Klima. Mensch. Geschichte. - Brian Fagan - E-Book
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Klima. Mensch. Geschichte. E-Book

Brian Fagan

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Beschreibung

Sämtliche Zivilisationen in der Geschichte litten unter Klimainstabilitäten. Für einige der mächtigsten Hochkulturen bedeuteten sie sogar den Untergang. Was können wir daraus lernen? Meteorologie und Archäologie können heute sowohl die Klimageschichte als auch die Reaktionen der Menschen darauf im Detail nachzeichnen. Die Lektion ist klar: Die vorausschauend planenden Gesellschaften hatten die größten Überlebenschancen. Dieses Buch zeigt eindrucksvoll, wie unsere Vorfahren mit chaotischem Klima zurechtkamen und welche Strategien wir daraus ableiten können, um im Kampf für eine bessere und sichere Zukunft zu bestehen.

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INHALT

VORWORT

ANMERKUNG DER AUTOREN

BEDEUTENDE KLIMATISCHE UND HISTORISCHE EREIGNISSE

Vor 15 000 Jahren bis heute

PROLEGOMENON. BEVOR WIR BEGINNEN

Feuer, Eiszeiten und mehr

1 | EINE EISIGE WELT

(vor ca. 30 000 bis vor 15 000 Jahren)

2 | NACH DEM EIS

(vor 15 000 Jahren bis ca. 6000 v. Chr.)

3 | MEGADÜRRE

(ca. 5500 v. Chr. bis 651 n. Chr.)

4 | NIL UND INDUS

(3100 bis ca. 1700 v. Chr.)

5 | DER UNTERGANG ROMS

(ca. 200 v. Chr. bis zum 8. Jahrhundert n. Chr.)

6 | DIE TRANSFORMATION DER MAYA

(ca. 1000 v. Chr. bis ins 15. Jahrhundert n. Chr.)

7 | GÖTTER UND EL NIÑOS

(ca. 3000 v. Chr. bis zum 15. Jahrhundert n. Chr.)

8 | CHACO UND CAHOKIA

(von ca. 800 bis 1350 n. Chr.)

9 | DIE VERSCHWUNDENE ­METROPOLE

(802 bis 1430 n. Chr.)

10 | AFRIKAS REICHWEITE

(1. Jahrhundert v. Chr. bis 1450 n. Chr.)

11 | EIN WÄRMEEINBRUCH

(536 bis 1216 n. Chr.)

12 | „NEU-ANDALUSIEN“ UND DARÜBER HINAUS

(1513 n. Chr. bis heute)

13 | DAS EIS KEHRT ZURÜCK

(ca. 1321 bis 1800 n. Chr.)

14 | GEWALTIGE ERUPTIONEN

(1808 bis 1988 n. Chr.)

15 | ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT

(Heute und morgen)

DANK

ANMERKUNGEN

AUTOREN

IMPRESSUM

Für Michael McCormick

Mit großem Dank für seine Ermutigung und seine klugen Ratschläge.

Er ist ein Vorbild für das „anbrechende Zeitalter der vereinten ­interdisziplinären Erforschung der menschlichen und natürlichen ­Vergangenheit.“

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VORWORT

Nekhen, Oberägypten, ca. 2180 v. Chr. Anchtifi war ein sehr mächtiger Mann in einem von Zwist und Hunger geplagten Ägypten. Er war ein Nomarch, der höchste Beamte eines Verwaltungsbezirks (Gau), und somit zumindest theoretisch ein Untergebener des Pharaos, de facto jedoch einer der einflussreichsten Männer des Staates. Schritt er in feierlicher Prozession zum Tempel des Sonnengottes Amun, umgaben ihn schwer bewaffnete Leibwächter. Dabei war er ganz in Weiß gekleidet, trug eine perfekt frisierte Perücke und Ketten aus Halbedelsteinen um seinen Hals. Im hellen Sonnenlicht schaute der Staatsmann weder nach links noch nach rechts. Dabei schien er die Menschenmassen zu ignorieren, die sich entlang des Weges versammelt hatten. Er trug seinen langen Amtsstab und die zeremonielle Keule (Streitkolben) in Händen sowie einen reich verzierten, geknüpften Gürtel um die Taille. Unaufhörlich ließen die ihn begleitenden Wachen ihre Blicke nach vorn und nach hinten schweifen, stets auf der Hut vor Speeren und Messern. Die Menschen hatten leere Mägen, denn die Lebensmittelrationen, die sie bekamen, waren äußerst dürftig. Diebstahl und andere kleine Gewalttaten nahmen zu. Ein Horn ertönte, als der mächtige Mann den Tempel mit dem dunklen Schrein betrat, in dem der Sonnengott ihn bereits erwartete. Stille kehrte ein, als der Nomarch Amun seine Opfergaben darbrachte und für eine gute Überschwemmung betete, um die Not der letzten Jahre zu mildern.

So war es schon seit vielen Generationen, länger als viele Bauern dieser Region sich erinnern konnten. Unten am Nilufer hatten Priester den Fluss seit Tagen beobachtet und seinen Pegel an den Stufen des Flussufers markiert. ­Einige von ihnen waren der Verzweiflung nahe, denn sie erkannten, dass die Flut zurückging. Doch sie blieben voller Hoffnung, denn sie glaubten daran, dass die Götter den Fluss und die Fluten lenkten, die ihn flussaufwärts nährten. ­Anchtifi war ein starker, geradliniger Mann, der seinen Verwaltungsbezirk mit eiserner Hand führte. Er rationierte die Nahrungsmittel, überwachte die Bewegungen der Menschen und schloss die Grenzen zu seinem Gau – dies alles jedoch mit der tief im Herzen verwurzelten Überzeugung, dass sie alle der Gnade der Götter ausgeliefert waren. Schließlich war es schon immer so gewesen.

Gemeinsam mit seinen Zeitgenossen lebte Anchtifi in einer ägyptischen Welt, die vom Nil beherrscht wurde. Es war ein Leben in unruhigen Zeiten, in denen die erhofften Überschwemmungen oft gering und die Hungersnöte groß waren – nicht wesentlich anders, als wir es heute erleben. Die Klimaherausforderungen, denen wir uns gegenwärtig stellen müssen, sind global und von noch nie da gewesenem Ausmaß. Unzählige Menschen, von Politikern über religiöse Führer bis hin zu Aktivisten und Wissenschaftlern, verkünden, dass die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht. Viele Experten ermahnen uns, dass wir noch immer eine Chance haben, um unseren Kurs zu korrigieren und das mögliche Aussterben zu verhindern. Obwohl dem tatsächlich so ist, haben wir dennoch das gewaltige Erbe weitgehend vergessen, das wir Menschen im Zusammenhang mit dem Klimawandel angetreten haben.

In weiten Kreisen herrscht die Überzeugung, dass die menschlichen Erfahrungen mit den Klimaveränderungen der Vorzeit für die heutige ­industrialisierte Welt irrelevant seien. Doch nichts könnte weniger der Wahrheit entsprechen. Sicher können wir die Lehren der Vergangenheit nicht direkt auf unser Leben heute übertragen. Dank jahrelanger archäologischer Forschung haben wir aber mehr über uns selbst als Individuum und als Gesellschaft gelernt. Zudem ist unser Wissen über die Anpassung an Klimaveränderungen über lange Zeiträume hinweg deutlich gewachsen.

Erschreckenderweise schreitet unsere vielfältige Abhängigkeit von fossilen Energieträgern (Kohle, Erdöl, Erdgas), bei deren Verbrennung Kohlenstoffdioxid (CO2) entsteht, praktisch unvermindert fort. Ein niederschmetternder Beweis für die Bedrohung, die der vom Menschen gemachte Klimawandel ist, sind beispielsweise die katastrophalen Waldbrände, die im Jahr 2020 den amerikanischen Westen heimsuchten. Anhaltende globale Erwärmung, immer häufiger auftretende Wirbelstürme und andere Extremwetterereignisse, der steigende Meeresspiegel, beispiellose Dürren und rekordverdächtige Temperaturen: Die Liste der Bedrohungen scheint nicht enden zu wollen. Eine außerordentlich hohe Anzahl wissenschaftlicher Studien hat mittlerweile zweifelsfrei bewiesen, dass wir Menschen den hohen CO2-Gehalt in der Atmosphäre verursachen.

Ungeachtet dessen haben sich Heerscharen von Klimaleugnern zusammengefunden. Häufig verteidigen sie genau jene Industrien, die sie finanzieren und die verkünden, dass die globale Erwärmung, der Anstieg des Meeresspiegels sowie die immer häufiger auftretenden Extremwetterereignisse Teil eines natürlichen Kreislaufs sind. Diese „Skeptiker“ geben viel Geld für aufwendige Des­informationskampagnen aus und machen selbst vor jenen Verschwörungstheorien nicht halt, die die Wissenschaft in Misskredit bringen. Sie sind derart überzeugend, dass ein erheblicher Prozentsatz der Erdbevölkerung glaubt, sie sprächen die Wahrheit. Doch auf welcher Grundlage beruhen ihre Schlussfolgerungen? Wir wollen uns hier mit den bahnbrechenden Wissensfortschritten befassen, mit denen der Mensch dem Klimawandel in den vergangenen 30 000 Jahren begegnet ist. Wie sind die Menschen mit den Unwägbarkeiten des Wetters und des Klimas umgegangen? Welche ihrer Maßnahmen waren erfolgreich und welche sind gescheitert? Welche Lehren können wir aus ihren Entscheidungen für unser Leben ziehen, um daraus für unsere eigene Zukunft zu lernen? Die Behauptungen der Klimaleugner haben in diesen Diskussionen keinen Platz.

Noch vor einem Vierteljahrhundert wäre es unmöglich gewesen, diese Geschichte zu erzählen. Unter allen historischen Wissenschaften ist die Archäologie einzigartig in ihrer Fähigkeit, die Entwicklung und den Wandel menschlicher Gesellschaften über extrem lange Zeiträume hinweg zu erforschen. Denn die historische Perspektive der Archäologen reicht viel weiter zurück als bis zur Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten oder zum Römischen Reich. Die rund 5100 Jahre unserer Geschichtsschreibung sind nicht mehr als ein Wimpernschlag im Vergleich zu den 6 Millionen Jahren menschlicher Erfahrung. Auf den folgenden Seiten werden wir unser historisches Teleskop auf den Menschen und den Klimawandel innerhalb eines ganz bestimmten Abschnitts dieser langen Chronik richten: auf die letzten 30 000 Jahre, vom Höhepunkt der Letzten Eiszeit bis zur Neuzeit – eine Periode bemerkenswerter Wandlung in der menschlichen Gesellschaft. Ebenso einschneidende wie auch revolutionäre Erkenntnisse über den Klimawandel der Vorzeit verdanken wir der Paläoklimatologie. Sie untersucht und rekonstruiert historische Klimaverhältnisse anhand von Messungen, Analysen und sogenannten Proxiedaten aus Klimaarchiven wie Eisbohrkernen und Baumringen. Ein Großteil der aktuellen Forschung ist hoch spezialisiert, auf dem neuesten Stand der Technik und äußerst rasant voranschreitend. Im Wochentakt erscheinen neue bedeutende Studien. Hier den Überblick zu behalten und alle neuen Informationen zu bewältigen, ist ein gewaltiges Unterfangen, das nur wenige Laien anspricht. Anstatt unsere Geschichte im Morast wissenschaftlicher Einzelheiten versinken zu lassen, haben wir daher ein Prolegomenon – eine Art Vorrede – zur Klimatologie geschrieben, das die Seiten 27 bis 44 umfasst. In dieser Vorrede geben wir einen Überblick über die wichtigsten ­Klimaphänomene (z. B. den El Niño und die Nordatlantische Oszillation), sowie die am häufigsten verwendeten Methoden zur Erforschung des Klimas der Vorzeit. Wir halten eine vorangestellte Erörterung dieser Themen für sinnvoll, damit wir nicht von der Kernaussage unserer Schilderung abkommen, die in erster Linie archäologisch und historisch begründet ist.

Erst jetzt können wir Archäologen und Historiker damit beginnen, die Geschichte des Klimawandels der Vorzeit zu erzählen. Wir sind der festen Überzeugung, dass die Anpassungsstrategien unserer Vorfahren an lang- und kurzzeitige Klimaveränderungen von unmittelbarer Bedeutung für die heutige, vom Menschen verursachte (anthropogene) globale Erwärmung sind. Warum? Weil wir aus den Lektionen der Vergangenheit lernen können: Wie haben unsere Vorfahren die schwierigen Lebensbedingungen bewältigt, die der Klimawandel mit sich brachte, oder warum sind sie gescheitert? Wie der US-amerikanische Astrophysiker Carl Sagan schon 1980 sagte: „Man muss die Vergangenheit kennen, um die Gegenwart zu verstehen.“

KLIMA. MENSCH. GESCHICHTE. stützt sich nicht nur auf die neuesten Erkenntnisse aus der Paläoklimatologie, sondern ebenfalls auf die sehr innovative, weit gefächerte Forschungsliteratur der Geistes- und Humanwissenschaften, darunter die Anthropologie, Archäologie, Ökologie und Umweltgeschichte. Wir bringen in diesem Buch auch Beiträge ans Tageslicht, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten ihr Dasein im Verborgenen von Fachzeitschriften und Universitätsbibliotheken fristeten, denn sie geben tiefe Einblicke in den Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten und Klimaverhältnissen der Vorzeit. Wir haben diese Archive durchforstet, um die Reaktionen des Menschen auf die Extremwetterereignisse der Vergangenheit lebendig werden zu lassen.

EINE 30 000 JAHRE WÄHRENDE ERZÄHLUNG

Dies ist kein Fachbuch über die Geschichte des Klimas der Vorzeit; es ist die Erzählung darüber, wie sich unsere Vorfahren an die unzähligen kleinen und großen Klimaschwankungen angepasst haben. Die Wissenschaft des Klimawandels bildet den Hintergrund für das, was wir auf den folgenden Seiten über die Menschen der Vergangenheit berichten: ein Kaleidoskop unterschiedlichster Gesellschaften – Jäger und Sammler, Bauern und Hirten oder Menschen aus vorindustriellen Zivilisationen. Diese Geschichten umspannen Tausende von Jahren menschlicher Erfahrung in Zeiten, bevor es staatliche Behörden, Wetterberichte und Vorhersagen, Satelliten oder andere technologische Errungenschaften gab, die für uns heute eine Selbstverständlichkeit sind (s. dazu die Zeittafel auf S. 22).

Wir beginnen unsere Erzählung mit der Letzten Eiszeit vor rund 30 000 Jahren. Das sollten wir auch, denn die Anpassungsstrategien an extreme Kälte in Bezug auf Kleidung, Technologie und Risikomanagement wurden auch ­Tausende Jahre später noch genutzt. Kunst aus der Eiszeit, insbesondere jene an Felswän­den, ist ein eindrucksvolles Zeugnis der komplexen Beziehung zwischen dem Menschen und seiner natürlichen Umwelt, einer Beziehung, die, wenn auch in ver­änderter Form, bis heute Bestand hat. Die letzte maximale Ausdehnung der Gletscher (letztes glaziales Maximum) wurde vor 18 000 Jahren erreicht, gefolgt von einer lang anhaltenden, unregelmäßigen, natürlichen globalen Erwärmung. Die Anpassungsfähigkeit der Menschen der Letzten Eiszeit war ein wertvolles Vermächtnis für die sich rasch verändernde, sich erwärmende Welt, der sich ihre Nachfahren vor 15 000 Jahren gegenübersahen. Dies führt uns ein ­entscheidendes Charakteristikum des Klimawandels vor Augen: seine Unbeständigkeit. Er umgibt den Menschen von allen Seiten, er schwankt in Zyklen von Kälte und Hitze, von Regenfällen mit Fluten, kurzen und langen Dürren sowie klimatischen Veränderungen, manchmal durch heftige Vulkanausbrüche ausgelöst.

Die ersten drei Kapitel dieses Buches decken einen Zeitabschnitt zwischen dem Ende der Eiszeit vor rund 15 000 Jahren und dem 1. Jahrtausend n. Chr. ab. Es waren bedeutsame Zeiten: Der Übergang vom Jagen und Sammeln hin zu Ackerbau und Viehzucht vollzog sich, kurz darauf entstanden schon die ersten vorindustriellen städtischen Zivilisationen. Intuition und Sozialgedächtnis waren entscheidend für den Erfolg der Bedarfswirtschaft, wo Erfahrung stets ein wesent­licher Bestandteil des Risikomanagements und der Anpassung war, genauso wie detaillierte Kenntnisse des Lebensraumes. Allerdings entstanden nun komplexere gesellschaftliche Strukturen und soziale Schichten, die nicht nur für eine dramatisch wachsende soziale Ungleichheit sorgten, sondern auch für die zuneh­mende Anfälligkeit für rasche klimatische Veränderungen. Dadurch, dass große Bevölkerungsgruppen in die Städte gelockt wurden und dementsprechend immer mehr Menschen von den staatlichen Lebensmittelrationen abhängig wurden, waren die Herrscher in hohem Maße auf weiter steigende Getreideüberschüsse aus dem städtischen Umland und die von der politischen Elite kontrollierte intensive Landwirtschaft angewiesen. Die Risiken stiegen mit dem schnellen Wachstum von Städten wie Rom und Konstantinopel, die in eine immer größer werdende Abhängigkeit von Getreideimporten aus fernen Ländern wie Ägypten und Nordafrika gerieten. Sie wurden außerdem zunehmend anfälliger für Pestpandemien wie die katastrophale Justinianische Pest von 541 n. Chr.

Kapitel 4 bis 10 dieses Buches führen uns weiter ins 1. Jahrtausend n. Chr., zum Ende des Römischen Reiches, zum Aufstieg des Islam im Nahen Osten und zur Blütezeit der Maya in Mittelamerika. Hier werden die Aufzeichnungen des Klimas erheblich detaillierter. Wir kehren dann zurück zu den hochkomplexen zentralisierten Staaten in vorindustriellen Zeiten und deren stetig zunehmende, manchmal fatale Verwundbarkeit. Zu nennen ist hier beispielsweise Angkor Wat in Kambodscha, denn die einst größte Stadt der Welt war dem Untergang geweiht, als ihr ausgeklügeltes Kanalsystem aufgrund heftiger Niederschläge nach längeren Dürrephasen unter Druck geriet und schließlich kollabierte. Aus dem Eis und den Seeböden der südlichen Anden entnommene Bohrkerne dokumentieren zudem den Aufstieg und den Zusammenbruch – das Wort ist hier tatsächlich angebracht – der Staaten Tiwanaku und Wari im bolivianischen bzw. peruanischen Hochland vor mehr als 1000 Jahren. Starke und schwache Monsune unterstützten oder untergruben die Zivilisationen in Südost- und Südasien und beeinflussten unbeständige Königreiche im südlichen Afrika.

Die in diesen sieben Kapiteln gebrachten Beispiele der verschiedenen vorindus­triellen Kulturen verdeutlichen einen entscheidenden Punkt hinsichtlich des Klimawandels der Vorzeit. Langfristige oder kurzfristige Klimaveränderungen haben nie den Untergang einer Zivilisation „verursacht“. Vielmehr trugen sie maßgeblich dazu bei, dass Gesellschaften mit autoritärer Führung und starren Ideologien extrem anfällig für ökologische, wirtschaftliche, politische und ­soziale Probleme wurden. Vom Prinzip her erinnert dies an einen Kieselstein, der in einen Teich geworfen wird, und an die kleinen Wellen, die sich vom Aufprallpunkt ausbreiten. Diese Wellen sind die wirtschaftlichen und anderen Faktoren, die zusammenkommen und die scheinbare Ruhe blühender Staaten zerstören.

Anschließend, in den Kapiteln 11 bis 14, betreten wir ein Gebiet, dessen Klimageschichte und Historie uns eher vertraut sind, nämlich die vergangenen 1300 Jahre, mit ihrem klimatischen Jo-Jo, bestehend aus der Mittelalterlichen Klimaanomalie und der Kleinen Eiszeit. Wieder betrachten wir alles im globalen Zusammenhang und analysieren, in welcher Art und Weise der Klimawandel auf größere Vorkommnisse wie etwa die Große Hungersnot in Europa von 1315 bis 1321 und den Schwarzen Tod von 1347 bis 1351 Einfluss genommen hat. Ebenso betrachten wir die verringerte Sonnenfleckenaktivität, einschließlich des Maunder-Minimums (1545–1715). Wir beschreiben die Auswirkungen der Kälte auf die Kolonisten von Jamestown in Nordamerika, die Strategien, mit denen sich die Anasazi (auch Ancestral Puebloans genannt) im amerikanischen Südwesten an lange Trockenperioden anpassten, und auch, wie das Klima das sogenannte Goldene Zeitalter der Niederlande begünstigte, als deren gewiefte Händler und Seeleute die bei kalten Bedingungen vorherrschenden Ostwinde für ihre Seefahrten nutzten. Kapitel 14 erzählt vom berühmten „Jahr ohne Sommer“ von 1816, das durch den Ausbruch des Vulkans Tambora im Jahr zuvor ausgelöst wurde, weltweite Auswirkungen hatte und in vielen Ländern zu schweren Hungersnöten führte. Schließlich kommen wir zur globalen Erwärmung, die im späten 19. Jahrhundert als Folge der industriellen Verschmutzung begann.

Eine interessante Reise in die Vergangenheit – doch was bedeutet all das für uns persönlich? Kapitel 15 zeigt, dass die Lehren, die die Menschen in der Vergangenheit aus lang- und kurzfristigen Klimaveränderungen gezogen haben, von entscheidender Bedeutung dafür sind, ob wir mit der beispiellosen, von uns selbst verursachten Erderwärmung leben können. In diesem Buch arbeiten wir sorgsam die Unterschiede zwischen Vergangenheit und Gegenwart aus, insbesondere was das Ausmaß des Klimaproblems für die Gegenwart angeht. Vorhersagen über ein klimatisches Inferno tauchen in Büchern vieler Art auf und klingen oft wie moderne Versionen der biblischen Offenbarung mit den vier Reitern der Apokalypse. Wir hingegen argumentieren, dass wir wichtige Lehren aus den Erfahrungen der traditionellen Gesellschaften ziehen können, von denen einige zwar uralt sind, aber noch immer fruchten. So muss unser Umgang mit dem Klimawandel eine langfristige Planung und ein kluges Finanzmanagement einbinden – beides in der Vergangenheit noch vollkommen unbekannt, außer in den Andengesellschaften, die die Realitäten des Lebens mit andauernder Dürre gut kannten.

Wir haben gelernt, dass auch heute noch viel davon abhängt, mit welchen lokalen Antworten wir dem drohenden Klimawandel begegnen, dass gleichzeitig aber auch internationale Kooperation in einem Ausmaß erforderlich ist, wie sie in der Vergangenheit unvorstellbar gewesen ist.

GESCHENKE AUS DER VERGANGENHEIT

Die Menschen der Vergangenheit haben uns mit ihren Anpassungsstrategien an klimatische Veränderungen ein kostbares Erbe hinterlassen. Einen Grundsatz darf man aber nicht vergessen: Wir sind Menschen, genau wie unsere Vorfahren, und wir verfügen über die gleichen brillanten Eigenschaften wie sie – wir können vorausdenken, in die Zukunft planen, Innovationen entwickeln und mit anderen zusammenarbeiten. Wir sind Homo sapiens, und dessen Eigenschaften haben uns schon immer geholfen, uns an Klimaveränderungen anzupassen. Sie sind ein unbezahlbares Vermächtnis an Erfahrung.

Ein zweites Geschenk der Vergangenheit ist die bleibende Erinnerung daran, dass verwandtschaftliche Bindungen und die angeborene menschliche Fähigkeit, mit anderen zu kooperieren, selbst in dicht bevölkerten Megastädten ein wertvolles Gut sind. Schon ein Blick auf die alte oder auch moderne Pueblo-Kultur im amerikanischen Südwesten reicht aus, um zu erkennen, dass Verwandtschaft, gegenseitige Verpflichtungen und Mechanismen zur Überwindung von Abgrenzung unter Druck geratene Gesellschaften zusammenschweißen können. Dieselben Beziehungen können wir heute in verschiedenen Gemeinschaften, beispielsweise in Kirchen oder in Vereinen, beobachten. Verwandtschaftliche Beziehungen sind äußerst hilfreich, um Probleme gemeinsam zu bewältigen. Das Gleiche gilt für Strategien der Ausbreitung und Mobilität, mit denen sich die Menschen über Jahrtausende hinweg an Dürren oder Zerstörung durch Überflutungen angepasst haben. Bis heute ist Mobilität in Form von unfreiwilliger Migration nach wie vor eine bedeutsame menschliche Reaktion auf Klimaveränderungen: Man denke nur an die Tausende von Menschen, die versuchen, der Dürrekatastrophe im Nordosten Afrikas zu entfliehen. Heute sprechen wir von „Umweltflüchtlingen“. In Wirklichkeit aber beobachten wir nur die uralte Strategie, durch Mobilität das Überleben zu sichern – allerdings in einem massiven Ausmaß.

Doch das ist noch nicht alles: Die Gesellschaften der Vergangenheit lebten in enger Beziehung mit ihrer Umwelt. Sie konnten keine wissenschaftlich ­ermittelten Wettervorhersagen nutzen, geschweige denn Computersimulationen oder auch nur eines der vielen Klima-Proxies, die uns heute zur Verfügung stehen. Die Babylonier und andere Völker, wie auch die Astronomen im Mittelalter, befragten die Himmelskörper, doch ohne großen Erfolg. Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein waren selbst die fachkundigsten Vorhersagen auf lokale ­Wetterphänomene wie Wolkenformationen oder plötzliche Temperaturschwankungen angewiesen. Bauern und Städter mussten sich gleichermaßen auf subtile Anzeichen in ihrer Umwelt verlassen, die sie sich über Generationen hinweg angeeignet hatten. Hierzu gehörte beispielsweise, dass dichte Wolkenformationen einen herannahen­den Wirbelsturm ankündigten. In ähnlicher Weise erkannten Fischer und Seeleute die kleinsten Veränderungen im Seegang als Vorboten gewaltiger Stürme.

Die Erfahrungen unserer Vorfahren erinnern uns daran, dass unsere Anpassungsfähigkeit an Klimaveränderungen zumeist auf lokaler Ebene gut funktioniert, aber auch auf lokalen Erfahrungen und Erkenntnissen gründet. Solche Anpassungen – seien es der Bau eines Deiches, die Verlegung von Häusern in höher gelegene Gebiete oder aber die gemeinschaftliche Reaktion auf eine Hochwasserkatastrophe –, beruhen auf lokaler Erfahrung und auf Kenntnissen über die unmittelbare Umwelt. Die meisten historischen Gesellschaften, ob in kleinen Dörfern oder Städten, waren sich sehr wohl bewusst, dass sie den Naturkräften ausgeliefert waren und keine Chance hatten, diese in irgendeiner Weise zu kontrollieren.

Wenn wir über die vergangenen Jahrtausende zurückblicken, können wir ei­ni­ge allgemeine Kategorien von Klimaveränderungen unterscheiden, mit denen unsere Vorfahren zurechtkommen mussten. Katastrophale Ereignisse wie das außergewöhnlich heftige El Niño/Southern Oscillation-Phänomen an den Küsten des Pazifiks oder massive Vulkanausbrüche, deren zerstörerische Aschewolken ganze Ernten ruinierten, verursachten jedoch viel Leid und teils auch schwerwiegende Schäden bis hin zum Verlust von Menschenleben.

Wenn solch ein Ereignis vorüber war, kehrten die normalen klimatischen Bedingungen schnell zurück und die Opfer erholten sich. Die Auswirkungen waren in der Regel nur von kurzer Dauer und rasch überwunden, häufig schon innerhalb einer einzigen Lebensspanne. Die Erholung von solchen Klimaeinbrüchen erforderte gute Zusammenarbeit, enge persönliche Bindungen und eine starke Führung – ein bleibendes Erbe der Vergangenheit.

In kleinen Gesellschaften lag die Führung in den Händen von Familienoberhäuptern und Ältesten, also Personen mit Erfahrung und einem ausgeprägten Charisma, das Loyalität hervorrief. Vieles hing von den gegenseitigen Verpflichtungen zwischen den Angehörigen einer Gruppe ab, und auch von der Fähigkeit der Anführer, Nahrungsmittelüberschüsse zu kontrollieren und zu lenken.

Klimaereignisse haben deutlich andere Ausmaße als kurzfristige Klimaveränderungen: eine längere Dürreperiode, ein regenreiches Jahrzehnt, oder ­heftige Überschwemmungen, die die Ernteerträge dezimieren.

Viele Bedarfswirtschaften der Vergangenheit, darunter die Moche- und Chimú-Kultur an der Westküste Südamerikas, waren sich der Gefahren lang anhal­tender Dürren nur allzu bewusst. Sie vertrauten auf die Abflüsse aus den Anden, um ihre sorgfältig angelegten Bewässerungsanlagen in den Fluss­tälern der Wüste zu speisen, die zum Pazifik führten. Beide Kulturen waren auch von der reichen Sardellenfischerei an der Küste abhängig, die einen Großteil ihrer Ernährung ausmachte, sowie von Grundwasser und den gut gewarteten Bewässerungskanälen, denn bei der Verteilung der Wasservorräte zählte jeder Tropfen. Ihre Anpassungsfähigkeit stützte sich auf die gemeinschaftliche Verwaltung der Wassersysteme, die von mächtigen Häuptlingen beaufsichtigt wurden.

Es war kein Zufall, dass die vorindustriellen Zivilisationen der vergangenen 5000 Jahre auf Kosten sozialer Ungleichheit erblühten, denn die Gesellschaften wurden von einigen wenigen zum eigenen Vorteil geführt. Alles hing von den sorgsam erarbeiteten und kontrollierten Nahrungsmittelüberschüssen ab, denn in Gesellschaften wie dem Alten Ägypten und dem Khmer-Reich in Südostasien mussten sowohl das Bürgerturm als auch der Adel von den ihnen zugeteilten Rationen leben. Die Bauern in ländlichen Regionen, die das Land unweit ihres Wohnortes bearbeiteten, konnten kürzere Dürren überstehen, indem sie auf weniger beliebte Feldfrüchte oder auch Wildpflanzen auswichen. Sie mussten vielleicht einmal eine Zeit lang Hunger leiden, aber das Leben ging weiter. Länger anhaltende Trockenperioden waren etwas anderes. Dazu gehört unter anderem die berühmte Megadürre von 2200 bis 1900 v. Chr., häufig als „4,2-Kilojahr-Ereignis“ oder „4,2-ka-Ereignis“ bezeichnet, die sich über den östlichen Mittelmeerraum und Südasien erstreckte. Ebendieser Megadürre waren die Pharaonen hilflos ausgeliefert. Da sie ihr Volk nicht mehr ausreichend ernähren konnten, zerfiel ihr Staat in konkurrierende Regionen. Nur den erfolgreichsten Provinzführern, die ihre Probleme auf lokaler Ebene lösen konnten, gelang es, ihr Volk zu ernähren und die Abwanderung einzuschränken. Von göttlichen Pharaonen, die die Nilfluten unter ihrer Kontrolle hatten, war keine Rede mehr. Spätere Könige investierten enorm viel in Bewässerungssysteme, und so überlebte das Alte Ägypten bis zur Römerzeit.

Es war auch kein Zufall, dass die vorindustriellen Zivilisationen größtenteils unbeständige Gebilde waren, die mit verwirrender Schnelligkeit aufstiegen und wieder verschwanden. Vieles hing von der Fähigkeit der Herrscher ab, Getreide und andere lebenswichtige Güter über größere Entfernungen zu transportieren. Die Pharaonen hatten den Nil direkt vor ihrer Haustür, während die Maya sowie viele Staaten in China und Mesopotamien auf menschliche Arbeitskraft und Packtiere angewiesen waren. Politisch hieß dies, dass die Anpassung an Klimaveränderungen einmal mehr eine lokale Angelegenheit war, da die meisten Herrscher aufgrund der begrenzten Infrastruktur ihre Territorien lediglich in einem Umkreis von etwa 100 Kilometern kontrollieren konnten. Die Lösung war, Frachtgut auf dem Wasserweg zu transportieren. So ernährten beispielsweise die römischen Kaiser Tausende ihrer Untertanen mit Getreide aus Ägypten und Nordafrika, doch ihre Anfälligkeit für klimatisch bedingte Ernteausfälle in entlegenen Gebieten stieg um das Hundertfache.

Mit der schnell voranschreitenden Industrialisierung, der Entwicklung der Dampfkraft und der sich beschleunigenden Globalisierung vom 19. bis zum 21. Jahrhundert, wurde die Anpassung der komplexen, stetig wachsenden Gesellschaften an Klimaveränderungen zu einem extrem schwierigen Unterfangen. Doch es gibt Hoffnung für die Zukunft, und ein Teil dieses Optimismus basiert auf der brillanten menschlichen Fähigkeit, Chancen beim Schopfe zu packen und sich dem Klimawandel in großem Maßstab anzupassen. Zudem machen uns die Lehren aus der Vergangenheit Mut für die Zukunft. Entschlossene Führung und – als herausragendste menschliche Eigenschaft – unsere Fähigkeit, mit unseren Mitmenschen zu kooperieren, dies sind zwei grundlegende, bewährte Strategien, die die Vergangenheit zur klimapolitischen Diskussion heute beisteuert. Die menschliche Natur und unsere Reaktionen auf Veränderungen und plötzliche Notlagen sind manchmal leicht vorhersehbar. Der Vulkanausbruch von Pompeji 79. n. Chr. und ähnliche Katastrophen zeigen, wie wir uns angesichts unheilvoller Ereignisse verhalten. Wir gehören alle zur selben Spezies, können viel voneinander, aber auch von unserer gemeinsamen Vergangenheit lernen. Wenn nicht jetzt, so doch bald, wird die Menschheit einen anderen Gang einlegen müssen. Denn eines Tages, vielleicht schon morgen, vielleicht auch erst in einigen Jahrhunderten, werden wir mit einer Klimakatastrophe konfrontiert sein, die über jeden kleinlichen Nationalismus hinausgeht und die uns alle betrifft – uns alle gleichzeitig. Und sie wird so tiefgreifend sein wie eine Pandemie. Mit diesem Buch möchten wir die Vergangenheit ausbreiten, um es den Lesern zu ermöglichen, sich in der Gegenwart zurechtzufinden und Erkenntnisse aus der Vergangenheit zu nutzen, um in die Zukunft zu gehen.

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ANMERKUNG DER AUTOREN

Daten

Alle Radiokarbondaten sind auf Kalenderjahre geeicht. Es wird durchgehend die gebräuchliche Bezeichnung „v. Chr./n. Chr.“ von Zeiten verwendet. Daten, die vor 10 000 Jahre v. Chr. liegen, werden als „vor … Jahren“ angegeben.

Ortsnamen

Die modernen Ortsnamen spiegeln die derzeit gebräuchlichste Schreibweise wider. Wo es angebracht erscheint, werden weithin akzeptierte alte Schreibweisen verwendet.

Massangaben

Alle Maßangaben sind in metrischen Maßen angegeben, wie es heute in wissenschaftlichen Studien üblich ist.

Karten

In einigen Fällen wurden Orte, die unklar oder unbedeutend sind bzw. die sich innerhalb oder in der Nähe von heutigen Städten befinden, nicht auf den Karten berücksichtigt.

Zeittafel

Eine allgemeine Zeittafel folgt hier im Anschluss. In Anbetracht des weiten zeitlichen Rahmens des Buches und der manchmal unvermeidlichen abrupten Wechsel zwischen Jahrhunderten und Jahrtausenden werden die chronologischen Informationen auch bei den einzelnen Kapiteltiteln und bei vielen Unterüberschriften angegeben.

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BEDEUTENDE KLIMATISCHE UND HISTORISCHE EREIGNISSE

Vor 15 000 Jahren bis heute

In dieser Zeittafel sind einige der bedeutendsten klimatischen und kulturellen Entwicklungen seit der Letzten Eiszeit aufgeführt. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wichtige Klimaereignisse sind fett gedruckt. Daten vor 10 000 v. Chr. sind in Jahren vor der Gegenwart angegeben.

n. Chr.

2020 Anhaltende, vom Menschen verursachte Erwärmung.

1875–1877 Schwere Dürren in Indien und Nordchina.

Millionen von Menschen sterben.

ca. 1850 Mit dem sprunghaften Anstieg der Schwarzkohleemissionen nimmt die vom Menschen gemachte Erderwärmung gravierende Ausmaße an. Die Kleine Eiszeit geht allmählich zu Ende.

1817–1830er Eine schwere Cholerapandemie fordert Tausende von Menschenleben.

1816 Das vulkanbedingte „Jahr ohne Sommer“ führt zu einem Kälteeinbruch.

Mary Shelley schreibt ihren Roman Frankenstein.

1815 Der Tambora bricht auf der indonesischen Insel Sambowa aus.

ca. 1760 Beginn der Industriellen Revolution.

1645–1715 Maunder-Minimum.

1607 Jamestown, die erste dauerhafte englische Siedlung in Nordamerika, wird gegründet. Die Dürre von 1606 bis 1612 verursacht großes Leid.

1602 Gründung der Niederländischen Ostindien-Kompanie.

1600 Ausbruch des Vulkans Huaynaputina in Peru.

1600er Nunalleq in Alaska wird von Angehörigen der Kulturgruppe der Yup’ik besiedelt.

1565 St. Augustine, die älteste durchgehend besiedelte und von Europäern gegründete Stadt der USA, wird in Florida gegründet.

1584–1586 Die englische Kolonie Roanoke wird auf Roanoke Island vor der Ostküste des heutigen US-Bundesstaates North Carolina gegründet und wieder aufgegeben.

1590 König Heinrich IV. von Frankreich belagert das katholische Paris.

1560er–1620 Grindelwald-Schwankung.

1458 Der unterseeische Vulkan Kuwae auf Vanuatu im südwestlichen Pazifik bricht aus.

ca. 1450 Die skandinavischen Siedlungen auf Grönland werden aufgegeben.

1453 Das Oströmische Reich fällt an das Osmanische Reich.

1450–1530 Das Spörer-Minimum bringt Kälte.

1431 Das Khmer-Reich löst sich auf.

1321–1361 Die Große Hungersnot in Europa fordert Zehntausende von Menschenleben.

ca. 1250 Die Kleine Eiszeit setzt ein.

ca. 1200 Die Mittelalterliche Klimaanomalie klingt ab.

1341–1351 Der Schwarze Tod kostet Millionen von Menschen das Leben.

ca. 1300–1450 Groß-Simbabwe im südlichen Afrika ist auf dem Höhepunkt seiner Macht.

1220–1448 Mehrere Dutzend teils untereinander verfeindete Stadtstaaten der Maya beherrschen den Norden der mittelamerikanischen Halbinsel Yucatán.

ca. 1220–1310 Das Königreich Mapungubwe erlebt seine Blütezeit im südlichen Afrika.

1113–1150 Angkor Wat wird in Südostasien errichtet, anschließend Angkor Thom.

ca. 1050–1300 Cahokia im Mississippital wird zu einem bedeutenden politischen und rituellen Zentrum.

ca. 1017 Das Anuradhapura-Königreich in Sri Lanka löst sich auf.

ca. 1000 L’Anse aux Meadows, eine skandinavische Siedlung, wird in Neufundland gegründet.

ca. 950 Die Mittelalterliche Klimaanomalie beginnt.

ca. 850–1471 Chimú blüht an der Nordküste Perus auf.

800–1130 Der Chaco Canyon wird zu einem wichtigen zeremoniellen Zentrum im amerikanischen Südwesten.

750–950 Mindestens acht gewaltige Vulkanausbrüche beeinflussen das Klima.

ca. 550–1000 Der Tiwanaku-Staat beherrscht das Andenhochland.

541 Die Justinianische Pest erreicht Ägypten und breitet sich im Römischen Reich aus.

536 Großer Vulkanausbruch auf Island.

450–ca. 700 Spätantike Kleine Eiszeit.

405–410 Das Weströmische Reich löst sich auf.

330 Der römische Kaiser Konstantin der Große macht Byzanz zu seiner Hauptresidenz und benennt die Stadt in Nova Roma um. Nach seinem Tod im Jahr 337 wird die Stadt in Konstantinopel (heute Istanbul) umbenannt.

166 Antoninische Pest in Rom.

ca. 100 Die ersten Bauern lassen sich südlich des Sambesi in Afrika nieder.

100–800 Der Moche-Kultur gedeiht an der Nordküste Perus.

v. Chr.

30 Octavian, der spätere Kaiser Augustus, annektiert Ägypten und macht es zur römischen Provinz.

ca. 200–150 n. Chr. Römisches Klima-Optimum.

250–ca. 900 n. Chr. In Mittelamerika erlebt die Maya-Kultur ihre Blütezeit.

377 Die Königsstadt Anuradhapura wird in Sri Lanka gegründet.

912–610 Das Neuassyrische Reich beherrscht große Teile Südwest­asiens.

1000–400 Maya-Bauern besiedeln in Mittelamerika das Tiefland von Yucatán.

1472/1 Expeditionen der altägyptischen Königin Hatschepsut nach Punt, einem mythischen Goldland ähnlich Eldorado, dessen Ort bis heute unbekannt ist.

2200–1900 Das 4,2-ka-Ereignis (Megadürre).

Dürre in ganz Mesopotamien.

Destabilisierung des Alten Ägypten bis 2060.

ca. 2500 In Ägypten werden die Pyramiden von Gizeh gebaut.

2600–1700 Die Städte der Indus-Kultur erleben ihre Blütezeit.

2334–2218 Die Akkadische Zivilisation beherrscht Mesopotamien.

ca. 2900–2300 Sumerische Zivilisation in Mesopotamien.

3100 Die Vereinigung Ägyptens führt Ober- und Unterägypten zusammen.

3000–1800 Caral, die älteste bekannte Stadtsiedlung auf dem amerikanischen Kontinent, blüht an der peruanischen Küste auf.

3500 Uruk in Mesopotamien (heutiges Warka, Irak) erlangt Bedeutung.

6200–5800 Große Dürreperioden in weiten Teilen des Nahen Ostens.

ca. 6200 Doggerland in der heutigen Nordsee zwischen Deutschland und Südengland wird endgültig überflutet.

7400–5700 Catalhöyük, eine jungsteinzeitliche Siedlung in der heutigen Türkei, erlangt große Bedeutung.

ca. 9000 Ackerbau und Viehzucht beginnen in Abu Hureyra und an anderen Orten im Norden des Nahen Ostens.

ca. 11 000 Abu Hureyra im heutigen Syrien wird von Jägern und Sammlern besiedelt.

ca. 11 650 (vor 13 650 Jahren) Das Holozän (Nacheiszeitalter) beginnt.

ca. 13 000(vor 15 000 Jahren) Die ersten Siedlungen in Amerika entstehen.

ca. 18 000 (vor 20 000 Jahren) Die natürliche globale Erwärmung beginnt.

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PROLEGOMENON

BEVOR WIR BEGINNEN

Feuer, Eiszeiten und mehr

Während wir dieses Buch schrieben, standen weite Teile Kaliforniens in Flammen. Waldbrände breiteten sich rasend schnell aus und erfassten 1,6 Millionen Hek­tar. Dutzende kleine und große Brandherde gerieten außer Kontrolle und vereinigten sich häufig in riesigen Flächenbränden. Dichte Aschewolken trieben über gigantische Entfernungen hinweg, die Luftverschmutzung gefährdete die Gesundheit. Brände klangen über Nacht nicht mehr ab, weil die Temperaturen weiter hoch blieben. Das als North Complex Fire bezeichnete Großfeuer im Norden Kaliforniens hatte sich zum Beispiel über Nacht um 40 468 Hektar ausgeweitet. Die jährlich in Kalifornien abbrennende Fläche hat sich seit 1972 verfünffacht. Derweil haben mehr als 14 000 Feuerwehrleute aus den Vereinigten Staaten und der ganzen Welt gegen das Flammenmeer gekämpft. Tausende von Menschen wurden evakuiert und Hunderte von Häusern brannten nieder. Der Temperaturanstieg ist spürbar, die Niederschläge haben abgenommen und sind weniger vorhersehbar geworden. Die Vegetation in häufig unzugänglichem Terrain wird immer trockener und die Schneedecken in den Bergen verdunsten. Nahezu 30 Prozent der Bevölkerung Kaliforniens leben in Gebieten mit Waldbrandgefahr, was zum Teil auf die unzureichende Flächennutzungspolitik zurückzuführen ist, die eine unaufhaltsame Zersiedelung der Landschaft fördert. Immer mehr Menschen bauen in brandgefährdeten Gebieten oder errichten dort ihre Häuser nach Bränden tatsächlich wieder. Die Bewirtschaftung der Wälder verschlechtert sich, denn viel zu häufig wird ausschließlich mit einzelnen Arten aufgeforstet. Zudem wurde fast nichts getan, um die Menschen zu ermutigen, sich aus der Gefahrenzone zu bewegen. So stehen Menschen in Kalifornien und Oregon vor einem Ergebnis des zunehmend unberechenbaren, katastrophalen wie auch vom Menschen gemachten Klimawandels: scheinbar unkontrollierbarem Feuer.

Dies ist bei Weitem nicht das erste Mal in der Geschichte, dass die Menschen vor einer Umweltkatastrophe stehen – sei es nun Überschwemmung, Dürre oder Feuer. Aber dieses Mal ist es anders. Denn dieses Mal sind die klimabedingten Katastrophen das direkte Ergebnis unseres eigenen Handelns. Manche fragen sich, ob wir uns jemals an die neuen Gegebenheiten mit extremen Temperaturen und zerstörerischen Bränden anpassen werden. Schließlich sind unsere dicht besiedelten Landschaften sehr anfällig für verheerende Feuer, die durch Blitzeinschläge ausgelöst und von heftigen Fallwinden verstärkt werden. Letztere tragen die Funken kilometerweit und lassen auf diesem Wege innerhalb weniger Minuten ganze Gemeinden in Flammen aufgehen. Sind wir vom Aussterben bedroht und sollten daher in eine sichere Umgebung evakuiert werden? Oder sind wir in der Lage, uns an die neuen bedrohlichen Bedingungen anzupassen, die größtenteils von uns selbst verursacht wurden? Erst jetzt beginnen wir, uns mit diesen Fragen ernsthaft auseinanderzusetzen.

Dieses Buch beschreibt die Anpassung des Menschen an Klimaveränderungen aller Art. Historische Gesellschaften adaptierten sich erfolgreich an plötzliche Klimaereignisse, wie Aschewolken von weit entfernten Vulkanausbrüchen oder Dürreperioden, die wenige Jahre andauerten. Ihnen gelang aber auch die Anpassung an längerfristige klimatische Schwankungen, wie steigende Meeresspiegel, jahrhundertelange Trockenperioden und mehrjährige Phasen mit extrem niedrigen Temperaturen. So gesehen hat sich unsere Fähigkeit zur Zusammenarbeit, zur gegenseitigen Unterstützung und zum wirksamen Risikomanagement bewährt. Der Preis dafür war häufig hoch, doch unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit lassen hoffen, dass wir auch die gegenwärtige Umweltkrise überleben werden. Des Öfteren werden die Kosten dafür hoch sein. Dies gilt sowohl in Bezug auf kurzfristige Anpassungen als auch auf längerfristige, mühsam erstrittene und letztendlich dauerhaft umgesetzte Veränderungen in der Gesellschaft sowie in unserer Lebensweise.

Zum Glück konnten wir in den vergangenen 50 Jahren eine revolutionäre Entwicklung in der Paläoklimatologie beobachten, die klimatische Verhältnisse der erdgeschichtlichen Vergangenheit (Paläoklima) in Form einer Klimageschichte erforscht und rekonstruiert. Was als kühne Pionierarbeit im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in den Händen einiger weniger begabter Forscher begann, ist nun zu einem bedeutenden wissenschaftlichen Unterfangen geworden. Fachlite­ratur über historische Klimaentwicklungen schießt in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden. Nahezu wöchentlich erscheinen wichtige Studien, die es selbst spezialisierten Klimatologen unmöglich machen, mit dem aktuellen Stand Schritt zu halten. Nicht-Klimatologen wie wir – wir sind Archäologen – verzweifeln mitunter bei dem Versuch, auf dem Laufenden zu bleiben. Bereits ein Exkurs in die Fach- und Sachliteratur führt uns in einen Dschungel von Fachbegriffen und Abkürzungen, von denen das El Niño/Southern Oscillation-Phänomen (ENSO) vielleicht noch die bekannteste ist.

Wir verfolgen mit diesem Buch nicht die Absicht, in die tiefgründigen Feinheiten der globalen Klimatologie oder der Paläoklimatologie einzutauchen, denn diese Themen sind Wissenschaften für sich. Vielmehr haben wir die jüngsten Studien dazu genutzt, um eine Geschichte über unsere Vorfahren und ihre Beziehungen zum sich wandelnden Klima zu erzählen, angefangen von der Vorzeit bis in die jüngste Vergangenheit – schließlich sind es doch gerade die langen Zeiträume, in die wir Archäologen leidenschaftlich abtauchen. Als wir uns in den Klimawandel der Vorzeit einarbeiteten, entdeckten wir eine Reihe bedeutender Kräfte, die Einfluss auf die Klimaveränderungen hatten, und werden diese hier dokumentieren. Dazu gehören einige bekannte Phänomene wie El Niños und La Niñas, Eiszeiten, Megadürren und Monsune. Im Folgenden beleuchten wir die Rolle, die diese Hauptakteure neben anderen im Zuge des Klimawandels gespielt haben. Wir erläutern auch einige der indirekten Anzeiger des Klimas, sogenannte Klima-Proxies, mittels derer sich Schwankungen des Klimas in der Vergangenheit aufzeigen lassen. Betrachten Sie die folgenden Abschnitte doch zunächst als snorts before the solid orgies („Schnauber, bevor die Geschichte richtig losgeht“) wie es der große Humorist P. G. Wodehouse einprägsam formulierte. Wenn Ihnen einige dieser Klimaakteure nicht bekannt sind, sollten Sie sich diesen kurzen Ausflug in die globale Klimaforschung gönnen.

Der US-amerikanische Geowissenschaftler und El Niño-Experte George Philander hat uns in seinem Klassiker über die globale Erderwärmung Is the Temperature Rising?1 den Weg bereitet. Darin beschreibt er die ungleiche Kopplung zwischen Veränderungen im Ozean und der atmosphärischen Zirkulation – in seinen Augen kein ideales Paar – wie folgt: „Während die Atmosphäre recht schnell auf Veränderungen der Oberflächentemperatur im Ozean reagiert, so ist der Ozean selbst eher langsam und schwerfällig in seinen Reaktionen.“ Dieser Satz allein bringt eine der grundlegenden Herausforderungen an die Paläoklimatologie auf den Punkt: Wie kann es einem so ungleichen Paar von Klimagiganten überhaupt gelingen, miteinander zu tanzen? Wer übernimmt in diesem Tanz die Führung? Wer ändert das Tempo oder verlangsamt es sogar fast bis zum Stillstand? Viele Details dieser komplexen, sich ständig verändernden Partnerschaft stellen uns noch immer vor große Rätsel. An dieser Stelle können wir die ­Hauptakteure näher betrachten.

NATÜRLICHE ARCHIVE UND INDIREKTE ANZEIGER DES KLIMAS

Eine Vielzahl der globalen Klimaveränderungen vollzieht sich in großem Maßstab. Vor etwas mehr als 100 Jahren identifizierten die beiden österreichischen Geologen Albrecht Penck und Eduard Brückner mindestens vier große Kaltzeiten in den Alpen, die von Warmzeiten unterbrochen waren. Die beiden Wissenschaftler untersuchten glaziale Ablagerungen in den Fluss­tälern der Gebirge, doch ihre Erkenntnisse sind längst überholt. Die vier Kaltzeiten sind eine viel zu vereinfachte Darstellung der Eiszeit, die doch den Hintergrund für die Evolution des Menschen und das Auftreten des modernen Menschen auf der Weltbühne bildete. Heute wissen wir, dass die Eiszeit (Pleistozän) mit der sogenannten Würm-­Kaltzeit vor rund 15 000 Jahren endete. Mit dem Rückzug des Eises ­brachte das Holozän (Nacheiszeit) eine natürliche, stetige Erwärmung – die bis heute anhält.

Unser Wissen über das eiszeitliche Klima beschreibt ein allgemeines Bild mit dem Wechsel von Abkühlung und Erwärmung. Hier arbeiten wir mit Zeitskalen, die Tausende und Zehntausende Jahre überspannen. Wir wissen zum Beispiel, dass es die kältesten Jahrtausende der Letzten Eiszeit vor rund 21 000 Jahren gab. Wie jedoch aus späteren Aufzeichnungen klar hervorgeht, verändert sich das Klima stetig, sodass Klima-Proxies ein viel differenzierteres Bild des eiszeitlichen Klimas vor 30 000 bis 15 000 Jahren abgeben als Gletscherablagerungen.

Klima-Proxies sind indirekte Anzeiger des Klimas, die in natürlichen Archiven wie Eisbohrkernen und Baumringen aufgezeichnet werden. Sie können uns dabei helfen, klimatische Veränderungen abzulesen, die aus einer Zeit weit vor den ersten präzisen Klimaaufzeichnungen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen. Tiefseebohrkerne aus dem südwestlichen Pazifik, die bis 780 000 Jahre zurückreichen und einen Großteil der Eiszeit abdecken, zeigen vollständige Gletscher- und Zwischeneiszeiten in diesen Jahrtausenden. Offensichtlich war das Klima während der Eiszeit weitaus wechselhafter als bisher angenommen. Eisbohrkerne, die durch tiefe Bohrungen in das grönländische und arktische Eis gewonnen werden, liefern uns heute viel genauere Aufzeichnungen des Klimas im Pleistozän, die mindestens 800 000 Jahre zurückreichen. Heute wissen wir zum Beispiel, dass ein 100 000-Jahres-Zyklus den Wechsel von Vereisung zu wärmeren Zwischeneiszeiten gesteuert hat. Eine Abkühlung vollzieht sich graduell, die Erwärmung hingegen viel schneller.

Allerdings gibt es durchaus Schwierigkeiten bei der Verwendung von Tiefseebohrkernen, die inzwischen aus fast allen Ozeanen verfügbar sind. Genauso bei Eisbohrkernen, die von vielen Orten der Erde, einschließlich der heutigen Gletscher in den peruanischen Anden, vorhanden sind. Zwar werden die Klima-Proxies aus Eis- und Tiefseebohrkernen immer präziser, doch aus archäologischer Sicht liefern sie ein etwas zu breites Bild von der Letzten Eiszeit. Gleiches gilt für die enormen Löss-Ablagerungen, also den vom Wind verwehten feinen Sand der Eiszeitgletscher, der in der Letzten Eiszeit häufig Siedlungen wie in den Fluss­tälern der Ukraine bedeckte. Übergeordnet versprechen diese natürlichen Archive zwar verblüffende Erkenntnisse. Aber wenn es um die Anpassung des Menschen an das sich wandelnde Klima geht, bedarf es erheblich detaillierterer Klima-Proxies.

Zu ebendiesen zählen Tropfsteine, die zwar noch relativ neu auf der Bühne der Klimaforschung sind, nichtsdestotrotz aber von großer Bedeutung. Sie entste­hen, wenn Wasser durch die Erde oder poröses Gestein ins Höhleninnere sickert. Dabei wird der sich im Gestein befindliche Kalk gelöst, von dem das Wasser beim Tropfen oder Fließen in die Höhle Rückstände zurücklässt. Über einen längeren Zeitraum wachsen auf diese Weise Stalaktiten (von der Höhlendecke) und Stalagmiten (vom Höhlenboden) in Schichten heran. Während dickere Schichten sich bilden, wenn viel Wasser in die Höhle fließt, entstehen dünnere, wenn wenig Wasser einsickert. Die jeweiligen Schichten in Tropfsteinen können zeitlich sehr genau bestimmt werden, indem die Menge an radioaktivem Uran gemessen wird, das bei der Entstehung der Tropfsteine in geringen Konzen­trationen im Tropfwasser gelöst und somit in den jeweiligen Schichten gespeichert wird. Da Uran mit einer bekannten Geschwindigkeit in Thorium zerfällt, gibt eine Gesteinsprobe genauen Aufschluss über das Alter. Dies bedeutet: Umso höher der Anteil an Thorium im Vergleich zu Uran ist, je älter ist die Gesteinsprobe. So lässt sich ebenfalls feststellen, wie sich der Grundwasserspiegel im Laufe der Zeit verändert hat. Da eine ganze Reihe von Faktoren das Wachstum von Tropfsteinen beeinflusst, zum Beispiel die chemische Zusammensetzung des lokalen Grundwassers, müssen die klimatischen Daten aus Tropfsteinen einer Höhle mit jenen aus anderen Höhlen in einem großen Umkreis miteinander verglichen werden.

Darüber hinaus gibt eine Probe aus Tropfstein auch Aufschluss über die Niederschlagsmenge im Laufe der Zeit. Dazu werden die Verhältnisse verschiede­ner Sauerstoffisotope zueinander untersucht, da sowohl schwerer als auch ­leichter Sauerstoff im Wasser vorkommt. Starke Regenfälle liefern mehr leichten Sauerstoff, schwerer Sauerstoff ist hingegen ein Zeichen für weniger Regen, während in Wasser aus verschiedenen Quellen unterschiedliche Verhältnisse auftreten.

Zwar steckt die Tropfstein-Forschung noch in den Kinderschuhen, doch sie verspricht ein großes Potenzial für die Ermittlung chronologisch exakter Niederschlagsdaten, welche direkt mit Ereignissen aus der Vergangenheit in Verbindung gebracht werden können. Hierzu zählt zum Beispiel der Untergang der Maya-Kultur im südlichen Tiefland von Yucatán im 10. Jahrhundert n. Chr. Wertvolle Daten aus Tropfsteinen häufen sich in vielen Teilen der Welt rasch an. Sie sind möglicherweise einer der nützlichsten Klimaindikatoren überhaupt.

Die Geomorphologie unserer Erde veränderte sich dramatisch, als der Meeresspiegel am Ende der Letzten Eiszeit innerhalb weniger Tausend Jahre um rund 90 Meter auf das heutige Niveau anstieg. Zwei klassische Beispiele werden in Kapitel 2 beschrieben: die versunkene Landbrücke, die einst Nordostsibirien mit Alaska verband, sowie die sumpfigen Flussebenen von Doggerland, die bis etwa 5500 v. Chr. Britannien und das europäische Festland zusammenhielten. In der Sahara lebten bis etwa 4000 v. Chr. Rinderhirten, als über Jahrtausende hinweg dort flache Seen und überwiegend trockenes Grasland vorzufinden waren – dies geht aus den durch Kernbohrungen und Pollenanalysen gewonnenen Erkenntnissen hervor.

Betrachten wir die Klimaveränderungen der vergangenen 15 000 Jahre, stehen uns wesentlich vollständigere Informationsquellen zur Verfügung. Zum Beispiel Pollen, denn sie sind gegenüber Umwelteinflüssen äußerst robust und werden in Sedimenten nicht zersetzt. So dokumentieren Pollenprofile aus Nordamerika und -europa die komplexen Veränderungen der Vegetation im Zuge des globalen Temperaturanstiegs. Erste präzisere Daten finden sich in winzigen versteinerten (fossilen) Pollenkörnern aus den Mooren und Sümpfen Nordeuropas, mit denen die dramatischen Veränderungen der Vegetation nach der Letzten Eiszeit aufgezeigt werden konnten: eine Entwicklung von offener Steppe über Birken- bis hin zu Eichenmischwäldern. In Kombination mit anderen Archiven wie Baumringen dokumentieren Pollenprofile den Wandel der Vegetation rund um die Siedlungen früher Ackerbauern in Westeuropa und geben Aufschluss über die dort kultivierten Pflanzen. Beispielsweise wurden in einer zwischen 9000 und 8500 v. Chr. bewohnten See­ufersiedlung im Nordosten Englands Birkenpollen und ­Holzkohle von verbranntem Schilfrohr entdeckt. Vermutlich wurde hier im Herbst und Frühjahr, wenn das Schilfrohr trocken war und neues Wachstum einsetzte, dieses regelmäßig kontrolliert in Brand gesetzt, um das Pflanzenwachstum anzuregen und Weidetiere anzulocken.

Ein weiterer wichtiger Baustein in der Klimaforschung ist seit beinahe 100 Jahren die Dendrochronologie, mittels derer sich Jahresringe alter Bäume analysieren und datieren lassen. Erstmals im amerikanischen Südwesten vom Astronomen Andrew Douglass angewandt, der sich eigentlich für die Erforschung von Sonnenflecken interessierte, entwickelte sich die Dendrochronologie schon bald zur bedeutendsten Datierungsmethode. So wurde sie beispielsweise herangezogen, um Holzbalken aus alten Pueblo-Ruinen des Pueblo Bonito in Chaco Canyon (New Mexico) zeitlich zu bestimmen. Baumringe, die vom Kambium, also der Wachstumsschicht zwischen Holz und Rinde, gebildet werden, zeichnen das jährliche Wachstum von Baumarten auf. Durch den Vergleich alter Baumringe mit den Ringsequenzen gegenwärtiger Bäume, ergeben sich aus den alten Ringen Datierungen für Kathedralen in Europa, Pueblos im Südwesten der USA oder auch Schiffswracks und vieles mehr. Darüber hinaus liefern uns alte Baumringe ebenfalls wertvolle Klimainformationen, die wir über Aufzeichnungen von durch sommerliche Niederschläge entstehende Sauerstoff-Isotopensignale gewinnen. Die Dendrochronologie führt zu erstaunlich exakten Erkenntnissen. Aus 7000 Baumrindensequenzen der Jahre 398 v. Chr. bis 2000 aus Mitteleuropa konnte man die Niederschlagsmengen zwischen April und Juni, also der wichtigen Pflanz- und Wachstumszeit, abschätzen. Baumringe sind für die Klimatologie heute eine große Fundgrube, denn sie stellen datierte Sequenzen aus vielen Teilen der Welt zur Verfügung. Sie datieren nicht nur archäologische Stätten, sondern zeichnen auch sehr exakte Diagramme über feuchte und trockene Niederschlagszyklen. Baumringsequenzen sind mittlerweile so umfangreich vorhanden, dass man die Ausbreitung schwerer Dürreperioden nachzeichnen kann. Viele dieser Dürren und andere klimatische Veränderungen sind das Ergebnis mächtiger Naturkräfte von globalem Ausmaß.

DER GOLFSTROM

Der Golfstrom ist eine Meeresströmung im Atlantik und Teil eines globalen Strömungssystems, das oft als „globales Förderband“ bezeichnet wird. Dieses hat nicht nur Auswirkungen auf das Klima, sondern es beeinflusst auch das Leben der Menschen. Die Abkühlung in nördlichen und die Erwärmung in südlichen Breitengraden – was man als thermohalinen Antrieb bezeichnen kann – treiben die Strömungszirkulation an. Dabei strömen gewaltige Wärmemengen nordwärts und steigen in die Luftströme der Arktis über dem Nordatlantik auf. Das Absinken des sich abkühlenden Salzwassers im Norden nährt dieses marine Förderband und beschert Europa damit jene warmen Temperaturen, die für das dort vorherrschende relativ milde ozeanische Klima mit seinen feuchten Westwinden verantwortlich sind. Jene Westwinde wehen bereits, wenn auch mit unterschiedlicher Kraft, seit der Letzten Eiszeit.

Aber nicht fortwährend. Als sich mit dem Ende der Letzten Eiszeit die großen Eisschilde auf dem nordamerikanischen Kontinent zurückzogen, entstand der Agassizsee, ein riesiger ­nach dem renommierten schweizerisch-amerikanischen Geologen Louis Agassiz benannter Eisstausee, der sich über 11 000 Kilometer ent­lang des Laurentischen Eisschilds erstreckte. Zunächst hinderte die massive südliche Grenze ebendieser Vereisung das Seewasser daran, ostwärts durch das heutige Sankt-Lorenz-Tal in den Nordatlantik abzufließen. Die unaufhaltsame globale Erwärmung und die stetig abnehmenden Schneemengen führten allerdings dazu, dass sich das Eis immer weiter zurückzog. Schließlich, um etwa 11 500 v. Chr., gab die Barriere nach und eine gewaltige Gletschereisschmelze ergoss sich ostwärts in den Atlantik. Das wärmere Wasser bildete daraufhin praktisch einen Deckel auf dem warmen Wasser des Golfstroms, der Richtung Norden und Osten floss und Europa mit wärmeren Temperaturen versorgte. Ganze 1000 Jahre lang kamen der Golfstrom und die atlantische Wasserzirkulation zum Erliegen. Die Temperaturen in Mitteleuropa sanken rapide, die Eisschilde Skandinaviens rückten vor. Europa und der Nahe Osten wurden um einiges trockener. Klimaforscher bezeichnen dieses 1000-jährige Ereignis als die Jüngere Dryas, benannt nach einer Wildpflanze der arktischen Tundra (Dryas octopetala), die aufgrund zahlreicher Radiokarbonproben auf den Zeitraum zwischen 11 500 und 10 600 v. Chr. datiert werden konnte. Dann setzte ebenso abrupt die Golfstromzirkulation wieder ein, der allmähliche Temperaturanstieg begann – und setzt sich bis heute fort.

Während der Jüngeren Dryas kam es zu enormen gesellschaftlichen Veränderungen. Dazu zählen insbesondere die Anfänge von Ackerbau und Viehzucht im Nahen Osten (s. Kapitel 2). Ab diesem Zeitpunkt kann man nun von modernen klimatischen Bedingungen sprechen. Dazu zählen unregelmäßige, aber klimatische Einschnitte von wesentlich kürzerer Dauer. Solche Veränderungen riefen sowohl unvorhersehbare Niederschläge als auch Dürreperioden hervor und stellten die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Überraschende klima­tische Schwankungen traten vor allem in jenen Jahrtausenden auf, als die Bevölke­rungsdichte stetig zunahm und die sesshafte Lebensweise zur Norm wurde. Die Menschen mussten sich anpassen – schon lange bevor die von ihnen ­verursachte globale Erwärmung ins Spiel kam.

Während Regen und Dürren lokale Auswirkungen haben, liegt der Ursprung der dahintersteckenden klimatischen Kräfte hingegen häufig Tausende Kilometer weit entfernt. Der Golfstrom transportiert warmes Wasser aus den Subtropen in die Arktis und ist eine Art Wärmepumpe für Europa, denn er hat die Eigenschaft, sehr hohe und sehr niedrige Temperaturspitzen und -tiefs auszugleichen. Langfristig wird sich der Golfstrom Modellrechnungen zufolge bis zum Ende des 21. Jahrhunderts wohl etwas abschwächen – vieles hängt dabei von den Treibhausgasemissionen ab, die der Mensch verursacht. In einem Worst-Case-Szenario sprechen Experten von einer 30-prozentigen Abnah­me der Wasserzirkulation: Welchen Einfluss wird hier das schmelzende Grönlandeis haben? Momentan sind wir noch weit von einer annähernd genauen Vorhersage entfernt.

DIE NORDATLANTISCHE OSZILLATION

Die treibende klimatische Kraft für Europa und weite Teile des Mittelmeerraums ist die Nordatlantische Oszillation (NAO). Als riesige atmosphärische Wippe auf Meereshöhe zwischen dem beständigen subtropischen Azorenhoch im Süden und dem anhaltenden subpolaren Islandtief im Norden ist sie für bis zu 60 Prozent der Temperatur- und Niederschlagsschwankungen zwischen Dezember und März in diesen Breitengraden verantwortlich. Die NAO ist der wichtigste Faktor für die winterlichen Klimaschwankungen im Nordatlantik und beeinflusst ein riesiges Gebiet, das sich von der Mitte Nordamerikas über Europa bis nach Nordasien erstreckt. Im Gegensatz zu den El Niños (s. unten) handelt es sich bei der NAO weitgehend um ein atmosphärisches Phänomen. Seine Intensität wird durch den NAO-Index beschrieben. Ist der Luftdruckunterschied zwischen Azorenhoch und Islandtief besonders kräftig, spricht man von einem positiven NAO-Index. Eine starke Westwindzirkulation ist die Folge, die von Europa bis Sibirien sowie an der amerikanischen Ostküste für milde und feuchte Winter sorgt; im Norden Kanadas und in Grönland sowie vom Mittelmeerraum bis in den Nahen Osten sind die Winter dagegen deutlich kühler und trockener.

Im Gegensatz dazu ist von einem negativen NAO-Index die Rede, wenn sich der Luftdruckunterschied zwischen Azorenhoch und Islandtief deutlich abschwächt. Immer weniger und schwächere Westwinde überqueren in diesem Fall den Atlan­tik auf einem eher ost-westlichen Kurs. Diese bringen feuchte Luft in den Mittelmeerraum und kalte Luft nach Nordeuropa. Die Winter an der Ostküste der USA werden kälter und schneereicher. Da die NAO den Wärme- und Feuchtigkeitstransport vom Atlantik in den Mittelmeerraum steuert, haben die Oberflächentemperaturen von Atlantik und Mittelmeer schon immer großen Einfluss auf das Klima im Nahen Osten gehabt. In Nordamerika ist der Einfluss der NAO generell bedeutend geringer.

Ein positiver NAO-Index hatte bereits im späten 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. einen entscheidenden Einfluss auf die Niederschlagsmengen in Mittel- und Nordeuropa – eine Periode, die für die Geschichte des Römischen Reiches von besonderer Bedeutung war (s. Kapitel 5).

Veränderungen der Sonneneinstrahlung und verstärkte Eruptionstätigkeiten von Vulkanen haben einen Großteil der Temperaturschwankungen im Laufe des vergangenen Jahrtausends verursacht. Dies mag auch schon in früheren Zeiten der Fall gewesen sein, gegenwärtig ist allerdings die NAO in weiten Teilen der Erde eine der größten Triebkräfte für klimatische Veränderungen. Die östlichen Grenzen ihres Einflussbereichs liegen im östlichen Mittelmeerraum, einem Gebiet, das wir als „klimatische Übergangszone“ bezeichnen können, in welcher der asiatische Monsun wie auch die El Niños im südwestlichen Pazifik ihre Wirkung entfalten. Dies führt im gesamten Nahen Osten zu großen lokalen Schwankungen, sowohl hinsichtlich der Trockenheit als auch bei Regenmengen.

MONSUNE

Eines unserer unvergesslichen Erlebnisse war die Fahrt mit einem in allen Anliegerstaaten des Indischen Ozeans zu findenden Segelschiffstyp (Dau) während des winterlichen Nordostmonsuns östlich der Hafenstadt Aden im Jemen, unweit der Mündung zum Roten Meer. Stunde um Stunde segelte das mit Laternen ausgerüstete Schiff dicht an der Küste entlang und schwenkte dann ab, direkt hinter die Brandung. Die See war ruhig, der sanfte tropische Wind tagelang konstant – so jedenfalls wurde es uns nach einem unvergesslichen Tag der Überfahrt erzählt. Abgesehen von den küstennahen Passatwinden, sind die Monsune im Indischen Ozean perfekt fürs Segeln.

Das Einflussgebiet des Monsuns ist riesig. Es erstreckt sich von Südostasien über China bis zum Indischen Ozean, und auf seiner allgemeinen Zeitachse der saisonalen Niederschläge kommt es zu beträchtlichen Schwankungen. Im Grunde genommen sind Monsunwinde großräumige Meereswinde, die an Stärke gewinnen, sobald die Temperatur an Land wärmer oder kälter ist als jene über dem Ozean. Während der wärmeren Sommermonate steigen die Temperaturen an Land erheblich schneller als auf offener See. Aus diesem Grund dehnt sich die Luft über den Landmassen aus, und es entsteht ein Tiefdruckgebiet. Über dem Meer bleibt es kühler, und somit ist der Luftdruck dort höher. Dieser Druck­unterschied führt dazu, dass die Monsunwinde vom Meer aus landeinwärts wehen und feuchtere Luft an Land tragen. Ebendiese feuchte Luft steigt auf, strömt zurück zum Meer, kühlt aber während des Aufsteigens ab und verliert ihre Fähigkeit, Feuchtigkeit zu speichern, sodass es zu starken Niederschlägen im Inland kommt. Genau das Gegenteil geschieht in den kälteren Monaten. Dann kühlt das Land schneller ab als das Meer und an Land entsteht ein höherer Luftdruck. Die Luft vom Land strömt in Richtung Meer, und es kommt zu Niederschlägen vor der Küste. Die kalte Luft strömt zurück Richtung Land und der Kreislauf ist vollendet.

Über Tausende von Jahren hat der Monsun im Indischen Ozean die Segelschifffahrt vorangetrieben. Der Handel über den Ozean war lukrativ, denn die Monsunwinde ermöglichten es den Schiffen, innerhalb von zwölf Monaten von der Westküste Indiens bis zum Roten Meer oder nach Ostafrika und wieder zurück zu segeln. Sie konnten außerdem den Weg entlang der Küste zwischen Golf und Nordwestindien nehmen. Über viele Jahrhunderte hinweg gelangten auf diesem Wege Seide, andere Textilien sowie exotische Produkte aus Asien nach Westen, und im Gegenzug Gold und Elfenbein aus Afrika nach Osten. Im Indischen Ozean weht von Juli bis September der sommerliche Monsun aus Südwest, also in jenen Monaten, in denen feuchtigkeitsreiche Luft über die heißen trockenen Landmassen des indischen Subkontinents strömt. Für nahezu 80 Prozent aller Niederschläge in Indien ist der Sommermonsun zuständig, in einem Land, in dem 70 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben und Baumwolle, Reis und andere Getreidesorten anbauen. Die Bauern in Westindien sind so sehr auf die Monsunregen angewiesen, dass schon eine wenige Tage oder Wochen andauernde Verzögerung der Niederschläge ihre Ernten in Gefahr bringt. So haben verspätete oder ausbleibende Monsunregen in Indien eine Vielzahl von Hungersnöten hervorgerufen und Tausenden Menschen das Leben gekostet. Ein Beispiel hierfür ereignete sich im Jahr 1877, als die Niederschläge gänzlich ausfielen. Lokale Varianten des indischen Monsuns haben Auswirkungen auf das Arabische Meer und den Golf von Bengalen. Der Südwestmonsun ist so stark, dass er Richtung Norden bis nach Xinjiang im Nordwesten Chinas spürbar ist. In Ostasien ist der Monsun warm und regnerisch und sorgt für einen oft feuchten Sommer, im Winter ist er kalt und trocken. Die Monsunregen bilden einen breiten Gürtel: Sie ziehen Anfang Mai von Südchina aus nach Norden und weiter ins Jangtsetal, im Juli dann nach Nordchina und Korea. Im August bewegt sich der Regengürtel wieder zurück nach Südchina.

Historisch gesehen war der Monsunregen stets von großer Bedeutung. So waren beispielsweise die Bauern des Khmer-Reiches Angkor Wat in Kambodscha stark auf den asiatischen Monsun angewiesen, der sich schon vor rund 10 Millionen Jahren entwickelte, also lange bevor der Mensch auf der Erde erschien. Die Intensität des Monsuns variierte mit der Zeit, vor allem kurz nach der Letzten Eiszeit, ist aber stets ein dominanter Faktor in der globalen Klimageschichte gewesen. Er beschert mehr als 60 Prozent der Weltbevölkerung recht zuverlässig jahreszeitlich bedingte Niederschläge oder aber auch Trockenperioden und Dürren. Die unterschiedlich schnelle Erwärmung der eurasischen Landmasse und der angrenzenden Ozeane im Sommer und Winter führt zu einer jährlichen Windumkehr, die sich auf die gesamte Hemisphäre auswirkt. Dazu kommt noch ein weiterer Akteur: die Innertropische Konvergenzzone (ITC), in der die Passatwinde zusammenströmen. Drei regionale Monsunsysteme sind ebenfalls Teil dieser komplexen Klimadynamik, die das Wetter in Südostasien bestimmt. Zudem bringen die El Niño-Ereignisse sowie die Interdekadische Pazifische Schwingung (IPO) kurz- oder längerfristige Störungen mit sich, die in weiten Teilen Asiens, einschließlich Angkor, zu schweren Dürren führen können.

Die ITC umrundet die Erde in der Nähe des Äquators, und zwar in einem Gürtel, in dem die Passatwinde der nördlichen und südlichen Hemisphäre aufeinandertreffen. Intensive Sonneneinstrahlung und warmes Wasser heizen die Luft in der ITC-Zone auf, wodurch sich die Fähigkeit zur Aufnahme von Feuchtigkeit erhöht. Ebendiese Luft steigt auf, wenn die Passatwinde zusammenströmen; die aufsteigende, sich ausdehnende und abkühlende Luft gibt Feuchtigkeit in häufigen, unregelmäßigen Gewittern ab. Nahe der Oberfläche sind die Winde normalerweise schwach, weshalb Seeleute die ITC auch als Doldrums (Kalmenzone, Windstille) bezeichnen. Jahreszeitlich bedingte Verschiebungen der ITC beeinflussen die Niederschläge in vielen tropischen Ländern und sorgen für die unterschiedlichen feuchten und trockenen Perioden in den Tropen. Im Sommer der nördlichen Hemisphäre schiebt sich die ITC zwischen 10 und 15 Grad nach Norden. Diese saisonale Bewegung hatte im Tiefland der Maya-Zivilisation Mittelamerikas starke Auswirkungen auf die Niederschläge (s. Kapitel 6). Sobald sich der asiatische Kontinent stärker erwärmt als der Ozean, verschiebt sich die ITC im Pazifik Richtung Norden. Die warme Kontinentalluft steigt auf, und die Ozeanluft wird zum Land gezogen, wobei Winde aus Süden den Monsunregen bringen. Im Sommer der südlichen Hemisphäre verlagert sich die ITC-Zone dann wieder nach Süden.

EL NIÑO/SOUTHERN-OSCILLATION-PHÄNOMEN (ENSO)

ENSO ist wohl der einflussreichste Akteur im globalen Klimageschehen. Ursprüng­lich hielt man El Niños für ein lokales Phänomen, das die Sardellenfischerei an der Küste Perus regelmäßig – und üblicherweise um die Weihnachtszeit herum – betraf. Einer der ganz großen Triumphe in der Meteorologie gelang dem briti­schen Statistiker und Meteorologen Gilbert Walker: Dieser erforschte in Britisch-­Indien die Ursachen von Monsunen, wurde zum Experten für El Niños und war einer der ersten Beobachter, der ENSO als globales Phänomen erkannte. Er stellte fest, dass der Luftdruck im Indischen Ozean von Afrika bis Australien tendenziell niedrig ist. Dieses Phänomen nannte er das Southern Oscillation-Phänomen, dessen Schwankungen Einfluss auf die Niederschlagsmuster und Wind­richtungen im tropischen Pazifik sowie im Indischen Ozean hatten. Leider fehlten Walker die Daten über die Meeresoberflächen- und tiefere Wassertemperaturen, um die Mechanismen der Südlichen Oszillation zu bestätigen – diese Daten standen in den 1920er-Jahren nicht zur Verfügung.

Auch der norwegische Meteorologe Jacob Bjerknes von der Universität von Kalifornien in Los Angeles stellte seine Studien über die atmosphärische Zirkulation in einen globalen Zusammenhang. Ein starker El Niño in den Jahren 1957/1958 lenkte seine Aufmerksamkeit nach Westen, und er konnte zeigen, dass es eine enge Beziehung im Temperaturgradienten der Meeresoberfläche zwischen dem relativ kalten Ostpazifik am Äquator und einem riesigen Warmwasserpool im Westpazifik bis nach Indonesien gibt. Er stellte fest, dass es eine gewaltige Ost-West-Zirkulationszelle in der Nähe der Äquatorebene gibt. Trockene Luft sinkt langsam über dem kalten Ostpazifik ab. Dann strömt sie als Teil des südöstlichen Passatsystems am Äquator entlang Richtung Westen. Der Luftdruck ist im Osten höher und im Westen niedriger – das treibt diese Bewegung an. Die Luft kehrt in der oberen Atmosphäre nach Osten zurück und die Zirkulation ist been­det. Bjerknes nannte dies die „Walker-Zirkulation“. Er erkannte, dass mit der Erwärmung im Ostpazifik der Temperaturgradient der Meeresoberfläche zwischen Ost und West sank. Dadurch wurde die Passatströmung geschwächt, die den unteren Teilabschnitt der Walker-Zelle antreibt. Die Druckveränderungen zwischen dem Ost- und dem Äquatorialpazifik funktionierten wie eine Wippe – daher der Name Walker-Zirkulation.