in g-Moll, RV 531
Konzert für zwei Orchester, RV 585
(In der Liste steht hinter jedem Titel eine RV-Nummer, nach der Vivaldis Stücke katalogisiert wurden und mit der Sie das jeweilige Stück leichter finden können.)
Georg Friedrich Händel
Während Vivaldi munter in Venedig vor sich hin komponierte, sorgte ein anderer Komponist in Deutschland und England für Aufsehen: Georg Friedrich Händel (1685–1759, siehe Abbildung 2.3). Auch er hatte großen Einfluss auf die Richtung, die die Musik während und nach seiner Lebenszeit einschlug.
Abbildung 2.3 Georg Friedrich Händel, der Komponist des Messias und anderer großer Oratorien
Händel – der italienischste der deutschen Briten
Händel wurde in Deutschland geboren und erhielt seine musikalische Ausbildung in Italien. Das erklärt natürlich auch, warum er als einer der größten englischen Komponisten gilt. Denken Sie lieber nicht zu lange darüber nach.
Tatsächlich steckt aber ein Sinn dahinter. Händel war der Sohn eines deutschen Barbiers (das heißt, Friseurs und Chirurgen – aber nicht gerade die Art, von der man sich gern den Blinddarm herausnehmen lässt). Während sein Vater damit beschäftigt war, lebenswichtige Organe in Serie herauszuoperieren, begann der kleine Georg Friedrich, das Orgelspiel zu erlernen. Mit 18 verließ er sein Elternhaus, um in die große Stadt zu ziehen – in diesem Falle nach Hamburg, wo er eine Anstellung als Komponist und Musiker fand.
Händel wusste schon, dass die italienische Oper das ganz große Ding in Europa werden würde. Deswegen ging er im Alter von 22 Jahren nach Italien, um das Komponieren im italienischen Stil zu erlernen. Dort traf er die damaligen Superstars der Komponisten – darunter auch Antonio Vivaldi, dessen Konzerte er nachahmte. Nach einer kurzen Rückkehr nach Deutschland verließ er dann sein Heimatland endgültig und zog nach London. Das war für seine Leute zu Hause natürlich eine ziemlich aufregende Sache, aber Händel ließ das reichlich kalt: »Na, und?«
In England schrieb Händel 36 Opern, von denen viele Meisterwerke ihrer Gattung sind. Aber der Geschmack des Publikums begann sich zu ändern. Musikalische Unterhaltung auf Bibelbasis war angesagt. Händel fügte sich den Wünschen des Publikums und begann, Oratorien zu schreiben, Stücke für Gesangssolisten, Chor und Orchester, bei denen die Texte üblicherweise aus der Bibel stammen.
Das berühmteste seiner Oratorien war der Messias, der erstmalig 1742 aufgeführt wurde. Das war vielleicht ein Mega-Hit: Der Messias wurde so populär, dass die Herren ihre Schwerter und die Damen ihre Reifröcke vor der Tür lassen mussten, damit mehr Leute in die Konzerthallen passten.
Ein königliches Desaster
1749 komponierte Händel die Feuerwerksmusik (Music for the Royal Fireworks), um die Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit Österreich zu feiern. Die Uraufführung dieses Werkes war eines der größten Desaster der Musikgeschichte.
Zu diesem speziellen Anlass hatte der König einen Architekten angeheuert, der eine riesige Kulisse für dieses Konzert bauen sollte, das mit einem spektakulären Feuerwerk enden sollte. Der Architekt baute daraufhin ein 120 Meter langes und 30 Meter hohes Gebäude, das von einer gewaltigen Sonne auf einem 60 Meter hohen Stab gekrönt wurde. Das Ganze sah aus wie das Bühnenbild in einem Musical von Andrew Lloyd Webber.
Am großen Tag dirigierte Händel selbst. In der ersten Hälfte des Stückes lief alles großartig. Und dann begann das Feuerwerk.
Händel war wahrscheinlich schon reichlich sauer, dass das Feuerwerk noch während der Aufführung seines Stückes gezündet wurde. Aber damit nicht genug, einige der Feuerwerkskörper landeten auch auf dem nagelneuen Gebäude, das darauf die einzige Reaktion zeigte, zu der es in der Lage war: Es fing Feuer.
Händel war fuchsteufelswild. Er explodierte ohnehin leicht, sodass die Vermutung nahe liegt, dass er dem König am nächsten Morgen noch ein ganz privates Feuerwerk darbrachte.
Wie man einen Händel mit Händel anfing
Händel war zwar ein großes musikalisches Talent, aber kein großer Showman. Seine Reizbarkeit sprach sich in Musikerkreisen schnell herum, und er wurde zur Zielscheibe derber Scherze. Beispielsweise war bekannt, dass Händel die Geräusche beim Stimmen der Instrumente nicht ausstehen konnte. Daher hatte er befohlen, dass bei allen Konzerten, die er dirigierte, die Instrumente gestimmt sein müssten, noch bevor er im Saal eintraf. Eines Abends schlich sich ein Witzbold in den Konzertsaal und verstimmte alle Instrumente, bevor das Konzert begann.
Als Händel zu dirigieren begann, hörte das Publikum eine quietschende, widerliche, klägliche Kakophonie, wie sie nur 50 verstimmte Instrumente produzieren können. Händel drehte durch. In seiner Wut griff er sich einen riesigen Kontrabass und warf ihn um. Dann schnappte er sich eine Pauke und warf sie mit aller Kraft nach dem ersten Geiger. (Das ist nicht einfach! Wir schaffen es nicht einmal bis zu den Bratschen!) Durch seine Raserei fiel seine Perücke herunter, und das Publikum brach in stürmisches Gelächter aus, als Händel von der Bühne rannte.
Musik von Händel hören
Händels Kompositionen gehören zu den besten Beispielen für den Barock-Stil. Sie sind frisch, geistvoll, meist sowohl tänzerisch als auch emotionsgeladen. Das ist besonders bemerkenswert, wenn man Händels Geschwindigkeit bedenkt: Er komponierte sein berühmtes Oratorium Messias – das immerhin mehr als zwei Stunden lang ist und zwischen Weihnachten und Ostern in aller Welt gesungen wird – in etwa drei Wochen.
Händel war ziemlich produktiv, weswegen Sie in Ihrem Schallplattenladen wahrscheinlich haufenweise Aufnahmen von ihm finden werden. Wir empfehlen besonders die folgenden Titel:
Messias, ein Oratorium für Gesangssolisten, Chor und Orchester
Concerti grossi op. 3, Nr. 1–6
Concerti grossi op. 6, Nr. 1–12
Wassermusik, Suiten 1, 2 und 3
Feuerwerksmusik
Johann Sebastian Bach
Die meisten Musiker zählen Bach (1685–1750, siehe Abbildung 2.4) zu den größten Komponisten, die jemals gelebt haben. Einige – zu denen wir auch gehören – würden ihn sogar als den Allergrößten bezeichnen. Nicht nur, weil jede einzelne seiner Kompositionen einen von den Socken haut, sondern auch, weil alle späteren Komponisten Bach sehr viel verdanken.
Abbildung 2.4 Johann Sebastian Bach, der Meister der Orgel
Der Anfang der Karriere
Bach bekam seinen ersten Job mit 23 als Hofmusiker in Weimar. Er schrieb dort einige hinreißende Orgelwerke, von denen viele auch heute noch gespielt werden.
Dass diese Kompositionen überhaupt bis heute erhalten geblieben sind, ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Zum einen wurden Kompositionen damals nicht für die Ewigkeit geschrieben. Ein Komponist schrieb ein Stück üblicherweise für einen bestimmten Anlass und erwartete nicht, dass er es noch ein zweites Mal zu hören kriegen würde. Manche von Bachs unsterblichen Sonaten wurden für die Unsterblichkeit gerettet, kurz bevor sie zum Einwickeln von Fisch oder Butter benutzt wurden. (Es macht uns schaudern, wenn wir daran denken, wie viele seiner Kompositionen tatsächlich als Frischhaltefolie verwendet und nie wieder gesehen wurden.)
Zum anderen gab es die Tradition auch damals schon, dass ein Komponist oder Künstler zu Lebzeiten selten etwas galt. Bach war in dem Jahrhundert, das auf seinen Tod folgte, sehr bekannt und wurde sogar verehrt, aber nicht als Komponist, sondern als Organist.
Der Orgelmeister
Bach war einer der besten Organisten, die jemals gelebt haben. Er hatte nicht nur flinke und geschmeidige Finger, sondern konnte auch ganz heftig auf die Pedale treten. (In Kapitel 5 finden Sie eine Beschreibung der Orgelpedale, mit denen die tiefsten Töne gespielt werden.) Die Leute kamen von weit her, um Johann Sebastian Bach, den Mann mit den fliegenden Füßen, zu sehen.
Darüber hinaus war Bach ein Meister der Improvisation. Er konnte aus so ziemlich jeder Melodie ein neues Musikstück machen, einfach so aus dem Stegreif, wie das heute die Jazzmusiker machen. Der Hammer daran aber ist, dass niemand jemals diese Improvisationen aufschrieb, sodass wir nie mehr erfahren werden, wie sich Bachs spontane Flüge über die Tastatur anhörten.
Auf viele Arten produktiv
Bach war auch so ein überaus produktiver Komponist. Es würde eine einzelne Person Jahrzehnte kosten, um überhaupt nur all die Musik aufzuschreiben, die er schrieb.
Aber Bach war auch auf andere Weise produktiv. Mit Hilfe seiner beiden Frauen hatte er zwanzig Kinder – zumindest zwanzig, von denen er wusste. Mehrere seiner Kinder wurden selbst Komponisten: Wilhelm Friedemann Bach, Carl Philip Emmanuel Bach und Johann Christian Bach, um nur die berühmtesten zu nennen. Sie halfen ihrem Vater zumindest dadurch, dass sie seine musikalischen Kompositionen abschrieben.
Mit 38 trat Bach die letzte Stellung seines Lebens an: als Kantor an der Thomas-Kirche in Leipzig. Auch in diesem Job war Bach ungeheuer produktiv. Er schrieb für jeden Sonntag und jeden Feiertag des Kirchenjahres ein riesiges Chorstück, eine Kantate, und das vier Jahre lang. Insgesamt schrieb Bach mindestens 215 Kantaten.
Bachs Musik ist voller Kontrapunkte: Zwei, drei, vier oder noch mehr Melodie-linien werden zur selben Zeit gespielt und erzeugen dabei interessante Harmonien. Außerdem perfektionierte er die Kunst der Fuge, eine erstaunlich komplexe Komposition, die normalerweise für vier Melodielinien oder Stimmen geschrieben wurde. Alle Melodien sind gleich, aber die eine fängt nicht an, bevor nicht die vorherige schon am Laufen ist. (Das ist so ähnlich wie ein Kanon, zum Beispiel »Bruder Jakob«, wo alle den gleichen Text singen, aber nacheinander damit anfangen.) In Bachs Fugen waren die Melodien ungeheuer komplex, sodass sie immer noch gut zusammen klangen, obwohl sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzten. So funktionierte Bachs musikalisches Gehirn nun mal: Er war so gut, dass er irgendeine musikalische Idee – ziemlich egal, welche – nehmen und sofort in eine Fuge umwandeln konnte.
Musik von Bach hören
Die folgenden Stücke von Bach sind besonders empfehlenswert:
Die Brandenburgischen Konzerte, Nr. 1–6, BWV 1046–1051
Magnificat, ein Oratorium für Solisten, Chor und Orchester, BWV 243
Die Matthäuspassion, ein Oratorium für Solisten, Chor und Orchester, BWV 244
Konzert für Geige, Oboe und Orchester in c-Moll, BWV 1060
Orchester-Suite Nr. 3 in D-Dur, BWV 1068
Konzert für Cembalo (oder Klavier) in d-Moll, BWV 1052
Anmerkung: Die Buchstaben BWV stehen für Bach-Werke-Verzeichnis und helfen Ihnen, die einzelnen Stücke zu finden.
Die Wiener Klassik
Johann Sebastian Bachs Musik war der Höhepunkt des Barock in der Musik, und mit ihm endete diese Phase dann auch so ziemlich. Der darauf folgende Musikstil wird heutzutage als Wiener Klassik bezeichnet.
Wir müssen schnell einmal den Unterschied zwischen der Epoche der (Wiener) Klassik und der klassischen Musik klären. Wir verwenden den Begriff klassische Musik für die gesamte Musik, die in diesem Buch besprochen wird. Aber die klassische Epoche (die etwa von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts dauerte) ist nur eines der musikalischen Zeitalter, die alle zusammen die klassische Musik bilden. Und die Musik aus dieser Epoche nennt man eben Wiener Klassik.
Die Wiener Klassik war in mancherlei Hinsicht eine Reaktion auf die Ausschweifungen des Barock. Wo die Barockmusik üppig, extravagant und emotional war, war die Musik der Wiener Klassik sparsamer, zurückhaltender und kontrollierter. Es war gewissermaßen »Musik im Korsett«.
Während der Zeit der Wiener Klassik waren drei bestimmte Musikformen besonders oft in den Hitlisten: Sonaten, Symphonien und Streichquartette. Eine eingehendere Erläuterung dieser musikalischen Formen finden Sie in Kapitel 3.
Die drei besten Komponisten der Wiener Klassik waren auch die drei Meister dieser musikalischen Formen: Haydn, Mozart und Beethoven. Diese drei Genies kannten einander, sie lebten alle eine Zeit lang in Wien, damals die Stadt Nummer eins, wenn es um Musik ging – daher auch der Name dieser Epoche.
Joseph Haydn
Joseph Haydn (1732–1809), zu sehen in Abbildung 2.5, war der angenehmste, lustigste Kerl, den Sie sich vorstellen können. Er legte ständig Leute herein, machte sich über irgendwelche Dinge und auch über sich selbst lustig. Und das merkt man auch seiner Musik an.
Abbildung 2.5 Joseph Haydn, ein alter Spaßvogel.
Haydn wuchs in der ländlichen Region Österreichs auf, die heute an Kroatien, die Slowakei und Ungarn grenzt. Als Junge bekam er viel bäuerliche Volksmusik zu hören, was ihn zu der festen Überzeugung verhalf, dass Musik Spaß machen solle. Er hatte eine wunderbare Gesangsstimme und wurde mit acht Jahren ausgewählt, um nach Wien zu gehen und dort in den Chor des Stephansdoms einzutreten.
In Wien lernte Haydn alle aktuellen Meisterwerke der Musik kennen, beschloss Komponist zu werden und wurde beinahe entmannt (siehe dazu »Haydn der Sopranist«).
Wie so viele Komponisten vor ihm bestritt auch Haydn sein Einkommen hauptsächlich als Musiker an herrschaftlichen Höfen. Seine längste Anstellung hatte er auf dem Schloss des Fürsten Esterházy – ein absoluter Traumjob.
Das Leben auf dem Schloss der Esterházys