Kommunikation in kommunalen Projekten - Gisela Goblirsch - E-Book

Kommunikation in kommunalen Projekten E-Book

Gisela Goblirsch

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Beschreibung

Projekte der öffentlichen Hand stehen unter der besonderen Kontrolle der Öffentlichkeit. Bürgerproteste und daraus folgende Verzögerungen der Vorhaben, können Projekte extrem verteuern. Das wird in Zeiten knapper Haushalte zunehmend problematisch. Vieles kann mittels gut durchdachter Kommunikation mit Projektpartnern, Födergeldgebern, Behörden und vor allem mit der Öffentlichkeit aufgefangen werden. Dadurch entsteht eine breite Basis der Zustimmung und ein verlässlicher Projektverlauf. Dieses Buch von Gisela Goblirsch liefert anhand eines fiktiven Großprojekts wertvolle Einblicke in die Kommunikationsaufgaben und -strukturen. Es führt beispielhaft durch alle "Baustellen" der Kommunikation und  liefert beispielhafte Lösungsansätze. Inhalte: - Projekte, Kommunikation und Projektkategorien - Projektklassifizierung aus Bürgersicht: Sichtbar, unsichtbar, spürbar, nicht greifbar - Musterstadt – das (fiktive) Großprojekt - Bürger beteiligen – Bürgerwillen erkunden - Formate zur Bürgerbeteiligung - Kommunikationswege und -kanäle - Umgang mit Kommunikationspartnern

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Seitenzahl: 399

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtImpressumZum Einstieg1 Projekte und Kommunikation1.1 Projekt und Bürgerschaft1.2 Was ist ein kommunales Projekt?1.3 Gestalten contra Erhalten2 Projektkategorien2.1 Eigene kommunale Projekte2.2 Landes- und Bundesprojekte2.3 Kommunale Projekte mit Kooperationspartnern2.4 Kommunale Projekte in gesellschaftlicher ­Mitverantwortung3 Projektklassen3.1 Das sichtbare Projekt3.1.1 Lärmschutzwände3.1.2 Ein Bürgerhaus wird gebaut3.1.3 Ein neues Rathaus muss entstehen3.1.4 Die zeitgemäße Erweiterung zur Nutzung eines historischen Gebäudes3.1.5 Die umfangreiche Innenstadtsanierung3.2 Das spürbare Projekt3.2.1 Der neue Sportpark ist in Sicht3.2.2 Die Bewirtschaftung des Gemeindewaldes steht an3.2.3 Eine Ortsverbindungsstraße wird ausgebaut3.2.4 Eine Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete ist geplant3.2.5 Ein Gewerbegebiet soll entstehen3.2.6 Eine Marke soll aufgebaut werden3.3 Das unsichtbare Projekt3.3.1 Die Sanierung der Wasserversorgung3.3.2 Die Ertüchtigung der Abwasserentsorgung3.4 Das nicht greifbare Projekt3.4.1 Der kommunale Haushalt wackelt3.4.2 Planung und Durchführung4 Musterstadt – das (fiktive) Großprojekt4.1 Versuchsaufbau4.2 Planvolles Vorgehen4.2.1 Vorannahmen4.2.2 Der erste Schritt: Kommunikation4.3 Zielgruppen und Dialoggruppen erkennen4.3.1 Die An- und Einwohnerinnen4.3.2 Die Besucher4.3.3 Behörden aller Art4.3.4 Geldgeber/Finanziers4.4 Die Themenlandkarte – Themen, Cluster, Aspekte4.4.1 Tunneltechnik4.4.2 Finanzierung4.4.3 Politik4.4.4 Verwaltung4.4.5 Handel und Tourismus4.4.6 Auswirkungen auf Anwohnende4.4.7 Auswirkungen auf die Kommune als Ganzes4.4.8 Gesellschaftliche Akzeptanz4.5 Von der Themenlandkarte zu den Datenblättern4.5.1 Das Datenblatt4.5.2 Die Kernbotschaft4.5.3 Beispiele für Kernbotschaften5 Bürger beteiligen – Bürgerwillen erkunden5.1 Acht Grundregeln für gute Kommunikation und Öffentlichkeitsbeteiligung 5.2 Vier Beteiligungskategorien6 Formate zur Bürgerbeteiligung6.1 Erarbeiten der grundsätzlichen Zukunftsausrichtung einer Kommune6.1.1 Warm-Data-Lab6.1.2 Affinity Map6.2 Erarbeiten von Lösungswegen bei bereits konkreteren kommunalen Planungen6.2.1 Open Space6.2.2 World Café6.2.3 Konsensus-Konferenz und Bürgerrat6.2.4 Planungszelle6.3 Einholen von Meinungsbildern6.3.1 Fishbowl plus systemisches Konsensieren6.3.2 Stakeholder-Forum6.3.3 Bürgerversammlung6.3.4 Bürgerumfrage6.4 Konfliktlösung6.4.1 Mediation6.4.2 Runder Tisch6.4.3 Bürgerentscheid7 Kommunikationswege und -kanäle7.1 Kommunikationskanäle – ein Überblick7.1.1 Schaltzentrale der Kommunikation – die Website7.1.2 Das transparente Projekt – der Baublog7.1.3 Projektinformationen für die Welt? – Social Media7.1.4 Aktuelle Information zum Projekt – die Bürger-App7.1.5 Direkt in jeden Haushalt – das Stadt-/Gemeindeblatt7.1.6 Verführerische Information – der Flyer7.2 Erlebbare Information7.3 Medienarbeit8 Kommunikationspartner8.1 Hausinterne Kommunikation8.1.1 Das Projektteam8.1.2 Projektleitung und Verwaltungsleitung8.2 Kommunikation mit politischen Gremien8.3 Kommunikation mit Netzwerkpartnern8.3.1 Kommunale Eigenbetriebe/Kommunalunternehmen8.3.2 Fachbehörden und Ministerien8.3.3 Kommunikation mithilfe der Öffentlichkeit8.4 Medienkommunikation8.4.1 Zusammenarbeit mit Medien8.4.2 Die Medienkooperation8.4.3 Leitlinien im Umgang mit lokaler Presse8.4.4 Zusammenarbeit mit FachmedienZum AbschlussDankStichwortverzeichnis

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InhaltsubersichtCoverTextanfangImpressum
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

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ISBN 978-3-648-17900-0

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ISBN 978-3-648-17902-4

Bestell-Nr. 12077-0150

Gisela Goblirsch

Kommunikation in kommunalen Projekten

1. Auflage, Juli 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): KI generiert mit Midjourney

Produktmanagement: Dipl.-Kfm. Kathrin Menzel-Salpietro

Grafiken: DUOTONE Medienproduktion, München, und Gisela Goblirsch (Abb. 11, 13, 16, 17, 18, 23, 24, 25, 26, 27, 28)

Lektorat: Juliane Sowah

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Zum Einstieg

Es gibt einige Bücher zum Thema Projektkommunikation, sogar ein paar zur Kommunikation in Kommunen. Doch es gibt (noch) zu wenig neues Denken in der pragmatischen Anwendung der Kommunikation von kommunalen Projekten. Hervorragende Studien und beeindruckende Masterarbeiten gibt Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim heraus. Sie bilden seit Jahren die jeweils aktuelle Situation ab. Für mich sind diese Arbeiten ein klarer Nachweis der Nützlichkeit guter Kommunikation. Zusammen mit meiner Erfahrung bilden diese Forschungsergebnisse die Basis für das vorliegende Buch. Zusätzlich sollen Musterbeispiele aus den vergangenen Jahren Ihnen die Möglichkeit eröffnen, den eigenen Weg in der Projektkommunikation zu finden.

Natürlich spielen heute Medien (in sich permanent verändernder Form) eine Rolle, aber alle Medien sind in der Regel nur Verstärker einer ohnehin ablaufenden Kommunikation. Ist diese sorgfältig gedacht und taktisch gut umgesetzt, dann wirken die Medien als positive Verstärker. Stimmt die Kommunikation nicht, dann wirken dieselben Medien als negative Treiber. Die Verstärker werden in aller Regel von denjenigen genutzt und bespielt, die proaktiv und nicht reaktiv mit dem jeweiligen Thema umgehen. Stimmt die Kommunikation also nicht, fallen Social-Media-Kanäle in die Hände der meist hoch emotionalen Kritiker. Das dort entstehende Bild verfestigt sich aufgrund der Filterblasen enorm schnell innerhalb einer Gruppe und kann nur extrem mühevoll wieder aufgebrochen werden. Ist es der Kommune – aus welchen Gründen auch immer – in der Vergangenheit nicht gelungen, ein vertrauensvolles Verhältnis zu Medienvertretenden aufzubauen, so verselbstständigt sich auch dieser Kanal. Die dort stattfindende Berichterstattung verstärkt sich im Unterton mit jedem erscheinenden Artikel. Häufig wird viel zu spät an diesen »Kommunikationsbaustellen« gearbeitet.

Mehr als Bürgerdialog

Oft ist von kommunaler Projektkommunikation die Rede, die mit dem äußeren System (Öffentlichkeit und außerhalb des Projektes stehenden Anspruchsgruppen) zu tun hat. Hier spielen klassische Medien- und Bürgerdialoge eine Rolle. Doch das ist bei Weitem nicht genug.

Dieses Buch ist mehr als Bürgerdialog. Es beschäftigt sich auch mit kommunalspezifischen Randbedingungen. Dazu gehören die kommunalen Verwaltungsstrukturen, die Entscheidungsprozesse in Kommunen und die Personalführungsprozesse innerhalb des Projektes und der damit verbundenen Fachabteilung. Kommunen müssen den Steuerzahlenden gegenüber Rechenschaft ablegen. Zusätzlich spielt die Notwendigkeit eine Rolle, in Projekten nicht nur »den Bürger« zu adressieren, sondern auch andere Akteurinnen einzubinden und diese Projektabwicklung transparent zu kommunizieren.

Die Motivation von Projektpartnern, die kontinuierliche Zusammenarbeit im eigenen Hause und von dort zu Leistungsträgerinnen innerhalb eines Wirtschaftsraums, ist für Großprojekte der öffentlichen Hand eine bedeutende Aufgabe. Dazu gehört zusätzlich die kontinuierliche Kommunikation zwischen Projektverantwortlichen und den gewählten Entscheidern innerhalb eines kommunalen Rates sowie – weitaus detailreicher – gegenüber der Person, die gleichzeitig Verwaltungschef und Kommunalpolitiker ist. Dies ist die entscheidende Besonderheit, die der kommunalen Projektkommunikation zu schaffen macht.

Jedes Projekt der öffentlichen Hand unterliegt in seiner Finanzierung besonderer Kontrolle der Öffentlichkeit. Die damit einhergehende Verlangsamung des Vorhabens und die zunehmende Verknappung von Steuergeld führen Kommunen in finanzielle Zwangslagen. Viele Großprojekte können nur durch diverse Förderungen finanziert werden. Das bedeutet in der Kommunikation die frühzeitige und kontinuierliche Absprache mit Fördergeldgebern und Landes- sowie Bundesbehörden.

Dieses Buch gibt anhand eines fiktiven Großprojekts Einblicke in Kommunikationsaufgaben und Kommunikationsstrukturen. Es führt beispielhaft an allen »Baustellen« der Kommunikation vorbei und bindet Fachleute in jedem dieser Bereiche als Praxisratgeber ein.

1 Projekte und Kommunikation

Was Sie erwartet

Dieses Kapitel verbindet die Notwendigkeit von Kommunikation mit dem Erfolg kommunaler Projekte und geht der Frage nach, warum eine kontinuierlich divergierende Gesellschaft und Anspruchsgruppen mit divergierenden Zielen die Projektkommunikation erschweren.

Projekt, und KommunikationWir leben in einer Demokratie, die sich rasant verwandelt. War es bisher möglich, von einer Grundausrichtung der Gesellschaft auszugehen, so verliert sich diese gemeinsame Basis mehr und mehr. Das mag daran liegen, dass sich die Gesellschaft in zunehmendem Maße »heterogenisiert«. Traditionelle Rollenbilder verschwimmen und verlieren ihre Gültigkeit. Die einigende Kraft sozialer oder spiritueller Taktgeber löst sich allmählich auf. Die Wiedervereinigung Deutschlands vor 35 Jahren hat Bevölkerungsgruppen zusammengeführt, die sich zuvor über fast 50 Jahre sehr unterschiedlich entwickelt hatten. In der Folge veränderten sich Machtstrukturen und die Basis gesellschaftlicher Normen, was – zumindest in vielen Schichten der deutschen Bevölkerung – ein Gefühl der Entwurzelung hervorrief.

Daraus resultieren folgende Effekte: Viele Menschen können keiner Vorbildfigur mehr folgen, sondern müssen sich gezwungenermaßen ihren eigenen moralischen oder ethischen Weg suchen. Jede einzelne Entscheidung darf – muss aber auch – aufgrund eigener Kriterien getroffen werden. Das kann einerseits deutlich überfordern, andererseits aber entsteht das Gefühl, nur noch dem eigenen Denken vertrauen zu können, gemäß dem Motto »Was mir sinnvoll erscheint, ist es auch«. Das aber führt in eine Sackgasse des Denkens. Denn Lösungen sind abhängig von der Einbeziehung unterschiedlicher Aspekte. Tatsächlich gibt es nur in Ausnahmefällen Menschen, die tatsächlich alle Teilbereiche eines Themas erkennen und berücksichtigen.

Um es mit dem großen deutschen Komiker Heinz Erhardt zu sagen: »Sie dürfen nicht alles glauben, was Sie denken!«

Als Gegenbewegung zu der Vereinzelung der Individuen kommt es (inzwischen deutlich sichtbar) zu einer relativ schnellen und von Fall zu Fall unterschiedlichen Gruppenbildung. Heute schließt man sich der Gruppe A an, morgen kann man bereits Mitglied der Gruppe B sein. Je nach Thema kommt es zu schnellen Zusammenschlüssen mit relativ kurzer Halbwertszeit. Die lange, starke Bindung ist einer sporadischen, themenabhängigen Kurzzeitverbindung gewichen. Dies kann man bedauern oder einfach als interessante Beobachtung zur Kenntnis nehmen. Vor allem Existenzängste (z. B. Umweltthemen) und Frustrationen (z. B. das Gefühl, nicht gehört zu werden) schaffen es weiterhin, Gruppen über einen längeren Zeitraum zusammenzuhalten. Werden solche Gruppen lange Zeit nicht gehört oder nicht wahrgenommen, ihre Themen ignoriert oder sogar abgelehnt, driften diese Gruppen leicht in eine Radikalisierung, die zu weiterer Ablehnung oder Zurückweisung seitens der großen Masse der Bevölkerung führt. Es kann eine echte Spaltung innerhalb einer Kommune, einer Gebietskörperschaft oder der Gesellschaft als Ganzes entstehen. Solche Spaltungen haben – blickt man in die Vergangenheit – niemals zu einem friedlichen Miteinander geführt. Eher verstärkte sich die gegenseitige Ablehnung. Und das gipfelt häufig in Aggressionen.

Auch in der Projektkommunikation ist es deshalb wichtig, sich dieser Gruppendynamiken bewusst zu sein. Anspruchsgruppen mit wortgewaltigen Führenden schließen sich sehr schnell und unkompliziert zu Bürgerinitiativen oder Interessengruppen zusammen. Ihre mediale Präsenz ist rasch hergestellt. Dadurch beeinflussen sie in deutlicher Weise die Gesellschaft vor Ort. Und sie öffnen spielend Echoräume, die weit über die örtlichen, kommunalen Grenzen hinaus reichen.

Da sich solche Anspruchsgruppen leicht zusammenschließen, ist es sinnvoll, mögliche Ansprüche im Vorfeld eines Projektes zu ergründen, sie zu definieren und sich mit möglichen Zielen und Ansprüchen dieser Gruppen zu beschäftigen. Anspruchsgruppen brauchen Ansprache. Sie müssen wahrgenommen, gehört und oft auch eingebunden werden. Dabei gibt es kein generelles Vorgehen. Je nach Gruppe, je nach Charakter der Kommune, müssen spezifische Wege zu diesen Gruppen aufgebaut und gepflegt werden.

Fazit: Kommunale Projekte, insbesondere Bauprojekte, werden sich deutlich verlangsamen. Bei Planung und Budgetierung ist es sinnvoll, von anderen als den gewohnten Zeiträumen auszugehen. Dies ist eine Folge der Veränderung unserer Einstellung zur Demokratie.

1.1 Projekt und Bürgerschaft

Betroffen von dieser Verlangsamung der Abläufe durch die in dem Zusammenhang nötige Kommunikation ist heute jedes Projekt, denn es geht seit Langem nicht mehr um die absolute Größe eines (Bau-)Projektes, siehe Berliner Flughafen oder Stuttgart 21.

Projekt, und BürgerschaftEs geht bei der Überlegung, wie größere Vorhaben kommuniziert werden können, um Abhängigkeiten zwischen Initiator, Notwendigkeit des Projektes und einer kritisch denkenden Bürgerschaft. Dabei spielen folgende Abhängigkeiten und Zusammenhänge eine Rolle:

die Relation zwischen Gesellschaft und betroffenen Kernthemen,

das Finanzvolumen in Relation zur Größe und Finanzkraft der Kommune,

die Anzahl der persönlich Betroffenen im Verhältnis zu einer Art »Weltgemeinschaft« der Alles- oder Besserwissenden,

vorherrschende nationale oder regionale Trends in Moral und Ethik im Verhältnis zu einer täglich spürbaren Lebenswirklichkeit,

der generelle Zufriedenheitsfaktor vor Ort in Relation zu persönlichen Ansprüchen,

der bisherige Grad der Wahrnehmung und Einbindung der Bevölkerung durch die Politik,

das Demokratieverständnis der Entscheiderinnen im Verhältnis zu ihrem Selbstverständnis.

Mit anderen Worten: Es geht keineswegs um Vorhaben als solche, sondern um die Kontexte, in denen das jeweilige Projekt steht. Auch überschaubare Projekte, wie etwa der Umzug der Verwaltung in ein Ausweichquartier, um das Rathaus zu sanieren, können im ungünstigen Fall zu einem Selbstläufer der Bevölkerungsempörung mutieren. Dabei spielt in aller Regel die vermeintliche Verschleuderung von Steuergeldern eine Rolle. Das ist keineswegs abhängig von der tatsächlichen Höhe der Kosten, sondern von der offen geäußerten Vermutung, dass das Projekt als solches unnötig oder sogar falsch sein könnte.

Natürlich zieht keine Verwaltung um, weil es ihr Spaß macht, sondern weil es keine andere Möglichkeit der Sanierung für das angestammte Gebäude gibt. Ebenso selten bauen Kommunen Bürgerhäuser, nur weil sämtliche Parkbänke schon aufgestellt und alle Spielplätze saniert sind und man nun nicht weiß, wie man die langen Arbeitstage ausfüllen sollte. Auch habe ich in den vergangenen 20 Jahren selten erlebt, dass zu viel Geld auf den kommunalen Konten gelagert gewesen wäre, sodass man es dringend für irgendetwas hätte ausgeben müssen.

Sämtliche kommunalen Projekte, die ich begleiten durfte, hatten den Sinn, entweder die Verwaltungsarbeit auf modernen Standard zu bringen oder eine Verbesserung der örtlichen oder regionalen Versorgung oder des Lebens am Ort zu gewährleisten. Viele der Projekte waren gut überlegte Strukturmaßnahmen oder versuchten, regionale Trends oder die großen Herausforderungen der Gesellschaft (Umweltschutz, Energieversorgung etc.) in realisierbare konkrete Lösungen umzusetzen. Einige Projekte waren allerdings von dem Wunsch des Machterhalts einer politischen Person getragen. Auch das kam vor. Und genau diese Vorhaben standen zu Recht in der öffentlichen Kritik. Diese entsteht nicht automatisch durch unzufriedene Bürgerinnen, sondern sehr wohl auch durch eine kritische Sicht auf die Vorhaben, die durchaus ihre Berechtigung hat. Deshalb darf man Kritik nicht nur als eine niederzuhaltende, ungerechtfertigte Einflussnahme der Bevölkerung sehen.

In jeder Größenordnung aber – ob zehn oder 500 Millionen Aufwand – resultierten Erfolg oder Probleme in der Umsetzung aus einer gelungenen oder eben missratenen Kommunikation. Selbst einige höchst gelungene Projekte, die mit viel Herzblut vorangetrieben worden waren und in der Rückschau tatsächlich einen großen Gewinn für die Gemeinde oder Stadt darstellten, führten zum Zeitpunkt der nächstliegenden Wahl zu einer Abstrafung des politischen Kopfes.

»Bestraft« wurde die politische Person fast immer für die schlechte Kommunikation vor, während und nach Ende des Projektes. Darüber hinaus litt auch der Ruf der Verwaltung bei solchen Kommunikationsfehlern langfristig.

1.2 Was ist ein kommunales Projekt?

Kommunale Projekte, die als solche wahrgenommen werden, zeichnen sich durch folgende Kriterien aus: Sie haben einen definierten Anfang, einen zu durchlaufenden Prozess und ein definiertes Ende.

Projekt, kommunalesInsofern gelten zum Beispiel die Einführung von Wirtschaftsförderung oder die Etablierung sozialer Hilfsdienste nicht als Projekt.

Es kann sich bei klassischen Projekten aber keineswegs nur um Bauprojekte handeln. Große Kulturprojekte (z. B. Landesausstellungen oder Filmtage) oder Sportevents (nationale oder internationale Wettkämpfe), aber auch beispielsweise Special-Olympics-Vorwettkämpfe, die deutlich weniger umfangreich ausfallen und meist nicht in großen Kommunen ausgetragen werden, sind als kommunale Projekte zu werten. Natürlich gehören Landschaftsprojekte wie Landesgartenschauen oder Verfahren der Flurneuordnung, der Dorferneuerung oder Hochwasserschutzmaßnahmen und die damit einhergehenden dauerhaften Veränderungen eines definierten Landschaftsbereiches in dieselbe Kategorie. Sogar soziale Projekte wie der Bau von Unterkünften für Geflüchtete oder die Etablierung von Behinderteneinrichtungen und Kindertagesstätten verlangen nach Kommunikation. Das hat damit zu tun, dass Eingriffe in das Lebensumfeld von Bürgern – also sichtbare und spürbare Veränderungen im sozialen Gefüge oder in der direkten Umgebung – als zunehmend bedrohlich bewertet werden.

Wieso es für die einzelne Person zunehmend schwieriger wird, Veränderungen zu akzeptieren

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Gesellschaftskritikerinnen und Philosophen führen das immer weiter steigende Protestverhalten unter anderem darauf zurück, dass die Lebensumstände der meisten Menschen von erzwungener Anpassung an ein fremdbestimmendes Arbeits- und Lebensumfeld gespeist werden. Unsicherheiten im Job, in der Wohnsituation, in Familie und Partnerschaft, sich verändernde Gesellschaftsnormen, eine sich verändernde Umwelt und vieles mehr führen zu einem gesteigerten Bedürfnis nach Bestimmung und Sicherheit.

Das drückt sich im engsten Lebensumfeld – also auch in der Kommune – besonders stark aus. Denn hier gibt es den Anspruch, mitreden und mitentscheiden zu dürfen. Die gefühlte Ohnmacht gegenüber großen bundesweiten Entscheidungen ebenso wie in vielen Bereichen des täglichen Lebens tut ihr Übriges. Die Wut darüber entlädt sich nur allzu oft dort, wo der Bürger ein konkretes Mitspracherecht als real existent einfordert. Die großen Entscheidungen in der Landes- oder auch Bundespolitik, geschweige denn in Europa werden als undurchschaubar erlebt.

Vieles wird nicht verstanden. Und was nicht verstanden wird, eröffnet den Weg zu Misstrauen »denen da oben« gegenüber. Dazu kommt ein Gefühl des Ausgeliefertseins. Alles zusammen führt dazu, dass man dort, wo man die Zusammenhänge (scheinbar) genau kennt und den Umfang der Entscheidung (scheinbar) problemlos überblicken kann, ein Mitspracherecht, ein Gehört-Werden in massiver Form erzwingt.

Für die Projektverantwortlichen führt dies zu einer Verlangsamung des Projektes, das als Hemmung, als Torpedierung der eigenen Arbeit erlebt und interpretiert wird. So entsteht Unmut gegenüber den »Bremsern«, den »Besserwisserinnen«, den »Egoisten«. Das gilt übrigens für die Mitmenschen außerhalb des unmittelbaren Projektumfeldes ebenso wie für Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel unterschiedlicher Abteilungen einer Kommunalverwaltung.

Das ist keine Bosheit, keine Schikane. Diejenigen, die gehört werden wollen, sind nicht unmäßig, sondern ihr Anspruch ist die Folge einer Gesamtsituation.

Man ist also gut beraten, sich damit als gegebene Randbedingung anzufreunden und entsprechend zu planen. Und vielleicht ergibt es auch Sinn, sich von dem Gedanken zu verabschieden, man könne in einem Projekt wirklich alle Anspruchsgruppen und jede einzelne Bürgerin zu hundert Prozent von der Sinnhaftigkeit der Maßnahme überzeugen. Es wird immer zehn Prozent an Ablehnenden geben. Das muss man tatsächlich akzeptieren. Nur wenn man nicht die hundert Prozent anstrebt, ist es überhaupt möglich, in demokratischen Strukturen ein Projekt erfolgreich zu stemmen, ohne dabei viel zu viel Energie in unerreichbare Ziele zu stecken.

1.3 Gestalten contra Erhalten

Bürgermeisterinnen und Bürgermeister samt Verwaltung und Räten erkennen notwendige Schritte in der Gemeinde- und Stadtentwicklung in der Regel sehr viel früher als ihre Bürgerinnen.

Dieser Erkenntnis liegt oft der Wille zur Gestaltung zugrunde. Dieser Gestaltungswille wiederum ist für die meisten gewählten Volksvertretenden der Grund gewesen, sich überhaupt zur Wahl zu stellen.

Die Aufgabe der Verwaltung liegt dagegen darin, neben der Umsetzung von Neuerungen auch die Pflege bereits realisierter Projekte im Auge zu behalten. Verwaltungen kümmern sich um die Instandhaltung und die damit verbundenen Sanierungsaufgaben von realisierten Vorhaben, die wiederum oftmals Projektcharakter haben. Leider werden solche Pflege- und Sanierungsmaßnahmen in ihrer öffentlichen Wirkung und der damit verbundenen Reaktion oftmals unterschätzt. Deshalb kommt es so häufig vor, dass gerade die Baumpflege (Rückschnitt oder Entnahme von Bäumen aus einem Ensemble) Anlass zu mitunter hysterischer Überreaktion seitens der Bürgerschaft gibt.

Kommunales vorausschauendes oder rückschauendes, erhaltendes Planen und Handeln ruft immer dann Widerstand auf den Plan, wenn die Notwendigkeit der angedachten Maßnahmen für die Bürgerschaft (noch) nicht spürbar oder erkennbar ist.

Jede Art der Kommunikation mit Bürgerinnen muss also dort ansetzen, wo Ideen, Gedanken und Vorstellungen eingebracht werden können, ohne dass ein direktes, konkretes, zeitnahes Handeln daraus abzuleiten wäre. Deshalb hat es sich als sinnvoll erwiesen, in regelmäßigen Abständen ZukunftswerkstättenZukunftswerkstatt bezüglich einer generellen Ausrichtung von Kommunalentwicklung einzuberufen und möglichst vielen Bürgern die Teilnahme daran zu ermöglichen.

Bürgerdialoge werden leider heute noch von vielen Bürgermeistern oder Landrätinnen als erzwungener Anteil ihrer Kommunikation betrachtet. Oft genug steht dahinter die Vorstellung der Entscheidenden, mittels manipulativen Vorgehens die Zustimmung der Bevölkerung zu einer im Grunde bereits feststehenden Planung erwirken zu können. Um diese Manipulation zu verschleiern, wird den Bürgern relativ oft implizit vermittelt, sie hätten Entscheidungsgewalt über das, was danach realisiert wird. Allerdings wird dabei meistens nicht klar dargestellt, welche Randbedingungen bei einer möglichen Entscheidung eine Rolle spielen. Das fördert seitens der Bevölkerung die falsche Vorstellung, dass alles generell machbar sei.

Viel zu selten werden der Dialog und die Einbeziehung der Bürgerinnen als das dargestellt, was es wirklich ist: eine Ausrichtung abzufragen und zu ergründen, in welche Richtung die Vorstellungen der Leute gehen. Selten wird der Bürgerdialog dazu genutzt festzustellen, ob Widerstand gegen das Projekt zu erwarten ist – und falls ja, wie hoch er ausfallen könnte. Sich mit möglichem Widerstand auseinanderzusetzen, ihn als hilfreich anzusehen und die Kraft des Widerstandes zu nutzen, um Projekte zu verbessern, kommt im Denken vieler Verwalter und Entscheiderinnen schlichtweg nicht vor. Anstatt Fragen willkommen zu heißen, werden schon bei der ersten Gelegenheit »perfekte Lösungen« präsentiert. Dabei ist es doch ganz natürlich, dass jeder Mensch eine »perfekte Lösung« erst einmal hinterfragt und die Fehler darin sucht – getreu dem Motto: »Wenn man mir Dinge als perfekt verkauft, muss ein Haken dran sein!«

Sehr gerne werden auch Scheindialoge durchgeführt. Da sollen Bürgerinnen über Farbe und Form von Ruhebänken diskutieren, bevor sie überhaupt verstanden haben, dass eine Veränderung der Innenstadt ansteht.

Die Effekte unzureichender oder sinnfreier Bürgereinbeziehung sind massiv. Die Bürgerschaft reagiert mit Enttäuschung, Unverständnis und Ablehnung auf eine an sich gute Sache. Das ist fast immer dann der Fall, wenn in einem Bürgerdialog anstelle einer freien Ideengenerierung oder einer glasklaren Grenzsetzung (je nach Projekt) eine »Wünsch-dir-was-Runde« absolviert wird. Aus deren Ergebnissen kann schließlich nichts oder nur ein winziger Bruchteil realisiert werden. Mit einem solchen Ergebnis sind die Bürgerinnen entsprechend unzufrieden.

Die archaische Form der Bürgerbeteiligung (ZukunftswerkstattZukunftswerkstatt zur generellen Findung einer gemeinsamen kommunalen Ausrichtung) sehe ich im Folgenden als bereits durchgespielt an.

Sie ist im Grunde unverzichtbar, um die direkte Bindung zwischen gewählten Ortsvertreterinnen und ihren Wählern aufrechtzuerhalten und das Gespür für die Basis nicht zu verlieren. Gehen wir also davon aus, dass die Bürger sich ausgiebig und konzentriert mit der Ausrichtung ihrer Kommune und den sich daraus ergebenden Ideen beschäftigt haben. Wenn eine solche Vorbereitung und Einbeziehung der Bevölkerung nicht durchgeführt wurde, wird sich der fehlende Rückhalt innerhalb der Bevölkerung im Projektverlauf zeigen.

Die wichtigste und erste Maßnahme ist also, die Ausrichtung der Kommune für die Zukunft abzufragen und die notwendigen Projekte argumentativ in die einmal getroffene Ausrichtung und Zielvorgabe einzubetten. Wer urplötzlich mit einem Großprojekt um die Ecke kommt, ohne den Boden dafür bereitet zu haben, muss sich über Identifikationsprobleme der Bürgerschaft mit dem Projekt nicht wundern.

2 Projektkategorien

Was Sie erwartet

ProjektkategorienDas Kapitel unterscheidet vier Projektkategorien: eigene kommunale Projekte, Vorhaben von Land und Bund sowie Projekte, die zum Teil von der Kommune und zum Teil von anderen Playern initiiert werden. Das können Projekte mit Kooperationspartnern (Investoren) sein oder aber genossenschaftliche Vorhaben zusammen mit der Bürgerschaft. Für jede dieser Kategorien gelten spezifische Regeln.

Kommunale Projekte kann man in vier große Kategorien teilen. Diese Einteilung wurde gewählt, weil sie zeigt, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede zutage treten. Die Gemeinsamkeiten liegen in der Tatsache, dass all diese Projekte ihren Ursprung selten in der Bevölkerung vor Ort haben. Möglicherweise führen zum Beispiel hohe Verkehrszahlen zu Protesten und der Forderung, den Verkehr aus dem innerörtlichen Bereich zu verbannen. Möglicherweise wird die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum, gutem Nahverkehr und einer geregelten Kinderbetreuung tatsächlich in der Bevölkerung laut. Doch in den meisten Fällen geht der Gestaltungswille von den politischen Entscheiderinnen aus.

Das gilt für Projekte vor Ort ebenso wie für Planungen, die aufgrund von Landes- oder Bundespolitik umgesetzt werden müssen. Akteure aus unterschiedlichen Bereichen setzen zudem neue Impulse für Projekte, die ebenfalls auf der untersten kommunalen Ebene realisiert werden sollen.

Abb. 1:

»Eigene Projekte« sowie »Landes- und Bundesprojekte«

Abb. 2:

»Projekte mit Kooperationspartnern« sowie »Projekte in gesellschaftlicher Mitverantwortung«

2.1 Eigene kommunale Projekte

Eigene Projekte sind dem Bürger am nächsten. Sie greifen in seinen persönlichen Alltag ein und die Bürgerinnen sind bereit, ihr Anrecht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung konsequent einzufordern.

Projektkategorien, eigenes kommunalesDer soziale und bauliche Umgriff steht dem eigenen Leben natürlich besonders nahe und da ist man dann schon bereit, Lebenszeit zu investieren, um eine Planung voranzubringen oder sie im eigenen Interesse zu verändern. Dabei gilt die Grundannahme »Sicherheit, Heimatliebe und Gerechtigkeit sind die Basis für ein friedliches Miteinander.« Damit ist gemeint, dass der Wunsch nach körperlicher und seelischer Unversehrtheit, gefolgt vom Wunsch nach Identifikation und der Vermeidung von Ungerechtigkeiten gegenüber Gruppierungen oder generellen Themen wie etwa Natur und Umwelt das Handeln der Menschen im Besonderen bestimmt.

Nachvollziehbar ist sicherlich der Wunsch nach Sicherheit, obwohl es keine echte Sicherheit geben kann. Allerdings ist die Vorstellung von einem eigenen Raum, in den kein anderer eindringen kann, ein Konstrukt, das es den Menschen erlaubt, sich zu entspannen. Der »gefühlt sichere Raum« gehört also zu den Urbedürfnissen der Menschen. Der sichere Raum lebt einerseits von der Abgrenzung des Raumes gegen Mitmenschen oder deren Einflüsse. Andererseits aber ist der sichere Raum nicht unveränderbar. Er kann – rein theoretisch – schrumpfen, sich ausdehnen und sich entwickeln. Deshalb gehört das Sicherheitsempfinden der Menschen zu den wesentlichen Einflüssen in einer Projektierung. Man kann ihm unterliegen, kann es aber auch nutzen und gezielt ansprechen.

Die Heimatliebe wiederum, das »Sich-einem-Raum-zugehörig-Fühlen«, hängt vom Aussehen, Geruch und Gesamteindruck dieses Raums ab. Tatsächlich liegt es in jedem Menschen selbst, ob und wie er seine Zugehörigkeit gestaltet. In dem Moment aber, in dem sich im vertrauten Raum Veränderungen zeigen, gerät dieses Verhältnis ins Ungleichgewicht und dies erzeugt Irritationen. Heutzutage vereinzeln Menschen immer mehr. Die Bedrohung durch das Coronavirus und die damit verbundenen Mobilitätseinschränkungen scheinen bei sehr vielen Menschen eine Zäsur ihrer gesellschaftlichen Verbindungen erzeugt zu haben. Je weniger sich Menschen in einem gemeinsamen Raum bewegen, desto bedeutender scheint die Optik des Raumes. Mit anderen Worten, wenn Menschen die Heimat nicht mehr im Inneren der Gesellschaft verorten, kommt dem Aussehen der Umgebung zunehmende Bedeutung zu. Nur was nach Heimat aussieht, ist noch Heimat. Diese Ansicht stellt selbstverständlich eine enorme Herausforderung für die Planung und Realisierung aller Baumaßnahmen dar. Und tatsächlich hat dieses Gefühl weitreichende und touristisch bedeutende Planungen immer wieder verhindert. Den Burgaufzug in Landshut haben die Bürger bei einer Abstimmung durch ein Ratsbegehren im Jahr 2012 mit über 83-prozentiger Ablehnung begraben.

Als Letztes die Gerechtigkeit. Wer sich die Frage nach einer gerechten Behandlung stellt, kommt schnell zu der Erkenntnis, dass Gerechtigkeit praktisch nicht definierbar ist. Jede Person hat bei jedem beliebigen Thema eine andere Vorstellung, wie Gerechtigkeit auszusehen hat. Sogar in einer eher homogenen Gesellschaft divergieren die Vorstellungen. Umso mehr geschieht dies in einer inhomogenen Gesellschaft. Die drängenden Themen der Zeit führen zudem zu einer Neudefinition von Gerechtigkeit. Ein Bauprojekt muss also nicht nur die gerechte Behandlung der Menschen vor Ort berücksichtigen, sondern viel mehr auf eine Art »globale Gerechtigkeit« Bezug nehmen. Auf einem Wahlplakat war kürzlich zu lesen: »Baurecht bricht Baumrecht.« Das Klimathema und die Verantwortung für die Unversehrtheit der Umwelt spielen also eine stetig wachsende, herausragende Rolle.

Zu den eigenen Projekten zählen Verkehrs- und Erschließungsprojekte. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um Tiefbaumaßnahmen, die den Boden für eine zukünftige Weiterentwicklung eines Gebietes bereiten: Straßenbau, Mobilitätsmaßnahmen wie etwa Schienenverkehr oder die Erschließung bisher ungenutzter oder sogar geschützter Landschaften für den Tourismus, die Energiegewinnung (Windkraft, Solarenergie oder Geothermie) oder sogar für den Hochwasserschutz.

Daneben stehen Sanierungs- und Neubauprojekte. Der Tiefbau mit beispielsweise der Kanal- oder Wassernetzsanierung gehört dazu. Zusätzlich alles, was sich optisch sofort erschließt, wie eine Innenstadtertüchtigung, der Bau von Bürger- oder Rathäusern, die Sanierung öffentlicher Gebäude bis hin zu Alleen oder Straßengrün.

Der dritte Bereich betrifft Prozesse der Kommunalentwicklung. Dazu gehören Bürgerräte oder Jugendparlamente sowie deren Arbeit für die große Linie der kommunalen Weiterentwicklung, aber auch Markenbildungsprozesse und die Neuentwicklung eines Logos. Warum gerade Veränderungen am Signet einer Kommune als Projekt zu betrachten sind, erkennt man daran, mit welcher Verbissenheit Räte um Form und Farbe eines Signets kämpfen. Wird andererseits die Markenbildung einer Kommune (touristisch oder auch wirtschaftlich) nicht durch Maßnahmen der Bürgereinbindung gestützt, ist die Gefahr groß, dass sie ins Leere läuft. Hier kann viel Geld verbrannt werden.

2.2 Landes- und Bundesprojekte

Bei Landes- und Bundesprojekten handelt es sich meist um die Verteilung von Lasten auf die Gesamtbevölkerung.

Projektkategorien, Land und BundEnergie- und Mobilitätsprojekte sind hier zu nennen, aber auch die Finanzierung und Organisation rund um das Thema Flucht und Asyl gehören in diesen Sektor. Auf ­Landesebene muss derzeit oftmals ein jahrzehntelang aufgebauter Sanierungsstau abgearbeitet werden. Das kostet unverhältnismäßig viel Geld und deshalb stehen solche Projekte häufig in öffentlicher Kritik.

Derartige Projekte werden naturgemäß in deutlichem Abstand zur Bevölkerung besprochen und beschlossen. Im Verlauf der Diskussion auf Bundes- oder Landesebene wird der Bevölkerung zwar das Thema kredenzt, doch die Umsetzung – die Wirkung – auf das eigene Umfeld kommt in der breiten Bevölkerung nicht an. Allzu abstrakt sind die Themen und die Entscheider vor Ort scheuen sich häufig, das entsprechende Thema in die unmittelbare Umgebung zu tragen. Meist steckt dahinter fehlende Hintergrundinformation, verbunden mit der Angst, ein solches Thema der eigenen örtlichen Wählerschaft nicht zumuten zu können. Man wartet also ab, was da aus der Bundeshauptstadt kommt, und reagiert dann, wenn die Bevölkerung bereits durch Agitation von Angstmacherinnen und Hetzern auf dem Kriegspfad ist. Dann ist es aber oft schon zu spät, um sich neugierig und unvoreingenommen mit dem Vorhaben zu beschäftigen.

Als Last wird empfunden, was den eigenen Lebensraum beeinflusst, beispielsweise alle Trassenführungen für Fernstraßen, Bahn oder Energie sowie Kommunikationstrassen unter anderem für Digitalfunk. Zudem gehört die Fürsorgepflicht bezogen auf die Gewässer, wie etwa der Hochwasserschutz (z. B. Rückhaltebecken) oder der Ausbau oder Umbau von Wasserwegen für Verkehr oder Energiegewinnung, dazu. Die Verteilung Geflüchteter auf die Landes-, Bezirks- oder Kreisebene kann man getrost zu solcherlei Projekten zählen.

Frank Brettschneider ordnet die Projekte solcher Größenordnung in die Matrix Verkehr, Energie, Leben und Arbeiten, Landschaft und Forst – und dort jeweils in Projekte, die konzept-, linien- (Trassen aller Art) oder standortgebunden sind.1

Solche Projekte erzeugen auf vielen Ebenen Ablehnung. Und man kann sogar feststellen, dass diverse Anspruchsgruppen, die derselben Grundhaltung (z. B. Naturschutz) angehören, unterschiedliche Schwerpunkte und Sichtweisen vertreten. Deshalb bewegen sie sich in unterschiedliche Richtungen. Das führt zu einer Verstärkung der ohnehin vorhandenen Frontenbildung und es erzeugt in der Bevölkerung beachtliche Verwirrung.

Es ist an der Zeit, die Bevölkerung auf ihre Verantwortung der Gesellschaft gegenüber vorzubereiten – damit verbunden auch die Pflicht zur Inkaufnahme eigener Nachteile zum Wohl der Allgemeinheit. Und dies natürlich nicht erst, wenn ein Bundesprojekt droht, sondern über einen langen Zeitraum – beginnend ab sofort.

Auf Bundesebene gibt es den Bürgerrat, eine Art minidemokratischer Diskussionsrunde, bei der ausgewählte Bürgerinnen sich mit übergeordneten Vorhaben und Ideen beschäftigen (mehr dazu in Kapitel 5, Bürger beteiligen). Doch das ist erst ein Anfang und dieser hat bisher keine große Resonanz in der Gesamtbevölkerung gefunden. An dieser Ecke der Kommunikation sollte kontinuierlich – und über alle kommunalen Ebenen hinweg – gearbeitet werden.

Landes- oder Bundesprojekte bringen es mit sich, dass die örtliche Bevölkerung, und oft auch die kommunalen Entscheiderinnen, sich in einer Situation der Machtlosigkeit wiederfinden. Gefühlte Machtlosigkeit aber torpediert den Lösungswillen und erzeugt Gegenwind. Für solche Projekte ist es entscheidend, dass das Gefühl der Machtlosigkeit durch den Willen zur Gestaltung ersetzt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass ein Gestaltungsfreiraum in den Kommunen verbleibt und dort auch kommuniziert wird. Die Kommunikation darf nicht lauten: »Führen wir diese Planung aus: ja oder nein?« Vielmehr muss die Diskussionsbasis lauten: »In welcher Art und Weise können wir diese Planung ausführen?«

1 Siehe Brettschneider, Frank: Bau- und Infrastrukturprojekte, Springer 2020, S. 3.

2.3 Kommunale Projekte mit Kooperationspartnern

Projektkategorien, mit KooperationspartnernDie Kultur- oder Sportszene mit großen Agenturen und Veranstaltenden beispielsweise für Landesgartenschauen, Landesausstellungen, große Sportevents, Festivals wie Tollwood und Ähnlichem zieht nicht nur Wohlwollen auf sich. Die Kritik bezieht sich meistens auf die scheinbar viel zu hohen Kosten, die zusätzliche Arbeit für Verwaltung und Ordnungskräfte und den mit einem solchen Event verbundenen Tourismus.

Ähnlich ist die Lage bei Veranstaltenden, die als moralisch zweifelhaft angesehen werden. Die Planungen für Olympische Spiele haben schon mehrere Kommunen und Landkreise an den Rand der Verzweiflung getrieben. Oft entzündet sich die Kritik aus der Bevölkerung an Gedanken wie »Wer macht sich da die Taschen voll – und das auf Kosten unserer Umwelt und unserer Heimat?« Die veranstaltende Organisation hat sich durch Schmiergeldskandale und Unredlichkeiten inzwischen ein derart miserables Image erarbeitet, dass das Misstrauen bei der Bevölkerung die Begeisterung für die Veranstaltung überwiegt. Ähnliches entdeckt man bereits bei großen Ausstellungen mit Eventcharakter wie der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA), die in München im Jahr 2022 zu massiven Protesten geführt hat. Auch hierbei spielen globale Trends und thematische Empörung eine tragende Rolle.

Sind die Kommunen auf Kooperationspartner als Finanziers angewiesen, so beginnt die Gefahr des Scheiterns bereits innerhalb des Gemeinde- oder Stadtrats. Denn Vermutungen und Vorverurteilungen sind kein Privileg der Bevölkerung, man findet sie auch in politischen Gremien.

Sind die Kooperationspartner der Kommunen in übergeordneten Behörden angesiedelt und stehen diese Behörden wiederum in Konkurrenz zueinander – wie es etwa bei Ministerien öfter der Fall ist –, ist die Problemstellung für Organisation und Kommunikation bereits vorprogrammiert. Hier geht es auch um Emotionen. Allerdings befürchten die diversen Projektorganisatoren in aller Regel den Kontrollverlust im Projekt. So beanspruchen unterschiedliche Behörden und Ministerien, ebenso wie die Stadt- oder Gemeinderäte, oft die Entscheidungshoheit über das jeweilige (Hoch- oder Tiefbau-)Projekt. Die internen Entscheidungsprozesse haben dabei deutliches Krisenpotenzial und damit in der Öffentlichkeit eine hohe Chance auf Widerhall.

Kommen die Finanzierungspartner allerdings aus der freien Wirtschaft, dann ist oft ein großes Misstrauen gegenüber diesen Finanziers spürbar. In der Bevölkerung wird das Wort »Investor« oft gleichgesetzt mit »Kredithai« oder »arroganter Antidemokrat« – auf jeden Fall eher selten mit »Kooperationspartner auf Augenhöhe«. Geht es um Pflege- oder Betreuungseinrichtungen oder Wohnungsbau wird einer Investorin häufig unverhohlen unmoralische Geldmacherei unterstellt.

Das Image des Kooperationspartners und die Abstimmungsarbeit mit ihm sind unbedingt in der Kommunikation zu berücksichtigen. Dies gilt ganz unabhängig von der tatsächlichen vertraglichen Bindung zwischen den Partnern.

2.4 Kommunale Projekte in gesellschaftlicher ­Mitverantwortung

Wie in jeder Partnerschaft gilt auch zwischen Kommunalverwaltung und Bürgerinnen die einfache Formel: »Alle mitspielen lassen und Erfolge teilen.«

Projektkategorien, in gesellsch. MitverantwortungDer Überfall Russlands auf die Ukraine hatte eine Zäsur in der Energiepolitik der Bundesrepublik zur Folge. Die Gasverknappung führte zu einem nie dagewesenen Booster für alternative, regenerative Energien. Dabei hat sich gezeigt, dass Angst um den eigenen Geldbeutel immer noch der größte Antrieb der Gesamtbevölkerung ist, Veränderungen mitzugestalten. Zwar herrscht, während dieses Buch entsteht, große Unzufriedenheit mit den Heizungsplänen der Bundesregierung, doch die Fronten bröckeln. Allmählich setzt sich der Gedanke durch, tatsächlich eine Veränderung in der Energiegewinnung in Betracht zu ziehen. Zurzeit sind die Fotovoltaik-Firmen mehr als ausgelastet und auf die Schnelle lassen sich eben nicht rund 35 Millionen Heizungen mit regenerativen Energien betreiben. Doch die Ausrichtung ist gelegt und der Trend innerhalb der Bevölkerung nimmt zu. Nun braucht man also nur noch ergiebige Solarenergieanlagen.

Die großen Energiekonzerne haben es bereits verstanden und kaufen oder pachten – wo immer es geht – riesige Flächen für Solar- oder Windparks. Das wiederum triggert die in Kapitel 2.3 beschriebene Reaktion der Missgunst: »Wer macht sich da die Taschen voll?« Theoretisch kann jede Person in das Geschäft mit Solarenergie einsteigen. Sie sollte lediglich etwas von der Technik und vom Projektmanagement verstehen und über genügend Fläche und eine solide Finanzierung verfügen. Oder sie holt sich Fachwissen an Bord und sozialisiert die Aufgaben wie auch die Gewinne in Form einer Genossenschaft.

Doch dazu braucht es Unternehmergeist und die Rückendeckung durch die jeweiligen Kommunalvertreter. Es gibt sie schon, die Techniker, die Zukunftsdenkerinnen und natürlich auch die Kommunen, die bürgerschaftliches Engagement im Energiesektor zuwege bringen. Doch solche genossenschaftlichen Energieprojekte brauchen gute Kommunikation von Anfang an, damit eine Eigendynamik entsteht. Die Gemeinde Unterhaching bei München hat mit ihrer »Bürgerenergie« derzeit (2023) ein wahres Luxusproblem: Zu viele Bürgerinnen bewerben sich um Genossenschaftsanteile. Der Genossenschaft gehen inzwischen die Projekte und die nutzbaren Flächen aus und es können nur noch Mitglieder aufgenommen werden, wenn ein neues Projekt gestartet wird. Der Grund für diese Flut an Interessenten: hervorragende Kommunikation.

Eine in Bayern weitverbreitete Art von genossenschaftlichem Engagement findet man auf dem Land – dort, wo sich große Vollversorger keine Rendite erwarten. Seit sicherlich schon 20 Jahren engagieren sich Mitbürgerinnen in kleineren bayerischen Orten, Verwaltungsgemeinschaften und kleinen Kommunen für eine wohnortnahe Lebensmittelversorgung. So entstanden die Dorfläden, die zum großen Teil als Genossenschaft betrieben werden. Der Garant für einen kostendeckenden Betrieb ist generell die Bereitschaft aller Dorfbewohnenden, die Angebote des Dorfladens auch zu nutzen. Die Aufgabe der Kommunikation ist es, von Beginn der Planungen bis weit nach Realisierung des Projektes den Kontakt mit den Bürgerinnen vor Ort nicht zu verlieren und das Engagement Einzelner aufrechtzuerhalten.

Kleinere Baumaßnahmen haben sich bereits seit langen Jahren als Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements bewährt. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Restaurierung eines gemeinsamen Identifikationspunktes im Ort. Oftmals sind es die kleinen Kapellen, Dorfbrunnen oder Ähnliches, die durch das Zusammenspiel vieler Hände eine Runderneuerung erfahren. Bei solch kleinen Projekten sind es meist einzelne Initiatoren, die auf Vereinsebene Mitstreiterinnen suchen und finden. In den Händen der Kommune liegt dann lediglich die Absicherung der Arbeiten und eventuell die Bereitstellung von Material. Dass die Kommune als Versicherungsgeberin und Unterstützerin wahrgenommen wird, hat danach meist große Effekte im weiteren Verlauf der Beziehung zwischen Bürger und Verwaltung.

Eine ganz andere Art der gesellschaftlichen Mitverantwortung liegt im Betrieb einer Nachbarschaftshilfe (NBH)Nachbarschaftshilfe (NBH). Die NBH ist meist eine Mischung aus gegenseitiger Hilfe und hochkomplexer Dienstleistung. In aller Regel stehen dahinter die Kommunen, die entweder die NBH in einer Vereinsform betreiben. Die Anforderungen und Abrechnungen zum Beispiel im Pflegebereich sind ohne eine professionelle Geschäftsführung nicht zu erfüllen. Oft wird deshalb ein Kommunalunternehmen dafür gegründet. Doch auch in dieser Form der NBH ist ein ehrenamtliches Engagement im Grunde unabdingbar.

Solche Formen des bürgerschaftlichen Engagements haben neben dem Erfolg des Projekts einen weiteren gesamtgesellschaftlichen Aspekt. Bürgerinnen und Bürger übernehmen Verantwortung für das Ganze und fühlen sich der Gemeinschaft dadurch deutlich besser verbunden. Entweder geben sie Geld oder aber Engagement für eine gemeinsame Sache und das wiederum führt zu einer Verbesserung des Miteinanders.

Es ist kein Mysterium, dass solche im Grunde sozialen Projekte nur sehr wenig Kritik auf den Plan rufen. Ich werte dies als klares Anzeichen dafür, dass Menschen dort, wo sie in die Planung und Umsetzung eingebunden werden, wenig Misstrauen, Neid oder Aggression entwickeln. Natürlich zeichnen sich die eher sozialen Projekte dadurch aus, dass niemand einen bezifferbaren Nachteil daran entdecken kann.

Das ändert sich sofort, wenn mit dem jeweiligen Projekt Ängste verbunden sind oder der eigene Geldbeutel bedroht wird – beispielsweise beim Bau eines Heimes für schwer erziehbare Jugendliche oder ein Hospiz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Eigenheim. Hier wird sofort der eigene Nachteil (Absinken des Grundstückswertes, Gefährdung der eigenen Komfortzone etc.) erkannt und der Status quo verteidigt.

3 Projektklassen

Was Sie erwartet

Dieses Kapitel zeigt vier unterschiedliche Projektklassen. Sie orientieren sich an der vorherrschenden Emotionslage, die für das Projekt eine Rolle spielt. Verantwortet man ein Projekt, kann man anhand dieser Klassifizierung einen zielgenauen Zugang zur Kommunikation finden.

ProjektklassenEs ist schwierig, Projektklassen zu bilden. Sie sind nicht beliebig zwischen Städten und Gemeinden, Landkreisen und Land übertragbar. Bisher wurden Klassifizierungen anhand der Projektprozesse oder der Höhe der Finanzierung vorgenommen. Meine Klassifizierung geht von einer anderen Basis aus:

Die Einteilung in verschiedene Projektklassen ergibt sich aufgrund der sozial-emotionalen Einstellung der Bevölkerung zum jeweiligen Projekt. Diese Einteilung erlaubt eine weitgehend sichere Navigation bezüglich der Art, des Charakters und der Frequenz jeglicher Kommunikation.

Kommunale Projekte sind fast immer »groß«. Im kommunalen Bereich kommt es nicht in erster Linie auf die Kostenhöhe oder die zeitliche Ausdehnung eines Projektes an. Welche Größe ein Projekt hat, wird im Wesentlichen von der Bevölkerung definiert und diese Definition zieht andere Kriterien heran, als die Verwaltung oder die Politik annehmen.

Die Bevölkerung reagiert auf die Effekte des jeweiligen Projektes und setzt sie in direkte Beziehung zum eigenen Leben. Sind die Effekte aus dem Projekt sichtbar im täglichen Leben? Oder sind sie spürbar im Alltag des Einzelnen? Sind sie verbunden mit Einschränkungen räumlicher, zeitlicher oder finanzieller Art? Und zeigt sich der Effekt mit Eintritt in das Projekt während der Planung oder eventuell erst lange nach Projektabschluss? Je unmittelbarer der Effekt, desto massiver positionieren sich die Bürgerinnen.

Vorhaben, deren Größenordnung außerhalb der Vorstellungskraft der Bevölkerung liegt und deren Thematik gleichzeitig nicht angstbehaftet ist, werden deutlich harmloser wahrgenommen als Projekte, deren Umfang eher bescheiden ist, die jedoch in der Vorstellungswelt der Bevölkerung klar umrissen sind. Die folgende Klassifizierung beschreibt keine völlig getrennten Klassen, sondern hebt hervor, welche Vorgehensweise der Kommunikation sich in der überwiegenden Anzahl der Fälle als sinnvoll herausgestellt hat.

Der Begriff der Klassifizierung kann möglicherweise als irritierend wahrgenommen werden. Ich möchte ihn jedoch bewusst einsetzen – wohl wissend, dass sich die genannten Klassen durchaus überschneiden können.

Abb. 3:

Vier Projektklassen nach Gisela Goblirsch

Diese Einteilung in Projektklassen ist keine Darstellung im Sinne einer klaren Abgrenzung, sondern im Sinne einer überwiegend vorherrschenden Energie (in Bezug auf das Projekt) innerhalb der Bevölkerung. Die Grafik zeigt, dass es in jedem Projekt eine Hauptausrichtung gibt. Das Projekt ist entweder sichtbar oder unsichtbar, es ist entweder spürbar oder eben überhaupt nicht greifbar für die Öffentlichkeit. Neben dieser Hauptausrichtung kann es vorkommen, dass einzelne Teilbereiche des Projektes – vor allem, wenn es sich um ein sehr umfangreiches Vorhaben handelt – einer anderen Klasse angehören. Wer nur das große Ganze vor Augen hat, übersieht meistens, dass verschiedene Vorgehensweisen und Ansprechmuster in den Teilbereichen genutzt werden sollten.

Je nach Teilbereich kann es in der Öffentlichkeit zu mehr oder weniger Emotionen kommen. Sinnvollerweise sollte man bei besonders umfangreichen Projekten jene Teilbereiche zuerst kommunizieren, die eher wenige Emotionen hervorrufen. Sind diese Teilebereiche in der Öffentlichkeit bekannt und akzeptiert, ist es leichter, auch mit den Bereichen nach außen zu gehen, die für erhöhte Diskussionen sorgen können. Aber gehen wir der Reihe nach vor.

3.1 Das sichtbare Projekt

Projektklassen, sichtbares ProjektEs handelt sich hier meist um ein Hochbauprojekt, die Sanierung eines Gebäudes oder um Bepflanzungen (Veränderungen an gestalteter oder ungestalteter Natur). Dazu gehören auch Schutzmaßnahmen wie Hochwasserschutz, Lärmschutzmaßnahmen oder Veränderungen an Verkehrsflächen (z. B. Ortskernsanierungen oder Innenstadtertüchtigungen).

Für sichtbare Projekte gilt die Regel: Je mehr das Projekt das Umfeld der Bürger optisch verändert, desto frühzeitiger möchte die Bevölkerung dabei mitreden.

Dahinter steckt sehr häufig die Vermutung, dass die Entscheider unmöglich wahrnehmen können, wie man selbst die Veränderung der Umwelt empfindet. In diesem Fall entwickelt sich oft eine massive Empörungsenergie. Schnell ist von »Verschandelung« der Umgebung die Rede, von Hässlichkeit und unangemessenem Umfang, verkehrter Platzwahl, dem ungeeigneten Material und der Unverhältnismäßigkeit zwischen dem Sinn des Bauwerks und seiner Höhe, Breite oder generellen Größe.

3.1.1 Lärmschutzwände

Lärmschutzwände sollen den Lärm einer Straße für die dahinterliegenden Wohngebäude dämmen, werden aber von anderen Bürgerinnen als viel zu groß wahrgenommen. Dies geschieht, weil der Lärmpegel ja nie konstant vorhanden ist, die optische Beeinträchtigung jedoch immer vor Augen steht. Vom Lärmschutz profitieren ein paar Häuser, die Sicht auf das Bauwerk aber haben alle, die diese Straße benutzen. So kann es passieren, dass der optische Reiz als so einschneidend empfunden wird, dass eine groß angelegte Protestaktion dagegen aufgebaut wird. Schnell kommt es zu einer Bürgerinitiative, der sich viele Bürger anschließen. Die Frage kommt auf, ob wegen weniger Anwohnender alle anderen das »Monster« vor Augen haben müssen. Dahinter stehen meist Anwohnende, die die Mauer von ihrer Straßenseite aus sehen können oder denen beispielsweise ein kleiner Durchgangsweg zu dahinterliegenden Zielen verbaut wird.

Lösungsansatz

In diesem Fall wäre es keine gute Idee, darüber zu diskutieren, ob diese Wand gebaut wird oder nicht. Denn wenn die rechtlichen Gegebenheiten einwandfrei sind, wird sie wohl gebaut werden müssen. Solange sich keine empörten Kritiker regen, sollte man auch nicht die Bürgereinbindung forcieren. Doch wenn sich in einer ähnlichen Situation Widerstand formiert, kann man agieren. Man kann über Gestaltung und Begrünung diskutieren. Zwei Vorschläge (inklusive der Kosten) und eine Onlineumfrage, eventuell auch ein Rundschreiben der Verwaltung an alle Anwohnenden, sind ein relativ einfacher Weg, um die Diskussion anzuregen, aber nicht ausufern zu lassen. Der Vorteil liegt in der Konzentration auf die Lösung, nicht im Führen einer Grundsatzdiskussion.

3.1.2 Ein Bürgerhaus wird gebaut

Ein Bürgerhaus soll entstehen, das unter anderem auch Räumlichkeiten für eine Volkshochschule, einen neuen Versammlungssaal und diverse andere Nutzungsmöglichkeiten für die Bürgerschaft enthalten soll. In der Ortsmitte (an prominenter Stelle) soll ein baufälliges Gebäude aus der Betonbauära neben einem markanten historischen Haus abgerissen werden. An seine Stelle soll das neue Bürgerhaus treten.

Der Rat setzt sich mit allen potenziellen Nutzenden zusammen und tüftelt am Raumprogramm und am Gesamtvolumen. Danach gibt es einen Architektenwettbewerb, dessen Ergebnisse sehr wohl öffentlich zugänglich sind. Eine gezielte Bürgerbeteiligung findet aber nicht statt. Dann entscheidet der vom Rat eingesetzte Ausschuss.

Der Bauplan mit moderner Fassade wird den Bürgerinnen als Gewinner des Wettbewerbs präsentiert. Die Proteste entzünden sich an der Optik und greifen auf das ganze Projekt über. Bald entsteht eine Grundsatzdiskussion, ob und wie der geplante Bau ins Ortsbild passt und warum man die Bürger nicht früher eingebunden hat. »Es wird über die Köpfe der Bürgerschaft entschieden«, steht plötzlich im Raum. Befeuert wird dieser Vorwurf durch aus dem Nichts auftauchende Protestwebsites und Social-Media-Postings, deren Ursprung nur schwer ergründet werden kann. Der Bau verzögert sich um mehrere Jahre und wird dadurch erheblich teurer.

Bei einem neuen Gebäude in der Ortsmitte ist solche Empörung tatsächlich vorauszusehen. Die Menschen begreifen die Planung als einen Eingriff in ihr »Wohnzimmer«, ihre vertraute Umgebung. In einer Zeit des Umbruchs finden Bürger tatsächlich Halt in ihrer nächsten Umgebung. Wenn dort etwas verändert wird, triggert dies das Gefühl des Heimatverlustes. Steht das neue Gebäude auch noch in einem optischen Spannungsverhältnis zur historischen Bebauung, fordert man die Kritik geradezu heraus.

Moderne Architektur entsteht häufig auf Basis intellektueller Ideen. Die Menschen vor Ort dagegen sehen die Planung durch die Brille des »Gefühls des Vertrauten«. Eine neuartige Architektur kann dagegen nur verlieren.

Lösungsansatz

Alles Neue braucht eine Einführungsphase. Was als fertige Idee präsentiert wird, steht naturgemäß am Ende eines langen Gedankenprozesses. Doch genau diesen Prozess muss man öffentlich machen. Hier wäre es nötig, zunächst das leer stehende Altgebäude als Schandfleck ins Bewusstsein der Bevölkerung zu bringen. Eine schamhafte Verdeckung der Baufälligkeit durch Bauplanen oder Großplakate entzieht es den Blicken der Bürger und rückt es zugleich aus dem öffentlichen Bewusstsein. Wenn man das Gebäude dagegen öffentlich zeigt, wird es nicht lange dauern und aus der Bürgerschaft kommt der Ruf nach Abriss. Man kann eine solche Forderung tatsächlich auch initiieren, indem man die Frage in den Raum stellt: »Wollen wir den Zustand ändern – und wenn, dann wie?«

Diese Forderung nach Abriss ist keine »verlorene Schlacht«, sondern tatsächlich der notwendige Stein des Anstoßes für einen Neubau. Geschickt aufgefangene Kritik und eine entsprechend öffentliche Diskussion, sind die Basis einer transparenten Planung. Jetzt kann man zunächst die Nutzung eines neuen Gebäudes für Bürgerzwecke ausloten.

Eine gute Bürgerbeteiligung führt danach automatisch zu dem Punkt, an dem die Verwaltung und die Entscheider mit den zukünftigen Nutzenden Besprechungen führen. Danach ist es wichtig, dass die zukünftigen Nutzerinnen ihrerseits mit guten Argumenten ausgestattet in ihrem gesellschaftlichen Umfeld wirken können. Es verbreitet sich ein Informationsteppich in der Ortsbevölkerung. Zeitgleich sollte ein Baublog seitens der Verwaltung aufgebaut werden, sodass die bisherigen Planungsschritte jederzeit nachvollziehbar veröffentlicht werden können.

Steht schließlich der Raumbedarf, sollten auch die Kriterien für die Ausschreibung veröffentlicht werden: Warum schreiben wir in dieser Form aus? Warum legen wir Wert auf dieses oder jenes Kriterium? Warum suchen wir ein Architekturbüro, das eine Zäsur in den umgebenden Raum setzt? Oder: Warum suchen wir jemanden, der ein Händchen für Historisches hat? Der Architektenwettbewerb ist daraufhin bereits ein mit Spannung erwarteter nächster Schritt.

Es reicht jedoch nicht, die Entwürfe zu veröffentlichen und die Bürgerinnen (oder auch den Rat) zu fragen, welcher am besten gefällt! Denn »Gefallen« ist abhängig vom persönlichen Ästhetikempfinden und daher tatsächlich nicht maßgebend für eine Entscheidung. Die konkrete Frage sollte lauten: »Welcher Entwurf trifft die Vorgaben am besten?« Man könnte auch fragen, welche Raumaufteilung den Nutzungsbedingungen am besten entspricht. Und zeitglich sollte klargestellt werden, dass ein wesentlicher Faktor – der Preis – im Lauf der kommenden Planung eventuell nochmals eine deutliche Rolle spielen wird. Den Bürgern muss klar werden, dass nichts komplett entschieden ist, wenn ein Siegerentwurf feststeht!

Ist all das geschehen, haben Verwaltung oder Stadtrat bereits so viel VertrauenVertrauen aufgebaut, dass die Wahrscheinlichkeit deutlich steigt, den Bau ohne Störfeuer zu realisieren. Besonders wenn die Kommunikation beständig aktuell gehalten wird und verschiedenste Wege der Kommunikation eingeschlagen werden, bleibt Vertrauen erhalten. Vertrauensaufbau ist der Schlüssel für einen glatten Planungs- und Bauablauf.

3.1.3 Ein neues Rathaus muss entstehen

Ein neues Rathaus muss gebaut werden. Das alte Gebäude ist marode, zu klein, energetisch kaum zu sanieren und nicht barrierefrei. Das neue Rathaus, das entstehen soll, verändert das Ortsbild – also haben wir auch hier einen Eingriff in das »Wohnzimmer« der Bürgerinnen. Das alleine kann bereits zu Unmut führen. Der Rat beschließt nach langer Diskussion, die Verwaltung während der Bauphase nicht dezentral in verschiedenen Gebäuden unterzubringen, sondern für drei Jahre in ein schlossähnliches Gebäude umzuziehen, in dem alle Mitarbeitenden zentral untergebracht werden können, um die hausinternen Prozesse bestmöglich aufrechtzuerhalten. In der Ortsmitte soll das alte Rathaus abgerissen und durch einen sinnvollen Neubau ersetzt werden.