Klaus Störtebeker und die Hanse - Gabriele Dummschat - E-Book

Klaus Störtebeker und die Hanse E-Book

Gabriele Dummschat

4,8

Beschreibung

Die Zeit um 1400 war nicht nur die Blütezeit der Hanse, sie war auch eine Blütezeit der Piraterie. Das Buch bietet einen Einblick in die Entwicklung des Bundes der Vitalienbrüder um den Seeräuber Störtebeker, zeigt, auf welche Weise der Kampf um Beute ausgetragen wurde und andere Details aus dem Piraten- und Seefahrergeschäft. Die Bedeutung der Schifffahrt für den spätmittelalterlichen hansischen Handel war enorm, aber erst in jüngerer Zeit gab es entsprechende Wrackfunde, um belegen zu können, wie die Koggen genau aussahen und auf welche Weise navigiert wurde. In kurzen, prägnanten und reich bebil- derten Beiträgen schildert die Autorin den (Seeräuber-)Alltag an Bord der Koggen und in den Häfen der Hanse. Erstmals werden die zahlreichen Facetten von spätmittelalterlicher Schifffahrt, Piraterie und dem Leben auf See in einem Werk zusammengefasst. Das Buch füllt damit eine Lücke zwischen historischen Fachtiteln und den in der Bevölkerung kursie- rendenGeschichten über die legendären Freibeuter von Nord- und Ostsee.

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Gabriele Dummschat

Klaus Störtebeker und die Hanse

Seefahrt und Piratenleben

Dank der Autorin

Mein Dank geht an alle, die mit mir zusammen an dieses Projekt geglaubt haben. Besonders hervorheben aus dieser Gruppe Menschen möchte ich meinen Mann Rüdiger (nicht nur für seine mentale, sondern auch für seine fotografische Unterstützung), meine Söhne Tobias und Kai Henrik sowie Susanne, Sandra und Klaus. Danke für’s Vorablesen der Texte, für eure Geduld, für euer Lob und eure Kritik. All dies steckt mit im vorliegenden Buch.

Inhalt

Einleitung

Vitalienbrüder. Aus Raubrittern werden Piraten

Likedeeler. Zu gleichen Teilen

Klaus Störtebeker. Berühmtheit ohne Gesicht

Störtebekers Kumpane. Freunde bis in den Tod

Koggen. Innovative Schlickrutscher

Koggen-Zubehör. Koggen-ABC

Hanse und Handel. Vom reisenden Händler zum Global Player

Schifffahrt. Ankommen ist das Ziel

Waffen/Entern/Kampf. Feuertöpfe und andere Fernwaffen

Beute. Geiseln, Silber, Salzheringe

Leben an Bord. Haferbrei und Hülsenfrüchte

Arbeiten an Bord. Mit der Kogge vor dem Wind

Berufe. Geachtete Knochenjobs

Regeln und Strafen. Gemeinsam sind wir stark

Krankheiten und Verletzungen. Husten, Holzbein, Hakenhand?

Schlupfwinkel und Schatzverstecke. Von Inseln, Höhlen und Legenden

Hafen. Umschlag mit Know-how

Navigation. Ohne Karte und Kompass

Nordsee. Gefahrvolles Meer

Schiffbruch. Von Monsterwellen und Seeungeheuern

Verfolgung und Gefangennahme. Eine »Bunte Kuh« auf Kopfgeldjagd

Hinrichtungen. Mitgefangen, nicht gehangen

Störtebekers Schädel. Ein Schädel schreibt Geschichte

Entwicklung nach 1400. Alles vorbei?

Schiffswracks und ihre Schätze. Zeugen auf dem Meeresgrund

Kogge-Nachbauten. Gelebte Geschichte

Mythos Störtebeker. Großer unter Gleichen

Einleitung

© Hanse-Koggewerft e.V.

Die Hansekogge UBENA VON BREMEN unter Segel.

Seit die Kaufleute Mittel- und Nordeuropas damit begonnen hatten, ihre wertvollen Waren in dicke, bauchige Segler zu verladen und in ferne Länder zu verschiffen, gab es auf der Nord- und Ostsee auch Piraten.

Fortan entwickelten sich erste Reisegemeinschaften von anfangs nur wenigen Händlern, aus denen schließlich ein einflussreicher Städtebund hervorging. Die Hanse organisierte pro Saison Tausende von Seereisen. Salz, Bier, Tuche, Pelze und weitere kostbare Güter wurden in bisher nicht gekannten Mengen über das Wasser transportiert und waren für Piraten eine begehrte Beute.

Anfangs kämpften die Räuber zur See in einzelnen Gruppen für ihren jeweiligen Landesherrn, doch schon bald bildeten sie eigenständige Bruderschaften. Auch waren sie nicht mehr nur mit kleineren Schiffen in Küstennähe unterwegs. Stattdessen bedienten sie sich moderner, hochseetüchtiger Koggen, die sie den Hanseschiffern entwendet hatten. Mit ihnen unternahmen sie ausgedehnte Beutezüge. Die Vitalienbruderschaft, der auch der berühmte Klaus Störtebeker angehörte, verzeichnete einen so großen Zulauf, dass die Zahl der in ihr organisierten Seeräuber zum Ende des von mehreren Krisen geprägten 14. Jahrhunderts mehr als 1500 betrug.

Das Buch »Klaus Störtebeker und die Hanse« bietet einen Einblick über die Entwicklung des Bundes der Vitalienbrüder, schildert den Alltag an Bord der Koggen und in den Häfen, zeigt, auf welche Weise der Kampf um Beute ausgetragen wurde und anderes mehr.

Die Bedeutung der Schifffahrt für den spätmittelalterlichen hansischen Handel war enorm, aber erst in jüngerer Zeit gab es entsprechende Wrackfunde, um belegen zu können, wie die Koggen genau aussahen, auf welche Weise navigiert wurde usw. Mittlerweile trägt eine Flotte von insgesamt sieben Kogge-Nachbauten in Deutschland, Schweden, Litauen und den Niederlanden dazu bei, das Bild dieses für die Hanse so außerordentlich wichtigen Schiffstyps wieder in den Köpfen der Menschen zu verankern.

Einen ebensolchen Beitrag leistet die »Neue Hanse«, ein Interessenverbund, dem europaweit inzwischen nicht weniger als 185 Städte angehören (Die Hanse / www.hanse.org). Nie aus den Köpfen – und Herzen – der Menschen ist hingegen der berüchtigte Seeräuber Klaus Störtebeker verschwunden, der, wenn auch wahrscheinlich nicht die führende Persönlichkeit der Vitalienbrüder, so doch zumindest einer ihrer charismatischsten Hauptleute war.

Vitalienbrüder – Aus Raubrittern werden Piraten

Bevor sich im mittel- und nordeuropäischen Raum die Piraterie entwickelte, waren Raubüberfälle eine gängige Methode, um ohne viel Aufwand Beute zu machen. Durch die Zunahme von Transporten übers Meer erhielt dieses Raubrittertum neue Dimensionen. Da mit der Eroberung nur einer einzigen Kogge ein enormer Schaden angerichtet werden konnte, gewannen Überfälle dieser Art ab dem 14. Jahrhundert immer mehr an Bedeutung.

Schwedischer Thronfolgekrieg. Am Ende des 14. Jahrhunderts nutzte der schwedische König Albrecht III. (gleichzeitig Herzog von Mecklenburg) die neuen Möglichkeiten für Angriffe auf die Schiffe der dänischen Königin Margarethe I. Die Schwarze Margarethe wollte Schweden unter ihre Kontrolle bringen und stritt mit dem Herzog um die Thronfolge. Um ihre Position zu schwächen, stellte Albrecht III. Kaperbriefe aus, die Freibeuter dazu legitimierten, dänische Koggen aufzubringen.

In den beiden mecklenburgischen Ostseehäfen Rostock und Wismar durften die Kaperer ihre Beute verkaufen und zu Geld machen. Die Stadtbewohner und Hansekaufleute konnten auf diese Weise ihrerseits günstig Waren erwerben. In allen anderen Hansestädten drohte den Freibeutern die Gefangennahme, da es den Bürgern dort verboten war, mit ihnen Geschäfte abzuwickeln. Während die Seeräuber, deren Anführer häufig verarmte mecklenburgische Adlige waren, von ihren Landsleuten als Helden im Dienst der guten Sache verehrt wurden, waren sie anderenorts als Verbrecher verfemt.

Herkunft des Namens Vitalienbrüder. Der Name Vitalienbrüder kann verschiedene Ursprünge haben:

Eine weitverbreitete Meinung ist, dass er von der Unternehmung der Freibeuter herrührt, 1394 das belagerte Stockholm mit Lebensmitteln (= Viktualien) zu versorgen. Dem entgegen steht jedoch, dass die Seeräuber in Hamburger Berichten bereits 1390 als Vitalienses bezeichnet werden.

Königin Margarethe I. »Die Schwarze Margarethe«

In Frankreich wurden bestimmte Seeräubergruppen Vitailleurs genannt. Ursprünglich waren sie die Verpflegungsbeschaffer der Armee. Sie beschlagnahmten Lebensmittel häufig ohne Gegenleistung. Genauso wie sie gingen auch die Piraten dabei wenig zimperlich vor.

Nicht selten wurden Seeräuber von den Landesherren für deren Kriegszwecke eingesetzt. Anders als offiziell angeheuerte Söldner erhielten Piraten aber weder einen Lohn noch standen sie bei ihrem Auftraggeber »in der Kost«, wie sonst allgemein üblich. Sie mussten sich ihre Verpflegung – ihre Viktualien – selbst beschaffen.

Durchbruch der Belagerung Stockholms. Im Winter 1393/94 ließ die dänische Königin das von den Mecklenburgern besetzte Stockholm belagern. Die Schwarze Margarethe dachte, sie könnte eine Übergabe durch Aushungern erzwingen. Die von Albrecht III. aufgerufenen Freibeuter machten ihr jedoch einen Strich durch die Rechnung. Mit acht Schiffen kämpften sie sich durch die teilweise vereiste Ostsee und blieben an manchen Stellen sogar stecken. Allen Widrigkeiten zum Trotz gelang es ihnen, den Belagerungsring zu durchbrechen und Lebensmittel in die schwedische Stadt zu bringen. Auf dieser wagemutigen Aktion gründet der bis heute währende Ruf der Vitalienbrüder, ein besonders unerschrockener und erfolgreicher Haufen Männer gewesen zu sein.

© Kungliga biblioteket, Stockholm

Stockholm etwa 250 Jahre nach der Belagerung (Karte von 1642).

© Jürgen Howaldt, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das Kruttornet gehört zu den Wahrzeichen Visbys.

Stützpunkt auf Gotland. Die Insel Gotland gehörte seit ihrer Übernahme 1361 durch Königin Margarethes Vater Waldemar zu Dänemark. Nach der Befreiung Stockholms griff der mecklenburgische Hauptmann Albrecht von Pecatel zusammen mit den Vitalienbrüdern Gotland an und eroberte für seinen Herzog die Stadt Visby. In deren Festung richteten die Freibeuter ihren Stützpunkt ein. Drei Jahre lang organisierten sie von hier aus ihre Überfälle.

Schon bald kaperte der inzwischen auf etwa 1500 (!) Mitglieder angewachsene Seeräuberbund nicht mehr ausschließlich Schiffe der dänischen Königin (der mittlerweile nahezu das ganze heutige Skandinavien gehörte), sondern auch Koggen der Hanse und des Deutschen Ordens. Im Jahr 1397 kontrollierten die Piraten sämtliche Schifffahrtswege auf der Ostsee und legten dadurch den Handel übers Meer größtenteils lahm.

Likedeeler – Zu gleichen Teilen

Seeräuberei auf der Nordsee. Nach dem Verlust ihres Stützpunktes auf der Insel Gotland verlagerten die Vitalienbrüder ihren Aktionsbereich auf die Nordsee. Einige ihrer Gruppen waren dort bereits seit mehreren Jahren aktiv, als Hauptleute unter anderem Gödeke Michels und ein gewisser Klaus Störtebeker.

Die vertriebenen Vitalienbrüder wurden an der südlichen Nordseeküste mit offenen Armen aufgenommen. Die dort ansässigen ostfriesischen Häuptlinge lagen ständig in Fehde mit ihren Nachbarn und spannten die Seeräuber genauso für ihre jeweiligen Interessen ein, wie es vorher die Landesherren des Ostseeraums getan hatten. Darüber hinaus machten sich im Laufe der Zeit mindestens sechs Grafschaften die Dienste der Freibeuter zunutze, indem sie diese mit offiziellen Kaperbriefen ausstatteten. Hier tat sich besonders Graf Konrad II. von Oldenburg hervor, aber auch Graf Albrecht von Holland, gleichzeitig Herr der niederländischen Provinz Friesland und Herzog von Bayern-Straubing, war mit von der Partie.

© Onno Gabriel, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Karte Ostfrieslands zur Zeit der Häuptlinge um ca. 1300. Der Küstenverlauf hat sich im Laufe der zurückliegenden Jahrhunderte erheblich verändert.

Eigenes Risiko – eigener Gewinn. Seit die Hanse 1370 den Krieg gegen Dänemark gewonnen hatte (besiegelt im Frieden von Stralsund), waren auch die letzten Handelsbeschränkungen im Ostseeraum beseitigt. Der Städtebund stand auf dem Höhepunkt seiner Macht und konnte entsprechend viel Einfluss auf zum Beispiel die Seerechte nehmen. Hatte bisher noch die Sicherheit des Schiffes und der Mannschaft im Vordergrund gestanden, wurde jetzt der Sicherheit des Kaufmannsguts der Vorrang gegeben. Das heißt, wenn ein Seemann sich bei Havarie mit anschließendem Strandraub oder bei den relativ häufig vorkommenden Piratenüberfällen nicht genügend für die Fracht einsetzte (aus Kaufmannssicht), drohte ihm zu Hause ein Prozess mit ungewissem Ausgang. Anstatt also bei einem Kampf seinen Kopf für das Eigentum anderer Leute herzuhalten, wurde so mancher Seemann lieber selbst Pirat und kämpfte für seinen eigenen Gewinn.

Gottes Freunde und aller Welt Feinde. Zu allen Zeiten und auf allen Meeren war es bei Piraten üblich, Geiseln zu nehmen und sie gegen ein hohes Lösegeld wieder freizugeben. Im Jahr 1398 allerdings erlaubten die Likedeeler sich mit dem Kaufmann und Schiffer Egghert Schoeff eine Dreistigkeit, die bis in unsere Zeit hinein ihresgleichen sucht. Vor der norwegischen Küste überfielen sie seine mit Wismarer Bier beladene Kogge und segelten mit ihr nach Ostfriesland. Dort entluden sie das Schiff, »verkauften« es an Schoeff zurück und schickten ihn nach Hause, um das nötige Geld zu besorgen. Damit der Kaufmann auch wirklich zurückkommen und bezahlen würde, behielten sie einen Teil seiner Leute als Geiseln. Außerdem befahlen sie ihm, seinen Hansefreunden auszurichten, die Likedeeler seien »Gottes Freunde und aller Welt Feinde«. Diese Aussage passte so gut zu dem Bild der Unabhängigkeit, das die damals in Knechtschaft und Unfreiheit gefangene Landbevölkerung von den Seeräubern hatte, dass sie im gesamten Hanseraum schnell zum geflügelten Wort wurde.

Klaus Störtebeker – Berühmtheit ohne Gesicht

Herkunft. Woher dieser Klaus Störtebeker tatsächlich kam, ist umstritten. Es gibt vielerlei Gerüchte und Hinweise, nach denen er ein verarmter Edelmann aus Verden an der Aller oder ein ostfriesischer Häuptlingssohn gewesen sei, als Leibeigener auf Rügen geboren wurde oder eine Sturmflut ihn als Findelkind an die Nordseeküste geschwemmt hätte. Den einzigen schriftlichen Hinweis auf einen Mann namens Stortebeker gibt es im sogenannten »Ächtungsbuch« der Stadt Wismar, dem liber proscriptorum. Dieses Buch dokumentiert, dass im Jahr 1380 drei Männer der Stadt verwiesen wurden, weil sie einen Nicolao Stortebeker verprügelt und ihm dabei »fünf Beulen und einen Knochenbruch« zugefügt hatten.

Relief am angeblichen Geburtshaus Störtebekers in Wismar.

Vorname. Der Weg vom in der lateinischen Amtssprache eingetragenen Nicolao zum deutschen Nikolaus und dessen Kurzform Klaus ist leicht nachvollziehbar.

Tatsache ist, dass der Vorname eines Seeräubers Störtebeker nur ein einziges Mal schriftlich erwähnt wurde: in einem Kaperbrief, den der holländische Graf Albrecht im Jahr 1400 acht Vitalieranführern ausgestellt hatte. Allerdings lautet er in diesem Papier nicht Klaus, sondern Johann.

Nachname. Der Nachname Störtebeker leitet sich ab von einem Trinkbecher mit Deckel (= Becher mit Stürze). Im Mittelalter waren Trinkgefäße oft mit solch einer Stürze versehen, damit keine Fliegen oder anderes Ungeziefer hineinfielen. Zahlreiche Wirtshäuser trugen einen Störtebeker auf ihrem Schild über dem Eingang abgebildet. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass der berüchtigte Seeräuber aus einer Gastwirtsfamilie stammt.

Originalradierung des Kunz von der Rosen von Daniel Hopfer, um 1515 (links), und spätere Kolorierung und fälschliche Darstellung als Abbild Klaus Störtebekers.

Bereits um 1400 gab es mehrere Versionen des Namens Störtebeker, zum Beispiel Storbiker, Stertebeker, Stortebeker, Stoertczebechir. Die Engländer haben über ihre Schädigungen durch die Likedeeler sehr genau Buch geführt. In ihren Akten wird Störtebeker mit vierzehn verschiedenen Schiffsüberfällen in Verbindung gebracht.

Ein Bild macht Geschichte. Auf dem Bild, das üblicherweise Störtebeker darstellen soll, ist der bekannte Likedeeler als grimmig-verwegen dreinblickender Geselle mit wallend-blonder Mähne und gelocktem Vollbart zu sehen. In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser Abbildung aber nicht um eine getreue Wiedergabe des Seeräubers, sondern um eine der geschicktesten Betrügereien der Geschichte.

Der von Daniel Hopfer porträtierte Herr hieß Kunz von der Rosen. Er war ein hochgestellter Unterhalter und Berater von Kaiser Maximilian I. und, genau wie Störtebeker, als Draufgänger bekannt. Allerdings wurde er erst etwa sechzig Jahre nach dessen Tod geboren.

Im 17. Jahrhundert fiel die Kupferstichplatte dem Nürnberger Kunsthändler David Funck in die Hände. Er nutzte das Bild des für ihn namenlosen Mannes, ließ es vielfach nachdrucken und verkaufte das Bildnis als den bereits damals sagenumwobenen Piratenführer. Dabei setzte er unwissentlich eine gute Tradition fort, denn das Bild war bereits 1516 zur Darstellung des spanischen Heerführers und Nationalhelden Gonzalo de Córdoba, genannt El Gran Capitán, verwendet worden.

Störtebekers Kumpane – Freunde bis in den Tod

Gödeke Michels. Geburtsname: Gottfried Michaelsen. Hauptmann der Vitalienbrüder und späteren Likedeeler. Genau wie Störtebeker wird Gödeke Michels Ende 1394 zum ersten Mal offiziell in einem Schriftstück erwähnt. Die beiden Seeräuber hatten zusammen mit Klaus Scheld ein Schiff aus Elbing überfallen. Während seiner ersten Zeit auf der Nordsee befuhr Gödeke Michels ein Revier im Nadelöhr zwischen Ost- und Nordsee vor der norwegischen Küste. Später machte er zusammen mit Störtebeker die Elbmündung unsicher.

1401 wurde er in der Wesermündung gefangen genommen und zusammen mit einigen anderen Likedeelern auf dem Grasbrook in Hamburg geköpft, ein Jahr später als Störtebeker.

Magister Wigbold (geboren 1365) war nach Störtebeker wohl die schillerndste Persönlichkeit des Likedeeler-Bundes. Er stammte mutmaßlich aus einem alten Adelsgeschlecht und wurde als Junge in einem Kloster unterrichtet. Nach seinem Rauswurf dort soll er angeblich die Universität Oxford in England besucht haben. Wigbold legte Wert darauf, mit dem Titel Magister angesprochen zu werden, obwohl er die Universität nach dem Studium der Sieben freien Künste ohne einen Abschluss verlassen hatte.

Der Galgenberg bei Visby auf der Ostseeinsel Gotland.

Das Wappen der Manteuffels.

Henning Wichmann und Klaus Scheld. Beide Seeräuber werden in den englischen Anklageakten ebenfalls als Anführer der Likedeeler erwähnt. Vermutlich wurden sie 1400 zusammen mit Störtebeker und 33 weiteren Piraten auf dem Grasbrook exekutiert.

Sven Sture. Der dänische Hauptmann stand zunächst im Dienst von Königin Margarethe I. Für diese besetzte er ab 1395 die Insel Gotland, mit Ausnahme der Hauptstadt Visby, die der Heerführer Albrecht von Pecatel für den mecklenburgischen Herzog hielt. Nach dem Sieg der Mecklenburger über die Dänen 1397 (der Herzog hatte weitere Truppen geschickt), trat Sture zu den einstigen Gegnern über und erhielt als Gegenleistung den Oberbefehl über die gesamte Insel. Den Vitalienbrüdern gewährte er in Visby nicht nur weiterhin Unterschlupf, er baute die Stadt als Hauptquartier des Piratenbundes sogar weiter aus, bis sie im Frühjahr 1398 vom Deutschen Orden eingenommen wurde.

Arnd Stuke und Nikolaus Milies. Diese beiden Männer waren Hauptleute der ersten Stunde. 1392 nahmen sie gemeinsam den Bischof Thord Gunnarsson, einen Vasall Königin Margarethes I., gefangen, weitere Gewalttaten im Dienste Mecklenburgs folgten. Bis 1395 tauchen überwiegend ihre Namen als Anführer der Vitalienbrüder auf.

Henning Mandüvel gehörte wie viele seiner Mitstreiter zum mecklenburgischen Adel. Er entstammte dem Geschlecht derer von Manteuffel, das im Jahr 1256 erstmals urkundliche Erwähnung findet. Mandüvel und seine Gefolgsleute spielten sowohl bei Angriffen auf Reval (1392) als auch auf diverse Küstenorte am Finnischen Meerbusen (1395) eine herausgehobene Rolle.

Marquard von Preen. Die Ritter derer von Preen hatten ihren Sitz auf der Wasserburg zu Davermoor in der Grafschaft Schwerin, finden im 15. Jahrhundert in den Quellen jedoch keinerlei Erwähnung mehr. Während das Adelsgeschlecht zum Beispiel auf Rügen und in Pommern weiter bestand, ging der Zweig um Marquard von Preen um 1400 offenbar unter. Möglicherweise endete dieser letzte Spross der Schweriner von Preens zusammen mit weiteren Vitalieranführern wie Sture, Stuke, Millies oder Mandüvel nach der Eroberung Visbys durch den Deutschen Orden 1398 dort am Galgen.

Koggen – Innovative Schlickrutscher

Entwicklung des Schiffstyps. Je mehr Ware ein Schiff auf einer Tour transportieren kann, umso beachtlicher ist der Profit. Die hansischen Werften passten ihre Arbeit den Forderungen der reichen Kaufleute an, sodass sich die mittelalterliche Schiffbautechnologie am Übergang vom 14. zum 15. Jahrhundert auf ihrem Höhepunkt befand. Es entstanden Fahrzeuge, die die Eigenschaften der ursprünglich kleineren Koggen aus dem Nordseeraum mit denen der traditionellen skandinavischen Koggen vereinten und die dadurch eine überaus beeindruckende Transportleistung erbrachten. Die Kogge sollte mehr als 200 Jahre lang das wichtigste Transportmittel der Hanse sein und ebenso das bedeutendste Kaperschiff ihrer schlimmsten Feinde – der Piraten.

© Marcus Lorenz, Fotolia.de

Großes Koggensiegel der Stadt Stralsund, 1329.

© Internationales Maritimes Museum Hamburg

Bautechnische Neuerungen:

Breiter, flacher Rumpf mit hohen Bordwänden (schafft viel Frachtraum und verleiht der Kogge ihr bauchiges Aussehen),

Verbindung der Hölzer durch eiserne Klammern (Kalfatklammern) und großköpfige Nägel,

gerader, nicht gebogener Kiel, steiler Vorder- und Achtersteven,

starke Querbalken dienten der Festigkeit. Außerdem konnten auf ihnen die Deckplanken aufgelegt werden.

Geschlossenes Deck (frühere Frachtschiffe waren offen),

Heck- statt Seitenruder (erhöht die Steuerfähigkeit, insbesondere bei schwerer See).

Das Segel bestand nicht mehr aus Wolle, sondern aus Leinwand, und wurde mit Hilfe einer Winde (Bratspill) am Mast hochgezogen. Dadurch konnte eine größere – und trotzdem bedienbare – Segelfläche zum Einsatz gebracht werden.

Kastellaufbauten.

»Koggen«-darstellungen auf zwei Briefmarken aus Danzig, 1922.

Ladekapazität. Das Gesamtgewicht der Ladung, die eine Kogge transportieren konnte, wurde in Last angegeben. Eine Last bezeichnete ursprünglich die Menge an Roggen, die von einem vierspännigen Pferdefuhrwerk gezogen werden konnte, nach heutiger Rechnung ungefähr 1,9 Tonnen. Am Ende des 14. Jahrhunderts konnten große Koggen bereits bis zu 100 Lasten tragen. Das Ladevolumen lag bei 400 Kubikmetern. Je nach Fahrtgebiet wurden Schiffe zwischen 70 und 200 Tonnen Tragfähigkeit eingesetzt. Die Kapazität der gesamten hansischen Flotte umfasste im Jahr 1400 circa 100 000 Tonnen.

Auslastung. Der gewölbten Form des Koggenrumpfes Rechnung tragend, wurden wasserdichte Transportfässer liegend gestapelt und verschifft (bis zu 300 Stück). Güter, die als Ballen (Pelze, Tuche) oder Bündel (Stockfisch) verpackt waren, stapelte man lose aufeinander. Um beim Laden und Löschen an alle Bereiche des Schiffsinneren herankommen zu können, waren die Decksplanken nur lose aufgelegt.

Baustoff Holz. Eine Kogge wirkt nicht nur wegen des bauchigen Rumpfes so klobig, sondern auch, weil ihre Planken gesägt und nicht, wie bei anderen Schiffstypen, mit Äxten und Keilen aus dem Stamm gespalten wurden. Dadurch waren sie drei Mal so dick. Gesägte Planken kosteten wesentlich weniger, weil sie auch aus Holz hergestellt wurden, das Verästelungen oder andere Verwachsungen enthalten konnte und deshalb zum Spalten ungeeignet war. Trotz dieser neuen holz- und geldsparenden Methode wurden allein für die Koggen des 14. Jahrhunderts schätzungsweise 250000 Eichen- und Kiefernstämme benötigt.