Knapp daneben - Geschichten für den nächsten Tag - - Jens Kirsch - E-Book

Knapp daneben - Geschichten für den nächsten Tag - E-Book

Jens Kirsch

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Beschreibung

Knapp daneben ist auch vorbei. Mir selbst ist im Leben so manches danebengegangen. Ihnen auch? Dann seien Sie eingeladen zu einem Ausflug in die bewegte Welt ambitionierter Menschen, die oft genug das Pech haben, die Ziele ihrer Bemühungen nicht mit den Ergebnissen in Einklang bringen zu können. Das kann tragisch sein, muss es aber nicht. Die große Komödie des Lebens, sie steckt uns in diesen Geschichten die Zunge heraus.

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Knapp daneben ist auch vorbei. Mir selbst ist im Leben so manches danebengegangen. Ihnen auch? Dann seien Sie eingeladen zu einem Ausflug in die bewegte Welt ambitionierter Menschen, die oft genug das Pech haben, die Ziele ihrer Bemühungen nicht mit den Ergebnissen in Einklang bringen zu können.

Das kann tragisch sein, muss es aber nicht. Die große Komödie des Lebens, sie steckt uns auch in den ‚Geschichten für den nächsten Tag‘ die Zunge heraus!

Inhalt

Bockwurst

Impftermin

Plündern

Bernstein

Reisen

Grün, Grün, Grün

Decke tapezieren

Blut

Beipackzettel

Komasaufen

Bruchpiloten

Knapp daneben

Toleranz

Knapp, daneben, vorbei

Eine Frage an das Volk

Dissen

ComeOn

Jeder Dritte

Reflexion

Bockwurst

Seltsamerweise schmecken mir die Bockwürste an den Tankstellen am besten. Obwohl ich da nicht besonders wählerisch bin. Ganz gern vernasche ich so einen schönen knackigen Dampfriemen, mit einem knusprigen Brötchen als Umhüllung, auch in den diversen Kaffees, wie sie seit einiger Zeit an die Bäckerläden angeschlossen sind.

Wahrscheinlich ist in diesen Bäckereien der Handwerksanteil bei der Brötchenerstellung so hoch wie bei den Tankstellen auch: Der im Großhandel erworbene Teigbatzen wird in einen Elektroofen geschoben, nach Anleitung eine bestimmte Zeit bei einer bestimmten Temperatur gebacken und zum Abschluss zur Abkühlung in einen Korb gekippt. Das war’s.

Dann folgt der handwerkliche Part. Das nunmehr abgekühlte Brötchen wird in die mit einem Latexhandschuh versehene Hand genommen, mit einem Messer aufgeschnitten und die Bockwurst hineingestopft.

Bei den Bäckerkaffees kann es passieren, dass, ebenfalls von Hand, noch Senf aus einer Pressflasche über die Wurst gedrückt wird.

In den Tankstellen gibt es den Senf meist als kleine Tütchen dazu. Das finde ich sehr viel weniger schön, aber was soll’s! Wenn es wenigstens zwei Tütchen sind, bin ich schon ganz zufrieden. Wegen des Kugelvirus waren wir lange nicht mehr aus dem Haus gekommen.

Deshalb freute ich mich auf den Gesundheitsausflug, den ich mit meiner Frau in die nächstgelegene Großstadt unternehmen musste.

Weil dort, in Rostock, über eine längere Zeit relativ wenige virusinduzierte Fälle aufgetreten waren, gab es seit Wochenbeginn wieder offene Läden und so nutzte ich die Zeit, die meine Frau beim Arzt zubrachte, um mir die armen geschundenen Seelen in und um das Warnow-Center herum bei ihrer elementarsten Bedürfnisbefriedigung, dem Shoppen, anzusehen.

Mit unserem Hund Billi an der Leine spazierte ich über die erste belebte Ampelkreuzung.

Unser Hund ist schon einigermaßen taub, aber er erschnüffelt noch ganz genau, welcher andere Hund ihm an den Straßenecken einen Gruß hinterlassen hat. Und beim Studieren dieser Grüße ist er ziemlich ausdauernd. Ich kam also nicht allzu schnell vorwärts und hatte Zeit, die diversen Läden, die sich in der Einkaufspassage befinden, schon vorab zu inspizieren.

Bereits an der Stirnseite der Gebäude, die die Fußgängerzone bildeten, pries ein Bäcker seine Handwerkskunst.

Wir hatten schon einige Wochen zuvor die Ehre, seine Brötchen zu verkosten. Sie schmeckten ein ganz klein wenig nach ranzigem Salatöl. Bei welchem technologischen Schritt Brötchen mit ranzigem Salatöl in Berührung kommen, ist mir bis heute unklar. Sei es drum, es ging auf halb Zwölf, ich hatte Hunger.

Ganz ungebremst durfte der Laden nicht betreten werden und das angeschlossene Kaffee war geschlossen. Also wartete ich geduldig, bis ich hinter die Glastür treten durfte, um dort zu erfahren, dass es keine Bockwurst gäbe. Na so etwas!

Billi hatte sich inzwischen ausgeschnüffelt und so kamen wir etwas zügiger um die nächste Ecke. Hier bot ein Großbäcker seine Waren feil und bei dem, der hat auch bei uns daheim eine Filiale, hatte ich schon öfter eine Bockwurst gegessen.

Ich musste Billi draußen anbinden, denn ein Hund beim Bäcker, das geht natürlich nicht. Auch in dieser wirklich sehr, sehr großen Backfiliale war das Kaffee durch Bänder abgesperrt. Langsam beschlichen mich Zweifel: hatte ich nicht richtig zugehört, als es um die Ladenöffnungen ging? Wahrscheinlich!

Jedenfalls lagen etliche herzhaft belegte Brötchen in der Auslage. Das stimmte mich in Sachen Bockwursterwerb doch einigermaßen zuversichtlich. Der Preis der Mettbrötchen jedoch, der machte mich nachdenklich. Für eine halbe, wirklich kleine Semmel, dünn mit Hackepeter, Mett, oder wie auch immer Sie das durchgedrehte, gewürzte Schweinefleisch bezeichnen, wollten die industriell angehauchten Inhaber der Backfiliale 1,80 Euro haben. Das wären, wenn mir die kleine Rückrechnung erlaubt sei, 3,60 DM und die wiederum zurückgerechnet auf unsere Aluminiumchips, 36 lumpige Ostmark (LOM). Dann hätte ich mir damals zwanzig halbe Brötchen kaufen können und mein Gehalt wäre weg gewesen.

Bloß damals, da gab es gar keine Brötchen mit Gehacktem beim Bäcker. Die Einzelteile musste man sich brav selbst zuhause zusammenfügen.

Und Bockwürste in Tankstellen, die gab es auch nicht! Tja, alles Gute ist eben nie beisammen.

Zurück nach Rostock in die wirklich große Backfiliale: Bockwurst gab es auch dort nicht. Muss wohl ebenfalls am geschlossenen Kaffee gelegen haben.

Nur wenige Schritte weiter bog ich in die Fußgängerpassage ein. Ein fliegender Händler hatte seinen Stand mit ziemlich glitzernden und schrill bunten Klamotten aufgebaut. Die Sachen rochen selbst unter freiem Himmel ziemlich bitter, streng, seltsam widerlich. Ich hab‘s, sie rochen chemisch! Sie kennen den Geruch sicherlich.

So roch es auch in den wenigen Sachenläden, die ich besucht habe. Ich bin da inzwischen sehr verwöhnt, denn solche Läden sehe ich dank meiner Frau nur ganz, ganz selten von innen. Das letzte Mal ist bestimmt schon zwanzig Jahre her (Ich übertreibe nicht!), und bei der Gelegenheit setzte ein körperbedingter Abwehrreflex bei mir ein, der dazu führte, dass ich in Anwesenheit meiner Frau bestimmt nie wieder einen Klamottenladen betreten muss.

Es grummelte mir plötzlich ganz seltsam um den Magen herum, oder noch weiter unten, und hinten, und so beschloss ich damals, Interesse an den Warenauslagen mimend, mich in einen Bereich ohne Kunden zurückzuziehen, um dort möglichst leise das Grummeln aus meinen Innereien zu entlassen. Tatsächlich, die Sache funktionierte einwandfrei: in der Ecke, in der ich mich aufhielt roch es überhaupt nicht mehr chemisch!

Dummerweise hingen dort irgendwelche Anoraks, die meine Frau nun doch interessierten. Erst schaute sie mich nur strafend an, aber als auch noch ein junges Ehepaar in der gleichen Ecke Regenbekleidung suchte, haben wir den Laden ziemlich fix wieder verlassen. Seitdem, wie gesagt, geht sie mit mir nicht mehr so gern in Läden mit diesem speziellen chemischen Geruch.

In der Fußgängerzone stank es also nach Chemie. Einige Schritte weiter standen Bänke vor einer Bäckerei. Obwohl Billi ein wenig taumelte – das kann am Geruch ebenso liegen, wie an seinem hohen Alter -, erreichten wir die Bäckerei, die ebenfalls Frühstück, Kaffee und belegte Brötchen anbot.

Und vor diesem Laden schuckelte eine ältere Frau, eine Neubürgerin, wie sich bald herausstellte, einen Kinderwagen. Die Frau war grauhaarig, aber das will heutzutage ja nicht viel bedeuten. Ich sah mir das Kind durch die Kunststoffscheibe etwas genauer an: es handelte sich um einen Hund, ein Hündchen besser, mit einer roten Schleife im Haar. Die Frau sprach mich an:

„Dein Hund, welche Rasse?“

Ich sagte ihr, dass unser Billi ein Havanneser sei.

Die Frau jubelte auf.

„Meine (den Namen habe ich verpasst, nennen wir sie Daisy, das würde zu der kleinen Hundedame passen) Daisy, auch Havannese!“

Sie packte die Kleine, die neben dem rosa Schleifchen ein rosa Jäckchen trug, und hielt sie dem Billi genau vor die Nase. Billi ist kein Kostverächter, aber ihm wie mir schlug wieder ein seltsam chemischer Geruch in die Nase, diesmal mehr so blumig, eine Mischung aus Levkoje und Maiglöckchen, mein lieber Mann, Billi zuckte zurück. Ich jedoch kniff meine Hinterbacken zusammen, damit nicht wiederum meine Abwehrreaktion die wirklich nette Frau samt ihrer Hündin verschrecken würde.

In diesem Moment kam ihr Mann aus der Bäckerei, begrüßte uns freundlich und machte sich mit der Frau vom Acker (Sie sehen, wir kommen vom Lande, denn vom Pflasterstein wäre wohl die bessere Metapher). Noch von weitem johlte sie enthusiastisch, und ich hörte sie noch, als bereits die Tür der Bäckerei hinter mir schloss.

„Der Billi, das ist auch ein Havanneser…“

In dieser Bäckerei gab es Bockwurst und ich konnte mir ein Brötchen dazu noch aussuchen. Die junge Verkäuferin gab ordentlich Senf darüber, genau wie ich es liebe.

Ich teilte mir die Bockwurst vor der Tür mit Billi und der viele Senf versöhnte mich damit, dass ich mir auf keinen Fall die Zunge verbrennen konnte. Naja, Billi frisst sowieso lieber kalte Wurst, nur fiel seine Hälfte etwas kleiner aus als meine, denn ich musste ja den vielen Senf irgendwo drauf tun.

Und der Billi, der mag zwar die Wurst, aber den Senf, den mag er nicht.

Halbwegs zufrieden verließ ich die Einkaufspassage. Ich überlegte noch, ob ich mir den ORION-Laden anschaue, aber der lag ganz am anderen Ende und einen Erotikladen hatte ich mir schon einmal nach der Maueröffnung angesehen. Irgendwie passte auch die gerade aufgegessene Bockwurst nicht so richtig zu den Gummiteilen (auch wieder Chemie!), die dort zu erwarten wären, also, so dachte ich mir, mache ich lieber noch einen Abstecher zur nächsten Tankstelle und prüfe, wie dort die großstädtische Bockwurst wohl so sei.

Sie glauben nicht, dass gleich neben der Fußgängerzone eine Tankstelle ist? Es ist tatsächlich ein wenig seltsam, aber gleich hinter der nächsten Ampel lockten die Riesenbuchstaben einer Tankstellenkette. Dort stank es zwar wiederum nach Benzin und Diesel, vermischt mit diversen Abgasen, jedoch setzen diese Gerüche meine Abwehrmechanismen nicht in Kraft. Keine Ahnung, woran das liegt, denn gesünder als die Farbendüfte von Stoffen sind diese Düfte sicherlich nicht.

Die Wurst, die hier ausgereicht wurde, war riesig! Sie war heiß, sie duftete, nur der Senf war in besagten Plastiktütchen verborgen und einigermaßen verschämt lutschte ich noch den letzten Rest aus der polymeren Umhüllung. Da nun keinerlei Senf die Wurst verschmutzte, schmeckte sie auch unserem Billi viel besser und sein Anteil stieg im Vergleich zur Bäckerwurst.

Ich kaute noch, auf einem Poller sitzend, als der Anruf meiner Frau einging.

Wir fuhren nach Hause und raten Sie mal, was es zum Mittag gab?

Kartoffelsalat und Bockwurst!

Impftermin

Die Tagesnachrichten beschäftigten sich schon seit einiger Zeit nicht mehr direkt mit der Immunisierung der Bevölkerung Deutschlands durch das Impfen.

Das ist seltsam, weil sich nur wenige Tage und Wochen zuvor alles, aber auch wirklich alles, allein um dieses eine Thema drehte. Noch verwunderlicher ist, dass diese thematische Fixierung genauso lange anhielt, wie kein oder später viel zu wenig Impfstoff tatsächlich zur Verfügung stand.

Ab einem bestimmten Moment jedenfalls stand ganz plötzlich die Feststellung des Individualzustandes im Vordergrund: Jedem Bewohner des Landes sollte ein zweimaliger Test ermöglicht werden – Sie werden ihn inzwischen in Anspruch genommen haben oder auch nicht –, der dem Nutzer Auskunft über seinen persönlichen Infektionszustand geben solle.

Ich persönlich vermute, die diversen Umfrageunternehmen hatten festgestellt: die alte Sau ist tot und eine neue muss her.

So weit, so gut. Wenn nun aber der Gesamtinhalt aller Tagesnachrichten der öffentlichen Medien ganz allein aus den Informationen über die arme totgetriebene Sau und deren Nachfolgerinnen, mal abgesehen vom Wetter und von den Nachrichten über die Ergebnisse der Bundesliga besteht, dürfte die Empfehlung, die Treibzeit der Sau auf ein Minimum zu reduzieren, nicht allzu weit weg sein.

Gut, ich will nicht unfair sein, auch die Anzahl der Infektionsereignisse, die mit dem wunderbaren Messwert der Inzidenz in das Bewusstsein der Bürger des Landes Tag für Tag eingehämmert wurde, war Tagesinformation.

Weil nun diese wenigen Inhalte gerade einmal wenige Sekunden an Übertragungskapazität benötigt hätten, wurden sie gnadenlos aufgeschäumt.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen erging, aber mir waren die diversen Aufgüsse ein und desselben Tees, um mal ein anderes Bild zu bemühen, zuwider. Ich konnte dieses gebetsmühlenartige Geschnatter nicht mehr ertragen und schaltete folglich auf stur, indem ich mich der Nachrichtenaufnahme in Gänze verweigerte. Allerdings bin ich noch ans Telefon gegangen.

Genau in diesem, meinem kritischen Moment, klingelte das Telefon also. Meine Mutter teilte mit, dass sie die schriftliche Aufforderung erhalten hätte, sich der Impfung mit dem Vakzin zu stellen. Kannten Sie den Begriff Vakzin schon vor der Pandemie?

Ich gebe es unumwunden zu: mir war das Wort vollkommen unbekannt. Ebenso sagten mir vulnerable Gruppen nichts. Videoschalten waren mir ebenfalls unbekannt. Soll mal einer sagen, dass die Fixierung von Nachrichten auf nur ganz wenige Themen nicht zur Erweiterung des Wortschatzes beitragen könnte.

Nur zu deutlich sehe ich den etwas feisten Kanzlerkandidaten der zu der Zeit kommenden Wahl vor mir, wie er mit genüsslich gespitzten Lippen das Wort ‚vulnerabel‘ durchkaute. Fast möchte ich es ebenso wie er murmeln: vulnerabel! Ist das nicht schön? Ja! Das ist nicht schön! Aber ich schweife ab.

Meine Mutter, Annelie heißt sie, hatte also die Mitteilung erhalten, dass sie sich einen Impftermin nach Anwahl einer vom zuständigen Landesamt ausgegebenen Telefonnummer zuteilen lassen könne.

Weil Annelie ein Alter erreicht hat, welches jenseits der festgelegten Altersgrenze liegt, wurde ihr staatlicherseits eingeräumt, zur Gruppe der Vulnerablen zu gehören.

Nun ist meine Mutter allerdings nicht so veranlagt, dass sie gleich, wenn ihr jemand etwas mitteilt, dieses genauso umsetzt.

Nein, nein, so einfach geht die Sache nicht! Früher war mehr Lametta? Eskalationsstufen? Informationsdefizit?

Womit fangen wir an? Hauptkommunikationsgerät Annelies ist das Telefongerät. Das mag verwunderlich klingen, denn meine Mutter hört einigermaßen hart. Die Frequenzen der diversen Telefone bedienen sich logischerweise eines mittleren Bereiches und der dringt noch ausreichend gut durch. Wobei Annelies Gedanken nicht ganz unlogisch zunächst auf Erfahrungsaustausch abzielen, der sich wegen der genannten Harthörigkeit aber besser als Direktive entäußern sollte. Da sie aber zu Beginn der Impfaktion vom eigentlichen Ablauf selbstverständlich äußerst wenig wusste, konnte sie nur schwer Direktiven erteilen. Nichtsdestotrotz rief meine Mutter also einige Freundinnen und Freunde an und, wie der Teufel es wollte, hatten einige ebenso das Anschreiben erhalten und einer gar schon einen Termin via Internet angemeldet.

Der durch die Behörde unseres Landes empfohlene Anmeldeweg via Telefon wurde sofort auf Eis gelegt. Als ich meine Mutter eine Woche später besuchte, konnte sie also erstmals in dieser Sache Direktive erteilen:

„Meldest du mich bitte beim Impfen über Internet an?“

Na, ich war einigermaßen sauer, denn ich dachte, dass die Direktive eher in die Richtung gehen würde, die alte Dame demnächst zum Impfen fahren zu müssen. So aber, ohne Termin, setzte ich mich also an ihren PC und durchsuchte die Seiten des Landesamtes nach der Seite mit der Terminvergabe. Ich fand sie nicht. Also nahm ich das Anschreiben – da stand auch nichts von Onlinediensten zur Terminvergabe, eben nur jene Servicenummer. Und von der nun hatte ich schon gehört, dass sie nicht gerade überbesetzt sei.

Noch während ich also die angegebene Nummer anwählte und die angesagte Wartezeit von mehr als zehn Minuten lief, meckerte ich also auf meine liebe Mutter ein, warum sie nicht einmal, nein nicht ein einziges Mal die Scheißnummer aus dem Landesamtspamphlet angerufen habe, um sich einen verschissenen Termin geben zu lassen? Wie gesagt, ich war sauer. Aber was ich auch sagte, sie hörte es ja sowieso nicht.

Wobei ich bei dieser Einschätzung sicher ziemlich weit daneben liege, denn das selektive Hören ist so eine Sache für sich. Wenn man als alter Mensch Direktiven erteilen will, muss man genau das hören, was man zu Befehlen umwandeln kann und eines weiß ich natürlich genau: ein Anschiss ist dafür absolut ungeeignet. Deshalb lassen Sie mich ruhig meckern, denn meine Mutter, die macht das genauso.