Kleinschmied und der Professor - Peter Faust - E-Book

Kleinschmied und der Professor E-Book

Peter Faust

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  • Herausgeber: united p.c.
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Chefinspektor Kleinschmied hat erst seine neue Kriminalassistentin willkommen geheißen, als auch schon der erste Mord aufzuklären ist. Ein Banker wird auf offener Straße mit seiner eigenen Pistole erschossen. Sind gekündigte Kredite die Ursache einer tödlichen Feindschaft? Ist gar ein altes Mordmotiv, die Eifersucht, schlagend geworden? Die "Feinde" des Bankers entziehen sich dem Zugriff, die "Freunde" erzählen der Polizei alles, nur nicht die Wahrheit. Die Folge ist eine gnadenlose Mörderjagd.

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Seitenzahl: 267

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Inhalt

Impressum

Vorwort

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Peter Faust

Impressum

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich.

© 2014 united p. c. Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-7103-0401-9

ISBN e-book: 978-3-7103-1152-9

Umschlagfoto: Bettina Stolze / pixelio.de

Umschlaggestaltung, Layout & Satz:united p. c. Verlag

www.united-pc.eu

Vorwort

Handlung, Personen und Orte des Romans sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit ist rein zufällig.

1

Chefinspektor Othmar Kleinschmied betrat nachdenklich sein Büro. Er hatte gerade seinen langjährigen Assistenten verabschiedet, der befördert wurde und in einem anderen Bezirk der Großstadt Wien eine eigene Kommission leiten wird. „Hoffentlich hat er bei mir das Nötigste gelernt“, murmelte Kleinschmied. Bis er seinen eigenen Ermittlungsstil entwickelt haben wird, werden ihm trotzdem einige Fehler passieren, das war bei ihm auch nicht anders gewesen. Kleinschmied fühlte sich irgendwie alleine gelassen. Er hasste Änderungen in seinem persönlichen Umfeld. Bekümmert fragte er sich: Wie viele Assistenten würde er noch bis zu seiner Pensionierung bekommen, damit sie etwas lernen? Bei einer durchschnittlichen Verweildauer von fünf Jahren werden das wohl noch drei sein. Ein Blick auf den Kalender auf seinem Schreibtisch ließ ihn laut sagen: „Einer noch in diesem Jahrhundert.“

„Sie werden ihm schon wieder begegnen, wenn er die Hilfe des Landeskriminalamts in Anspruch nehmen muss.“ Frau Schmidt, Kleinschmieds Büroassistentin sagte das, sich in die Gedanken ihres Chefs einfühlend. Sie stand in der Verbindungstür zum Nachbarbüro. Die Tür war immer offen, Kleinschmied wollte auf dem Laufenden sein, was in den anderen Büros seiner Abteilung vor sich ging. Außerdem sollte die offene Tür signalisieren, dass er immer für die Probleme und Nöte seiner Mitarbeiter offen war.

„Ich fürchte, Sie haben recht, Schmidtchen. Ist der Neue schon in Sicht?“

„Es ist eine Sie“, sagte Schmidt mit einem Anflug von Eifersucht, wie Kleinschmied zu bemerken glaubte. Sie legte ihm die Personaldaten der Neuen auf den Schreibtisch. „Sie kommt aus der Provinz. Ihr Vater war auch Polizist. Der war bei einem Einsatzkommando, ist aber schon privat verstorben.“

Kleinschmied lächelte: „Sie haben schon wieder den Computer befragt?“

„Dazu haben wir ihn doch“, sagte Schmidt trocken und wollte aus dem Büro gehen.

„Was heißt privat verstorben?“

„Nicht aus dienstlichem Anlass.“

„Ich glaube, sterben tut jeder privat, im Dienst oder in der Freizeit, das ist egal. Es gibt nichts Privateres als den Tod.“

Schmidt war nicht dieser Meinung, sagte aber nichts.

„Zumindest aus der Sicht des Sterbenden“, sagte Kleinschmied und schlug den Aktendeckel auf. Schmidt ging rasch aus dem Zimmer, sie wollte die Reaktion ihres Chefs auf den Namen der Neuen nicht sehen.

Kleinschmied las den Namen: „Nelly Aschenbrenner“. Aschenbrenner? Er war doch mit einem Aschenbrenner in der Polizeischule gewesen. Der war ein wilder Hund gewesen. Schien keine Angst gehabt zu haben, vor nichts und niemandem. „Frau Schmidt!“, rief Kleinschmied. „Wissen Sie das Geburtsjahr des alten Aschenbrenners?“

„Er war so alt wie Sie.“

Also doch, dachte sich Kleinschmied und war plötzlich neugierig auf die neue Kriminalassistentin.

„Noch einen Kaffee, Herr Chefinspektor?“

„Ja, ich habe heute noch meine Kartenrunde.“

„In Ihrem Stammlokal?“

„Natürlich.“

Kleinschmied bekam seinen Kaffee, schwarz, mit viel Süßstoff. Er trank genüsslich den Kaffee, da klopfte es an die offene Tür und eine weibliche Stimme fragte: „Darf ich stören?“

Kleinschmied schaute auf. Vor ihm stand eine junge Frau, groß, schlank, sportlich, kurzes braunes Haar, schwarze Jeans, schwarzer Pullover. In einem Tragegerüst die Polizeipistole im Halfter unter dem linken Arm, Handy und offensichtlich zwei volle Reservemagazine für die Pistole unter dem rechten Arm. An der linken Hüfte hatte sie eine kleine Tasche am Hosengurt. Da hat sie wohl Lippenstift und Spiegel drinnen, vermutete er. So, wie sie vor ihm stand, hätte sie gerade von den Filmaufnahmen zu einem neuen Thriller kommen können.

„Nelly Aschenbrenner“, sagte der Filmstar, „ich bin Ihre neue Kriminalassistentin.“

Kleinschmied stand auf und reichte ihr die Hand. „Nehmen Sie Platz“, sagte er und lächelte. „Laufen Sie immer schwer bewaffnet herum? Ist das zumindest im Büro nicht störend?“

„Das Tragesystem ist sehr angenehm.“

„Das sind doch zwei Reservemagazine! Wie viele davon brauchen Sie den pro Einsatz?“

„Die zwei Magazine dienen nur dem Gewichtsausgleich zur Pistole, eines reicht nicht.“

„Das ist gut!“, lachte Kleinschmied.

„Der Herr Oberst hat gesagt, Sie lieben den schwarzen, trockenen Humor.“

„Sie sind direkt, das gefällt mir. Hat er mich verraten, der Oberst?“

„Ja, und es hat noch weitere wohlwollende Ratschläge gegeben.“

„Wie Sie mich behandeln sollen?“

„Ja“, sagte Aschenbrenner ehrlich.

„Er hält mich für schwierig. Das bin ich nicht. Ich bin sicher eigenwillig, ziehe die ‚Hirnarbeit’ dem Aktionismus vor. Aber das werden Sie alles bald kennenlernen.

Nehmen Sie meine Bemerkung zu Ihrer Bewaffnung nicht krumm, viele Ihrer männlichen Kollegen tragen sie ebenso. Ein Sakko versteckt zumeist die Ausrüstung bei denen mehr oder weniger. Ich selbst habe allerdings die sicherste Waffe der Welt, sie liegt immer ungeladen im Bürotresor. Ich nehme sie nur heraus, um am Schießplatz die vorgeschriebenen Übungen zu schießen. Dann wird sie geputzt und verschwindet wieder bis zum nächsten Übungstermin. Sollten Sie also mit mir das Spiel des gegenseitigen Sicherns spielen wollen, muss ich sie enttäuschen, ich eigne mich höchstens zum ‚Schmiere stehen’. Für besondere Einsätze gibt es ja das Sondereinsatzkommando.“

Aschenbrenner lächelte nur wissend, sagte aber nichts. Was Kleinschmied auf eine tatsächlich gründliche Vorbereitung der Neuen durch den Oberst zurückführte. Also setzte er in seinen Ausführungen fort: „Trotzdem bilden wir beide nun das Kernteam der Mordkommission 1, hier im Landeskriminalamt von Wien. Frau Helene Schmidt haben Sie ja schon kennengelernt. Bei ihr laufen alle Fäden zusammen. Sie ist auch über den Dienstbetrieb am besten informiert, kann über alles und jeden Auskunft geben. Die anderen Mitarbeiter werden Sie sukzessive kennenlernen. Wie lange sind Sie schon im Kriminaldienst?“

„Eigentlich gar nicht. Nach der Prüfung zum Kriminalbeamten wurde ich sofort hierher versetzt.“

„Das hab ich befürchtet. Unter meiner Anleitung haben sich schon einige Kollegen ihre ersten Sporen verdienen müssen.“

„Ich bin gelehrig, Herr Chefinspektor.“

„Ja, das sehe ich aus Ihren Zeugnissen. Nur die besten Noten. Deshalb dürfen Sie auch in einem Kriminalamt anfangen. Mein Anfang als Kriminalbeamter war in einem Außenbezirk. Naja, meine junge Frau hatte mich schon sehr von der Arbeit abgelenkt. Erst als der Sturm der Liebe vorbei war, kam ich in ein ruhigeres Fahrwasser, konnte man mit mir etwas anfangen.“

„Sie haben aber einen sagenhaften Ruf als Ermittler. Ich bin froh, dass ich bei Ihnen lernen darf.“

„Vorsicht junge Frau! Lassen Sie sich nicht von Vorurteilen leiten. Seien Sie kritisch, auch ich habe leider nicht die Weisheit mit dem großen Löffel gegessen. Sie können sicher Auto fahren?“

„Ja, ich habe alle nötigen Polizeifahrkurse.“

„Um Gottes willen! Das hatten alle Ihre Vorgänger auch, alle haben Verfolgungsjagden geliebt. Das muss wohl an den neuen Unterrichtsmethoden liegen. Dafür fehlt mir das Verständnis, ich liebe es solide. Darum habe ich gefragt, ob Sie sicher Auto fahren können. Die Betonung liegt auf ‚sicher’. Na, wie auch immer, wir teilen uns jedenfalls einen Dienstwagen. Also willkommen in der Abteilung.“

„Danke.“

„Sagen Sie, Ihr Vater war doch auch bei der Polizei?“

„Ja, er war mit dem Herrn Oberst in der Polizeischule.“

„Ich war mit Ihrem Vater im gleichen Jahrgang in der Polizeischule. Der gute Oberst ist um ein Jahr jünger als Ihr Vater und ich. War Ihre Mutter nicht auch im Polizeidienst?“

„Ja, sie war Angestellte.“

„Wenn ich mich recht erinnere, hatte Ihr Vater eine Verlobte, sie war die Sekretärin des Akademieleiters.“

„Ja, das war meine Mutter.“

„Ihr Vater war doch immer sehr sportlich, woran ist er denn so jung gestorben?“

„Das war den Ärzten zuerst auch ein Rätsel. Die Autopsie hat schließlich ein geplatztes Aneurysma als Todesursache festgestellt.

„Und Sie sind, nach dem Vorbild Ihres Vaters, auch zur Polizei gegangen?“

„Nein, ich hatte schon zwei Jahre Jus studiert. Nach dem plötzlichen Tod meines Vaters, meine Mutter war schon vorher gestorben, als ich noch ein Kind war, meldete ich mich auch zur Polizei. Die Polizei war doch durch meine Eltern meine Familie, mein Zuhause. Ich konnte also gar nichts anderes tun, als auch zur Polizei zu gehen.“

„Das Studium haben Sie ganz aufgegeben?“

„Nebenbei studieren ist bisher nicht wirklich gegangen, ich musste für die vielen Schulungen lernen.“

„Nun gut, wir haben hier ja die Universität in Wien. Wenn uns nicht gerade ein schwieriger Fall zugeteilt wurde, wird normaler Bürodienst gemacht. Ich muss neuerdings auch unterrichten, meine Erfahrungen an junge Kollegen weitergeben. Das alles lässt Ihnen sicher genug Freizeit für das Studium. Jetzt zeige ich Ihnen noch Ihren Schreibtisch und den Computer, mit dem kennen Sie sich sicher schon besser aus als ich. Junge Leute wachsen mit der Elektronik ja auf. Wir alten Esel müssen das mühsam erlernen und kommen uns dabei auch noch richtig dumm vor. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich schätze den elektronischen Polizisten sehr. Er erleichtert uns die Ermittlungsarbeit enorm, kann uns rechtzeitig auf die richtige Spur bringen. Richten Sie sich also an Ihrem neuen Arbeitsplatz ein.“

Kleinschmied und die Neue gingen ins Nebenbüro, wo auch Schmidt ihren Schreibtisch hatte. Aschenbrenner nahm die schwarze Sporttasche, die sie vor Kleinschmieds Büro abgestellt hatte, und begann ihre Habseligkeiten in den Schreibtisch zu legen.

„Frau Schmidt, weihen Sie unsere neue Mitarbeiterin in das Geheimnis der Kaffeekasse ein und lehren Sie die Kunst des Überlebens der Kantinenessen.“

Da kam Dvorak ins Büro. Kleinschmied macht die Neue mit ihm bekannt: „Das ist unsere Superspürnase. Was Franz Dvorak nicht findet, gibt es auch nicht.“

„Hier sind die gewünschten Unterlagen für Ihre Aussage vor Gericht, Herr Chefinspektor. Es steht nichts Neues drinnen, nur etwas ausführlicher als in den üblichen Kurzinfos“, sagte Dvorak.

„Wie ich diese Zeugenaussagen vor Gericht hasse, die Anwälte der Angeklagten wissen so gut wie ich, dass ihre Klienten schuldig sind, aber unsere Arbeit madigmachen, das tun sie alle.“

„Das ist doch die Pflicht eines Anwalts. Alles, was seinem Klienten nützen könnte …“

Weiter kam Dvorak nicht, Kleinschmied fiel ihm grantig ins Wort: „Das weiß ich, aber ärgern werde ich mich wohl noch dürfen?“

Alle lachten. Dann ging Kleinschmied mit den Unterlagen in sein Büro. Er saß noch nicht lange an seinem Schreibtisch, da läutete das Telefon …

„Einsatz, Herr Chefinspektor!“, rief Schmidt und drückte Kleinschmied einen Zettel mit der Meldung in die Hand. „Soll ich die Kartenrunde verständigen, dass Sie nicht kommen?“

„Ja bitte“, sagte Kleinschmied und zur Neuen: „Ihr erster Mordfall bei uns.“

Aschenbrenner und Kleinschmied erreichten die Garage gleichzeitig mit den Leuten der Spurensicherung.

„Die lassen wir zuerst fahren. Sie müssen den Tatort erst absichern, bevor wir zugelassen werden, müssen uns erst einen Trampelpfad zum Opfer einrichten“, sagte Kleinschmied. Dann gab er der Neuen den Autoschlüssel für den Dienstwagen und sagte: „Sie fahren, ich sage Ihnen wohin.“

„Ich kenne die Straße“, sagte Aschenbrenner und stellte das Blaulicht auf das Dach des Autos.

„Sie kennen sich schon aus in der Stadt?“

„Ein bisschen. Ich habe ja hier zwei Jahre lang studiert.“

„Ja, richtig.“

Aschenbrenner gab Gas und zeigte, was sie bei den Spezialfahrkursen gelernt hatte. Einige Straßen weiter erinnerte sie sich, was Kleinschmied über die Fahrgewohnheiten junger Polizisten gesagt hatte, wurde langsamer und fragte besorgt: „Bin ich zu schnell?“

„Das Mordopfer ist sicher schon tot, wir können nicht mehr helfen.“

2

Ein Funkstreifenbeamter meldete: „Als wir gekommen sind, war die Straße menschenleer. Nur aus den Fenstern haben viele Leute geschaut. Eine Frau hat gerufen, dass der große, weißhaarige Mörder davongelaufen ist. Wir haben sofort mit zwei Funkstreifen gesucht, aber keinen markant Weißhaarigen gefunden.“

„Das wär ja auch zu schön gewesen“, antwortete Kleinschmied. „Haben Sie notiert, aus welchen Fenstern jemand geschaut hat?“

„Ja. Eine andere Frau hat einen schwarzen, behelmten Mann mit einem Motorrad wegfahren gesehen. Ein anderer Zeuge will gehört haben, dass der Weißhaarige ‚Nein, nicht!’ gerufen hat, bevor er weggegangen ist. Die drei Zeugen haben richtig gestritten.“

„Das war vor mehr als einer Stunde. So hat es wohl keinen Sinn mehr, alle Motorradfahrer in der Umgebung aufzuhalten und zu perlustrieren. Fragen Sie bei Ihren Kollegen nach, ob ein Motorradfahrer im Bezirk aufgefallen ist.“

„Mache ich sofort, Herr Chefinspektor“, sagte der Polizist und stellte seine Fragen über Funk.

„Wenn Sie etwas hören, sagen Sie mir das bitte sofort, egal, was ich gerade mache. Wir werden uns die Zeugen alle anhören müssen. Nachdem da so viele besetzte Fenster sind, werden Sie uns dabei mit ihren Leuten helfen müssen.“

„Das habe ich mir ohnedies schon gedacht.“

„Ich schaue mir jetzt das Opfer an. Bitten Sie die drei Zeugen, von denen Sie gerade gesprochen haben, herunter.“

„Ja, mache ich“, sagte der Beamte und ging.

„Aschenbrenner, nehmen Sie mein Handy und rufen Sie Schmidtchen an, sie soll uns noch einige Beamte herschicken. Die Bewohner der Häuser müssen heute noch alle befragt werden.“

Aschenbrenner nahm das Handy und suchte im Adressverzeichnis nach „Schmidtchen“. Sie fand nur „Schmidt“ und rief an. Nachdem Sie festgestellt hatte, dass Frau Schmidt mit ihr nicht gerne redete, gab sie sich einen Ruck und trug die Nummer in ihrem Mobiltelefon ein. Sie nahm sich vor, mit Frau Schmidt, die ihr neuer Chef liebevoll „Schmidtchen“ nannte, aus praktischen Gründen, die Friedenspfeife zu rauchen. Auch, wenn sie noch keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollte.

Kleinschmied ging zum Mordopfer. Dvorak, der Leiter der Spurensicherung, reichte ihm einen Ausweis und sagte: „Der Mann heißt Franz Auberger, er war Bankdirektor und wurde direkt vor seinem Haustor erschossen. Mit einer Pistole. Die Hülse haben wir: 9 Millimeter. Wir haben keine Waffe gefunden. Der Mörder muss auf ihn in der Haustornische gewartet haben. Geld und eine wertvolle Uhr sind vorhanden. Scheint also kein Raubmord gewesen zu sein. Die Frau Auberger ist dort im Rettungswagen, sie ist über der Leiche zusammengebrochen. Der Rettungsarzt hat sie sediert. Sie ist jetzt nicht ansprechbar. Die Rettung will sie aber ins Spital bringen. Soll sie?“

„Ich werfe noch schnell einen Blick auf sie“, sagte Kleinschmied und eilte zum Rettungswagen.

„Darf ich endlich fahren?“, fragte der Rettungsarzt grantig. „Die Patientin kann Ihnen nichts mehr sagen, sie ist ruhiggestellt.“

Kleinschmied schaute die auf der Bahre liegende Frau an, sie schlief, doch hin- und wieder lief ein Zucken durch ihren Körper. Ihr hellbraunes Hauskleid war im Brustbereich blutverschmiert. „Das Blut?“

„Ist nicht von ihr.“

„Das Kleid hat zwei Taschen. Sind die leer?“

„Hab ich nicht geschaut.“

„Dann machen Sie es jetzt.“

Der Arzt griff in die Taschen und zog aus einer der Taschen ein Papiertuch heraus, die andere war leer. „Was haben Sie denn erwartet?“, fragte er.

„Eine Pistole“, sagte Kleinschmied ungerührt.

„Ihren Job möchte ich nicht machen“, sagte der Arzt giftig.

„Aschenbrenner, notieren Sie sich das Spital, in das die Frau gebracht wird“, sagte Kleinschmied. Und zum Rettungsarzt: „Sie können fahren.“

„Haben Sie wirklich eine Pistole erwartet?“, fragte Aschenbrenner ungläubig.

Kleinschmied schaute nachdenklich dem davonbrausenden Rettungswagen nach, dann sagte er: „Manchmal ist der Mörder eine Mörderin.“

„Erzählen Sie mir etwas Neues, Doktor“, wandte Kleinschmied sich an den Pathologen, der eben den Rücken des Mordopfers betrachtet hatte und die Leiche wieder in die ursprüngliche Lage zurückdrehte.

Doktor Richard Franke, der Pathologe vom Dienst, der neben der Leiche kniete, stand stöhnend auf. Dabei schwankte er so stark, dass Kleinschmied ihm half: „Was haben Sie denn?“

„Kreuzschmerzen.“

„Sie sollten einen Kollegen aufsuchen.“

„Einen Forensiker?“

„Natürlich nicht! Einen Orthopäden.“

„Ich sollte in Pension gehen, alt genug wär ich ja. Aber was soll ich zu Hause tun? Meine Frau schimpft jetzt schon mit mir, dass ich die Ente essen und nicht sezieren soll.“

„Sie würden mir abgehen.“

Doktor Franke schaute Kleinschmied belustigt an, dann sagte er: „Für jeden kommt die Zeit des Abschieds. Dieser Herr wurde von vorne erschossen. Aufgesetzter Schuss direkt ins Herz, Austrittswunde hinten. Muss sofort tot gewesen sein, Kopfwunde postmortal vom Aufprall auf das Pflaster. Zeitpunkt …“

„Vor einer Stunde“, sagte Kleinschmied. Und weil ihn der Doktor so verwundert anschaute: „Das weiß ich aus der Polizeimeldung.“

Aschenbrenner fragte: „Wurde die Leiche in der Position verändert?“

„Ich habe sie wieder so hingelegt, wie ich sie vorgefunden habe. Aber die Frau dort im Rettungswagen, allem Anschein nach die Ehefrau des Opfers, hatte sich über die Leiche geworfen und sie hin- und hergebeutelt.“

„Wir suchen das Geschoss ohnedies bereits mit dem Metalldetektor“, sagte Dvorak von der Spurensicherung.

„Ich frage das deshalb, weil ich versuchen würde, mich wegzudrehen, wenn mir einer eine Pistole an die Brust setzt“, wendete Aschenbrenner ein, „und dort, an der Wand, ist eine Abprallspur. Das Geschoss muss also schräg gegenüber an der Mauer liegen.“

Dvorak folgte den Hinweisen und kam mit einem Nylonsackerl, in dem sich ein zerdrücktes Geschoss befand, zurück: „Da ist es tatsächlich. Es steckte glücklicherweise nicht in einem abgestellten Auto.“

„Ein guter Einstand, Frau Kollegin“, sagte Kleinschmied anerkennend.

„Kann ich die Leiche wegbringen lassen?“, fragte der Pathologe.

„Dvorak, sind Sie fertig?“, fragte Kleinschmied. Als der nickte, sagte er: „Machen Sie’s.“

„Nun zu den Zeugenbefragungen.“ Schmidt hatte vier Beamte in Zivil zum Tatort geschickt. Vier Funkstreifenbeamte ergänzten die Runde: „Meine Herren! Lassen Sie die Zeugen reden. Aber bedenken Sie, der Mörder hat die Waffe seinem Opfer aufgesetzt, es war kein Fernschuss. Nachdem die Straße völlig verparkt ist, könnte der Mörder vom Auto aus dem herangetretenen Opfer die Waffe aufgesetzt haben. Hat jemand ein Auto wegfahren sehen? Es gibt keine Parklücke. Von einem in zweiter Spur haltenden Motorrad aus könnte nicht geschossen worden sein. Ein Motorradfahrer müsste also abgestiegen sein. Bringen Sie mir trotzdem auch scheinbar unsinnige Details. Bilden Sie Pärchen: ein Kriminalbeamter und ein uniformierter Polizist. Das macht Eindruck. Noch Fragen? Nein? Gut, dann viel Erfolg.“

„Kommen Sie Aschenbrenner, wir knöpfen uns jetzt die Hauptzeugen vor.“

Der Polizist, der bei den Zeugen gestanden war, um zu verhindern, dass sie weggingen oder miteinander redeten, schickte die erste Zeugin zu Kleinschmied.

„Bitte erzählen Sie uns, was Sie beobachtet haben“, wandte sich Kleinschmied höflich an die sichtlich nervöse Zeugin.

„So genau habe ich gar nichts gesehen, nur den Weißhaarigen.“

„Wo waren Sie denn, als der Schuss fiel?“, fragte Kleinschmied geduldig.

Die Zeugin zeigte auf das Haus gegenüber dem Tatort. „In meinem Wohnzimmer im ersten Stock. Da das Fenster offen war und der Lärm eines Motorrades mich gestört hat, wollte ich das Fenster schließen, da ist der Schuss gefallen. Ich hab aus dem Fenster geschaut und den Weißhaarigen bemerkt.“

Sie zeigte die Straße aufwärts und sagte: „Dort ist der Mörder gestanden.“

„Das ist aber weit weg von der Lage des Opfers“, sagte Aschenbrenner.

„Ein Revolver wird doch so weit schießen, Fräulein“, bemerkte die Zeugin, offensichtlich durch häufigen Konsum von Kriminalromanen oder Filmen, besser wissend. „Als er mich gesehen hat, hat er sich weggedreht und ist ruhig um die nächste Ecke gegangen. Solche Nerven hat nur ein Profikiller.“

Kleinschmied blieb sachlich: „Können Sie den Mann beschreiben? Wie hat er denn ausgesehen?“

„Er war groß, mit weißen Haaren und einem weißen Bart. Er hatte einen schwarzen Anzug an.“

„Sonst noch etwas von Bedeutung?“

„Ja, er hatte Augengläser, in seinem Gesicht ist die Sonne aufgeblitzt, als er sich abgewendet hat.“

„Waren sonst noch Personen auf der Straße?“

„Ja, die Aubergerin, die hat sich mit ihrem hysterischen Geschrei auf ihren armen Mann geworfen.“

„Das war alles?“

„Ja.“

„Danke, wir kommen sicher noch einmal auf Sie zu. Sie können jetzt wieder in ihre Wohnung gehen.“

Auf ein Zeichen von Kleinschmied kam der nächste Zeuge: „Herr Inspektor! Der Motorradfahrer war’s. Der ist so rasch weggefahren, dass ihn fast ein Auto gerammt hätte. Der Autofahrer hat im letzten Moment bremsen können. Dann ist er ihm schnell nachgefahren. Wahrscheinlich wollte er ihn bei der nächsten Kreuzung zur Rede stellen.“

„Einen weißhaarigen Mann haben Sie nicht gesehen?“

„Welchen Weißhaarigen? Ich wohne doch genau über dem Tatort. Den Schuss habe ich gar nicht als solchen erkannt, ich habe gefürchtet, ein Auto hat meinen Wagen gerammt, der vor unserem Haustor parkt. Als ich zum Fenster gerannt bin, habe ich die eben beschriebene Szene gesehen. Dass der arme Auberger da unten erschossen liegt, habe ich erst bemerkt, als seine Frau schreiend aus dem Haus gelaufen ist.“

„Können Sie uns den Motorradfahrer beschreiben?“

„Und das Auto“, ergänzte Aschenbrenner, die eifrig mitschrieb.

„Ja wie denn? Ein Motorradfahrer in schwarzer Kombination, einen schwarzen Vollvisierhelm hat er halt aufghabt. Da kann man kein Gesicht erkennen. Klein war er halt. Hätt auch eine Frau sein können.“

„Das Auto“, blieb Aschenbrenner hartnäckig.

„Das Auto gehört der Pizzeria zwei Straßen weiter. Claudio heißt der Laden. Die Pizzen sind sehr gut, ich lass mir auch oft eine bringen.“

„Danke, Sie haben uns sehr geholfen, wir melden uns sicher noch einmal bei Ihnen“, sagte Kleinschmied. Und zu Aschenbrenner gewandt: „Die Funkstreife soll den Pizzafahrer gleich herholen.“

Die dritte Zeugin konnte sich an kein Motorrad erinnern, nur an den Pizzawagen. „Ich habe mich noch gewundert“, sagte die betagte Dame, „dass der Claudio mit seinem Vehikel heute so einen Lärm macht. Bitte, langsam fährt der nie, aber die Pizzen sind gut. Manchmal gönne ich mir auch eine, aber das darf meine Tochter nicht wissen, sie meint, ich vertrag so was nicht mehr.“

„Einen weißhaarigen Mann haben Sie nicht gesehen?“

„Doch, der ist aber weiter oben gestanden, etwa zwei Häuser von meinem Fenster entfernt. Den habe ich von meinem Lehnstuhl aus gesehen. Eine stattliche Erscheinung in einem glänzenden hellgrauen Anzug. Er hat etwas gebrüllt, bevor der Pizzawagen vorbeigefahren ist. Ich glaube, er hat geschrien: ‚Nein, nicht’. Dann hat die Frau Auberger zu schreien angefangen, und als ich wieder nach dem Weißhaarigen sehen wollte, war der verschwunden.“

Als Kleinschmied sah, dass Aschenbrenner einen italienisch aussehenden, widerstrebenden Mann anschleppte, bedankte er sich höflich bei der alten Dame und wies den Polizisten an, sie in ihre Wohnung zu geleiten.

„Ich nichts getan“, weinte der Pizzamann, Motorrad mich geschnitten, ich wütend, bin nachgefahren. Er bei Rot über Kreuzung und weg war. Ich zurück ins Lokal fahren.“

„Haben Sie sich die Nummer vom Motorrad gemerkt?“

„Nein, ich wütend, wollte schimpfen“, sagte der Pizzafahrer kleinlaut.

„Was war das für ein Motorrad?“

„War rot. Motorrad für Geländefahrt, hohe Flügel, Schlammspritzer.“

„Welche Flügel?“, wollte Aschenbrenner wissen.

„Hochgezogene Kotschützer“, erklärte Kleinschmied lächelnd. „Haben Sie sonst noch jemand auf der Straße gesehen?“

„Straße leer, Motorrad in zweiter Spur. Ich denken, der fahrt, und schon gefahren. Ich bremsen und sonst nichts mehr sehen, war sehr zornig.“

„Danke“, seufzte Kleinschmied, „Sie können gehen.“

„Das sind vielleicht Zeugen“, sagte Aschenbrenner.

„Na ja, eigentlich wie immer“, sagte Kleinschmied und rief: „Dvorak!“

„Ja, Herr Chefinspektor?“

„Haben Sie unter allen geparkten Fahrzeugen nachgeschaut?“

„Wegen der Pistole? Die liegt da nirgends.“

„Ein geeignetes Kanalgitter oder einen Wassereinlauf gibt es nicht?“

„Die Straße hat seitlich im Gehsteigrand eingelassene Wassereinläufe.“

„Da müssen Sie noch ran. Ich will sicher sein, dass die Pistole da nicht herumliegt.“

„Dem haben Sie jetzt aber keine Freude gemacht, Herr Chefinspektor“, sagte Aschenbrenner mitleidvoll, nachdem Dvorak gegangen war.

„Freude? Meine Kartenpartie ist auch im Eimer. Aber für heute ist Schluss. Haben Sie schon ein Quartier in der Stadt?“

„Ja.“

„Na gut, ich bring Sie hin, geben Sie mir die Autoschlüssel.“

Da trat der Bezirksinspektor an Kleinschmied heran und sagte: „Herr Chefinspektor, ich habe noch einen Posten vor der offenen Wohnungstür der Auberger stehen. Kann ich den jetzt abziehen?“

„Ja, aber erst wenn wir dort sind. Wir gehen noch hinauf in die Wohnung. Gibt es irgendeine Meldung über auffällige Motorräder?“

„Nein, der Flüchtende muss die Nerven bewahrt haben und ganz normal gefahren sein.“

Kleinschmied und Aschenbrenner gingen ins Haus. Aschenbrenner wollte zum Lift, Kleinschmied ging zu Fuß. „Die Wohnung liegt im ersten Stock“, sagte er lächelnd.

„Ist jemand in der Wohnung?“, fragte Kleinschmied den Polizisten, der vor der offenen Tür stand.

„Nein.“

„Gut, Sie können abziehen. Wir übernehmen jetzt.“ Sie betraten die gediegen eingerichtete Wohnung. Das Fenster zur Straße war offen. Kleinschmied schaute hinaus. Schräg unter ihm lag der Tatort. „Die Frau muss den wegfahrenden Mörder gesehen haben. Vielleicht hat sie ihn auch erkannt. Schmidtchen soll einen Posten vor ihr Krankenzimmer stellen, vielleicht ist sie in Lebensgefahr.“

Aschenbrenner telefonierte mit Schmidt, Kleinschmied streifte gedankenverloren durch die Wohnung.

„Es ist schon spät. Wie lange bleibt Frau Schmidt im Büro?“, fragte Aschenbrenner.

„Solange ich im Außendienst bin und etwas brauchen könnte. Wenn wir heimfahren, müssen wir uns also bei ihr abmelden. Im Herrenzimmer steht ein versperrter Waffenschrank mit Jagdgewehren. Jäger haben häufig auch eine Faustfeuerwaffe. Es würde mich nicht wundern, wenn der Bankier mit seiner eigenen Waffe erschossen wurde.“

Aschenbrenner und Kleinschmied gingen wieder auf die Straße. Dann sagt Kleinschmied: „Sie nehmen den Wagen, bringen mich nach Hause, da kann ich mit Schmidtchen telefonieren und ihr erzählen, was los ist. Morgen holen Sie mich dann von zu Hause ab.“

3

Nach einer Runde durch die Büros - er hatte die Kollegen nach Anzeichen von brauchbaren Ergebnissen der Zeugenvernehmungen befragt - kam Kleinschmied mürrisch in sein Büro. „Da wird in den Berichten außer Widersprüchen nichts zu finden sein“, sagte er zu Schmidt, die gerade dabei war der Neuen den elektronischen Akt zu erklären.

„Ihre Meldung fehlt auch noch, Herr Chefinspektor. Oder haben Sie mir gestern alles durchgegeben?“

„Leider ja“, seufzte Kleinschmied.

„Die Waffenbeschreibungen und Genehmigungen Auberger liegen auf Ihrem Schreibtisch.“

Kleinschmied ging in sein Büro, nahm das Blatt mit den Genehmigungen und rief. „Ha! Habe ich mir’s doch gedacht. Der Auberger hatte eine Pistole. Noch dazu eine alte, aus dem Zweiten Weltkrieg. Frau Schmidt! Hat sich der Dvorak heute schon sehen lassen?“

„Nein, er hat angerufen, dass er etwas später kommt, es hat gestern sehr lange gedauert, wegen der von Ihnen gewünschten Waffensuche im Kanalsystem. Eine Abschleppfirma wurde auch gebraucht, die hat parkende Autos von den Kanaleinlässen wegziehen müssen. Der Herr Oberst hat ohnedies schon wegen der Kosten gemeckert.“

„Hat Dvorak wenigstens eine Waffe gefunden?“

„Nein, hat er nicht.“

„Ich fürchte“, brummte Kleinschmied, „die wird noch gebraucht werden.“

Aschenbrenner und Schmidt schauten besorgt durch die Tür in Kleinschmieds Büro. „Sie sollten Ihre Waffe ausnahmsweise einmal mitnehmen, Herr Chefinspektor!“, sagte Schmidt.

„Glauben Sie, dass wir dann die Mordwaffe schneller finden?“, antwortete Kleinschmied belustigt. „Wenn der Dvorak zur Arbeit erscheint, soll er gleich prüfen, ob Hülse und Geschoss zu der alten Walther P.38 des Bankdirektors passen könnten.“

„Ist gut, sag ich ihm.“

„Ich möchte bloß wissen, wieso vorwiegend alte Männer alte Pistolen besitzen?“, sinnierte Kleinschmied.

„Die fühlen sich dann sicherer, wenn sie eine Waffe im Haus haben. Mein Vater hat auch eine gehabt“, sagte Aschenbrenner.

„Ihr Vater konnte wenigstens mit einer Waffe umgehen. Für die meisten ist so eine Waffe ein trügerischer Schutz. Sie trauen sich dann doch nicht, zu schießen. Ein Einbrecher schießt und verwendet dann auch noch den Notwehrparagrafen erfolgreich zu seiner Verteidigung.“

„Sie haben recht, ich kann mich sogar an einige solcher Fälle erinnern“, sagte Schmidt und ging zu ihrem Schreibtisch, weil das Telefon läutete. Sie hob ab und sagte: „Ich frag ihn.“ Sie rief: „Herr Chefinspektor! Der Polizist, der Frau Auberger bewacht, sagt, sie könnte schon heimgehen. Er will wissen, was er tun soll.“

„Er soll Frau Auberger bitten, auf uns zu warten, wir bringen sie zurück in ihre Wohnung. Kommen Sie, Aschenbrenner, wir fahren ins Spital.“

„Warten Sie!“, rief Schmidt. „Ich muss Ihnen noch die Schlüssel aus den Habseligkeiten des Mordopfers mitgeben. Die Auberger hat doch die Wohnung ohne Schlüssel verlassen.“ Sie drückte Kleinschmied ein Nylonsackerl in die Hand, in dem sich der Schlüsselbund in einem ledernen Etui befand.

Kleinschmied und Aschenbrenner betraten das Krankenhaus. Aschenbrenner wollte bei der Information fragen, wo Frau Auberger lag, doch Kleinschmied hielt sie zurück. Frau Schmidt hatte ihm, vorsorglich wie immer, einen Zettel zugesteckt, auf welchem Trakt, Stockwerk und Zimmer notiert waren. Der bewachende Polizist musste sich ja bei ihr melden.

„Keine Vorkommnisse, Herr Chefinspektor. Sie ist schon reisefertig“, sagte der Polizist, der vor dem Krankenzimmer stand.

„Auch keine Besuche?“

„Nur der Arzt und die Krankenschwester.“

„Danke, wir übernehmen jetzt, Sie können einrücken.“

Sie betraten das Krankenzimmer. Elvira Auberger saß zusammengesunken auf einem Sessel. Sie hatte dasselbe blutbefleckte Kleid an wie bei ihrer Einlieferung. Als sie die beiden Kriminalbeamten sah, fragte sie: „Sind Sie von der Polizei?“

Kleinschmied stellte sich und Aschenbrenner vor und fragte: „Haben Sie jemand, der sich um Sie kümmert, wenn wir Sie jetzt nach Hause bringen?“

„Ja meine Cousine. Ich habe sie heute früh angerufen und informiert. Sie wartet sicher schon auf meinen Anruf, dass sie kommen kann. Sie wohnt nur zehn Gehminuten von uns entfernt und hat auch unseren Reserveschlüssel. Ich bin doch ohne an einen Schlüssel zu denken aus der Wohnung gerannt. Der freundliche Polizist vor meiner Tür hat mich beruhigt, dass die Tür zugemacht wurde. Ich habe ihn danach gefragt, weil ich mir doch Sorgen gemacht habe.“

„Warten Sie noch mit dem Anruf, wenn Ihre Verwandte ohnedies in der Nähe wohnt, hat der Zeit. Wir würden Ihnen noch gerne einige Fragen stellen.“

„Ja, das habe ich mir schon gedacht.“

„Gut, dann fahren wir. Sie haben die Abmeldung schon gemacht?“

„Nein, der Polizist hat mich nicht rausgehen lassen. Warum eigentlich? Er hat gesagt, dass es nur meinem Schutz dient.“

„So ist es. Sie erinnern sich, was gestern geschehen ist?“

Frau Auberger nickte wortlos.

„Solange wir nicht wissen, wer der Täter ist und was er wollte, können wir nicht ausschließen, dass auch Sie gefährdet sind. Da sind wir lieber vorsichtig. Wir gehen jetzt langsam in Richtung Administration. Frau Kollegin gehen Sie bitte vor, vielleicht können Sie die Abmeldung auch ohne uns erledigen.“

„Ja, das ist gut“, sagte Frau Auberger erleichtert, „ich geniere mich in meiner Aufmachung vor den Leuten.“

„Dann ist der kürzeste Weg der richtige“, sagte Kleinschmied. Er reichte Frau Auberger seinen Arm, sie hing sich ein und sie gingen. Aschenbrenner eilte voraus. Als sie zur Anmeldung kamen, hatte Aschenbrenner die Formalitäten schon erledigt, sodass sie ohne weiteren Aufenthalt zum Auto gehen konnten. Sie setzten sich ins Auto: Aschenbrenner hinters Steuer, Kleinschmied und Frau Auberger nahmen auf der Rückbank Platz. Aschenbrenner fuhr los.

Nach einer Weile des Schweigens fragte Frau Auberger: „Sie haben gesagt, Sie wollen mir Fragen stellen?“

„Ja will ich, und wir möchten dann in Ihrer Wohnung auch einen Blick auf die persönlichen Sachen Ihres Mannes werfen. Alles, was der Aufklärung des Mordes dienen kann, ist uns willkommen.“

Frau Auberger war sehr um Haltung bemüht: „Fragen Sie, obwohl ich mir nicht denken kann, wer so etwas Fürchterliches tun kann.“

„Nun, fangen wir mit den Feinden Ihres Mannes an. Sind Ihnen welche bekannt?“

„Nein.“

„Aus dem beruflichen Umfeld auch nicht?“

„Da schon gar nicht. Wir sprechen nie über seinen Beruf. Wenn er angespannt nach Hause kommt …“ Hier stockte sie und wischte sich Tränen aus den Augen. „Wenn er nach Hause gekommen ist und sehr angespannt war, habe ich immer für Ablenkung gesorgt. Über sein Geschäft hat er nie mit mir gesprochen. Was ich nicht weiß, kann ich nicht verraten, war seine Meinung dazu. Aber Sie werden sicher in seinem Büro in der Bank dazu Informationen bekommen können.“

„Warum sind Sie da so sicher?“

„Bekommt jeder jeden Kredit? Mein Mann war, wie es seiner Lebenshaltung entsprach, sehr genau und umsichtig.“

Kleinschmied seufzte und fragte weiter: „Wie steht es mit seinen Freunden? Gibt es welche?“

„Da ist eigentlich nur seine Jagdgesellschaft, mit der er regelmäßig Kontakt hatte. Die Namen und Adressen finden Sie in seinem Computer.“

„Sie gehen nicht auf die Jagd?“

„Woher wissen Sie das?“

„Sie haben ‚seine Jagdgesellschaft’ gesagt.“

„Ich hasse die Jagd. Mein Mann hat die Gesellschaft aus geschäftlichen Gründen gebraucht. Er oder die Bank, ich weiß es nicht besser, hat sogar eine Jagd gepachtet und ein Jagdhaus unterhalten. Wo das ist, finden Sie auch im Computer.“

„Sie waren nie im Jagdhaus? Man muss ja nicht auf das Wild schießen, könnte auch spazieren gehen, die Natur genießen …“

Frau Auberger schien die Frage unangenehm zu sein, doch dann antwortete sie: „Nein nie! Selbst im Urlaub sind wir immer ins Ausland geflogen. Mein Mann hat wenigstens einige Wochen im Jahr von seinen Geschäften nichts wissen wollen.“

„Hatte Ihr Mann Verwandte?“

„Nein, er hat immer gesagt, er sei der ‚letzte Mohikaner’.“

„Ihre Cousine ist Ihre einzige Verwandte?“

„Nein, ich habe noch eine Schwester, die lebt in Amerika.“

Das Auto hielt vor dem Haus von Frau Auberger. Vor dem Haustor wartete eine jüngere Frau. Als sie Frau Auberger sah, lief sie ihr entgegen, fiel ihr um den Hals und sagte weinend: „Ich habe es zu Hause nicht mehr ausgehalten, ich musste einfach herkommen. Es ist doch so schrecklich, was mit Franz passiert ist!“