Kleinschmied und der Teddybär-Mörder - Peter Faust - E-Book

Kleinschmied und der Teddybär-Mörder E-Book

Peter Faust

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Beschreibung

Ein kleiner Hund lief durch den Park eines Vorstadtbezirks, dabei trug er etwas im Maul. Bald erregte er die Aufmerksamkeit der Kinder, die im Sandkasten spielten. Ein Kind rief: 'Er hat einen Teddy im Maul.' Bald liefen Kinder und Erwachsene dem Hund nach. Als sich der Hund nicht einfangen ließ, wurde die Tierrettung gerufen. Der Teddybär wurde gegen ein Stück Wurst eingetauscht. Ein Polizist nahm ihn auf die Inspektion mit, wo festgestellt wurde: 'Der ist durch die Brust geschossen!' So landete ein zerzauster Teddybär am Schreibtisch von Chefinspektor Kleinschmied von der Mordkommission.

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Handlung, Personen und Orte der Handlung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit ist rein zufällig.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

1

Ein kleiner Hund lief durch den Beserlpark eines Vorstadtbezirks. Er trug etwas im Maul, was er auch nicht ausließ, als er an einem Baum sein Haxerl hob. Bald erregte er die Aufmerksamkeit der Kinder, die im Sandkasten spielten. Der weiße Hund mit dem hellbraunen Kopf und dem lustigen, wedelnden Stummelschwänzchen schien plötzlich interessanter zu sein, als die Sandburgen. Ein Kind verließ die Sandkiste, rief „er hat einen Teddy im Maul“ und lief dem Hund nach. Die anderen Kinder folgten seinem Beispiel, als sie bemerkten, dass der Hund tatsächlich etwas im Maul hatte, das wie ein Teddybär aussah. Bald lief eine Schar schreiender Kinder hinter dem Hund her. Der Hund war aber viel flinker als die Kinder und entwischte den Verfolgern immer wieder. So lief ein lustiges Spiel durch den Park: Der Hund lief kreuz und quer gefolgt von den schreienden Kindern. Als aber zwei nicht mehr ganz junge Erwachsene der jagenden und quietschenden Meute wegen zum Sturz kamen, wurden die Kinder von ihren Müttern aufgehalten und aus dem Spiel genommen. Die Mütter der Kinder versuchten jetzt, in maßloser Selbstüberschätzung, den Hund einzufangen. Bald lief im Park dasselbe Schaustück mit den Erwachsenen ab, wie vorhin mit den Kindern. Der Hund lief kreuz und quer durch den Park und vier Frauen hetzten hinter ihm drein, angefeuert durch ihre Kinder. Dem Hund gefiel das Spiel. Es gelang ihm sogar einige Male, zwischen den Beinen seiner Verfolger durchzuschlüpfen, dazu brüllten die Kinder und klatschten Beifall.

Endlich, als die Erwachsenen von der Jagd erschöpft waren und die Kinder vom Spiel genug hatten, wurde von einem barmherzigen Zuseher, einem Polizisten, die Tierrettung gerufen. Genervte Anwohner hatten die Polizei informiert.

Der Tierrettung gelang es gleich, den Hund einzufangen: Der Teddybär wurde einfach gegen ein Stück Wurst eingetauscht. Welcher Hund kann dem Angebot, ein Stück Wurst zu bekommen, widerstehen? Der Hund wurde von der Tierrettung mitgenommen. Nun war wieder Ruhe im Park. Nur ein Polizist sah gedankenvoll mit dem Teddy in der Hand der davonfahrenden Tierrettung nach.

Er nahm den Teddy auf die Inspektion mit und zeigte ihn den Kollegen. Einer der Polizisten sagte: „Der ist durch die Brust geschossen!“

Bei genauer Betrachtung sah es tatsächlich so aus, dass dem Stofftier durch die Brust geschossen worden war. An seiner Rückseite waren Blutspuren zu bemerken. Spuren menschlichen Blutes, wie die Gerichtsmedizinerin feststellte. Daraufhin räumten die Beamten von mehreren Funkstreifen den Park von den Besuchern und begannen mit einer sorgfältigen Durchsuchung. Jedes Gebüsch wurde angeschaut, selbst in den Blumenrabatten wurde Nachschau gehalten und der Sand der Sandkiste durchwühlt. Man wollte unbedingt ein Geschoss finden, das den Teddy durchlöchert haben könnte. Die Mütter standen mit ihren Kindern am Rand des Parks und sahen neugierig zu. Zuvor hatten sie sich ja über die Räumung beschwert, jetzt aber rätselten sie, was die Polizisten so eifrig suchten. Schließlich wurde die Aktion abgeblasen, die Dursuchung des Parks ergab nichts. Endlich wurden auch die Parkbesucher befragt, woher der Hund gekommen sei und ob der hässliche Teddy einem der Kinder gehörte. Da niemand die Fragen beantworten konnte, der Hund war einfach da, er schien herrenlos zu sein und folgte wie die Kinder dem Spieltrieb, rückte die Polizei wieder ein und gab den Park frei.

Der Diensthabende der Polizeiinspektion rief schließlich die Tierrettung an, in der Hoffnung, den sorglosen Hundehalter ausfindig machen zu können. Aber die Tierrettung hatte den Hund bereits in ein Tierheim gebracht. Also wurde dort angerufen und festgestellt, dass der Hund einen Chip mit den Daten seines Besitzers implantiert hatte. Nachdem also der Hundebesitzer festgestellt war, klingelten zwei Funkstreifenbeamten an seiner Wohnungstür.

„Der Herr Nachbar ist nicht da“, sagte eine neugierige Nachbarin.

„Wo ist denn ihr Nachbar?“, wollte die Polizei wissen.

„Was hat er denn angestellt?“

„Nichts. Wir wollen ihm nur etwas bringen, was augenscheinlich ihm gehört.“

„Dann müssen Sie ins Spital fahren, der Nachbar ist im Stiegenhaus über seinen bellenden Hund gefallen und hat sich ein Bein gebrochen.“

„In welches Spital hat man ihn gebracht?“

„Das weiß ich doch nicht. Die Rettung war nicht sehr auskunftsfreudig. Und das mir! Ich habe ja seinen Sturz beobachtet und die Rettung gerufen. Ohne mich läge er ja noch immer da.“

„Wann war denn das?“, mischte sich der zweite Polizist freundlich ein, der bis jetzt nur schweigend zugesehen hatte. „Tag, Stunde, diese Woche oder früher?“

„Diese Woche, am Montag, um 7 Uhr. Der Nachbar muss ja in den Dienst fahren und der arme Hund muss den ganzen Vormittag alleine zu Haus bleiben. Da geht er in der Früh mit ihm noch einmal äußerln.“

Mit dem Datum und den Termin des Rettungseinsatzes war es den Polizisten leicht zu erfahren, dass der Gestürzte ins AKH gebracht wurde. Also fuhr die Funkstreife zum AKH. Hatten sie doch den Auftrag bekommen, ja nicht ohne den verantwortlichen Eigentümer des Hundes heimzukommen.

Der Hundebesitzer war erstaunt, dass zwei Polizisten nach seinem Vierbeiner fragten.

„Der ‚Flocki‘ ist bei der Annemarie Schopf untergebracht. Solange ich im Spital bin, passt sie auf den Hund auf. Die Schopf war Krankenschwester und betreut jetzt, nach ihrer Pensionierung, fallweise alte Menschen. Sie hat auch nach meiner Mutter gesehen, wenn ich auf Auslandsreise war. ‚Flocki‘ hat sie dadurch gekannt und er ist bei ihr sicher gut aufgehoben. Ist der Schopf etwas passiert, wenn der ‚Flocki‘ alleine herumläuft?“

„Das wissen wir nicht“, sagte der eine Polizist.

„Wo wohnt Annemarie Schopf?“, wollte der zweite Polizist wissen.

„In der Josefstadt. Die genaue Adresse kenn ich nicht, ich hab sie nur immer angerufen. Moment“, der Hundebesitzer nahm sein Handy vom Nachttisch und wählte eine vorprogrammierte Nummer. „Sie meldet sich nicht. Wollen Sie die Nummer haben?“

Man schrieb sich die Nummer auf. „Die Adresse wäre sicher auch hilfreich.“

„Die können Sie aber hier im Spital erfahren, die Schopf hat in dieser Abteilung gearbeitet.“

Die Oberschwester hatte die gewünschte Adresse. Die Funkstreifenbeamten fuhren zur Wohnung der Krankenschwester und klingelten. Nachdem auf das wiederholte Klingeln niemand öffnete, steckten die Beamten eine Benachrichtigung mit der Bitte ihre Polizeiinspektion zu kontaktieren in den Postkasten und rückten wieder ein, um Meldung zu erstatten. Nachdem auch am nächsten Tag nichts von Frau Schopf zu hören war, wurden die beiden Funkstreifenbeamten wieder ausgeschickt.

„Ist das nicht schon ein Fall für die Kriminalpolizei?“

„Jetzt fragt einmal die Nachbarn, ob die etwas über Frau Schopf wissen, dann sehn wir weiter“, war die Antwort des Stellenleiters.

Natürlich öffnete auf das Klingeln an Frau Schopfs Wohnungstür niemand. Nachbarn waren keine zu Hause, nur der alte Mann in der kleinen Parterrewohnung war da. Auf die Frage, ob er wisse, wo Frau Schopf ist, sagte er erleichtert: „Ich hab mich gerade angezogen, um zur Polizeiinspektion zu gehen, ich mache mir Sorgen um die Annemarie. Ich hab sie zuletzt gestern Früh gesehen, wie sie mit dem ‚Flocki‘ Gassi gegangen ist. Am Nachmittag hätte sie mir den Hund bringen sollen, da wäre ich mit dem Spaziergang an der Reihe gewesen. Der Hund hätte bei mir dann bis zum Abend bleiben sollen, bis ihn die Annemarie abgeholt hätte.“

„Haben Sie einen Schlüssel für die Wohnung der Frau Schopf?“

„Nein. Sie hat immer mich kontaktiert.“

Nach Rücksprache mit dem Inspektionskommando wurde beschlossen, die Eingangstür zur Wohnung Schopf öffnen zu lassen. Der gerufene Schlosser stellte bald fest, dass die Tür nur zugemacht aber nicht versperrt war. Als man die Tür öffnen wollte, sie ging nach innen auf, stieß man auf ein Hindernis: Annemarie Schopf lag erschossen in ihrem Vorzimmer. Sie lag am Rücken, mit den Füßen zur Tür. Die Tür stieß an die Füße an und ließ sich daher nicht ganz öffnen.

Nun wurde die Kriminalpolizei benachrichtigt. Chefinspektor Kleinschmied und seine Kriminalassistentin Bezirksinspektor Berta Dolies bekamen den Fall übertragen und erschienen am Tatort, wo sie von den Funkstreifenbeamten informiert wurden.

Die Gerichtsmedizinerin Doktor Agnes Burgfried stellte auf die übliche Frage Kleinschmieds nach der ungefähren Todeszeit fest: „Gestern später Vormittag.“

„Der Gesichtsausdruck, Frau Doktor?“, fragte Frau Dolies.

„Überrascht.“

„Zwischen überrascht und entsetzt“, korrigierte Kleinschmied.

„Was kann da passiert sein?“

„Sie öffnete und war überrascht“, versuchte es Frau Dolies.

„Hat die Waffe gesehen und hatte keine Zeit mehr, richtig entsetzt zu sein, sie wurde vorher erschossen. Der Schuss ging direkt, vermutlich aus nächster Nähe ins Herz. Allerdings fehlen Pulverspuren am Kleid rund um den Einschuss“, ergänzte Doktor Burgfried.

„Was macht sie mit den Händen?“, fragte Kleinschmied. „Die linke Hand hing im Stehen herunter und liegt entsprechend neben dem Körper der Leiche. Doch die Rechte? Was macht die Rechte unterhalb der Einschussöffnung am Körper liegend? Die Haltung sieht aus, als hätte sie einen größeren Gegenstand gehalten.“

„An den Körper gepresst“, ergänzte Frau Dolies.

„Richtig“, meinte auch Doktor Burgfried, nachdem sie noch einmal genau die Lage der Leiche betrachtete.

„Herr Dvorak“, fragte sie den Leiter der Spurensicherungsgruppe, „haben Sie schon alle Fotos? Ich möchte die Leiche bewegen.“

„Ja“, war Dvorak kurz angebunden. Es waren ihm zu viele Leute im kleinen Vorzimmer, er fürchtete immer, dass Spuren verunreinigt würden.

Doktor Burgfried drehte die Leiche auf die Seite und man sah deutlich den Ausschuss und am Boden eine etwa 15 Zentimeter lange Blutspur. „Die Leiche wurde in Richtung Fenster bewegt. Wahrscheinlich konnte der Täter sonst die Eingangstür nicht schließen.“

„Das Geschoss steckt im Fensterrahmen“, sagte Dvorak. „Es ist ein geteiltes Fenster. Das Geschoss ist dort aufgeprallt, wo die beiden Fensterhälften zusammenschließen. Wo anders wäre es sicher auf die Straße geflogen. Dass die Leiche verschoben wurde, erkennen Sie am halbausgezogenen rechten Schuh.“

„Wie hat er das gemacht?“, fragte Frau Dolies zweifelnd.

„Was?“

„Das Verschieben?“

„Er wird sie von hinten unter den Achseln gepackt und kurz angezogen haben“, meinte Dvorak.

„Und da bleibt die abgewinkelte rechte Hand, wo sie ist?“, fragte Kleinschmied.

„Nein, er muss sie nach dem Verschieben so hingelegt haben“, sagte Doktor Burgfried.

„Also eine Art Aufbahrung?“, fragte Frau Dolies.

„Dann muss sie mit der Rechten nichts gehalten haben“, blieb Frau Dolies zweifelnd. „Herr Dvorak, haben Sie einen geeigneten Gegenstand gefunden?“

„Nein.“

„Vielleicht hat den Gegenstand der ‚Flocki‘ mitgenommen, Herr Chefinspektor“, sagte einer der Funkstreifenpolizisten. „Sie wissen ja, der Teddy, der uns durchschossen vorgekommen ist.“

„Haben Sie den Teddy dabei?“, fragte Kleinschmied.

„Ja.“

Kleinschmied nahm den Teddy und betrachtete ihn von jeder Seite. „Hinten ist eine Blutspur. Frau Doktor, bitte bestimmen. Ich fürchte, das ist die Blutgruppe der Toten. Gehen wir einmal davon aus. Der Hund war ja nach den Aussagen der Hausbewohner zur Zeit des Schusses in der Wohnung. Er hatte sich versteckt oder wurde, weil er klein war, nicht beachtet. Der Hund packte sich den Teddy und entwischte dem Täter. Der Täter korrigierte die Lage der Leiche und arrangierte die rechte Hand so, als hätte sie noch den Teddy in der Hand. Mich lässt der Gedanke nicht los, dass es dem Täter wichtig war, die Krankenschwester durch das Stofftier hindurch zu töten. Schauen Sie, Frau Doktor, da am Teddy sind doch Pulverspuren.“

Alle schwiegen. Dann sagte Doktor Burgfried: „Wenn Sie recht haben, ist der Täter wieder ein ordentlicher Psychopath.“

„Unsere Kunden sind selten normal, Frau Doktor. Ein normaler Mensch beschimpft manchmal seinen Nächsten, aber er bringt ihn nicht um“, sagte der Chefinspektor lächelnd.

„Dvorak, gibt es in der Wohnung Spuren vom Hund ‚Flocki‘?“

„Ja, da auf der Vorzimmerkommode liegen Leine und Beißkorb, und im Schlafzimmer steht neben dem Bett eine Hundekoje.“

„Auf der Bettdecke sind kurze, weiße Hundehaare“, rief ein Mitglied der Spurensicherung aus dem Schlafzimmer.

„Auf der Bettbank vor dem Fernseher auch“, rief ein anderer.

Kleinschmied schickte noch die Polizisten und Frau Dolies durchs Haus, um zu fragen, ob jemand einen Schuss gehört oder etwas Besonderes gesehen hatte. Doch die Bewohner des Hauses hatten nichts gesehen und gehört.

2

Einen Tag nach dem Mord an der Krankenschwester Annemarie Schopf gab es den zweiten Mord im Bezirk. Diesmal starb ein Mann, der Anwalt Magister Roland Lang.

Chefinspektor Kleinschmied kam zum Tatort und erfuhr den Namen des Toten: „Wie heißt das Opfer?“, fragte er ungläubig.

„Magister Roland Lang“, antwortete der Polizist.

„Ist nicht vor einigen Jahren bei einem Bankraub ein Polizist ums Leben gekommen, der Lang geheißen hat?“, fragte Frau Dolies.

„Frau Schmidt soll sich darum kümmern, rufen Sie meine Büroassistentin gleich an, Frau Dolies“, antwortete Kleinschmied.

Der Chefinspektor betrachtete die Leiche. Sie lag auf dem Rücken, im Vorzimmer seiner Wohnung mit den Füßen zur Eingangstür. Die linke Hand hielt einen Teddybären auf der Brust fest. Die rechte Hand lag locker neben dem Körper. „War das Opfer Linkshänder, Dvorak?“, fragte er.

Dvorak kam aus dem Arbeitszimmer und sagte: „Nach der Anordnung der Schreibutensilien ist das sehr wahrscheinlich.“

„Wer hat ihn gefunden?“, wollte Kleinschmied wissen.

„Die Putzfrau Amalia Langpaul“, antwortete ein Polizist. „Wir haben sie mit der Rettung nach Hause bringen lassen. Sie hat einen Nervenzusammenbruch bekommen, als ihr der Sanitäter gesagt hat, dass der Anwalt tot ist.“

„Sie hat zuerst geglaubt, dass dem Anwalt nur schlecht geworden war und hat die Rettung verständigt“, sagte ein anderer Polizist. „Die Rettung hat uns verständigt und dann die Putzfrau zu beruhigen versucht. Sie hat aber noch immer geheult, wie wir gekommen sind, so haben wir sie nach Hause geschickt.“

Kleinschmied schaute auf die Uhr und seufzte: „Gut, wir werden sie morgen besuchen.“

„Die Augen schauen anders aus, als bei Annemarie Schopf. Lang schaut erwartungsfroh“, sagte Doktor Burgfried, die hinter den Chefinspektor getreten war. „Ich bin im Stau gestanden, darum komm ich erst jetzt.“

„Magister Roland Lang ist der Sohn des nach dem Bankraub erschossenen Polizisten Siegfried Lang. Frau Schmidt hat die Unterlagen angefordert“, meldete Frau Dolies, deren Handy geläutet hatte.

„Herzschuss aus nächster Nähe, mitten durch den Teddy“, konstatierte Doktor Burgfried, nachdem sie sich die Leiche etwas genauer angeschaut hatte.

„Sie können ihn umdrehen“, mischte sich Dvorak ein.

„Keine Bedenken?“, versuchte ihn Doktor Burgfried zu provozieren. „Sind Sie krank, Herr Dvorak?“

„Wenn ich krank bin, konsultiere ich keine Gerichtsmedizinerin“, brummte Dvorak. Er hatte keine Lust wie sonst mit Doktor Burgfried zu streiten.

Also drehte die Pathologin das Opfer zur Seite und sagte, nach einem kurzen Blick auf die Ausschusswunde: „Diese Leiche wurde nicht bewegt, wie die der Krankenschwester.“

„Der Mann stand weiter von der Tür weg als die Krankenschwester, seine Füße blockieren daher die Tür nicht“, erklärte Dvorak. „Es hat niemand die Patronenhülse entfernt: Neun Millimeter, schon sehr alt, wahrscheinlich aus einer P38 abgefeuert.“

„Noch aus dem Krieg?“, fragte Kleinschmied.

„Ja.“

„Wieso funktioniert so eine alte Patrone noch?“, wollte Frau Dolies wissen.

„Wenn sie entsprechend gelagert war, ist die Zersetzung des Pulvers noch nicht groß. Der Schütze riskiert aber, dass ihm die Waffe zerrissen wird. Je älter das Pulver ist, umso brisanter ist es. Wahrscheinlich war das dem Täter egal.“

„Oder er hat nicht gewusst, in welcher Gefahr er bei der Schussabgabe schwebte“, murmelte Kleinschmied. „Geschätzte Tatzeit, Frau Doktor?“

„Es ist jetzt 14 Uhr, vor etwa drei Stunden.“

„Gut. Eine P38 muss man hören. Also Frageaktion durch das Haus. Frau Dolies, wir fragen gleich den Nachbarn, der steht schon die ganze Zeit vor der Tür.“

Der Nachbar hatte tatsächlich etwas zu berichten: „Ich hab den Lift gehört und war neugierig, ob das wieder nur das Wartungspersonal war, oder endlich ein Hausbewohner, der mit dem Lift gefahren ist“, sagte er aufgeregt. „Sie müssen wissen, dass unser Lift recht altersschwach ist. Ich bin auch nicht mehr so beweglich und daher froh, wenn der Aufzug funktioniert. Durch den Türspion hab ich einen Mann gesehen, der hat Illustrierte unter dem linken Arm getragen, und einen Teddybären. Ich hab mich noch gewundert, dass ein Vertreter, der Zeitschriften und Magazine verkaufen will, auch Teddybären dabei hat. Dann hab ich noch gesehen, wie der Vertreter beim Herrn Lang geläutet hat. Als die Tür aufging, ist er hineingegangen, hat kurz mit Herrn Lang geredet und ist auch schon wieder herausgekommen. Er, und nicht der Herr Lang, hat die Wohnungstür zugemacht. Als er zum Lift ging, hab ich bemerkt, dass er zwar noch das Bündel Zeitschriften, aber nicht mehr den Teddy unter dem linken Arm hatte. Auch war ich ein bisschen enttäuscht, dass er mir keine Zeitschriften verkaufen wollte. Ein kleines Pläuschchen wär mir ganz willkommen gewesen. Wie ich dann vorhin die Frau Langpaul schreien gehört habe und die Polizei gekommen ist, war ich schon recht froh, dass der Mörder nicht auch bei mir angeläutet hat.“

„Haben Sie den Mann gekannt, der zum Anwalt gekommen ist?“, fragte Frau Dolies.

„Nein, noch nie gesehen.“

„Können Sie ihn beschreiben?“, fragte der Chefinspektor.

„Ja. Nicht sonderlich groß, schlank, fast dürr. Er hatte einen Anzug an, nicht so ein ‚Outfit‘, sondern einen soliden Anzug. Das blonde Haar war kurzgeschnitten und sehr schütter.“

„Wie alt kann er gewesen sein?“

„Mitte vierzig.“

„Haben Sie einen Schuss gehört?“

„Nein.“

„Nein?“, wunderten sich Frau Dolies und der Chefinspektor im Chor.

„Nein!“

„Dann hat er einen Schalldämpfer benützt“, sagte Frau Dolies spontan, was ihr einen rügenden Blick von Kleinschmied eintrug.

„Eine Pistole mit aufgesetztem Schalldämpfer ist lang“, sagte Kleinschmied nachdenklich. Dann fragte er: „Sie sagten doch, dass der Anzug des Mannes, den Sie beobachtet haben solide war, ist er auch korrekt gesessen? Hat es keine Ausbeulungen gegeben? Etwa durch ein Pistolenholster?“

„Nein, gab es nicht, der Anzug saß wie angemessen. Wenn ich sowas sehe, wundere ich mich immer, warum sich ein Mensch so eine Kleidung zumutet, ich liebe es bequem und nicht eng anliegend. Darum fällt mir so ein Anzug auch gleich auf.“

„Das Zeitschriftenbündel, Herr Chefinspektor!“, sagte Frau Dolies.

„Ist Ihnen an den Zeitschriften, die der Mann unter dem Arm getragen hat etwas aufgefallen?“, fragte Kleinschmied.

„Ja“, antwortete der Nachbar etwas unschlüssig. „Als er herausgekommen ist, hat der Teddy gefehlt und die Zeitschriften waren irgendwie in Unordnung, zueinander verschoben und ausgebeult. Sie meinen er hat die Waffe mit den Zeitschriften verdeckt getragen?“

„Ja, das kann man aus Ihren Beobachtungen schließen.“

Nachdem die anderen Hausbewohner entweder nichts gesehen hatten oder gar nicht angetroffen wurden, weil sie in der Arbeit waren, fuhren Frau Dolies und Kleinschmied wieder ins Büro zurück.

„Frau Schmidt, haben sie jemand vom Büro des Anwalts Lang gesprochen?“, fragte Kleinschmied.

„Ja, die Sekretärin, Frau Paula Vielsprecher, ist zwar schon heimgegangen, sie wartet aber auf meinen Anruf, dann geht sie ins Büro und Sie können sie sprechen. Die Wohnung ist ganz in der Nähe ihres Büros. Sie will nur vorher wissen, ob sie die Schreibkraft mitbringen soll, die nur zeitweise beschäftigt ist?“

„Soll sie mitbringen.“

Also erschienen der Chefinspektor und seine Assistentin im Anwaltsbüro und wurden von Frau Vielsprecher und einer jungen Frau erwartet.

„Bitte bedenken Sie, was wir wissen wollen, dient ausschließlich der Aufklärung des Mordes an ihrem Chef. Antworten Sie bitte ausführlich und ohne Rücksichtnahmen auf Arbeit und Kunden“, begann der Chefinspektor.

Die beiden Frauen nickten nur zustimmend.

„Welche Klientel hat die Kanzlei?“

„Wir haben uns auf Erbstreitereien spezialisiert.“

„Errichten Sie auch Testamente?“

„Selten. Wir vertreten zumeist die Ansprüche der Erben, sowohl die, welche sich geprellt fühlen, als auch die, welche geklagt werden. Nicht gleichzeitig, versteht sich“, antwortete Frau Vielsprecher.

„Ich nehme an, dass Sie die mittlere und die gehobene Schicht der Gesellschaft vertreten?“

„Ja, so ist es.“

„Kümmern Sie sich auch um Ehestreitigkeiten und Scheidungen?“

„Selten.“

„Hat es in letzter Zeit Streitigkeiten oder unübliche Vorfälle gegeben?“

Die Sekretärin schüttelte den Kopf: „Nein, keine Streitigkeiten oder Vorfälle, die mir als solche in Erinnerung wären.“

Die Schreibkraft ergänzte: „Es war zwar kein Vorfall, aber vergangene Woche war ein Privatdetektiv beim Herrn Magister. Ich hab noch nie einen Detektiv bei uns gesehen.“

„Bei Scheidungen werden öfters Detektive bemüht, um Material zu sammeln. Hat es in letzter Zeit Scheidungsverhandlungen gegeben?“, fragte Frau Dolies.

„Nein.“

„Den Detektiven haben doch sie bestellt“, wunderte sich die Schreibkraft.

„Stimmt“, bestätigte die Sekretärin. „Den Privatdetektiv musste ich bestellen, weil der Herr Magister den Mörder seines Vaters finden wollte.“

„Aber den Mörder des Polizisten Siegfried Lang hat doch die Polizei längst gefasst. Es war Franz Murthaler, der mittlerweile im Gefängnis gestorben ist.“

„Der Murthaler hatte eine Tochter, eine Krankenschwester. Unser Chef wollte mit ihr sprechen, und der Detektiv sollte sie ausfindig machen. Der Herr Magister wollte nicht, dass sein Vater umsonst gestorben ist, wie er immer sagte. Er hat seinen ganzen Ehrgeiz dazu verwendet, das beim Bankraub entwendete Geld zu finden und wollte es zurückgeben.“

„Was soll die Krankenschwester mit dem Bankraub zu tun haben?“

„Eine Tochter weiß am ehesten, was ihr Vater tut“, meinte mein Chef.

„Wie heißt der Privatdetektiv?“, fragte Frau Dolies.

„August Pribil.“

„Hat Pribil die Tochter gefunden?“, setzte Frau Dolies ungeduldig nach.

„Ja. Aber sie wollte nichts mit uns zu tun haben, sie hat ihren Vater und seine Verbrechen gehasst“, meinte die Schreibkraft.

„Woher wollen Sie das wissen?“, fuhr sie die Sekretärin an.

„Das hat mir der Pribil erzählt.“

„Weil sie dem Pribil schöne Augen gemacht haben. Das hat ihn bloß von der Arbeit abgehalten. Unser Chef war davon überzeugt, dass die Krankenschwester Schopf nur auf unschuldig spielte und ganz genau gewusst hat, wo das geraubte Geld war.“

„Das hilft uns leider auch nicht weiter, Annemarie Schopf wurde genauso erschossen wie Ihr Chef“, murrte Kleinschmied unzufrieden.

„Hat Magister Lang mit Frau Schopf Kontakt aufnehmen können?“, fragte Frau Dolies.

„Das weiß ich nicht“, antwortete die Sekretärin.

„Wissen Sie etwas?“, fragte Frau Dolies die Schreibkraft.

„Ich schon gar nicht“, wies die Schreibkraft die Frage brüsk zurück.

Da das alles war, was die Kriminalisten von den beiden Angestellten der Rechtsanwaltskanzlei erfuhren, brach der Chefinspektor das Gespräch ab.

Zurück im Büro berichtete Kleinschmied seinem Vorgesetzten und Freund Oberst Kupsky: „Der durchschossene Teddy im Mordfall Lang zeigt den Zusammenhang mit dem Mord an der Krankenschwester Schopf. Ich vermute, dass der Mörder einen Schalldämpfer für seine Waffe verwendet hat, damit niemand den Schuss hören konnte. Ein Nachbar von Lang hat die Szene durch das Guckloch seiner Wohnungstür gesehen, konnte aber die Tat nicht erkennen. Er hat keinen Schuss oder so etwas Ähnliches gehört. Wenn die Waffe wirklich eine alte P38 war, wie Dvorak wegen der alten Patronenhülse vermutet, so ist deren Mündungsgeschwindigkeit kleiner als die Schallgeschwindigkeit. Der Schalldämpfer wirkte daher optimal und niemand hat etwas vom Schuss gehört, weil es ja keinen Überschallknall gab.

Der Täter hat sich den Anschein gegeben ein Verkäufer von Illustrierten zu sein. Einige Exemplare hatte er ja unter dem linken Arm geklemmt. Vermutlich hat er ja seine bereits mit dem Schalldämpfer ausgerüstete Pistole durch die Illustrierten verdeckt getragen.“

„Welche Rolle spielen die Teddys?“, fragte der Oberst empört. „Wie kann ein hochbeliebtes Kinderspielzeug eine Rolle bei einem brutalen Mord spielen?“

„Wenn ich das wüsste, Franz, hätte ich dir den Täter schon mitgebracht.“

3

Chefinspektor Kleinschmied wollte die Putzfrau Amalia Langpaul aufsuchen, um sie über ihre Dienste bei Magister Lang zu befragen. „Geben Sie mir bitte die Adresse der Frau Langpaul“, sagte er zu seiner Büroassistentin.

„Gleich, ich sorge nur schnell dafür, dass sie zu Hause ist, wenn Sie dort sind.“

„Das klingt, als wollten Sie für den Herrn Chefinspektor einen Termin bei einer Putzfrau machen!“, lachte Frau Dolies.

Und tatsächlich, Frau Schmidt hatte es geschafft, ihren Chef bei der Putzfrau anzukündigen, obwohl Frau Langpaul weder Handy noch Festnetztelefon besaß. Der als Hausmeister dilettierende Pensionist in der Parterrewohnung, hatte den Kontakt hergestellt. Er besaß einen Festnetzanschluss.

„Wie konnten Sie wissen, dass der Pensionist telefonisch erreichbar ist und, dass er willens ist, als Infodrehscheibe zu wirken?“, fragte Sie der Chefinspektor.

„Die zuständige Polizeiinspektion hat eine Liste der Ansprechpartner in den Zinshäusern. Hausmeister sind schon längst Luxusartikel geworden.“

Als Kleinschmied in die bescheidene Wohnung im dritten Stock kam, roch er sofort den Kaffee, der für seinen Besuch extra gekocht worden war. Frau Langpaul bat ihn in ihre Wohnküche, wo eine frische Tasse, eine Kanne Kaffee und, auf einen Glasteller, eine Cremeschnitte bereitstanden.

„Bitte setzen Sie sich, Herr Chefinspektor. Die Cremeschnitte wird ihnen schmecken. Wollen sie Milch in den Kaffee?“

„Nein, danke.“

Kleinschmied setzte sich.