Kompass für schwierige Führungssituationen - Ursula Wawrzinek - E-Book

Kompass für schwierige Führungssituationen E-Book

Ursula Wawrzinek

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Beschreibung

Konfliktmanagement ist Emotionsmanagement. Doch der Umgang mit aufgewühlten Emotionen verlangt eine vollkommen andere Vorgehensweise als die Lösung von Sachproblemen. Hier setzt das Buch an und bietet ein didaktisch durchdachtes, erfolgserprobtes und pragmatisches Konzept, wie Führungskräfte Konflikte in ihrem Verantwortungsbereich professionell lösen können: - Die drei Must-haves für konstruktive Zusammenarbeit - Konfliktwetterkarte - Die professionelle Gesprächsführung im Konfliktumfeld - Verstanden heißt nicht einverstanden: richtig kritisieren und korrigieren - Möglichkeiten und Grenzen der Führungsarbeit     

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[7]Inhaltsverzeichnis

Hinweis zum UrheberrechtImpressumAbbildungsverzeichnisEinleitungTeil A Startklar machen: Erst denken …1 Die notwendige Klarheit über Konflikte im Beruf1.1 Warum Sie Probleme lösen können, Konflikte aber nicht1.2 Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps1.3 Drei Must-haves für eine konstruktive Zusammenarbeit1.4 Wenn die Alarmglocken läuten, heißt es handeln2 Das richtige Mindset für die Rolle als Führungskraft2.1 Sie sind nicht mehr nur Willi, sondern Willi, der Chef2.2 Führungskraft – die eierlegende Wollmilchsau2.3 Auch Sie haben Ecken und Kanten2.4 Wie Sie die Herzen Ihrer Mitarbeiter im Sturm erobern3 Hilfreiches Know-how zu Konflikten im Unternehmen3.1 Konfliktwetterkarte – da braut sich was zusammen3.2 Konflikte sortieren und erkennen, was es braucht3.3 Artenvielfalt im Büro3.4 Wie Sie aufgewühlte Gefühle beruhigen4 Professionelle Gesprächsführung im Konfliktumfeld 4.1 Führen ist Gespräch4.2 Verstanden heißt nicht einverstanden4.3 Den eigenen Standpunkt vertreten4.4 Raus mit dem Ärger – kollegial streitenTeil B Loslegen: … dann handeln5 Wenn einer stört …6 Wenn zwei sich streiten …7 Wenn der Chef das Problem ist …8 Wenn »die da oben« das Problem sind …DanksagungAnhangWeiterführende LiteraturStichwortverzeichnisDie AutorinArbeitshilfen Online
[1]

Hinweis zum Urheberrecht

Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft - Steuern - Recht GmbH

[4]Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:

ISBN 978-3-7910-4795-9

Bestell-Nr. 10396-0001

ePub:

ISBN 978-3-7910-4796-6

Bestell-Nr. 10396-0100

ePDF:

ISBN 978-3-7910-4797-3

Bestell-Nr. 10396-0150

Ursula Wawrzinek

Kompass für schwierige Führungssituationen

1. Auflage, 2020

© 2020 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH

www.schaeffer-poeschel.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): ©fotogestoeber, shutterstock.com

Lektorat: Jana Fritz, TEXTECHT, Stuttgart

Illustrationen im Buch: Michael Wirth, http://www.michael-wirth.com

Produktmanagement: Dr. Frank Baumgärtner

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/ Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart

Ein Unternehmen der Haufe Group

[9]Abbildungsverzeichnis

Abb. 1:Die Gefühls- und die Beziehungsebene entscheiden darüber, was auf der Sachebene möglich wirdAbb. 2:Konfliktkosten lassen sich nur schwer in Zahlen erfassenAbb. 3:Die Facetten des guten FührungsstilsAbb. 4:Jeder ist in seiner Sicht- und Erlebensweise gefangen. Ein echter Austausch findet nicht statt.Abb. 5:Ich habe recht – die anderen sagen das auchAbb. 6:Im entspannten Zustand sind wir ausgeglichenAbb. 7:Im Konfliktfall übernehmen unsere Gefühle das SteuerAbb. 8:Die aufgewühlten Emotionen müssen sich beruhigenAbb. 9:Die erste Glocke hat sich geöffnetAbb. 10:Die zweite Glocke öffnet sichAbb. 11:Wenn beide Glocken geöffnet sind, wird ein echter Austausch möglichAbb. 12:Ich habe recht – die anderen sagen dasAbb. 13:Das ungeschickte KritikgesprächAbb. 14:Streit zwischen zwei Kolleginnen

[11]Einleitung

Hatten Sie schon einmal Schwierigkeiten mit einem oder mehreren Mitarbeitern1? Und haben Sie das Problem mit nach Hause oder sogar mit in die Nacht genommen? Mussten Sie immer wieder den Kopf schütteln über das, was passiert ist, waren ratlos und fühlten sich irgendwie hilflos?

Willkommen im Klub. Sie sind nicht allein. Im Laufe der Zeit geht es nahezu allen Führungskräften einmal so oder ähnlich.

Konflikte gehören zum Leben dazu. Und sie machen auch vor den Betriebstoren nicht halt. Wo Menschen miteinander schaffen, machen sie sich zu schaffen. Sind die Beteiligten nicht in der Lage, eine Störung in der Zusammenarbeit untereinander zu klären und zu lösen, landet das Thema früher oder später auf dem Tisch der Führungskraft. Lange Rede kurzer Sinn: Keine Führungskraft kommt dauerhaft an Konflikten vorbei. Am besten lernen Sie, souverän damit umzugehen. Das ist das Thema dieses Buches.

Zwischenmenschliche Störungen in der Zusammenarbeit erinnern an brausende Wogen auf stürmischer See. Die Ereignisse überschlagen sich, und im Sturm der aufgewühlten Gefühle verlieren die Beteiligten schnell die Nerven und die Orientierung. In gefährlichen Wetterlagen muss jedoch jemand kühlen Kopf bewahren, wissen, wo es langgeht, und die Führung übernehmen. Auf hoher See ist das der Kapitän. In Ihrem Verantwortungsbereich sind Sie derjenige, der Herr der Lage bleiben sollte. Dann heißt es, Ruhe bewahren, die Lage fachkundig einschätzen und einen Plan entwickeln, wie man die Wogen glättet und die Mannschaft zurück in den sicheren Hafen bringt.

Mit diesem Buch gebe ich Ihnen einen Kompass und eine Seekarte an die Hand, die sie bei Bedarf aus der Schublade ziehen und zur schnellen Orientierung nutzen können. Die Seekarte setzt sich aus zahlreichen Puzzleteilen zusammen. Einzelne Teile mögen Ihnen auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen. In diesem Fall benötigen Sie bei der Lektüre dieses Buches an mancher Stelle ein wenig Geduld und Vertrauen in meine Führung. Versprochen: Sobald alle Teile richtig zusammengesetzt sind, offenbart sich das ganze Bild. Und im Kontext des Gesamtbildes zeigt sich der Nutzen jedes einzelnen Teils.

[12]Ein paar Worte zu mir:

Seit über zwanzig Jahren bilde ich Führungskräfte im Umgang mit schwierigen Führungssituationen aus und berate Unternehmen bei der Bewältigung von Konflikten, die sie aus eigener Kraft nicht mehr lösen können. Über tausend Führungskräfte haben sich vertrauensvoll von mir in die Karten schauen lassen, mit mir ihre Sorgen und Nöte geteilt und meine Techniken und Methoden in ihrem Alltag angewandt. Und weil sie damit ihre jeweiligen Herausforderungen nachhaltig bewältigt haben, kann ich dieses Wissen mit Ihnen teilen.

Eines möchte ich gleich zu Beginn klarstellen: Dieses Buch ist kein wissenschaftliches Buch. Es ist ein anwendungsorientierter Ratgeber. Er ist aus der Praxis heraus entstanden und für die Praxis geschrieben. Er erzählt von gelebter Praxis. In Fachkreisen wird seit Längerem das Thema Führung 4.0 diskutiert. Mit den Veränderungen am Arbeitsmarkt erlebt auch die Führungsrolle einen gewaltigen Umbruch. Immer mehr Macht und Verantwortung gehen von der Führungskraft auf die Mitarbeiter über. Doch da stehen die allermeisten Unternehmen derzeit noch nicht. Ich arbeite mit keinem idealisierten Führungsbild, sondern setze mit meiner Arbeit bei den tatsächlichen Rahmenbedingungen an, die ich in den Unternehmen vorfinde. Ich beschreibe ein Verständnis der Führungsrolle, wie es für die Bewältigung der Schwierigkeiten im Zusammenwirken zwischen Führungskraft und Mitarbeitern heute vonnöten ist.

Und was wird die Zukunft bringen? Die Kompetenzen, die heute im Wesentlichen im Bereich der Führungskraft liegen, werden künftig zu einem beachtlichen Teil in die Selbststeuerung der Teams übergehen. Die Methoden und Techniken, die ich Ihnen anbiete, werden in der neuen Welt noch wichtiger sein – und dort nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle Mitarbeiter.

Aufgrund meiner Erfahrung bin ich der festen Überzeugung: Konflikte, die die Beteiligten aus eigener Kraft nicht lösen können, wird es immer geben. Weder die Selbststeuerung im Team, noch die Unterstützung durch einen neutralen, allparteilichen Mediator wird in vielen eskalierten Konflikten für eine Lösung ausreichend sein. Eine Klärungsinstanz, die mit disziplinarischer Macht und Entscheidungskompetenz ausgestattet ist, bleibt auch in Zukunft unverzichtbar.

Was ist und bleiben wird: Unter Anwendung meiner vorgestellten Ansätze entwickeln Sie ein beziehungsförderndes und coachendes Verhalten gegenüber Ihren Mitarbeitern, wie es heute und auch in Zukunft erwartet wird.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. In Teil A »Startklar machen: Erst denken …« leite ich Sie durch eine umfassende gedankliche Auseinandersetzung mit möglichen Konfliktgeschehen in Ihrem Verantwortungsbereich. Hier schulen Sie Ihr grundsätzliches Verständnis

über die menschlichen Aspekte in der Zusammenarbeit,über die Anforderungen an Ihre Führungsrolle undfür Ursachen und Symptome von Störungen in der Zusammenarbeit.

[13]Dieses erweitern Sie um Wissen, Techniken, Methoden und Selbstreflexion.

In Teil B »Loslegen: … dann handeln« geht es dann an die konkrete Umsetzung in der Praxis. Zu den vier Szenarien

Wenn einer stört …,Wenn zwei sich streiten …,Wenn der Chef das Problem ist … undWenn » die da oben« das Problem sind …

erarbeiten wir eine konkrete, erfolgserprobte und stabile Vorgehensweise. Sie erhalten hier eine Anleitung, die Sie bei Bedarf Schritt für Schritt durch einen Klärungs- und Lösungsprozess führt.

Ich bin mir sicher, dass Sie einen anspruchsvollen Arbeitsalltag haben. Da ist es eine respektable Leistung, dass Sie in Ihrer knappen Freizeit dieses Fachbuch lesen. Um es für Sie einfacher und angenehmer zu gestalten, habe ich mich um eine leicht verständliche und unterhaltsame Sprache bemüht. Gleichzeitig ist das Thema alles andere als einfach. Denn jeder Konflikt ist ein Unikat und muss für sich betrachtet werden.

Damit Sie größtmögliche Ernte einfahren können, empfehle ich Ihnen folgende Herangehensweise:

Nehmen Sie sich die nötige Zeit.Lesen Sie das Buch langsam. Ich öffne meinen prallgefüllten Werkzeugkoffer für Sie. Betrachten Sie die Instrumente in aller Ruhe, und prüfen Sie, was Ihnen wann und wie dienlich sein kann.Gehen Sie unvoreingenommen an das Thema heran.Legen Sie Altbekanntes und Zweifel einfach mal Beiseite, und lassen Sie sich auf neue Sichtweisen und Techniken ein.Halten Sie inne, wenn Ihnen eigene Geschichten einfallen.Ihre eigenen Erfahrungen sind sehr wertvoll. Verweilen Sie bei ihnen, und bedenken Sie sie vor dem Hintergrund des Gelernten neu. Auf diese Weise hauchen Sie dem Buch Leben ein und lassen es zu einem wertvollen, praxisnahen Ratgeber werden.Probieren Sie aus.Alles, was ich schreibe, ist gelebte Praxis. Allerdings die Praxis von Ihnen unbekannten Führungskräften. Machen Sie Ihre eigenen Erfahrungen, indem Sie das Gelernte in Ihren Führungsalltag übertragen. Experimentieren Sie, beobachten Sie, was passiert, und bewerten Sie das Ergebnis.

Möge Ihnen dieses Buch hilfreich und dienlich sein. Wenn dies gelingt, let’s have a party! Und wenn Sie mich davon wissen lassen, freue ich mich.

[14]Und eines noch: Sehr gern stehe ich Ihnen mit meiner Expertise zur Verfügung.

Herzliche Grüße

Ursula Wawrzinek

https://www.konfliktberaterin.de

1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Weibliche Führungskräfte, Mitarbeiter etc. sind natürlich ebenso gemeint.

[15]Teil AStartklar machen: Erst denken …

[17]1Die notwendige Klarheit über Konflikte im Beruf

1.1Warum Sie Probleme lösen können, Konflikte aber nicht

Warum lange um den heißen Brei herumschreiben? Lassen Sie uns gleich zum Highlight des Buches kommen. Ihre Zeit ist knapp, und Sie wollen schnell Neues erfahren. Etwas, das Ihnen den Führungsalltag deutlich erleichtert. Obwohl – das Highlight wird es schon, aber auch etwas Neues? Vielleicht haben Sie von dem Modell, das ich hier vorstelle, bereits gehört. Schließlich wird es inzwischen bereits in der Schule gelehrt. Die schlechte Nachricht: Offensichtlich ist es mit dem Wissen allein nicht getan, denn an der Umsetzung im Alltag hapert es gewaltig. Ganz besonders im Konflikt, wie wir noch sehen werden. Die gute Nachricht: Sobald Sie dieses einfache Modell nicht nur kennen, sondern auch richtig zu lesen verstehen, halten Sie einen goldenen Schlüssel für den erfolgreichen Umgang mit Konflikten in Händen.

Das Grundlagenmodell der Kommunikation

Es geht um das Grundlagenmodell der Kommunikation. Der Kommunikationspsychologe Paul Watzlawick hat erforscht, was passiert, wenn Menschen miteinander kommunizieren. Er fand heraus, dass ein Austausch immer auf mehreren Ebenen gleichzeitig stattfindet. Er unterschied zwischen der Sachebene einerseits und der Gefühls- und der Beziehungsebene andererseits. Sobald wir miteinander kommunizieren, sind diese Ebenen zugleich aktiv. Während sich die Sachebene als Gesprächsthema oder Verhandlungsgegenstand bildlich gesprochen gut sichtbar auf dem Tisch befindet, spielen sich parallel dazu die Gefühls- und Beziehungsebene unsichtbar und oftmals unbewusst unter dem Tisch ab.

Doch was genau beinhalten diese verschiedenen Ebenen?

Die im wahrsten Sinne des Wortes offensichtliche Sachebene betrifft das Thema des Gesprächs: die verwendeten Worte und die dargelegten Fakten. All das spielt sich offen und sichtbar für alle Beteiligten ab. Die Sachebene liegt also direkt zugänglich an der Oberfläche des Geschehens.

Unter dem Tisch befinden sich die Gefühls- und die Beziehungsebene. Die Gefühlsebene enthält all das, was wir füreinander empfinden und was wir voneinander halten: Ob wir unseren Gesprächspartner mögen und schätzen oder ihn für unsympathisch und inkompetent halten, ob wir uns mit ihm entspannt und wohl oder unbehaglich und in Habachtstellung fühlen – all das spielt sich auf dieser Ebene ab.

Die Beziehungsebene wiederum verdeutlicht, in welchem Verhältnis wir im sozialen Gefüge zueinander stehen. Sind Sie der Chef oder der Praktikant? Sind Sie die Mutter oder das Kind? Sind Sie der Kollege und sprechen mit einem anderen Kollegen? Die Beziehungsebene beinhaltet das Verhältnis, in dem Sie und Ihr Gegenüber zueinander stehen, und drückt sich innerhalb gelungener Kommunikation angemessen aus.

[18]Schätzen Sie einmal, welchen Einfluss in Prozent das, was Sie sagen, darauf hat, ob Ihr Gesprächspartner Ihnen zuhört, geschweige denn, Sie versteht oder sich vielleicht sogar von Ihren Argumenten überzeugen lässt.

Und schätzen Sie im Vergleich dazu einmal, welchen Einfluss Ihr persönliches Gefühl für den anderen und die Berücksichtigung des sozialen Verhältnisses, in dem sie zueinander stehen, auf das Gelingen der Kommunikation hat.

Ich will es Ihnen verraten: Das, was wir sagen − die Sachebene −, nimmt lediglich zu 20 Prozent Einfluss auf eine gelungene Kommunikation. Mit ganzen 80 Prozent bestimmen die Gefühls- und die Beziehungsebene die Qualität unserer Kommunikation.

Um im Bild zu bleiben: Für eine konstruktive Zusammenarbeit brauchen wir ein Plus unter dem Tisch. Denn: Wenn es auf der Gefühls- und/oder der Beziehungsebene blitzt, weil eine Störung vorliegt, wirkt sich das verheerend auf die Sachebene aus. Die Folge: Wir können den anderen mit unserer Botschaft nicht erreichen.

Praxisbeispiel

Morgens sagt meine Kollegin in genervtem Tonfall: »Hast du schon die Mail von Hans gelesen?« Sie verdreht dabei die Augen, atmet demonstrativ tief durch und drückt damit ihre Geringschätzung für Hans, unseren Chef, aus. Erstaunt blicke ich sie an. Ja, ich habe die Mail gelesen. Habe mich darüber gefreut und gelächelt. Hans hatte sich darin beim Team für die tolle Zusammenarbeit im gestrigen Teamworkshop bedankt und betont, wie gern er mit uns zusammenarbeitet.1

PRAXISCHECK

Übung: Raten Sie mal, wer von uns beiden damals ein Plus, also eine wertschätzende Haltung, und wer einen Blitz, also eine Störung zu Hans, unseren Chef, hatte? Was meinen Sie? Was hat sich vermutlich unter dem Tisch zwischen meiner Kollegin und dem Chef abgespielt?Die Lösung finden Sie im Anhang.Anwendung: Überlegen Sie einmal, bei welcher Gelegenheit in Ihrem Alltag und Umfeld sich eine Störung auf der Gefühls- und der Beziehungsebene zeigt.Welche Anzeichen nehmen Sie wahr?

Was aber gilt konkret als Störung auf der Gefühls- und der Beziehungsebene? Ganz einfach: jede empfundene Abwertung. Sobald wir unseren Gesprächspartner unsympathisch finden, [19]ihn nicht ernst nehmen oder ihn für inkompetent halten, wird er es bemerken. Selbst dann, wenn wir es nicht aussprechen. Der Mensch hat ein feines Gespür dafür und merkt, dass etwas nicht stimmt. Er fühlt sich unwohl, auch wenn er nicht genau weiß, warum. Oder er fühlt sich von uns abgelehnt. Eine vernünftige Zusammenarbeit ist nur noch eingeschränkt möglich.

Auf dem Weg zum Plus

Doch wie erreicht man im Job dieses Plus, also eine wertschätzende Einstellung auf der Gefühls- und der Beziehungsebene? Der Aufwand hält sich in Grenzen, denn es ist nicht nötig, mit jedem Kollegen oder Mitarbeiter eine Freundschaft zu pflegen.

Stattdessen geht es im Kern um drei Aspekte:

Es geht darum, dass wir Respekt ausdrücken. Dabei genügt es nicht, dass wir denken, wir respektieren unser Gegenüber. Es muss bei ihm auch so ankommen.Es geht darum, dass wir unser Gegenüber mit Wertschätzung behandeln und − Sie ahnen es bereits − er spürt: Wir schätzen ihn als Mensch. Wir kritisieren bei Bedarf vielleicht seine Leistung oder sein Verhalten, aber nie seine Person. Das macht den wesentlichen Unterschied.Es geht darum, dass wir – auch als Chef – mit den Kollegen und Mitarbeitern auf Augenhöhe sprechen. Grundsätzlich niemals von oben herab, sondern von einem Erwachsenen zum anderen.

Diese Aspekte müssen alle Beteiligten berücksichtigen, um die Gefühls- und die Beziehungsebene störungsfrei zu halten und konstruktiv zusammenarbeiten zu können.

Das ist kein Kann, sondern ein Muss.

Das Problem dabei: Mit unserer Aufmerksamkeit sind wir bei dem, was über dem Tisch besprochen wird. Man klärt vielleicht gerade, wer wann im Team in Urlaub gehen will und kann. Als Führungskraft denken Sie, dass Ihre Mitarbeiter erwachsen genug sein müssten, ihre jeweiligen Bedürfnisse mit der vorgegebenen Vertreterregelung in Einklang zu bringen und bei unterschiedlichen Wünschen gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu finden. Dann wundern Sie sich, wenn das nicht gelingt und es zu Zerwürfnissen kommt. Sie können es nicht fassen, schütteln den Kopf und fragen sich, wieso sich Ihre ansonsten so kompetenten, engagierten und freundlichen Mitarbeiter an dieser Stelle wie beleidigte Leberwürste und sture Esel verhalten.

Der Blick unter den Tisch

Die Antwort findet man, wenn man bildlich gesprochen einen Blick unter den Tisch wagt. Zugegeben, das ist unüblich. Aus der gewohnten Sitzhaltung ausbrechen, sich seitlich schräg nach unten beugen, tief hinunter bis zu den Beinen der Gesprächspartner. Plötzlich eröffnet sich jedoch ein völlig neuer Blickwinkel. Man erkennt beim längeren Verweilen in dieser Perspektive die Interaktion zwischen den Beteiligten. Halten alle die Füße still oder gibt es Tritte gegen das Schienbein? Oder werden im Gegenteil gar zärtliche Berührungen ausgetauscht? Wenn Sie [20]nun denken, so etwas macht man doch nicht, das ist ungehörig und sorgt für Aufregung, gebe ich Ihnen recht.

Da sind wir nun schon an der entscheidenden Stelle. Denn mit dem üblichen Austausch auf der Sachebene hat unser Thema, der Umgang mit Konflikten im Unternehmen, herzlich wenig zu tun.

Abb. 1: Die Gefühls- und die Beziehungsebene entscheiden darüber, was auf der Sachebene möglich wird

Was ist ein Konflikt?

Ein guter Zeitpunkt, um ein gemeinsames Verständnis zu erarbeiten, was wir im Folgenden unter einem Konflikt verstehen wollen. Was zeichnet einen Konflikt aus? Woran ist er zu erkennen?

Lassen Sie mich gleich das eben genannte Beispiel – die Urlaubsplanung im Team – nutzen, um die sechs Kriterien einer Definition für Konflikte praktisch nachvollziehbar zu machen:

Zwei Mitarbeiter wollen in der ersten Pfingstwoche in Urlaub gehen. Noch ist es kein Konflikt, aber die erste Voraussetzung ist schon mal da:

[21]Unterschiedliche Meinungen, Interessen, Werte oder Ziele treffen aufeinander …Das ist erst einmal nichts Ungewöhnliches. Das passiert laufend, und wir haben gelernt, mit Unterschiedlichkeiten umzugehen. Solange sie uns nicht einschränken, verfahren wir meist nach dem Motto: Leben und leben lassen.

Hinzu kommt jetzt:

… und sind nicht gleichzeitig miteinander vereinbar.In unserem Fall: Die beiden Mitarbeiter vertreten sich gegenseitig und können dadurch nicht gleichzeitig Urlaub nehmen.

Das ist zunächst einmal eine Patt-Situation. Brenzlig wird es erst beim nächsten Faktor:

Jeder fühlt sich im Recht.

Nun befinden wir uns an der Weggabelung, an der eine Problemstellung sich entweder löst oder aber sich zu einem waschechten Konflikt entwickelt.

Was müsste an dieser Weggabelung passieren, um einen drohenden Konflikt abzuwenden? Richtig: Eine der Parteien müsste einlenken. Das setzt allerdings voraus, dass eine der Parteien keine »Aktien« in der Angelegenheit hat, will sagen, sich in Werten, Selbstverständnis und Interessen nicht beeinträchtig fühlt.

In unserem Fall würde beispielsweise ein Mitarbeiter nachgeben: »Na gut, dann gehe ich eben zu einem anderen Zeitpunkt in Urlaub.« Damit hätte sich das Problem gelöst.

In unserem Beispiel braut sich der Konflikt allerdings weiter zusammen, denn es kommt ein weiterer Faktor hinzu:

Das Thema hat für die Beteiligten eine hohe Wichtigkeit.Die ältere Mitarbeiterin A erzählt, das sich in dieser Woche ihre gesamte Großfamilie für ein paar Urlaubstage am Meer trifft. Der junge Mitarbeiter B möchte in dieser Woche mit seinen Freunden einen Trip in die USA machen.

Der fünfte Faktor treibt die Mitarbeiter gnadenlos weiter in Richtung Konflikt:

Es bestehen gegenseitige Abhängigkeiten und Handlungsdruck.Würde die Führungskraft nun sagen, »Na gut, dann haben wir halt in dieser Woche keinen Ansprechpartner zu eurem Thema. Muss eben auch mal gehen«, gäbe es weder eine gegenseitige Abhängigkeit noch einen Handlungsdruck. Nehmen wir jedoch einmal an, dass die Führungskraft leider keine Ausnahme machen kann. Eine wichtige Aufgabe muss in dieser Woche erledigt werden.

Was denken Sie? Liegt nun bereits ein Konflikt vor?

[22]Nicht zwangsläufig. Es könnte noch immer sein, dass bislang lediglich ein Problem besteht.

Und zwar dann, wenn die Mitarbeiterin A zu Hause über das Thema etwa folgendermaßen erzählt: »Oh je, meine Teilnahme am Familientreffen ist gefährdet. Mein Kollege möchte nämlich unbedingt in der gleichen Woche mit Freunden in die USA fliegen. Da ist es nun echt schwierig, eine gute Einigung zu finden. Keine Ahnung, wie das gehen soll …«

Und Mitarbeiter B berichtet in etwa so: »Es gibt ein Problem mit meinem Urlaub. Meine Kollegin will genau in der gleichen Woche frei haben. Bei denen trifft sich die ganze Sippe am Meer. Das ist richtig blöd. Wie sollen wir das denn lösen?«

Fällt Ihnen etwas am Ton auf? Klingt relativ gefasst und sachlich, oder? Solange noch der Verstand das Ruder in der Hand hat, liegt es nahe, dass kein Konflikt ausgebrochen ist.

Hören Sie im Vergleich dazu, wie es klingt, wenn bereits ein Konflikt entstanden ist:

Die Mitarbeiterin A erzählt: »Stell dir vor, mein Kollege versucht gerade mit aller Gewalt, seinen Urlaub genau in unsere Familienwoche zu pressen. Er will mit Freunden wegfahren. Da ist kein einziges Schulkind dabei, die sind nicht auf die Schulferien angewiesen. Er ist einfach gnadenlos egoistisch und will mal wieder demonstrieren, wie wichtig er ist. Aber ich werde keinen Millimeter abrücken. Das sehe ich wirklich nicht ein.«

Bei Mitarbeiter B könnte es folgendermaßen klingen: »Die A will mal wieder den Altersbonus ziehen und sich durchsetzen. Völlig klar, dass ihr Urlaub wichtiger ist als meiner. Die kann mich mal, das sehe ich echt nicht ein.«

Wenn wir bei einer solchen Grundstimmung angelangt sind, haben wir bereits einen waschechten Konflikt, denn das wichtigste Kriterium eines Konflikts liegt nun vor:

Negative Gefühle gegenüber dem Konfliktpartner sind entstanden.

Der Unterschied zwischen Problem und Konflikt

Und hier kommen wir zur Unterscheidung von Problem versus Konflikt: Solange keine negativen Gefühle der Beteiligten zueinander entstanden sind, haben wir lediglich ein Problem. Ein Problem liegt auf der Sachebene und lässt sich sachlich lösen. Das können Sie. Probleme bekommen Sie mit Ihren Leuten schon irgendwie in den Griff.

Einem Konflikt hingegen liegt ein emotionaler Aufruhr zugrunde. Selbst wenn es so scheint, als läge dieser auf der Sachebene, findet er seinen Ursprung auf der Gefühls- und/oder Beziehungsebene. Und das ist eine völlig andere Situation, die entsprechend anders zu handhaben ist.

[23]Konfliktmanagement ist deshalb Emotionsmanagement.

Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten. Aber in meinem Beratungsalltag zeigt sich folgendes Problem: Für Emotionsmanagement sind Führungskräfte nicht ausgebildet.

Nachdem die meisten versuchen, Konflikte über dem Tisch – in der gewohnten aufrechten Sitzhaltung – sachlich zu klären, verschlimmbessern sie die Situation nur, auch wenn sie sich redlich um eine Lösung bemühen. Der Grund: Sie agieren schlichtweg auf der falschen Ebene, sind in der falschen Haltung unterwegs, bekommen die ursächlichen Aspekte der Störung nicht zu fassen und haben deswegen schlicht und ergreifend keine Chance, Konflikte im Job erfolgreich zu klären und zu lösen. Die investierte Zeit und Energie verpufft als vergebliche Liebesmüh. Das nervt und bringt auch die gelassenste Führungskraft irgendwann an die Grenzen ihrer Geduld. Sie ist mit ihrem Latein am Ende.

Was bringt es mir, wenn ich das weiß?
Ich kann zwischen Problemen und Konflikten unterscheiden. Ich weiß, dass ich Probleme sachlich klären und lösen kann.Ich erkenne, dass es bei der Klärung und Lösung von Konflikten um Emotionsmanagement geht. Dafür bin ich noch nicht ausgebildet. Ich lasse mir in diesem Buch zeigen, wie das geht.Ich lenke meine Aufmerksamkeit »unter den Tisch« und reflektiere, was sich auf der Gefühls- und der Beziehungsebene abspielt. Ich weiß, dass gegenseitiger Respekt, Wertschätzung und Kommunikation auf Augenhöhe kein Kann, sondern ein Muss ist – sowohl für mich als auch für meine Mitarbeiter. Im Konfliktfall muss ich das allen Beteiligten erklären und es von ihnen einfordern.Bei einer späteren Konfliktdiagnose kann ich mit diesem Wissen identifizieren, wer an welcher Stelle wie und warum einen Blitz auf der Gefühls- und der Beziehungsebene produziert. Ich unterscheide zwischen Ursache und Wirkung und kann daraus eindeutig ableiten, wo ich ansetzen muss: Was muss sich ändern bzw. was muss ich korrigieren?

1.2Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps

Kennen Sie diese Redewendung noch? Sie stammt aus der Zeit, als Berufsleben und Freizeit noch strikt getrennt waren. Man konzentrierte sich während der Arbeit ganz und gar darauf. Um den »Schnaps«, also das Private, kümmerte man sich erst danach. Diese Haltung gilt längst nicht mehr für alle Arbeitnehmer. Die Grenzen zwischen Privat- und Berufsleben verschwimmen zunehmend. Ein Großteil der Berufstätigen ist heute auch außerhalb ihrer Arbeitszeit per Handy oder E-Mail erreichbar. Im Gegenzug sind ein privates Telefonat und Surfen im Internet an den meisten Arbeitsplätzen geduldet. Der Tischkicker im Großraumbüro und der Grill auf der Firmenterrasse sollen Mitarbeiter nicht nur kreativ beflügeln, sondern auch deutlich länger als acht Stunden am Arbeitsplatz halten.

[24]Aber auch das Miteinander unter Kollegen ist kontinuierlich lockerer geworden. Das Du ist zum neuen Sie geworden, Jeans und Turnschuhe haben längst Einzug in die Büroräume gehalten und der Umgangston ist locker. »Ich fühle mich in meiner Firma wie im Dauerskilager«, erzählte einmal ein Berufsanfänger, selbst erstaunt über seinen neuen Arbeitsplatz. Förmliche Barrieren fallen weg, Hierarchien sind flacher, Kreativität, Vertrauen und Gemeinschaftsgefühl können positiv beeinflusst werden.

Hinter all den Vorzügen dieser Entwicklungen verbergen sich jedoch auch einige Gefahren:

Die Hierarchie wird häufig verschleiert. So entsteht die weit verbreitete, aber irrtümliche Annahme, dass allein abgeflachte Hierarchien die »Machtverhältnisse« verändern. Doch Entscheidungsträger bleiben Entscheidungsträger.Manche Mitarbeiter finden die Grenzen ihrer neu gewonnenen Freiheiten nicht mehr und schießen über das Ziel hinaus. Sie haben dabei kein Problembewusstsein.Kollegen werden nicht mehr als Kollegen, sondern als Freunde oder Feinde angesehen und entsprechend behandelt. Zu viel private Nähe lädt zu einem lockeren Umgang und vertrauten Austausch ein. Das birgt die Gefahr von Konflikten.Mitarbeiter erkennen nicht mehr, dass gute Umgangsformen und ein gutes Sozialverhalten am Arbeitsplatz auch heute noch das A und O für ein harmonisches Miteinander sind. Pünktlichkeit und Rücksichtnahme sind heute nicht mehr selbstverständlich. Das führt häufig zu Reibereien.

Kennen Sie das aus Ihrem Arbeitsalltag?

Diese Täuschungen führen dazu, dass wir etwas Wesentliches aus dem Blick verlieren: Die Beziehungen zu Kollegen, Mitarbeitern und Führungskräften sind keine Privatbeziehungen, sondern Geschäftsbeziehungen.

Geschäftsbeziehungen sind keine Privatbeziehungen

Für Geschäftsbeziehungen gelten andere Regeln. Sie sind nicht freiwillig, sondern notwendig. Das unverzichtbare Plus, also die gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung der unterschiedlichen Rollen auf der Gefühls- und der Beziehungsebene, ist fragiler, denn es sind keine Herzensverbindungen. Die folgenden sieben Fakten im Hinblick auf Geschäftsbeziehungen zeigen auf, warum unsere Konflikte im Job nicht auf die gleiche Art gelöst werden können wie im Privaten:

1. Meine Kollegen kann ich mir nicht aussuchen.

Unsere Freunde sind diejenigen auserwählten Personen, für die wir uns aktiv entschieden haben und denen wir vollkommen freiwillig einen Platz in unserem Leben einräumen. Wir mögen und schätzen sie, sie bereichern unser Leben. Unsere Kollegen sind gesetzt. Das Unternehmen besetzt neue Stellen, nicht Kollegen. Ein Kollege ist nicht mein Freund. Ich muss ihn nicht mögen. Es reicht aus, wenn ich konstruktiv mit ihm zusammenarbeite.

[25]2. Mit meinen Kollegen muss ich auskommen.

Haben Sie sich mit einem Freund überworfen, ist es meist sehr einfach, ihm zukünftig aus dem Weg zu gehen. Auf Ihre Party laden Sie ihn nicht mehr ein, und wenn er bei Freunden eingeladen ist, gehen Sie nicht hin. So einfach, so gut. Im Job ist das meist nicht möglich. Sie arbeiten in einem Team, an einem gemeinsamen Projekt, sind auf gegenseitige Informationen und Absprachen angewiesen und teilen dasselbe Büro.

3. Ich brauche eine störungsfreie Beziehungsebene.

Wie wir im vorangegangenen Kapitel gesehen haben, brauchen wir Respekt und gegenseitige Wertschätzung auf der Gefühls- und der Beziehungsebene, um in der Sache konstruktiv zusammenarbeiten zu können. Einen Konflikt mit dem Kollegen können Sie sich im Job nicht erlauben.

4. Meine Kollegen lieben mich nicht.

Es sind »nur« unsere Kollegen – keine Familienmitglieder, keine Freunde. Im Streitfall sind sie weniger tolerant, nachsichtig und versöhnlich. Menschen, die uns lieben und näher kennen, setzen sich auch unter erschwerten Bedingungen mit uns auseinander. Einfach, weil wir ihnen wichtig sind. Sie bemühen sich darum, uns zu verstehen, wollen einen Weg finden, mit uns weiterzugehen. Mit Kollegen ist das anders. Sie erwarten von uns ein professionelles Auftreten – höflich und respektvoll auch unter Druck. Zu Recht, denn im Betrieb haben wir eine andere Rolle als in der Familie und im Freundeskreis.

5. Fehlverhalten lässt sich nicht ungeschehen machen.

Ist es dann trotzdem geschehen, und unter Druck, Stress und in Rage ist uns ein falsches Wort herausgerutscht, haben wir ein Problem. Anders als im Privatleben stehen uns im Job deutlich weniger Versöhnungsmöglichkeiten zur Verfügung. Im Privaten können wir in die Vollen gehen: Wir können flehen, betteln, weinen, umarmen, liebkosen oder Geschenke machen, um den anderen gnädig und versöhnlich zu stimmen. Ein Kollege wird es nicht zulassen, dass wir so nah und persönlich an ihn herantreten.

6. Im Job muss ich Konflikte lösen.

Bei einem privaten Konflikt ist es die freie Entscheidung des Einzelnen, ob er diesen klären oder lösen möchte. Er kann ihn lösen, wenn er will, muss es aber nicht, wenn er nicht will oder sich dazu nicht imstande fühlt. Wer sollte ihn zwingen? So können Konflikte über lange Zeiträume hinweg ungelöst bleiben.

Im Job fordert die Führungskraft ein konstruktives Miteinander in ihrem Verantwortungsbereich ein. Konflikte rauben den Betroffenen Energie und schränken sie dadurch in ihrer Leistungsfähigkeit ein. Die Klärung ist nicht zuletzt auch aus Kostengründen kein Kann, sondern ein Muss. Denn: Weil Konflikte enorm viel Energie kosten, beeinträchtigen sie uns erheblich bei der erfolgreichen Erledigung unserer Aufgaben. Dadurch schaden sie dem Unternehmen wirtschaftlich.

[26]7. Im Job gibt es feste Rahmenbedingungen.

Während wir uns im Privaten innerhalb eines freien, sozialen Raumes bewegen, den wir gemeinsam mit unseren Mitmenschen gestalten, befinden wir uns im Job innerhalb eines vorgegebenen Rahmens: eine feste Unternehmenshierarchie mit klaren Abläufen, Aufgaben, Verhaltensweisen und Normen. Diese Rahmenbedingungen gilt es zu akzeptieren. Wir werden gleich im nächsten Kapitel 1.3. noch näher darauf eingehen.

Fassen wir zusammen: Wir bewegen uns mit unseren Geschäftsbeziehungen beständig auf dünnem Eis. Es bedarf einer hohen Aufmerksamkeit sowie eines kontrollierten Verhaltens, um zu verhindern, dass wir in emotional schwierigen Situationen einbrechen. Sicherlich hat jeder von uns schon einmal erlebt, wie beglückend es ist, mit netten Kollegen zusammenzuarbeiten. Doch leider gibt es immer wieder auch schwierige Kollegen. Auch mit ihnen muss ein konstruktives Zusammenwirken klappen. Sonst können wir auf der Sachebene nicht erfolgreich wirken. Insofern brauchen wir im Job zum Teil ein anderes Verhalten – Professionalität eben.

Das leuchtet mir alles ein, mögen Sie denken, doch sagen Sie das mal meinen Mitarbeitern. Die lassen sich von mir nicht vorschreiben, wie sie sich verhalten sollen.

Meinen Sie etwa so?

Praxisbeispiel 1

Eine junge Mitarbeiterin war sehr verliebt in ihren Kollegen. Ihm schmeichelte ihre Schwärmerei, und er genoss ihre Aufmerksamkeit. Die beiden waren im Job unzertrennlich, traten im Team als vertraute Einheit auf und grenzten sich vom Rest der Gruppe ab. Weil aber der junge Mann nicht frei für eine Beziehung war, kam es zunehmend zu Frust, Verletzung und Enttäuschung bei der jungen Frau. Darüber tauschte sie sich intensiv und offenherzig mit den anderen Kollegen aus. Auf Dauer wurde sie durch ihre extremen Launen und Stimmungsschwankungen immer mehr zu einer Belastung für ihr Umfeld. Im Coaching sensibilisierte ich sie dafür, dass ihr Verhalten zwar privat betrachtet durchaus verständlich, im Job allerdings unpassend ist. Daraufhin meinte sie: »Ich bin eben eine Dramaqueen. Ich bin Single und verbringe täglich 10 Stunden bei der Arbeit. Wann und bei wem soll ich bitte meine Dramaqueen ausleben? Ich habe nur meinen Job. Das müssen die eben aushalten.«

Die Einstellung und das Verhalten von Mitarbeitern bei Bedarf zu korrigieren, ist sicher kein einfacher Job. Da gebe ich Ihnen recht. Bevor Sie schwierige Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern führen, brauchen Sie einen stabilen, fundierten, eigenen klaren Orientierungsrahmen, an dem Sie Ihre Überlegungen und Ihr Vorgehen ausrichten. Erst wenn Sie Ihren eigenen Standpunkt klar beziehen können, werden Sie den Argumenten Ihrer Mitarbeiter standhalten und in aller Wertschätzung nachvollziehbar aufzeigen können, worum es Ihnen geht. Wie ein Fels in der Brandung geben Sie dann Orientierung und sicheren Halt im Sturm der Emotionen.

[27]Auf dem richtigen Stuhl Platz nehmen

Als weitere Argumentationshilfe, um für alle Beteiligten eine klare Ordnung für das tägliche Miteinander im Job zu schaffen, empfehle ich als Leitplanken die Arbeit mithilfe von zwei Stühlen:

Stellen Sie sich vor, wir besitzen für die Rolle, die wir im Beruf verkörpern und zum Vergleich für die, die wir im Privaten wahrnehmen, jeweils einen Stuhl. Der eine ist unser Jobstuhl, der andere ist unser Privatstuhl.

Auf dem Privatstuhl können wir nahezu machen, was wir wollen. Wir können herumlümmeln, uns gehen lassen, schimpfen wie ein Rohrspatz, verrückten Hobbys nachgehen, unserem Umfeld unsere Ecken und Kanten zumuten und unsere Gefühle voll ausleben. Das Schöne ist: Jeder von uns hat so einen herrlichen Privatstuhl, auf dem wir frei sind zu tun, was uns beliebt. Als Menschen auf unseren Privatstühlen sind wir alle auf einer Ebene. Keiner von uns sitzt höher oder niedriger als der andere, niemand ist einem anderen hierarchisch über- oder unterstellt. So weit, so gut.

Doch wie sieht es auf unserem Jobstuhl aus? Was kennzeichnet das Sitzen darauf? Nun, das hängt ganz davon ab, welche konkrete Rolle wir in unserem Beruf auszufüllen haben.

Jede Firma definiert die Anforderungen, die ein Mitarbeiter zu erfüllen hat, um die ihm zugedachte Stelle optimal auszufüllen. Lassen Sie uns also einmal gemeinsam unseren gemütlichen Privatstuhl verlassen, um uns auf unseren Jobstuhl zu setzen. Was passiert in so einem Moment?

Wir setzen unsere Kenntnisse und Fähigkeiten ein, um den gestellten Aufgaben im Arbeitsalltag gerecht zu werden. Dabei unterlassen wir besser das lässige Herumlümmeln, das wir uns zu Hause vielleicht guten Gewissens erlauben. Wir passen unser Erscheinungsbild an und tauschen den Jogginganzug gegen den entsprechenden Dresscode. Wie die Anforderungen an den Dresscode sind, hängt natürlich vom Job ab.

Bis hierhin leuchtet das Gesagte den meisten Menschen sofort ein.

Was wir uns aber oft nicht bewusst machen: Es reicht nicht, dass wir der Jobrolle mit unserem äußeren Erscheinungsbild und unseren Kompetenzen gerecht werden; wir müssen dies auch mit unserem persönlichen Verhalten.

Jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn einem mal der Kragen platzt. Und jeder braucht einen Raum, in dem er einfach nur Mensch sein darf, ungeschminkt und geradeheraus. Zeigen wir diese emotionale Reaktion in unserem privaten Umfeld, während wir zu Hause auf unserem Privatstuhl sitzen, wäre das für die meisten von uns absolut verständlich. Mit dem gleichen Verhalten − selbst wenn es menschlich vollkommen verständlich ist – fallen wir auf unserem Jobstuhl jedoch aus der Rolle und werden dieser nicht mehr gerecht.

[28]Praxisbeispiel 2

Der langjährige ältere Mitarbeiter flippt aus, wenn sein junger Praktikant morgens das Büro betritt und, ohne zu fragen, als Erstes das Fenster schließt. Er schreit auf ihn ein und droht ihm mit Konsequenzen, wenn er dies nicht zukünftig unterlässt. Der Praktikant beschwert sich beim Betriebsrat über das Verhalten seines Kollegen.

Praxisbeispiel 3

Der gewissenhafte Mitarbeiter wird aggressiv, wenn sich einer seiner Kollegen, ohne zu fragen, sein Arbeitsmaterial ausleiht und es dann nicht wieder zurückbringt. Er baut sich körperlich vor dem Kollegen auf, warnt ihn davor, das noch einmal zu tun, und droht Konsequenzen an.

Praxisbeispiel 4

Die ältere Mitarbeiterin weist ihre junge Kollegin auf einen Fehler hin. Anschließend hört sie, wie diese einer anderen jungen Kollegin zuraunt: »Von der alten Kuh lass ich mir überhaupt nichts vorschreiben.« Die ältere Mitarbeiterin zieht sich vollkommen zurück und steht auch für Fachfragen nicht mehr zur Verfügung.

Die Beispiele machen deutlich: Bereits eine kleine, unbedachte Aktion, die eher auf den Privatstuhl als auf den Jobstuhl gehört, reicht aus, um aus seiner Jobrolle herauszufallen.

Nun sehen viele Mitarbeiter einen hohen Wert darin, sich vollkommen authentisch zu zeigen. Sie sind stolz auf ihre Offenheit und Ehrlichkeit und benennen es als Stärke, dass sie sehr direkt sind und klar aussprechen, was sie denken. Und ja: Authentizität ist unverzichtbar. Allerdings unter Vorbehalt.

Versuchen Sie es mit bedingter Authentizität

Ich empfehle die bedingte Authentizität. Das heißt, alles, was wir tun und sagen, ist authentisch, doch nicht alles, was authentisch ist, sagen und tun wir. Was nicht auf den Jobstuhl passt, bleibt zu Hause oder wird für den Job richtig »übersetzt«.

Die bedingte Authentizität ermöglicht es uns, uns frei und souverän im Jobkontext zu bewegen, ohne anzuecken. Allerdings ist dafür ein ordentliches Maß an Selbstdisziplin erforderlich, müssen wir doch in der Lage sein, unser Denken, Fühlen und Handeln auch in kritischen Momenten verlässlich unter Kontrolle zu halten. Denn angenommen eine Führungskraft oder ein Mitarbeiter verliert nur ein einziges Mal die Nerven und brüllt einen Kollegen an, so wird er in den Augen des Kollegen fortan der unberechenbare Choleriker sein, bei dem man nie weiß, wann er das nächste Mal ausflippt.

[29]Das mag in Zeiten von Generation Y und Z alles ein wenig verstaubt anmuten, gewinnt aber gerade im Hinblick auf eine Zukunft, in der wir zunehmend international zusammenarbeiten und einander mit unterschiedlichen Werten, Gewohnheiten und Verhaltensweisen begegnen werden, verstärkt an Bedeutung. Beispielsweise wechseln Firmen immer öfter ihre Geschäftssprache ins Englische und gerade dort ist eine für uns ungewöhnlich freundliche Ausdrucksweise gefordert. Wir brauchen – jetzt und in Zukunft – ein paar gemeinsame verbindliche Leitplanken, um ein konstruktives Miteinander dauerhaft sicherzustellen. Ansonsten wird das Miteinander im Büro zu einem Minenfeld, auf dem die Führungskraft schnell handlungsunfähig ist.

PRAXISCHECK

Übung: