Klimageschichte der Neuzeit - Franz Mauelshagen - E-Book

Klimageschichte der Neuzeit E-Book

Franz Mauelshagen

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Beschreibung

Heute fürchten wir, das Klima durch Menschwerk irreversibel zum Schlechten zu ändern. Jahrhundertelang aber war das Klima ein Faktum, welches zwar durch den Menschen nicht beeinflusst werden konnte, den Lauf der Geschichte jedoch entscheidend bestimmte. Siedlungsräume und agrarische Anbaumöglichkeiten änderten sich mit Klimaschwankungen und damit die Existenzgrundlage der Menschen. Wie aber lässt sich die Klimaentwicklung rekonstruieren? Welche sozialen, ökonomischen und kulturellen Auswirkungen hatten Klimaschwankungen und klimatisch induzierte Katastrophen auf die Menschen? Und wie wurden diese Klimaänderungen rezipiert und gedeutet? Alle drei Bereiche werden von Franz Mauelshagen, der sich intensiv mit Klima und Naturkatastrophen im historischen Kontext auseinandergesetzt hat, vom Beginn der Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts beantwortet.

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Seitenzahl: 286

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Franz Mauelshagen

Klimageschichte der Neuzeit

1500-1900

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Impressum

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-534-21024-4 © 2010 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe dieses Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Einbandgestaltung: schreiberVIS, Seeheim Satz: Lichtsatz Michael Glaese GmbH, Hemsbach Redaktion: Kristine Althön, Mainz eBook ISBN 978-3-534- 70439-2 (epub) Als epub veröffentlicht 2010.

www.wbg-wissenverbindet.de

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Inhaltsverzeichnis

Geschichte kompakt

Einleitung

I. Klimatologische Grundlagen

1. Durchschnittliches Wetter und Klimavariabilität

Wetter und Klima

Klimavariabilität

2. Klimasystem

3. Antriebsfaktoren für Klimawandel

Sonnenaktivität

Veränderungen der Erdbahnparameter

Vulkanismus

II. Historische Klimatologie heute

1. Was ist Historische Klimatologie?

Klimadaten aus Schriftzeugnissen

Forschungsfelder

2. Zur Geschichte der Historischen Klimatologie

Die Überwindung des Klimadeterminismus

Historisierung des Klimas

Schriftliche Quellen und das Klima der letzten 1000 Jahre

3. Ein schwieriges Verhältnis: Historische Klimatologie und Geschichtswissenschaft

Umweltgeschichte und Historische Klimatologie

Die Kleine Eiszeit in der Frühneuzeitforschung

Sozialgeschichte, Historische Anthropologie und Cultural Turn

III. Klimarekonstruktion: Quellen und Methoden der „Wetternachhersage“

1. Das Spektrum der Daten

Daten für die Paläoklimatologie

Daten aus den Archiven der Gesellschaft

2. Das Spektrum der Zeugnisse

Chroniken, Annalen und andere Quellen

Wetterjournale

Logbücher als klimahistorische Quellen

3. Instrumentelle Messungen

4. Methoden: Von den Proxydaten zur Rekonstruktion

Regressionsanalyse

„Pfister-Indizes“

Rekonstruktionen in räumlicher Auflösung

5. Ausblick

IV. Das rekonstruierte Klima 1500–1900

1. Gletscher auf dem Vormarsch

2. Das europäische Klima von 1500 bis 1900 im Überblick

Datenbasis

Klimaschwankungen über die Jahrhunderte

Jahreszeitliche Schwankungen

3. Antriebsfaktoren

Sonnenaktivität

Vulkane

Resümee

V. Zur Sozioökonomie der Kleinen Eiszeit

1. Agrarwirtschaft und biophysikalische „Impacts“

2. Die Spur des Klimas in der Preisgeschichte

Klima, Ernte- und Preisschwankungen

Preisrevolution

3. Hungersnöte

Hunger durch Nahrungsknappheit

Hunger als Problem der Verteilung

Hunger und soziale Verwundbarkeit

VI. Natürliche Ressourcen und sozialer Konflikt

1. Bauernrevolten

2. Globale Krise im 17. Jahrhundert

3. Wetterzauber und Hexenverfolgung

Überblick: Hexenverfolgung in Europa

Diskussion der „Behringer-These“

VII. Klimawandel und „Naturkatastrophen“

1. Katastrophen als „kurzfristige Schocks“

2. Ansätze und Bedeutung der historischen Katastrophenforschung

3. Historische Hydrologie

4. Stadtbrände

VIII. Ausblick

Wichtige Abkürzungen

Glossar

Literatur

Namensregister

Geographisches Register

Sachregister

Geschichte kompakt

Herausgegeben von

Kai Brodersen, Martin Kintzinger, Uwe Puschner, Volker Reinhardt

Herausgeber für den Bereich 19./20. Jahrhundert:

Uwe Puschner

Berater für den Bereich 19./20. Jahrhundert:

Walter Demel, Merith Niehuss, Hagen Schulze

Geschichte kompakt

In der Geschichte, wie auch sonst,

dürfen Ursachen nicht postuliert werden,

man muss sie suchen. (Marc Bloch)

Das Interesse an Geschichte wächst in der Gesellschaft unserer Zeit. Historische Themen in Literatur, Ausstellungen und Filmen finden breiten Zuspruch. Immer mehr junge Menschen entschließen sich zu einem Studium der Geschichte, und auch für Erfahrene bietet die Begegnung mit der Geschichte stets vielfältige, neue Anreize. Die Fülle dessen, was wir über die Vergangenheit wissen, wächst allerdings ebenfalls: Neue Entdeckungen kommen hinzu, veränderte Fragestellungen führen zu neuen Interpretationen bereits bekannter Sachverhalte. Geschichte wird heute nicht mehr nur als Ereignisfolge verstanden, Herrschaft und Politik stehen nicht mehr allein im Mittelpunkt, und die Konzentration auf eine Nationalgeschichte ist zugunsten offenerer, vergleichender Perspektiven überwunden.

Interessierte, Lehrende und Lernende fragen deshalb nach verlässlicher Information, die komplexe und komplizierte Inhalte konzentriert, übersichtlich konzipiert und gut lesbar darstellt. Die Bände der Reihe „Geschichte kompakt“ bieten solche Information. Sie stellen Ereignisse und Zusammenhänge der historischen Epochen der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Globalgeschichte verständlich und auf dem Kenntnisstand der heutigen Forschung vor. Hauptthemen des universitären Studiums wie der schulischen Oberstufen und zentrale Themenfelder der Wissenschaft zur deutschen und europäischen Geschichte werden in Einzelbänden erschlossen. Beigefügte Erläuterungen, Register sowie Literatur- und Quellenangaben zum Weiterlesen ergänzen den Text. Die Lektüre eines Bandes erlaubt, sich mit dem behandelten Gegenstand umfassend vertraut zu machen. „Geschichte kompakt“ ist daher ebenso für eine erste Begegnung mit dem Thema wie für eine Prüfungsvorbereitung geeignet, als Arbeitsgrundlage für Lehrende und Studierende ebenso wie als anregende Lektüre für historisch Interessierte.

Die Autorinnen und Autoren sind in Forschung und Lehre erfahrene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Jeder Band ist, trotz der allen gemeinsamen Absicht, ein abgeschlossenes, eigenständiges Werk. Die Reihe „Geschichte kompakt“ soll durch ihre Einzelbände insgesamt den heutigen Wissenstand zur deutschen und europäischen Geschichte repräsentieren. Sie ist in der thematischen Akzentuierung wie in der Anzahl der Bände nicht festgelegt und wird künftig um weitere Themen der aktuellen historischen Arbeit erweitert werden.

Kai Brodersen

Martin Kintzinger

Uwe Puschner

Volker Reinhardt

Einleitung

Trennung von Natur und Geschichte

Die Klimageschichte ist für Fachhistoriker eine Herausforderung, vielleicht sogar immer noch eine Provokation. Um Wissenschaft zu werden, hat sich die Geschichte im Laufe des 18. Jahrhunderts von der Naturgeschichte getrennt. Zwar haben Urväter der modernen Geschichtswissenschaft wie Jules Michelet (1798–1874) und Universalhistoriker wie Arnold J. Toynbee (1889–1975) natürlichen, gesellschaftsexternen Faktoren wie dem Klima in ihren Darstellungen der Menschheitsentwicklung immer wieder eine gewisse Beachtung geschenkt. Die Neuprofilierung der Geschichte als historischer Sozialwissenschaft im 20. Jahrhundert ging jedoch mit einer nahezu vollständigen Eliminierung solcher Faktoren einher. Gegenläufige Trends, vor allem in der Umweltgeschichte, stoßen auf Widerstand, der es den Subdisziplinen der Geschichtswissenschaft an der Grenze zwischen Sozial- und Naturwissenschaften schwer macht, sich zu etablieren. Die Skepsis ist selbst historisch durch die Ausdifferenzierung der modernen Wissenschaft zu erklären, die sich auf die Unterscheidung zwischen zwei grundlegend verschiedenen Ursachenmodellen für sozialen Wandel einerseits und natürliche Prozesse andererseits festgelegt hat.

Aktualität der Frage nach Klima und Geschichte

Die Pioniere der Historischen Klimatologie, Hubert Horace Lamb (1913–1997), Emmanuel Le Roy Ladurie (*1929) und Christian Pfister (*1944), waren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorrangig mit der Rekonstruktion des Klimas der letzten tausend Jahre befasst. Ihre Ergebnisse mussten sie vor allem auf dem Feld der Paläoklimatologie behaupten, das von naturwissenschaftlichen Methoden dominiert wird. Seitdem zuverlässige Rekonstruktionen vorliegen, die ältere Mutmaßungen über ein wärmeres Klima im Mittelalter und ein vergleichsweise kühleres in der frühen Neuzeit bestätigen und präzisieren konnten, d.h. etwa seit Beginn der 1990er Jahre, kehrt die Frage nach dem Verhältnis von Klima und Geschichte zurück auf die Tagesordnung. Sie ist durch die globale Klimaerwärmung zu einer drängenden Gegenwartsfrage geworden. Historiker sollten ihre Beantwortung nicht länger anderen Disziplinen überlassen, weil sie qua ihrer Profession Adressaten der Frage sind. Historiker generieren Wissen über die politische, soziale und wirtschaftliche Geschichte und machen dieses Wissen für andere verfügbar. Bei ihnen liegt es daher, die historische Bedeutung von Klimawandel mit der notwendigen Komplexität zu untersuchen. Dies aber erfordert letztlich eine neue Methodendebatte innerhalb der Geschichtswissenschaft, die auf eine Theorie der Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft und natürlicher Umwelt (darunter des Klimas) hinauslaufen muss. In jedem Falle bedarf es operationalisierbarer Verfahren, die zu empirisch fundierten Aussagen führen.

die Kleine Eiszeit

Dieses Buch möchte dafür Denkanstöße geben und versteht sich keineswegs nur als Überblick über die Klimageschichte zwischen 1500 und 1900. Für die Wahl des Zeitraums sprechen verschiedene Gründe: Es handelt sich um die Hochphase der Kleinen Eiszeit, die durch historische Zeugnisse sehr gut dokumentiert ist. Für sie liegen heute ausgezeichnete Klimarekonstruktionen vor. Und Historiker der frühen Neuzeit haben bereitwilliger als Vertreter anderer historischer Epochen Ergebnisse der Klimageschichte in ihre Überlegungen einbezogen. Die Frühneuzeitforschung hat innerhalb der Geschichtswissenschaft noch die meisten Erfahrungen im Umgang mit der Klimageschichte gesammelt. Die Historische Klimatologie ihrerseits erkannte zu Recht in der frühen Neuzeit die Epoche der vorinstrumentellen Periode, die aufgrund der Dichte der schriftlichen Überlieferung die besten Aussichten für eine erfolgreiche Rekonstruktion der Klimageschichte versprach. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Methoden der Historischen Klimatologie aus der Arbeit mit frühneuzeitlichen Quellen entwickelt wurden.

Zeitlicher Rahmen der Abhandlung

Wie gerade bemerkt, fällt die Zeit zwischen 1500 und 1900 in die sogenannte Kleine Eiszeit. Diese Epoche der Klimageschichte wird heute mit den Rahmendaten 1300 bis 1900 verbunden. Die Datierung überschreitet an beiden Enden gewöhnliche Epocheneinteilungen der Geschichtswissenschaft, einerseits die Grenze zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit, andererseits die zwischen früher Neuzeit und neuerer Geschichte. Wenn für dieses Buch der Zeitraum 1500 bis 1900 gewählt wurde, so hat dies mit pragmatischen Entscheidungen zu tun. Die Klimageschichte des Mittelalters ist weniger gut erforscht als ihr Verlauf seit dem 16. Jahrhundert. Der Beginn lässt sich weiter dadurch rechtfertigen, dass die Kleine Eiszeit keine Periode konstant sinkender oder (im Vergleich zum 20. Jahrhundert) niedrigerer Temperaturen war. Vielmehr schwankte das Klima zwischen wärmeren und kälteren Perioden. Kurz nach 1550 setzte eine besonders prägnante Kaltphase ein, nachdem vor allem im späten 15. und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mildere Verhältnisse vorgeherrscht hatten. Die anschließend einsetzende Verschlechterung entging der Wahrnehmung der Zeitgenossen nicht. Sie hat viele Spuren in schriftlichen Zeugnissen hinterlassen und die demographisch wie räumlich (Kolonialismus) expandierenden Agrargesellschaften Europas, die gleichzeitig in religiöse und zahlreiche militärische Auseinandersetzungen verwickelt waren, vor besondere Herausforderungen gestellt.

Epochenschwelle: Industrialisierung als Klimaantrieb

Die Jahreszahl 1900 stimmt mit dem Ende der Kleinen Eiszeit und dem Beginn des „warmen 20. Jahrhunderts“ überein. Gesellschaftsgeschichtlich macht eine Epochengrenze „1900“ freilich wenig Sinn, weil die Industrialisierung in Europa zu so grundlegenden ökonomischen und sozialen Veränderungen führte, dass seitdem das Verhältnis von Gesellschaft und Klima eine neue Qualität angenommen hat. Das hat unter anderem mit der rapide sinkenden Bedeutung des Agrarsektors in den europäischen Wirtschaftssystemen und dessen gleichzeitiger Revolutionierung zu tun. Aber noch in anderer Hinsicht bedeutet die Industrialisierung einen epochalen Einschnitt im Verhältnis von Menschen- und Klimageschichte: Angetrieben von Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum hat der exorbitant gestiegene Energiebedarf und dessen Deckung durch Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl, Erdgas) die industrialisierte Gesellschaft zum Antriebsfaktor im Klimasystem gemacht. Die anthropogene Emission von Treibhausgasen, insbesondere CO2, hat heute solche Ausmaße angenommen, dass bei Fortsetzung des industriellen Energieparadigmas zum Ende des 21. Jahrhunderts mit einem Anstieg der Temperaturen um 3,4 C oder mehr im Vergleich zu den Durchschnittswerten für 1980–1999 zu rechnen ist. Die Erwärmung im 20. Jahrhundert ist mit großer Gewissheit bereits Folge der Industrialisierung. Pointiert könnte man sagen, der Mensch habe die Kleine Eiszeit beendet und, freilich ohne dies zu beabsichtigen, ein neues Klimaregime „installiert“.

„Anthropozän“

Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, hat Paul J. Crutzen vor einigen Jahren den Begriff Anthropozän vorgeschlagen und den Beginn dieser neuen Epoche der Klima- wie überhaupt der Erdgeschichte im 19. Jahrhundert angesetzt (Crutzen u.a. 2000). Ich halte diesen Vorschlag auch umwelthistorisch für tragfähig und bin der Meinung, dass eine Darstellung, die nicht nur die klimatischen Veränderungen der Kleinen Eiszeit, sondern auch ihre Auswirkungen auf die Gesellschaften Europas im Blick hat, dieser Zäsur Rechnung tragen sollte. Damit ist dieses Buch zugleich von einer umfassenden und komplexen Darstellung des industriellen Paradigmas und seiner Folgen entlastet. Sie bleibt der bisher ungeschriebenen Klimageschichte des 19. und 20. Jahrhunderts vorbehalten. Das Enddatum 1900 betrifft also in erster Linie die Rekonstruktion des Klimas der Kleinen Eiszeit. Einige Aspekte der Klimafolgen im kalten 19. Jahrhundert werden in den späteren Kapiteln des Buches dann noch berührt, jedoch nicht unter dem Gesichtspunkt des epochalen Einschnitts der Industrialisierung. Es handelt sich entweder um Beispiele oder Fallstudien („Jahr ohne Sommer“ 1816) aus einer Übergangsphase oder um Vergleiche. Das 19. Jahrhundert wird hier aber nicht in seinem Eigencharakter zur parallelen Klimageschichte ins Verhältnis gesetzt.

Aufbau der Darstellung – Kapitel II

Der Aufbau dieses Buches geht von der Definition der Historischen Klimatologie und ihrer Untersuchungsgebiete aus: der Klimarekonstruktion, der Klimafolgenforschung und der Wissensgeschichte des Klimas. Die Wissensgeschichte kann dabei nicht systematisch abgehandelt werden. Vielmehr fließen einige ihrer Aspekte in verschiedene Kapitel der Darstellung ein. Definition und Geschichte der Historischen Klimatologie werden im zweiten Kapitel diskutiert. Hier ist auch der Ort, die Historische Klimatologie ins weitere Spektrum der Paläoklimatologie einzuordnen, ihre geschichtliche Entwicklung und ihre eher marginale Rolle innerhalb der Geschichtswissenschaft nachzuzeichnen. Hier wie im gesamten Buch werden sowohl der interdisziplinäre Kontext wie die fachhistorische Seite berücksichtigt.

Kapitel I

Das erste Kapitel bietet eine Einführung in Grundlagen der Klimatologie. Dort werden Begriffe wie „Wetter“ und „Klima“ erläutert, mögliche Ursachen für Klimawandel angesprochen und das Klimasystem knapp dargestellt. Funktion dieses Kapitels ist es, Historiker mit Denkweisen der systemischen Klimatologie wenigstens ansatzweise vertraut zu machen.

Kapitel III

Das dritte Kapitel widmet sich der Klimarekonstruktion auf der Basis schriftlicher und bildlicher Quellen. Eine kritische Diskussion über den Informationswert bestimmter Proxydaten, indirekte Hinweise auf die historische Klimaentwicklung wie Baumringe oder Eisbohrkerne also, die sich in diesen Zeugnissen finden, ist Ausgangspunkt für eine kurze Quellenkunde. Es folgt ein Überblick über grundlegende Methoden der Verarbeitung von Klimaproxydaten, deren Ziel es ist, Temperatur- und Niederschlagswerte zu rekonstruieren und eine kartographische Darstellung ihrer räumlichen Verteilung zu ermöglichen. Die Quellen- und Methodenlehre dieses Kapitels ist alleine auf die Klimarekonstruktion ausgerichtet. Das entspricht bisherigen Gepflogenheiten. Die Frage, ob für die historische Klimafolgenforschung und für die Wissensgeschichte des Klimas nicht eine je eigene Quellenkunde nötig wäre, ist naheliegend und berechtigt. Bisher hat man sich mit einer Art Standardantwort zufriedengegeben: Demnach sind für beide Bereiche die allgemeine Quellen- und Methodenlehre der Geschichtswissenschaft bzw. die bestimmter Teildisziplinen hinreichend. Für die Erforschung wirtschaftlicher Impacts etwa genügen Kenntnisse aus dem Bereich der Wirtschaftsgeschichte. Die Wissensgeschichte des Klimas arbeitet mit ähnlichen Quellen wie die heutige Wissenschaftsgeschichte. Es spricht gleichwohl vieles dafür, dass in Zukunft, wenn die historische Klimafolgenforschung und die Wissensgeschichte des Klimas einen anderen Stand erreicht haben werden als heute, eine Darstellung der Historischen Klimatologie nicht mehr auf eine eigene Quellen- und Methodenlehre für diese Forschungsgebiete verzichten kann.

Kapitel IV–VII

Das rekonstruierte Klima der Kleinen Eiszeit ist Gegenstand des vierten Kapitels. Mit dem fünften Kapitel geht dieses Buch zur historischen Klimafolgenforschung über, wobei zunächst die sozioökonomischen Aspekte im Mittelpunkt stehen. Schon dort wird es um Fragen der Ressourcenknappheit gehen. „Natürliche Ressourcen und sozialer Konflikt“ ist das Thema des sechsten Kapitels. Die frühneuzeitliche Konfliktforschung hat bisher nur selten den Klimawandel der Kleinen Eiszeit in ihre Überlegungen einbezogen. Das Kapitel betritt insofern Neuland und möchte Anstoß für weitere Untersuchungen dazu geben. In Kapitel sieben schließlich wird auf „Klimawandel und ‚Naturkatastrophen‘“ eingegangen. Klimatisch-meteorologisch bedingte Katastrophen werden heute allgemein zu den wichtigsten Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung gerechnet. Die Historische Klimatologie hat sich diesem Problem ebenfalls in den letzten Jahren verstärkt zugewandt. Aus der neueren historischen Katastrophenforschung sind wichtige Impulse dazugekommen.

Vieles von dem, was in den letzten drei Kapiteln zur historischen Klimafolgenforschung gesagt wird, hat programmatischen Charakter. Empirische Studien zur Epoche der Kleinen Eiszeit liegen für die dort angesprochenen Aspekte zwar vor, stehen aber zum Teil erst am Anfang und geben ein uneinheitliches Bild. Das völlig neu formierte und sich weiter neu formierende Feld der historischen Klimafolgenforschung steht überdies in engem Zusammenhang mit der Frage nach den Folgen des aktuellen Klimawandels. Diese Verbindung sichtbar zu machen war ein zentrales Anliegen. Die Relevanz historischer Arbeiten sollte dadurch aufgezeigt werden, auch wenn auf diese Weise eher ein Entwurf möglicher Zukunft als ein Bild des gegenwärtigen Forschungsstandes entstanden ist.

Historische Klimatologie und Geschichtswissenschaft

Die Historische Klimatologie hat bis heute Mühe, sich als Teildisziplin oder Spezialisierung im Fach Geschichte an Universitäten oder Forschungseinrichtungen zu etablieren. Das hat viele Gründe, auf die in Kapitel zwei im Zusammenhang der Forschungsgeschichte eingegangen wird. Vor solchem Hintergrund ist dieses Buch, das in einer Reihe erscheinen kann, die in erster Linie Historiker und solche Leser anspricht, die an Geschichte interessiert sind, vielleicht Zeichen für eine Trendwende. Den Reihenherausgebern und dem Verlag gebührt Dank für Offenheit und Mut. Jürg Luterbacher, Professor am Institut für Geographie der Universität Gießen, hat dem Verfasser die rekonstruierten Temperatur- und Niederschlagsdaten für die Darstellung des Klimas der Kleinen Eiszeit in Kapitel IV zur Verfügung gestellt. Auch dafür sei an dieser Stelle gedankt. Es wäre zu wünschen, dass die Historische Klimatologie einen festen Platz innerhalb der Geschichtswissenschaft findet und in Zukunft mehr Fachhistoriker als bisher bereit sind, sich auf dieses anspruchsvolle Feld einzulassen. Auch die Geschichtswissenschaft als Disziplin könnte davon profitieren – mindestens ebenso, wie die an der Erforschung des Klimas beteiligten Disziplinen davon profitieren könnten, wenn Historiker mehr als bisher ihr Wissen, ihre Fragestellungen und ihre Ansätze einbringen. Das Feld ist, wie dieses Buch hoffentlich zu zeigen vermag, wahrlich breit genug, um solche Hoffnungen zu schüren.

institutionelle Stellung

Die institutionelle Zukunft der Historischen Klimatologie innerhalb der Geschichtswissenschaft hängt unter anderem von der Anerkennung ihrer Leistungen während der letzten 30 Jahre ab, in denen die Rekonstruktion der Klimaverhältnisse des letzten Jahrtausends im Vordergrund stand und enorme Fortschritte gemacht hat. Die Zukunft der Historischen Klimatologie an den heutigen Universitäten und Forschungseinrichtungen liegt im Rahmen fächerübergreifender Forschungs- und Studienprogramme. Solche Studienprogramme existieren bereits im Bereich der Umweltwissenschaften. Interdisziplinäre Climate-Studies-Programme befinden sich an verschiedenen Universitäten des deutschsprachigen Raumes im Aufbau. Es ist zu hoffen, dass die Klimageschichte der letzten 1000 bis 2000 Jahre dabei die ihr gebührende Beachtung findet und dass sie von Wissenschaftlern gelehrt wird, die mit Methoden und Fragestellungen der Geschichtswissenschaft vertraut sind. Historiker, die sich auf das Wagnis einer interdisziplinären Kooperation einlassen, die auch die Grenze zu den Naturwissenschaften überschreitet, können in Zukunft dazu beitragen, dass die Sozial- und Kulturwissenschaften in der Forschung zu Ursachen und Folgen des aktuellen Klimawandels anders wahrgenommen werden als bisher. Die herausragende Bedeutung weit in die Vergangenheit zurückreichender Klimadaten für die Klimatologie ist seit Langem unbestritten. Unser Wissen über die Zukunft des Klimas und die Folgen des Klimawandels stützt sich auf unser Wissen über seine Vergangenheit. Es ist darum auch nur so gut wie dieses Wissen.

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