KOMPASS - Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen - Bettina Jenny - E-Book

KOMPASS - Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen E-Book

Bettina Jenny

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Beschreibung

Das Trainingsprogramm KOMPASS vermittelt soziale Kompetenzen für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen und zielt auf die Arbeit im Gruppen- oder Einzelsetting mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Konzept und Vorgehensweise sowie die Module Emotionen, Small Talk und Nonverbale Kommunikation werden anwendungsorientiert beschrieben. Informationsblätter sowie ausführliche Arbeitsmaterialien stehen zum Download bereit. Die 2. Auflage wurde bedeutsam erweitert und überarbeitet. Sie bietet weiteres Downloadmaterial, stellt viele zusätzliche Übungen zur Verfügung, umfasst mehr Hintergrundwissen für die Anwenderinnen und Anwender und beinhaltet die gesamte Evaluation des KOMPASS-Projektes.

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Bettina Jenny

Philippe Goetschel

Maya Schneebeli

Martina Rossinelli-Isenschmid

Hans-Christoph Steinhausen

KOMPASS Zürcher Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen

Ein Praxishandbuch für Gruppen- und Einzelinterventionen

2., erweiterte und überarbeitete Auflage

Verlag W. Kohlhammer

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Pharmakologische Daten, d. h. u. a. Angaben von Medikamenten, ihren Dosierungen und Applikationen, verändern sich fortlaufend durch klinische Erfahrung, pharmakologische Forschung und Änderung von Produktionsverfahren. Verlag und Autoren haben große Sorgfalt darauf gelegt, dass alle in diesem Buch gemachten Angaben dem derzeitigen Wissensstand entsprechen. Da jedoch die Medizin als Wissenschaft ständig im Fluss ist, da menschliche Irrtümer und Druckfehler nie völlig auszuschließen sind, können Verlag und Autoren hierfür jedoch keine Gewähr und Haftung übernehmen. Jeder Benutzer ist daher dringend angehalten, die gemachten Angaben, insbesondere in Hinsicht auf Arzneimittelnamen, enthaltene Wirkstoffe, spezifische Anwendungsbereiche und Dosierungen anhand des Medikamentenbeipackzettels und der entsprechenden Fachinformationen zu überprüfen und in eigener Verantwortung im Bereich der Patientenversorgung zu handeln. Aufgrund der Auswahl häufig angewendeter Arzneimittel besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

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2, erweiterte und überarbeitete Auflage 2021

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-037134-7

E-Book-Formate

pdf:      ISBN 978-3-17-037135-4

epub:   ISBN 978-3-17-037136-1

mobi:   ISBN 978-3-17-037137-8

Autorenverzeichnis

 

 

 

Dr. phil. Bettina Jenny, Leitende Psychologin und Psychotherapeutin an der Fachstelle Autismus der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, Neumünsterallee 3, 8032 Zürich.

Lic. phil. Philippe Goetschel, Psychologe und Psychotherapeut, Schulpsychologischer Dienst Kanton Baselland, Baslerstrasse 255, 4123 Allschwil.

M. Sc. Maya Schneebeli, Doktorandin der Translational Neuromodeling Unit der Universität Zürich und ETH Zürich, Wilfriedstr.6, 8032 Zürich.

Lic. phil. Martina Rossinelli-Isenschmid, Ente Ospedaliero Cantonale, Ospedale Regionale di Bellinzona e Valli, Viale Officina 3, 6500 Bellinzona.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Hans-Christoph Steinhausen, emeritierter ordentlicher Professor an den Universitäten Zürich (CH) und Aalborg (DK), Titular-Professor am Institut für Psychologie, Universität Basel (CH), Adjunct Professor an der Süd-Dänischen Universität Odense (DK) und Honorary Senior Research Advisor am Centre for Child and Adolescent Mental Health, Capital Region Psychiatry, Kopenhagen (DK).

Psychiatrische Universitätsklinik Zürich

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Neumünsterallee 9

CH-8032 Zürich

Universität Basel

Institut für Psychologie

Klinische Psychologie und Epidemiologie

Missionsstrasse 62a

CH-4055 Basel

Süddänische Universität

Kinder, und Jugendpsychiatrie, Forschungseinheit

J.B. Vinsløws Vej 285

DK-5000 Odense C

Psychiatrie der Hauptstadtregion

Kinder- und Jugendpsychiatrisches Zentrum, Forschungseinheit

Kildegårdsvej 28

DK-2900 Hellerup

Inhalt

 

 

 

Autorenverzeichnis

Vorwort

1     Theoretische Einführung

1.1     Klassifikation und Diagnostik der Autismus-Spektrum-Störungen

1.1.1     Frühkindlicher Autismus (gem. ICD-10 F84.0)

1.1.2     Asperger-Syndrom (gem. ICD-10 F84.5)

1.1.3     Atypischer Autismus (gem. ICD-10 F84.1)

1.1.4     Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung (gem. ICD-10 F84.9)

1.1.5     High-Functioning-Autismus

1.1.6     Autismus-Spektrum-Störungen

1.2     Das klinische Bild des Asperger-Syndroms

1.3     Komorbidität

1.4     Epidemiologie und Verlauf der Autismus-Spektrum-Störungen

1.5     Ätiologie der Autismus-Spektrum-Störungen

1.5.1     Neuropsychologische und kognitive Aspekte der Autismus-Spektrum-Störungen

1.6     Interventionen

1.6.1     Inhalte und Ziele eines sozialen Kompetenztrainings

1.6.2     Zentrale Bausteine eines Sozialtrainings für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung auf höherem Funktionsniveau

1.6.3     Übersicht über evaluierte Trainingsprogramme

1.6.4     Ausführliche Darstellung ausgewählter evaluierter Trainingsprogramme

1.6.5     Übersicht über nicht evaluierte Trainingsprogramme

1.7     Entwicklung des Zürcher KOMPASS-Trainings

1.7.1     Psychotherapeutischer Hintergrund

2     Konzeption des KOMPASS-Sozialtrainings in der Gruppe

2.1     Konzept

2.2     Aufbau

2.3     Indikation und Kontraindikation

2.3.1     Indikationsgespräch

2.3.2     Grenzen

2.4     Ziele

2.5     Rahmenbedingungen

2.5.1     Gruppenzusammensetzung

2.5.2     Räumlichkeiten

2.6     Elternarbeit

2.6.1     Informationsabende

2.7     Ablauf der KOMPASS-Gruppensitzungen

2.8     Arbeitsmaterialien des KOMPASS-Gruppentrainings

2.8.1     Ordner

2.8.2     Informationsblätter

2.8.3     Arbeits- und Protokollblätter

2.8.4     Übungen und Spiele

2.8.5     Trainingsaufgaben

2.8.6     Merkblätter

2.9     Trainingsdurchführung

2.9.1     Setting

2.9.2     Therapeuten

2.9.3     Dropouts und Fehlzeiten

2.9.4     Gebrauch des Praxishandbuchs

2.9.5     Unterschiede bei der Trainingsdurchführung in der Schweiz und in Deutschland

3     Einführungsmodul: Kennenlernen

3.1     Administratives

3.2     Arbeits- und Protokollblätter

3.3     Übungen und Spiele

3.4     1. KOMPASS-Sitzung

3.5     Verzeichnis der Übungen in Kapitel 3

4     Modul 1: Emotionen

4.1     Einführung in das Modul »Emotionen«

4.1.1     Materialien

4.1.2     Überblick über die Gefühle

4.2     Benennen von Gefühlen

4.2.1     Informationsblätter

4.2.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.2.3     Übungen und Spiele

4.3     Erkennen von mimisch-gestischen Darstellungen von Gefühlen

4.3.1     Informationsblätter

4.3.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.3.3     Übungen und Spiele

4.4     Mimisch-gestisches Darstellen von Gefühlen

4.4.1     Informationsblätter

4.4.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.4.3     Übungen und Spiele

4.5     Gefühle und Stimme

4.5.1     Informationsblätter

4.5.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.5.3     Übungen und Spiele

4.6     Verbinden von Gefühlen und Situationen: Konventionelle und persönliche Verbindungen

4.6.1     Informationsblätter

4.6.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.6.3     Übungen und Spiele

4.7     Typisches Reagieren auf Gefühle

4.7.1     Informationsblätter

4.7.2     Arbeits- und Protokollblätter

4.7.3     Übungen und Spiele

4.8     Verzeichnis der Übungen in Kapitel 4

5     Modul 2: Small Talk und Telefongespräch

5.1     Einführung in das Modul »Small Talk und Telefongespräch«

5.2     Hintergrund des Small Talks

5.2.1     Informationsblätter

5.2.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.2.3     Übungen und Spiele

5.3     Die Nähe-Distanz-Skala

5.3.1     Informationsblätter

5.3.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.3.3     Übungen und Spiele

5.4     Ablauf von Small Talk: Übersicht

5.4.1     Informationsblätter

5.4.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.4.3     Übungen und Spiele

5.5     Ablauf von Small Talk: Begrüßung

5.5.1     Informationsblätter

5.5.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.5.3     Übungen und Spiele

5.6     Ablauf von Small Talk: Einleitungssatz

5.6.1     Informationsblätter

5.6.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.6.3     Übungen und Spiele

5.7     Ablauf von Small Talk: Antwortsatz, Kommentar und Fortsetzungsfrage

5.7.1     Informationsblätter

5.7.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.7.3     Übungen und Spiele

5.8     Ablauf von Small Talk: Brückenkommentare

5.8.1     Informationsblätter

5.8.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.8.3     Übungen und Spiele

5.9     Ablauf von Small Talk: Persönliches Erzählen

5.9.1     Informationsblätter

5.9.2     Arbeits- und Protokollblätter

5.9.3     Übungen und Spiele

5.10   Ablauf von Small Talk: Abschlusssatz und Verabschieden

5.10.1   Informationsblätter

5.10.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.10.3   Übungen und Spiele

5.11   Zusammenfügen der einzelnen Bausteine I: Strukturierte Small Talk-Übungen

5.11.1   Informationsblätter

5.11.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.11.3   Übungen und Spiele

5.12   Zusammenfügen der einzelnen Bausteine II: Small Talk-Trainingsparcours

5.12.1   Informationsblätter

5.12.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.12.3   Übungen und Spiele

5.13   Zusammenfügen der einzelnen Bausteine III: Small Talk mit Außenstehenden

5.13.1   Informationsblätter

5.13.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.13.3   Übungen und Spiele

5.14   Zusammenfügen der einzelnen Bausteine IV: Small Talk mit KOMPASS-Gruppenmitgliedern

5.14.1   Informationsblätter

5.14.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.14.3   Übungen und Spiele

5.15   Telefongespräch

5.15.1   Informationsblätter

5.15.2   Arbeits- und Protokollblätter

5.15.3   Übungen und Spiele

5.16   Verzeichnis der Übungen in Kapitel 5

6     Modul 3: Nonverbale Kommunikation

6.1     Einführung in das Modul »Nonverbale Kommunikation«

6.2     Erster Eindruck und höfliches Verhalten

6.2.1     Informationsblätter

6.2.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.2.3     Übungen und Spiele

6.3     Nonverbale Kommunikation: Einführung

6.3.1     Informationsblätter

6.3.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.3.3     Übungen und Spiele

6.4     Körperhaltungen und Nähe-Distanz

6.4.1     Informationsblätter

6.4.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.4.3     Übungen und Spiele

6.5     Nonverbale Kommunikation: Gestik

6.5.1     Informationsblätter

6.5.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.5.3     Übungen und Spiele

6.6     Nonverbale Kommunikation: Blickkontakt

6.6.1     Informationsblätter

6.6.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.6.3     Übungen und Spiele

6.7     Nonverbale Kommunikation: Mimik

6.7.1     Informationsblätter

6.7.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.7.3     Übungen und Spiele

6.8     Nonverbale Kommunikation: Stimme

6.8.1     Informationsblätter

6.8.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.8.3     Übungen und Spiele

6.9     Nonverbale Kommunikation: Zusammenfügen aller Elemente

6.9.1     Informationsblätter

6.9.2     Arbeits- und Protokollblätter

6.9.3     Übungen und Spiele

6.10   Verzeichnis der Übungen in Kapitel 6

7     Evaluation

7.1     Fragestellungen der KOMPASS-Evaluation

7.2     Datenerhebung

7.3     Vorgehensweise

7.3.1     Therapeutinnen und Therapeuten

7.3.2     Eingangsdiagnostik

7.3.3     KOMPASS-Basistraining

7.3.4     KOMPASS-F für Fortgeschrittene

7.3.5     Externe KOMPASS-Basisgruppen

7.3.6     Missing Data

7.3.7     Wartegruppe

7.3.8     Dropout

7.3.9     Gruppentherapiedauer

7.4     Bemerkungen zur Stichprobe

7.4.1     Komorbiditäten

7.4.2     Medikation

7.4.3     Psychotherapie

7.4.4     Schule und Ausbildung

7.4.5     Sozioökonomischer Status

7.4.6     Nationalität

7.5     Statistische Modelle

7.6     Vergleich der KOMPASS-Basisgruppe mit der Warte-Kontrollgruppe

7.7     Vergleich der KOMPASS-F-Gruppe mit der Katamnesegruppe des Basistrainings (Kontrollgruppe)

7.8     Angaben von Aussenstehenden: Lehrpersonen und Ausbilder

7.9     Angaben der Teilnehmer (KOMPASS-F)

7.10   Angaben der Therapeuten

7.11   Katamnese der KOMPASS-Basisgruppe

7.12   Katamnese der KOMPASS-F-Gruppe

7.13   Verlauf der KOMPASS-Basis- und Fortgeschrittenengruppe mit Unterskalen

7.14   Testpsychologische Verlaufsergebnisse

7.15   Vergleich der internen KOMPASS-Basisgruppen mit den externen Gruppen

7.16   Moderierende Faktoren

7.17   Behandlungszufriedenheit

7.18   Zusammenfassung der Ergebnisse

7.19   Diskussion

7.19.1   Wirksamkeit

7.19.2   Das KOMPASS-Konzept

7.19.3   Untersuchungsdesign

7.19.4   Stichprobe

7.20   Limitationen und Stärken

Literatur

Anhang: Übersicht der Materialien zum Download

Vorwort

 

 

 

Im vorliegenden Praxishandbuch1 werden das Zürcher Gruppentraining KOMPASS, Kompetenztraining für Jugendliche mit Autismus-Spektrum-Störungen, und die Daten zu dessen Evaluation vorgestellt. Dabei handelt es sich um ein Training sozialer Kompetenzen, das sich an Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von rund zwölf bis 25 Jahren richtet, die an einer Autismus-Spektrum-Störung mit hohem Funktionsniveau (Asperger-Syndrom, Atypischer Autismus, High-Functioning-Autismus) leiden. Sie wünschen sich Kontakt und Freundschaft, wissen allerdings nicht, wie sie diese aufbauen oder aufrechterhalten können. Tag für Tag empfinden viele ihre Andersartigkeit, fühlen sich von Gleichaltrigen nicht akzeptiert und stoßen aufgrund ihrer sozialen Ungeschicklichkeit nicht selten auf Ablehnung. Diese tägliche Auseinandersetzung mit den eigenen Schwierigkeiten und der zunehmende soziale Anpassungsdruck im Jugend- und Erwachsenenalter führen zu einem wachsenden Leidensdruck. Der Begriff KOMPASS soll nicht nur als Abkürzung verstanden werden, sondern auch verdeutlichen, dass den Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung damit eine Orientierungshilfe in der sozialen Welt zur Verfügung gestellt wird.

Bislang ist das Behandlungsangebot für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Autismus-Spektrum-Störung auf höherem Funktionsniveau im deutschsprachigen Raum meistens nicht spezifisch auf deren besondere Bedürfnisse zugeschnitten. Die beiden Erstautoren2 Bettina Jenny und Philippe Goetschel haben auf diese Versorgungslücke mit der Entwicklung ihres KOMPASS-Sozialtrainings reagiert. Bettina Jenny hat den theoretischen Hintergrund formuliert, das Praxishandbuch konzipiert und aufgrund eines Vorentwurfs von Martina Isenschmid geschrieben. Hans-Christoph Steinhausen hat das Forschungsprojekt zu einem Sozialtraining in der Gruppe für Jugendliche und junge Erwachsene mit einer Autismus-Spektrum-Störung wie auch die Erstellung des Praxishandbuchs gefördert.

Das KOMPASS-Praxishandbuch bietet im 1. Kapitel eine theoretische Einführung in die Klassifikation der Autismus-Spektrum-Störungen, das klinische Störungsbild und die Komorbiditäten, die Epidemiologie sowie Hinweise auf die Ätiologie und im Besonderen neuropsychologische Aspekte. Ferner gibt es einen Überblick über evaluierte Interventionsprogramme in der Gruppe, die Ziele eines Sozialtrainings und die zentralen Bausteine einer Gruppenintervention für Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte des KOMPASS-Gruppentrainings.

Das 2. Kapitel schildert den Hintergrund des KOMPASS-Sozialtrainings: Es geht auf das Konzept und den Aufbau ein, Indikation und Ziele, Rahmenbedingungen, Gruppenzusammensetzung und Räumlichkeiten sowie die Eltern- und Bezugspersonenarbeit und beschreibt neben den Materialien und deren Gebrauch auch die Durchführung des Gruppentrainings.

Das erste von vier Modulen folgt im 3. Kapitel. Erläutert wird das Einführungsmodul »Kennenlernen« (E) mit den administrativen Informationen und dem gegenseitigen Kennenlernen der Gruppenmitglieder. Im 4. Kapitel steht das Modul »Emotionen« (M1) mit den Gefühlsbegriffen, dem Erkennen und Ausdrücken von Emotionen sowie dem Reagieren auf Gefühle im Vordergrund. Das Modul »Small Talk« (M2) mit dem wechselseitigen, sozialen Plaudern und dem Telefongespräch wird im 5. Kapitel dargestellt. Im 6. Kapitel folgt das Modul »Nonverbale Kommunikation« (M3) mit Übungen zum Ersteindruck und höflichen Verhalten, zur kommunikativen Mimik und Gestik, zu Körperhaltung und Stimme. Für jede Einheit werden Informations-, Protokoll- und Arbeitsblätter sowie Übungen und Spiele beschrieben. Das notwendige Material wird in einer Übersicht im Anhang ( Übersicht der Materialien zum Download) einzeln aufgelistet und steht auf der Internetseite des Kohlhammer Verlags (https://dl.kohlhammer.de/978-3-17-037134-7) zur Verfügung. Im Text wird des Öfteren mit einer halbfett gedruckten, drei- bis fünfstelligen Zeichenfolge auf dieses Material verwiesen; dabei geben die ersten beiden Zeichen das Modul und die letzten ein bis drei Zeichen die Materialart an, z. B. EM10 für das Einführungsmodul, Material 10, oder M3A12 für Modul 3, Arbeitsblatt 12.

Die Ergebnisse der Evaluation des KOMPASS-Gruppentrainings werden im 7. Kapitel dargestellt und diskutiert. Den Schluss bilden das Literaturverzeichnis sowie der Anhang mit einer Übersicht über alle elektronisch verfügbaren Trainingsmaterialien. Die neue Auflage umfasst zusätzliches Material: Es kamen drei neue Arbeitsblätter, zehn neue Materialien und 22 neue Tondateien hinzu. Zudem wurden 42 neue Übungen entwickelt, sodass sich das Übungsmaterial um einen Drittel vergrößert hat. Manche Übungen wurden überarbeitet und präzisiert und einige wenige, für die zum Beispiel Computerprogramme nicht mehr zur Verfügung stehen, gestrichen. Zudem wurde das Konzept im 2. Kapitel noch weiter präzisiert. Das 7. Kapitel zur Evaluation ist komplett neu. Es umfasst die abschließende Evaluation, die auszugsweise und mit Anpassungen aus Jenny, Goetschel, Schneebeli, Köpfli & Walitza (2019) übernommen worden ist.

Wir danken lic. phil. Martina Isenschmid, die ihre Masterarbeit zu KOMPASS geschrieben hat, M.Sc. Peter Rötlisberger und M.Sc. Camille Schär, unsere ehemaligen wissenschaftlichen Hilfsassistenten, M.Sc. Sandra Schneebeli, die früher einmal als Teilnehmerin KOMPASS besucht hat, M.Sc. Susanne Köpfli, die ihre Masterarbeit zur KOMPASS-Evaluation geschrieben hat, sowie M.Sc. Maya Schneebeli und für die Dateneingabe. Die umfassende abschließende statistische Auswertung erfolgte durch den großen Einsatz von M.Sc. Maya Schneebeli, teilweise im Rahmen ihrer Arbeit an der Forschungsabteilung der KJPP. Herzlichen Dank auch an Dr. sc. nat. Matthias Staib für die große Unterstützung in statistischen Fragen. Dr. med. Ronnie Gundelfinger, der leitende Arzt der Fachstelle Autismus der KJPP, hat die Entwicklung und Evaluation von KOMPASS immer unterstützt.

Besonders dankbar sind wir den Jugendlichen mit einer Autismus-Spektrum-Störung, von denen wir viel lernen durften und die unsere Sicht auf die Welt und die sozialen Mechanismen des Zusammenlebens erweitert haben. Ihnen und ihren Familien gilt unser Respekt dafür, wie sie den komplexen sozialen Alltag bewältigen.

 

Zürich, im Herbst 2011

Ergänzungen im Herbst 2020

Bettina Jenny,

Philippe Goetschel,

Maya Schneebeli

Martina Rossinelli-Isenschmid und

Hans-Christoph Steinhausen

1     Der Theorieteil des Manuals stellt einen Teil der Dissertation der Erstautorin dar.

2     Zur besseren Lesbarkeit wird im Manual die grammatisch männliche Form in herkömmlicher Weise auch als geschlechtsneutrale Kollektivform verwendet. Aufgrund der ungleichen Geschlechterverteilung bei Autismus-Spektrum-Störungen bilden männliche Jugendliche ohnehin die größere Klientengruppe.

1          Theoretische Einführung

 

 

 

1.1       Klassifikation und Diagnostik der Autismus-Spektrum-Störungen

Einleitend wird der Frühkindliche Autismus vorgestellt, da sich die anderen autistischen Störungen wie das Asperger-Syndrom und der Atypische Autismus von dieser Form des Autismus ableiten lassen (Poustka et al. 2008).

Die Forschung zum Asperger-Syndrom blickt auf einen recht kurzen Zeitraum zurück (Baron-Cohen und Klin 2006). Erst 1992, respektive 1994, wurde das Asperger-Syndrom mit seinen diagnostischen Kriterien in die Internationale Klassifikation der WHO (ICD-10) beziehungsweise in das diagnostische und statistische Manual (DSM-IV) der American Psychiatric Association (1994) aufgenommen (Remschmidt und Kamp-Becker 2006). In beiden Klassifikationssystemen werden die autistischen Störungen den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen zugeordnet. Bei den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen handelt es sich um Störungen, die drei Kriterien erfüllen: sie unterliegen wahrscheinlich biologischen Ursachen, sind schon von Geburt an vorhanden oder treten in den ersten Lebensjahren auf und persistieren. Das heißt, die Entwicklung ist nicht nur verzögert, sondern deviant (Poustka et al. 2008).

1.1.1     Frühkindlicher Autismus (gem. ICD-10 F84.0)

Die am besten bekannte autistische Störung ist der Frühkindliche Autismus, die auch klassischer Autismus oder nach Leo Kanner, dem Autor der Erstbeschreibung von 1943, Kanner-Syndrom genannt wird. Die Diagnose Frühkindlicher Autismus (F84.0) beinhaltet nach den Forschungskriterien der ICD-10 (WHO 1992; Remschmidt et al. 2006) Verhaltensauffälligkeiten in drei Bereichen.

»A.  Vor dem dritten Lebensjahr manifestiert sich eine auffällige und beeinträchtigte Entwicklung in mindestens einem der folgenden Bereiche:

1.  rezeptive oder expressive Sprache, wie sie in der sozialen Kommunikation verwandt wird;

2.  Entwicklung selektiver sozialer Zuwendung oder reziproker sozialer Interaktion;

3.  funktionales oder symbolisches Spielen.

B.  Insgesamt müssen mindestens sechs Symptome von 1., 2. und 3. vorliegen, davon mindestens zwei von 1. und mindestens je eins von 2. und 3.:

1.  Qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion in mindestens drei der folgenden Bereiche:

a.  Unfähigkeit, Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktionen zu verwenden;

b.  Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzunehmen, mit gemeinsamen Interessen, Aktivitäten und Gefühlen (in einer für das geistige Alter angemessenen Art und Weise, trotz hinreichender Möglichkeiten);

c.  Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit, die sich in einer Beeinträchtigung oder devianten Reaktion auf die Emotionen anderer äußert; oder Mangel an Verhaltensmodulation entsprechend dem sozialen Kontext; oder nur labile Integration sozialen, emotionalen und kommunikativen Verhaltens;

d.  Mangel, spontan Freude, Interessen oder Tätigkeiten mit anderen zu teilen (z. B. Mangel, anderen Menschen Dinge, die für die Betroffenen von Bedeutung sind, zu zeigen, zu bringen oder zu erklären).

2.  Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation in mindestens einem der folgenden Bereiche:

a.  Verspätung oder vollständige Störung der Entwicklung der gesprochenen Sprache, die nicht begleitet ist durch einen Kompensationsversuch durch Gestik oder Mimik als Alternative zur Kommunikation (vorausgehend oft fehlendes kommunikatives Geplapper);

b.  relative Unfähigkeit, einen sprachlichen Kontakt zu beginnen oder aufrechtzuerhalten (auf dem jeweiligen Sprachniveau), bei dem es einen gegenseitigen Kommunikationsaustausch mit anderen Personen gibt;

c.  stereotype und repetitive Verwendung der Sprache oder idiosynkratischer Gebrauch von Wörtern oder Phrasen;

d.  Mangel an verschiedenen spontanen Als-ob-Spielen oder (bei jungen Betroffenen) sozialen Imitationsspielen.

3.  Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten in mindestens einem der folgenden Bereiche:

a.  umfassende Beschäftigung mit gewöhnlich mehreren stereotypen und begrenzten Interessen, die in Inhalt und Schwerpunkt abnorm sind; es kann sich aber auch um ein oder mehrere Interessen ungewöhnlicher Intensität und Begrenztheit handeln;

b.  offensichtlich zwanghafte Anhänglichkeit an spezifische, nicht-funktionale Handlungen oder Ritualen;

c.  stereotype und repetitive motorische Manierismen mit Hand- oder Fingerschlagen oder Verbiegen, oder komplexe Bewegungen des ganzen Körpers;

d.  vorherrschende Beschäftigung mit Teilobjekten oder nicht funktionalen Elementen des Spielmaterials (z. B. ihr Geruch, die Oberflächenbeschaffenheit oder das von ihnen hervorgebrachte Geräusch oder ihre Vibration).

C.  Das klinische Bild darf sich nicht einer anderen Störung zuordnen lassen (z. B. andere tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Sprachentwicklungsstörung, Intelligenzminderung, Bindungsstörung, Schizophrenie).«

Die Auffälligkeiten in diesen Bereichen äußern sich bei Menschen mit Frühkindlichem Autismus in einem Mangel an Verständnis für und der Äußerung von Gefühlen, in einer fehlenden Modulation des Verhaltens entsprechend des sozialen Kontextes, in mangelndem Interesse an Menschen, mangelnder Flexibilität sowie in einem Bedürfnis nach Wiederholung, das sich in stereotypem Verhalten zeigt. Es kommt häufig zu einer übermäßigen Bindung an unbelebte Objekte und zu Sonderinteressen, die meistens unüblich sind und den Alltag dieser Personen sowie den ihrer Mitmenschen dominieren (Remschmidt et al. 2006). Die zeitliche Beanspruchung zusammen mit der notwendigen Konzentration und Energie, die in diese Sonderinteressen gesteckt werden, führen häufig zu sozialer Isolation (Poustka et al. 2008; Bennett et al. 2008).

Bis zu 70% aller Kinder mit Frühkindlichem Autismus weisen eine leichte oder deutliche intellektuelle Beeinträchtigung auf (Chakrabarti und Fombonne 2001; Fombonne 2005) ( Kap. 1.3). Die Sonderinteressen, die manchmal den Eindruck einer überdurchschnittlichen Intelligenz geben können, sind eher als Inselbegabungen zu sehen, welche aus einem insgesamt unterdurchschnittlichen Leistungsprofil herausragen (Remschmidt et al. 2006). Bis zu 70% der Kinder mit Frühkindlichem Autismus entwickeln keine funktionale verbale Sprache (Chakrabarti und Fombonne 2001).

1.1.2     Asperger-Syndrom (gem. ICD-10 F84.5)

Hans Asperger, der 1944 das Syndrom erstmalig beschrieb, verwendete den Begriff der Autistischen Psychopathie. Lorna Wing rückte das Störungsbild zu Beginn der 1980er-Jahre wieder in die Aufmerksamkeit der Kliniker und Forscher. Erst 1992 wurde es in die ICD-10 und 1994 in das DSM-IV aufgenommen und international bekannt (Remschmidt et al. 2006). Das Asperger-Syndrom unterscheidet sich vom Frühkindlichen Autismus durch zwei Aspekte: Es lässt sich weder eine sprachliche noch eine allgemeine Entwicklungsverzögerung feststellen (Baron-Cohen 2006).

Die diagnostischen Kriterien des Asperger-Syndroms (F84.5) lauten nach den Forschungskriterien der ICD-10 (Remschmidt et al. 2006):

»A.  Es fehlt eine klinisch eindeutige allgemeine Verzögerung der gesprochenen oder rezeptiven Sprache oder der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose verlangt, dass einzelne Worte bereits im zweiten Lebensjahr oder früher und kommunikative Phrasen im dritten Lebensjahr oder früher benutzt werden. Selbsthilfefertigkeiten, adaptives Verhalten und die Neugierde an der Umgebung sollten während der ersten drei Lebensjahre einer normalen intellektuellen Entwicklung entsprechen. Allerdings können Meilensteine der motorischen Entwicklung etwas verspätet auftreten und eine motorische Ungeschicklichkeit ist ein häufiges (aber kein notwendiges) diagnostisches Merkmal. Isolierte Spezialfertigkeiten, oft verbunden mit einer auffälligen Beschäftigung sind häufig, aber für die Diagnose nicht erforderlich.

B.  Qualitative Beeinträchtigung der gegenseitigen sozialen Interaktion (entsprechend den Kriterien für Frühkindlichen Autismus).

C.  Ein ungewöhnlich intensives, umschriebenes Interesse oder begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (entspricht dem Kriterium für Autismus, hier sind aber motorische Manierismen, ein besonderes Beschäftigtsein mit Teilobjekten oder mit nicht-funktionalen Elementen von Spielmaterial ungewöhnlich).

D.  Die Störung ist nicht einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder sonst einer Störung (F21, F20.6, F94.1, F94.2, F60.5, F42) zuzuordnen.«

Die Sprache von Menschen mit einem Asperger-Syndrom kann insofern auffällig sein, da sie ohne Anpassung an den Zuhörer und seine Interessen erfolgt und die Stimme monoton und nur mit geringer Modulation versehen ist.

Während sich die diagnostischen Kriterien von ICD-10 und DSM-IV gleichen, finden sich in der neueren Forschungsliteratur weitere, abweichende Vorschläge zur Definition (Remschmidt et al. 2006; Poustka et al. 2008): die diagnostischen Kriterien nach Gillberg (Gillberg und Gillberg 1989, Gillberg 2002), nach Szatmari (Szatmari et al. 1989) und nach Klin (Klin et al. 2005). Besonders diskutiert werden das Kriterium des Erstmanifestationsalters, der Einschluss der sprachlichen Auffälligkeiten im verbalen und nonverbalen Bereich sowie der motorischen Ungeschicklichkeit und die Bedeutung der Spezialinteressen. Außerdem werden die Ausschlusskriterien einer verzögerten Sprachentwicklung und einer nicht durchschnittlichen Intelligenz infrage gestellt. Ferner ist noch nicht ausreichend geklärt, inwieweit sich der sogenannte High-Functioning-Autismus ( Kap. 1.1.5) vom Asperger-Syndrom abgrenzen lässt (Ghaziuddin und Mountain-Kimchi 2004). Im Bereich der exekutiven Funktionen ( Kap. 1.5.1) finden Ozonoff et al. (1991a) sowie Ozonoff et al. (1991b) Unterschiede, Verté et al. (2006) hingegen keine.

1.1.3     Atypischer Autismus (gem. ICD-10 F84.1)

Beim Atypischen Autismus handelt es sich um eine Störung, bei der mindestens ein für die Diagnose des Frühkindlichen Autismus erforderliches Kriterium nicht erfüllt ist. Nach ICD-10 (Remschmidt et al. 2006) werden drei Typen von Atypischem Autismus unterschieden:

•  Autismus mit atypischem Erkrankungsalter (F84.10): Die diagnostischen Kriterien des Frühkindlichen Autismus sind erfüllt, das Manifestationsalter ist jedoch verspätet, die auffällige oder beeinträchtigte Entwicklung wird erst nach dem dritten Lebensjahr deutlich.

•  Autismus mit atypischer Symptomatologie (F84.11): Es fehlen notwendige Symptome aus einem der folgenden drei Bereiche – soziale Interaktion, Kommunikation oder repetitiv-stereotype Verhaltensweisen.

•  Autismus mit atypischem Erkrankungsalter und atypischer Symptomatologie (F84.12): Sowohl das Erkrankungsalter als auch die Symptomatologie entsprechen nicht den Kriterien für die Diagnose eines Frühkindlichen Autismus.

1.1.4     Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung (gem. ICD-10 F84.9)

Diese Restkategorie wird verwendet, wenn die allgemeine Beschreibung für eine tiefgreifende Entwicklungsstörung zutrifft, ein Mangel an ausreichenden Informationen oder widersprüchliche Befunde aber dazu führen, dass die Kriterien für die einzelnen F84 Kodierungen nicht erfüllt werden können. Diese Restkategorie taucht häufig in Studien aus dem englischsprachigen Raum unter der Bezeichnung Pervasive Developmental Disorder Not Otherwise Specified (PDD NOS) auf.

1.1.5     High-Functioning-Autismus

Der High-Functioning-Autismus stellt eine Untergruppe des Frühkindlichen Autismus dar. Es gibt Menschen mit Frühkindlichem Autismus, die eine durchschnittliche Intelligenz (IQ > 85) oder eine Lernbehinderung (70 < IQ < 85) haben und trotz einer anfänglich verzögerten Sprachentwicklung meist über gute verbale Fähigkeiten verfügen (Poustka et al. 2008). Seit Lorna Wing werden sie in der Literatur oft zu einer eigenen Gruppe, der des High-Functioning-Autismus zusammengefasst. Die ICD-10 und das DSM-IV kennen keine entsprechende nosologische Klassifikation. Diese hat sich jedoch in der Praxis bewährt, um die Kinder zu beschreiben, welche sich im Verlauf ihrer Entwicklung phänomenologisch vom Frühkindlichen Autismus weg hin zum Asperger-Syndrom entwickeln (Poustka et al. 2008).

1.1.6     Autismus-Spektrum-Störungen

Es ist stark umstritten, ob es sich bei den zuvor beschriebenen Störungen tatsächlich um unterschiedliche Störungen handelt (Schopler et al. 1998, zit. nach Solomon et al. 2004). Aufbauend auf empirischen Arbeiten (Lord et al. 2000; Lord et al. 2001, zit. nach Poustka et al. 2008) sind Theorien entwickelt worden, wonach sich die autistischen Störungen nicht kategorial voneinander unterscheiden, sondern auf einem Kontinuum anzuordnen sind, bei welchem sich die Symptomatik nicht qualitativ, sondern quantitativ bezüglich des Ausprägungsgrads unterscheidet (Poustka et al. 2008). Besonders umstritten ist die Frage der Unterscheidung zwischen Asperger-Syndrom und Atypischem Autismus (Koyama et al. 2007). Häufig wird daher von Autismus-Spektrum-Störungen gesprochen, welche sowohl den Frühkindlichen Autismus als auch das Asperger-Syndrom und den Atypischen Autismus beinhalten (Remschmidt et al. 2006).

Vom Begriff der Autimus-Spektrum-Störungen sind gemäß dem aktuellen Forschungsstand die Begriffe »autistische Züge« und »Broader Autism Phenotype« abzugrenzen. Beide besagen, dass es Menschen gibt, die verschiedene Verhaltensmerkmale zeigen, die denjenigen von Menschen mit Autismus entsprechen, obwohl nicht alle notwendigen Kriterien für eine klinische Diagnose erfüllt sind. Meistens sind soziale und kommunikative Beeinträchtigungen zu beobachten, während repetitive Verhaltensweisen, sensorische Auffälligkeiten und manchmal auch eingeschränkte Interessen fehlen (Skuse 2010).

1.2       Das klinische Bild des Asperger-Syndroms

Die besonderen Verhaltensmerkmale von Menschen mit einer Störung aus dem autistischen Spektrum führen zu Einschränkungen und Beeinträchtigungen im alltäglichen Umgang und im Zusammenleben mit ihren Mitmenschen. Kinder mit Asperger-Syndrom werden zwar früh von den Eltern und weiteren Bezugspersonen – gerade auch im Vergleich zu möglicherweise vorhandenen Geschwisterkindern – als »anders« erlebt, fallen aber meist erst beim Eintritt in eine feste soziale Gruppe auf, also in einer Spielgruppe, dem Kindergarten oder der Schule. Zuvor war jedoch das Spielverhalten meist schon qualitativ auffällig, da Imitations-, Rollen- und Phantasiespiele oftmals fehlten. In der Kleinkindzeit dominieren Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation zum Beispiel bei Veränderungen oder Neuem, dominantes Spiel- und Interaktionsverhalten, eine auffällige Spielentwicklung mit eher sich wiederholenden und unflexiblen Spiel- und Interessenmustern und wenig Rollen- und Phantasiespiel sowie »ungezogene« Verhaltensweisen, welche soziale Konventionen verletzen. Manchmal entwickeln sich auch erst in der mittleren Kindheit als problematisch erlebte Verhaltensweisen, wenn die Komplexität der sozialen Interaktionen und der organisatorischen Anforderungen in der Schule zunimmt.

Menschen mit Asperger-Syndrom wirken trotz ihres sozialen Interesses, das sich immer wieder neben den Phasen des Rückzugs zeigt, sehr auf sich bezogen, wenig an partnerschaftlichem Austausch interessiert sowie oft unempathisch, emotional wenig schwingungsfähig und dadurch gefühlskalt. Sie suchen weniger geteilte Aufmerksamkeit und stellen seltener geteilte Freude her. Die impliziten und meist subtilen Regeln (z. B. Teilen) und Konventionen (z. B. Grüßen) des sozialen Zusammenlebens verstehen sie oft nicht und verhalten sich dementsprechend so, dass sie als unsozial, egoistisch oder schlecht erzogen erlebt werden.

Diese Kinder verfügen nicht über das notwenige Verhaltensrepertoire, um mit anderen entsprechend den gegebenen Konventionen zu interagieren. Gemäß der Studie von Knott et al. (2006) nehmen Kinder mit Asperger-Syndrom und High-Functioning-Autismus ihre sozialen Schwächen durchaus wahr: Im Schnitt schätzen sie ihre sozialen Fertigkeiten (z. B. Umgang mit Gruppen, Affektregulation) und Kompetenzen (z. B. Entwicklung von Freundschaften) signifikant tiefer ein (eine Standardabweichung) als die gleichaltrige Kontrollgruppe. Die Eltern schätzen die sozialen Möglichkeiten sogar noch tiefer ein (fast zwei Standardabweichungen unter dem Mittel der Kontrollgruppe), sie stimmen jedoch mit den Kindern darin überein, in welchen Bereichen die Schwierigkeiten liegen.

Dieser Mangel an sozialen Fertigkeiten verhindert, dass die Betroffenen zeitgerecht bestimmte Meilensteine der kindlichen Entwicklung bewältigen und befriedigende familiäre Beziehungen und Kontakte zu Gleichaltrigen pflegen können. Im Vergleich zu Gleichaltrigen haben Kinder und Jugendliche mit Asperger-Syndrom in der Folge weniger Freunde (Koning und Magill-Evans 2001). Aufgrund ihrer geringeren sozialen Responsivität sind sie in Gruppen, die sich nicht primär über ein gemeinsames Interesse definieren, oft nicht integriert und nehmen eine Außenseiterposition ein: Sie werden durch Gleichaltrige und Geschwister sozial ausgegrenzt und geschnitten, geschlagen und geplagt oder sogar gemobbt (Little 2001). Attwood (2018) zeigt auf, dass Kinder mit Asperger-Syndrom sowohl wegen ihrer passiven, zurückgezogenen, unsicheren Art als auch ihrer aktiven, dominierenden, sozial ungeschickten Verhaltensweise von anderen Kindern eingeschüchtert und tyrannisiert werden. Das Risiko wird dadurch erhöht, dass sie unstrukturierte, freie Zeiten (z. B. Pausen) oft alleine verbringen, über einen geringen sozialen Status verfügen und sich kaum zu wehren wissen (Attwood 2018.). Kinder mit Asperger-Syndrom fühlen sich einsamer (Bauminger und Kasari 2000), verfügen oft über ein unreifes oder ungewöhnliches Konzept von Freundschaft (Botroff et al. 1995, zit. n. Attwood 2000) und erleben Freundschaften als weniger unterstützend (Bauminger und Kasari 2000).

Menschen mit Asperger-Syndrom wirken kommunikativ unbeholfen, indem sie Gespräche nicht angemessen beginnen, aufrechterhalten und beenden. Das etwas oberflächliche soziale Plaudern zur Festigung des Kontakts oder zur Überbrückung gemeinsam verbrachter Zeit (Small Talk) fehlt oft. Gespräche verlaufen meist nach einem von zwei Mustern: Entweder ergibt sich ein eher starrer Wechsel von Fragen und unkommentierten Antworten oder der Betroffene beginnt über ein ihm wichtiges Thema zu monologisieren, ohne Kommentare, Fragen oder Hinweise des Gegenübers hinsichtlich eines geringen Interesses am Gesprächsgegenstand ausreichend zu beachten. Schnell können sich im Gespräch Missverständnisse ergeben, da die Betroffenen weniger zwischen den Zeilen lesen und daher das Gemeinte nicht aus dem faktisch Formulierten ableiten können. Unbeabsichtigt können sie verletzende Bemerkungen machen, da sie sich zu wenig bewusst sind, wie das Gesagte vom Gegenüber aufgenommen wird. Sie zeigen wenig Körpersprache oder eine übertriebene, was sich auch in einer eher flachen Mimik oder im Grimassieren ausdrückt, und sie verstehen nonverbale Signale nicht als Hinweis, wie eine Aussage zu interpretieren ist. Subtile Zeichen werden meist nicht verstanden. Ihre Formulierungen wirken oft nicht altersgemäß, mal zu altklug, dann wieder zu naiv. Ihre Stimme ist meist wenig moduliert, zeigt wenig Betonungen oder andere Rhythmisierungen und kann auch zu laut oder zu leise sein.

Sobald die besonderen Interessengebiete der Menschen mit Asperger-Syndrom in das Gespräch einfließen, werden ihr großes Wissen und ihre diesbezügliche Konzentrationsfähigkeit deutlich. Dieses Wissen ist eher lexikalischer, sachlicher und oft technischer Natur und ignoriert manchmal die Einbindung in größere Zusammenhänge. Die Betroffenen zeigen eine hohe Motivation, sich damit auch auf Kosten von sozialen Aktivitäten zu beschäftigen. Schon in jungen Jahren kann ein hinsichtlich der kognitiven als auch sozialen Komponenten auffälliges Spielverhalten beobachtet werden (z. B. kein Imitations-, Rollen-, Phantasie- oder Gruppenspiel).

Menschen mit Asperger-Syndrom wirken oft bis in das Erwachsenenalter motorisch ungeschickt und gestalten motorische Tätigkeiten unökonomisch. Sie haben Mühe, sich auf Neues, Unerwartetes einzulassen und reagieren entsprechend unflexibel bei Veränderungen von Abläufen oder geplanten Aktivitäten, bei spontanen Ideen, wie auch auf jahreszeitlich bedingte Veränderungen (z. B. Kleiderwechsel). Manche zeigen sensorische Überempfindlichkeiten vor allem gegenüber Geräuschen, aber auch Gerüchen und Geschmacksempfindungen, Helligkeit oder bestimmten Berührungen zum Beispiel durch Kleider. Jugendliche schenken einer angemessenen Körperpflege häufig wenig Beachtung.

Menschen mit Asperger-Syndrom sind schneller als andere und leicht zu irritieren und verfügen manchmal über eine ungenügende Emotionsregulation, sodass für Außenstehende ganz unerwartet heftige emotionale Ausbrüche zu beobachten sind. Bereits im Kindesalter erleben Menschen mit Asperger-Syndrom ihre Andersartigkeit. Aufgrund ihrer reduzierten Fähigkeit zum Perspektivenwechsel attribuieren sie die Ursache jedoch lange dem Gegenüber und nicht dem eigenen Verhalten (»Die anderen sind ganz anders.«). Bis hinein in das Jugendalter haben sie oft nur ein begrenztes Verständnis für den eigenen Anteil an den sozialen Schwierigkeiten, da auch die Introspektionsfähigkeit aufgrund der mangelnden Theory of Mind ( Kap. 1.5.1) weniger gut entwickelt ist. Zudem wollen viele gerade in der Pubertät nur ja nicht auffallen und sich nicht von den anderen Jugendlichen unterscheiden. Dadurch ist die Veränderungsmotivation oft stark eingeschränkt und wird erst gegen Ende des Jugendalters oder im jungen Erwachsenenalter größer, was auch Auswirkungen auf die Therapieplanung hat.

Das klinische Erscheinungsbild der Mädchen mit Asperger-Syndrom unterscheidet sich in verschiedener Hinsicht von demjenigen der Jungen, was die Diagnose oft erschwert. Mädchen gehen mit ihren Schwierigkeiten und ihrem erlebten Anderssein anders um. Sie ahmen andere nach oder kopieren sie sogar bis in die Körpersprache hinein, passen sich so stark an, dass sie kaum mehr eine eigene Meinung zu haben scheinen, und fügen sich fast bis zur Unsichtbarkeit in eine Gruppe ein. Oft suchen sie sich eine gute Freundin, welche sie durch ihr Vorbild und ihre Solidarität an sozialen Stolpersteinen vorbeiführt. Somit fallen sie in sozialen Situationen weniger auf und werden seltener als störende Problemkinder wahrgenommen. Mädchen mit Autismus zeigen mehr So-tun-als-ob- und Phantasiespiel als Jungen und unterscheiden sich darin kaum von nicht betroffenen Mädchen (Knickmeyer et al. 2008). Ihre Spezialinteressen sind oft sozialerer und weniger technischer Art: In Phantasiespielen mit Tieren und Puppen spielen sie (erlebte) soziale Situationen exzessiv nach, um sie zu verstehen und einzuüben. Anhand von Geschichten und Vorabend-Fernsehserien versuchen sie intuitiv, ihr soziales Verständnis zu trainieren.

Menschen mit Asperger-Syndrom weisen viele Stärken auf, welche sich aber oft nicht in denselben Situationen wie ihre Schwächen zeigen. »Menschen mit Asperger-Syndrom sind, aufgrund der beschriebenen Entwicklung, aber auch sehr loyal anderen gegenüber, sie lügen oder täuschen andere Menschen nicht. Sie sind zuverlässig und halten sich auch verlässlich an einmal akzeptierte Regeln. Sie sind unvoreingenommen anderen Menschen gegenüber und betrachten andere Menschen ohne Vorurteile. Sie machen sich nicht abhängig von Moden oder Meinungen anderer und sagen offen und ohne Scheu, was sie denken. Dabei sprechen sie in einer eindeutigen, unzweideutigen Sprache und verfügen in vielen Bereichen über einen großen Wortschatz. Sie haben Spaß an ungewöhnlichen Wortbildungen und Wortspielen. In speziellen Wissensbereichen verfügen sie über ein bewundernswertes Wissen, dass sie gerne und ausführlich preisgeben« (Remschmidt et al. 2006, S. 76). Oft sind es dieselben Verhaltensmerkmale, welche je nach Betrachtungsweise und Situation wie die Kehrseite einer Münze mal eine Stärke und mal eine Schwäche darstellen. So kann der sorgfältige Blick für Details zum Verlust des Gesamtüberblicks führen, aber auch zum Erkennen von wesentlichen Unterschieden, oder die sachliche Kommunikation verhindert zwar das Heraushören kommunikativer Zwischentöne, führt aber zu einem transparenten Austausch, bei dem alle Beteiligten wissen, woran sie sind.

Eine Übersicht zu den gängigen diagnostischen Instrumenten, eingeteilt nach kategorialen Skalen (Screening-Fragebogen, Beobachtungsskalen, Interviews), dimensionalen Fragebogen, Selbstbeurteilungsbogen sowie Skalen zur Verlaufs- und Förderdiagnostik, aber auch spezifischen Skalen zum Asperger-Syndrom, findet sich in Bölte (2010).

1.3       Komorbidität

In der Metaanalyse von Fombonne (2005) weisen 70% aller Kinder im gesamten autistischen Spektrum eine mäßige oder schwere Intelligenzminderung auf. Chakrabarti und Fombonne (2001) finden in ihrer Einzelstudie für das gesamte Spektrum eine deutlich niedrigere Komorbidität von 25% mit einer Intelligenzminderung. Definitionsgemäß kommt es beim Asperger-Syndrom zu keiner Beeinträchtigung der Intelligenz. 20% der Kinder mit Frühkindlichem Autismus haben eine schwere, 50% eine leichte geistige Behinderung, während 30% keine intellektuelle Beeinträchtigung zeigen (Fombonne 2005). Baird et al. (2006) fanden ähnliche Zahlen. Diese letzte Gruppe von normal intelligenten Kindern mit Frühkindlichem Autismus wäre dann dem High-Functioning-Autismus zuzuordnen.

Menschen mit Autismus weisen manchmal auch andere psychische Störungen auf. Heutzutage wird deshalb diskutiert, ob zusätzliche Symptome bei Autismus eine Zweit- oder Drittdiagnose rechtfertigen (Poustka et al. 2008). Die Übersichten von Tsai (1996) und Skuse (2010) verweisen auf ein erhöhtes Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität, Tic-Störungen, affektive Störungen (Angststörungen, Phobien, depressive Störungen), Zwangsstörungen und Autoaggression, wobei die Prozentzahlen je nach Studie schwanken. Remschmidt et al. (2006) erwähnen zudem Essstörungen, Mutismus, Schizophrenie und Persönlichkeitsstörungen. Rund zwei Drittel (65%) aller Menschen mit Asperger-Syndrom weisen mindestens eine psychische Komorbidität auf (Ghaziuddin et al. 1998, zit. nach Remschmidt et al. 2006), wobei im Kindesalter vor allem Aufmerksamkeitsprobleme und Hyperaktivität (Goldstein und Schwebach 2004). und im Jugendalter eher depressive Symptome auftreten.

Bei rund 10% der Kinder (Chakrabarti und Fombonne 2001) finden sich auch verschiedene organische Syndrome wie zum Beispiel Epilepsie, das Fragile X-Syndrom, das Prader-Willi-Syndrom oder die tuberöse Sklerose, welche mit Verhaltensweisen auftreten, die phänomenologisch denjenigen der autistischen Störungen ähnlich sind (Poustka et al. 2008). Etwa 30% der Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (Tsai 1996) entwickeln unabhängig von ihrer Intelligenz im Verlauf ihres Lebens eine Epilepsie, deutlich häufiger tritt diese bei Kindern mit Frühkindlichem Autismus und einer schweren intellektuellen Retardierung auf (Fombonne 2005).

Eine Übersicht über die Differentialdiagnostik zu weiteren tiefgreifenden Entwicklungsstörungen sowie zu anderen psychiatrischen und somatischen Störungen bietet Bölte (2010).

1.4       Epidemiologie und Verlauf der Autismus-Spektrum-Störungen

Epidemiologische Studien zu den Autismus-Spektrum-Störungen werden schon seit über 40 Jahren durchgeführt. Vor allem in den letzten Jahren konnte eine starke Zunahme der Aktivität in diesem Forschungsbereich beobachtet werden (Fombonne 2005). Die Ergebnisse dieser Studien sind nur schwer miteinander zu vergleichen, da sich die diagnostischen Kriterien und die Nomenklatur laufend verändert haben. Die Studie von Chakrabarti et al. (2001), welche als eine der besten epidemiologischen Arbeiten gilt (Rutter 2005), und die Metaanalyse von Fombonne (2005), die insgesamt 34 epidemiologische Studien zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen bei Kindern analysiert, weisen folgende Anzahl Betroffener pro 10 000 Menschen aus – die etwas niedrigeren Werte stammen aus der Studie von Chakrabarti et al. (2001):

•  Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (insgesamt): 60–62.6 pro 10 000

•  Frühkindlicher Autismus: 13–16.8 pro 10 000

•  Asperger-Syndrom: 3–8.4 pro 10 000

Baird et al. (2006) fanden in ihrer Kohorte in England noch höhere Prävalenzzahlen.

Schaut man sich die Resultate der epidemiologischen Studien aus den letzten zehn Jahren an, kann eine Zunahme der Autismus-Spektrum-Störungen beobachtet werden (Fombonne 2005). Ob es sich dabei um eine tatsächliche Zunahme handelt oder ob sich diese Veränderung auf die Entwicklung immer genauerer diagnostischer Kriterien zurückführen lässt, ist umstritten (Remschmidt et al. 2006; Poustka et al. 2008). Es ist aber davon auszugehen, dass diese Zunahme die Folge eines höheren Informationsniveaus sowohl unter Fachleuten als auch Eltern ist sowie neuerer und effektiverer Diagnoseinstrumente wie auch veränderter Diagnosekriterien (Fombonne 2005). So zeigt sich beispielsweise in der Studie von Wazana et al. (2007) ein 1,5-facher Anstieg der Prävalenzraten für eine Autismus-Diagnose bei einem Wechsel von den Kriterien des DSM-III zu den Kriterien des DSM-IV. Zudem sind die meisten älteren Studien methodologisch nicht mit den aktuellen zu vergleichen (Poustka et al. 2008). Bölte et al. (2007) machen auch auf die Probleme der Sensitivität und Spezifität der verwendeten diagnostischen Instrumente aufmerksam. Nach Fombonnes Metaanalyse (2005) liegen weder ethnische Effekte noch Zusammenhänge mit bestimmten sozioökonomischen Gesellschaftsschichten vor.

Der Punkt, in dem sich alle Autoren einig sind, ist die trotz schwankender Zahlen charakteristische Geschlechterverteilung zuungunsten der Jungen. Durchschnittlich kann von einem Verhältnis von 4 : 1 gesprochen werden (Fombonne 2005). Dieses Ungleichgewicht zeigt sich bei den autistischen Störungen mit einem höheren Funktionsniveau, wie zum Beispiel beim Asperger-Syndrom, mit einer Durchschnittschätzung von etwa 6–8 : 1 noch deutlicher (Fombonne 2005). In der Gruppe der Kinder mit einer Intelligenzminderung steigt die Rate der betroffenen Mädchen markant an, es findet sich ein Verhältnis von 2 : 1 (Fombonne 2005; Skuse 2010). Zudem sind die Mädchen im Allgemeinen schwerer von den Störungen betroffen (Poustka et al. 2008). Skuse (2010) diskutiert als mögliche Erklärungen für den Geschlechtsunterschied bei Autismus genetische, endokrinologische und auf den diagnostischen Kriterien beruhende Ansätze.

Die Autismus-Spektrum-Störungen remittieren im Alter nicht, sondern es finden sich im Verlauf der Kindheit oft eine Zuspitzung der mangelnden sozialen und später beruflichen Integration und bis in das Erwachsenenalter hinein ein Rückzug auf die Sonderinteressen. Wie die Studie von Gillberg et al. (2010) zeigt, bleiben die Diagnosen bis in das Erwachsenenalter recht stabil. Im Alter von vier bis fünf Jahren findet sich häufig eine starke Ausprägung der Symptomatik, weswegen diagnostische Instrumente wie zum Beispiel das Autismus-Interview (ADI-R; Bölte et al. 2006) gezielt nach dieser Zeitspanne fragen. Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung auf hohem Funktionsniveau zeigen oft ein klares soziales Interesse, welches aber aufgrund der mangelnden sozialen, kommunikativen und emotionalen Kompetenzen nicht zur altersgemäßen sozialen Integration in die Gleichaltrigengruppe und zum erfolgreichen Aufbau von Freundschaften führt. Im Jugendalter verstärkt sich dann der soziale Anpassungsdruck, wodurch oft auch ein hoher Leidensdruck entsteht, der zu einer sekundären depressiven, ängstlichen oder vermehrt zwanghaften Symptomatik bis zu Suizidalität führen kann (Remschmidt et al. 2006; Gillberg et al. 2010). Ghaziuddin et al. (2002) sprechen sogar von einer Prävalenz von 30–40% für suizidale Handlungen. Die Symptomatik verstärkt sich mit fortschreitendem Alter durch das immer komplexere soziale Umfeld und die Erkenntnis der eigenen Andersartigkeit. Während sich nach der Schulzeit mehr soziale Nischen für Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung ergeben und ihnen die Kommunikation mit Erwachsenen manchmal einfacher fällt, führen die Defizite der sozialen Kompetenzen jedoch zu geringeren schulischen und beruflichen Qualifikationen, und nur ein geringer Teil der Erwachsenen geht einem selbstständigen Leben und einer Arbeit auf dem freien Markt nach (Howlin und Goode 1998, zit. nach Krasny et al. 2003). Auch Engström et al. (2003) fanden in ihrer Untersuchung ein beträchtlich tieferes allgemeines psychosoziales Funktionsniveau im Erwachsenenalter gemessen an der Beschäftigungsrate, der Anzahl von Partnerschaften und dem Ausmaß der erforderlichen Unterstützungsleistungen. Demgegenüber sind die Befunde aus der Studie von Gillberg et al. (2010) weniger ungünstig: In der von den Autoren untersuchten Gruppe führte lediglich ein Viertel ein deutlich eingeschränktes Leben ohne Berufstätigkeit und Freunde. In ihrem Beitrag geben Gillberg et al. (2010) einen zusammenfassenden Überblick über den aktuellen Forschungsstand zu Verlaufsuntersuchungen bei Menschen mit dem Asperger-Syndrom.

1.5       Ätiologie der Autismus-Spektrum-Störungen

Für das Asperger-Syndrom ist die Erkenntnislage zu den Ursachen deutlich schlechter als für den Frühkindlichen Autismus, da es erst spät in den 1980er-Jahren in das Forschungsinteresse gerückt ist. Gemäß den aktuellen Forschungsbefunden werden aber dieselben Faktoren für das ganze autistische Spektrum diskutiert.

Die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen weisen eine mehrdimensionale Ätiologie mit einem Schwerpunkt bei biologischen Faktoren (Remschmidt et al. 2006; Poustka et al. 2008) auf, wofür der frühe Störungsbeginn, die hohe Verhaltenskonkordanz bei eineiigen im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen, die hohe Komorbidität mit einer Intelligenzminderung, die hohe Rate neurologischer Auffälligkeiten und neuropsychologischer Funktionsstörungen ( Kap. 1.5.1) sowie die Assoziation mit bekannten genetischen Erkrankungen ( Kap. 1.3) sprechen. Mehr als 90% der Betroffenen weisen keine organische Störung auf, die das autistische Störungsbild erklären kann, und die Erkrankung ist vermutlich genetisch bedingt (Fombonne 2005), was vor allem auch für das Asperger-Syndrom gilt. Die aktuellen Befunde und offenen Fragen in diesem Forschungsgebiet diskutieren Freitag (2007, 2010) und Skuse (2010) in ihren Übersichtsarbeiten.

Die wenigen Familien- und Zwillingsstudien zum Asperger-Syndrom verweisen deutlich auf eine familiäre Häufung des Syndroms sowie einzelner autistischer Verhaltensweisen (broader autism phenotype), wie die Übersichten von Skuse (2010) und Freitag (2010) zeigen. Die These des Broader Autism Phenotype besagt, dass sich autistische Verhaltensweisen und die dahinter liegenden Prozesse der Informationsverarbeitung sowie genetische Befunde auch in einem Teil der nicht klinisch auffälligen Normalbevölkerung auf einem Kontinuum finden. Da diese auch durchaus Vorteile mit sich bringen, setzen sie sich weiterhin genetisch durch. Die Forschung konzentriert sich aktuell auf molekulargenetische Kopplungs- und Assoziationsstudien (Freitag 2007, 2010).

Das Asperger-Syndrom ist eine zerebrale Störung. Die genetischen Veränderungen führen zu einem veränderten Aufbau und veränderten Funktionen, wofür sowohl strukturelle und funktionelle Auffälligkeiten in bestimmten Hirnregionen als auch biochemische Anomalien sprechen. Im Fokus der Aufmerksamkeit stehen der Temporallappen und das limbische System, mit einem Schwerpunkt auf der Funktion der Amygdala. Auch bei den Funktionen des Frontallappens wurden Auffälligkeiten entdeckt, wie sie für Schwierigkeiten mit exekutiven Funktionen typisch sind. Es gibt zudem Hinweise auf Besonderheiten der Sinneswahrnehmung und damit einhergehend einer gestörten Informationsverarbeitung. Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass der Mensch wie andere Primaten über ein sogenanntes Spiegelneuronensystem verfügt, das für das Verständnis von Handlungen wie auch für Imitation und Empathie bedeutsam sein könnte. Greimel et al. (2009) geben eine Übersicht über die aktuellen Befunde.

Baron-Cohen (2006) verfolgt eine These, die genetische und neuropsychologische sowie -anatomische Ansätze verbindet: Autistische Menschen interpretieren Wahrgenommenes weniger mit dem Empathising System, welches mit der Amygdala, dem orbitalen und medialen frontalen Kortex sowie dem superioren temporalen Sulcus zusammenhängt. Sie aktivieren eher das Systemising System, welches nach wiederkehrenden Mustern und Regeln im wahrgenommenen Geschehen sucht, um eine Aussage über das Kommende zu machen. Baron-Cohen stellt die Hypothese der Hyper-Systematisierung (hyper-systemizing theory) auf, wonach autistische Menschen Informationen auf einem zu hohen Systematisierungsniveau verarbeiten, und sich somit verschiedene Symptome (z. B. Rigidität, Spezialinteressen) erklären lassen. Seine Studien zeigen, dass sich diese hohe Ausprägung des Systematisierungsniveaus auch in der Verwandtschaft von Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung findet, was wiederum auf die These des Weiteren autistischen Phänotyps (broader autism phenotype) verweist. Kinder mit Asperger-Syndrom haben öfter Mütter und Väter, welche Systematisierer sind. Somit schließt Baron-Cohen auf eine Vererbung des hohen Systematisierungsgrades, welcher unter anderem zur autistischen Symptomatik führen kann.

In Bezug auf die These der schwachen zentralen Kohärenz (weak coherence) beziehungsweise der detailorientieren Verarbeitung (local processing) stellen Happé und Frith (2006) ähnliche Überlegungen an ( Kap. 1.5.1). Auch diese Autoren haben bei klinisch unauffälligen Eltern autistischer Menschen vermehrt einen detailorientierten Verarbeitungsstil gefunden (Happè et al. 2001), was ebenfalls für das Vorhandensein eines Broader Autism Phenotype spricht.

In geringerem Umfang spielen auch Umweltfaktoren eine Rolle (Poustka et al. 2008; Dawson 2008): Der Einfluss von Toxinen (z. B. Umweltgifte, Pestizide) und Viren (z. B. Masern, Röteln, Mumps), intrauterine Umweltfaktoren (z. B. Grippeerkrankungen) und eine erhöhte Hormonkonzentration im Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsbehandlungen, aber auch ein Zusammenhang mit Autoimmunerkrankungen stehen zur Debatte (Dawson 2008). Die immer wieder diskutierten Hypothesen eines Zusammenhangs von Autismus mit Impfungen, Lebensmittelunverträglichkeiten (z. B. Gluten, Casein) oder Antibiotikamedikation konnten bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, sondern beruhen auf Einzelfallstudien (Poustka et al. 2008).

Vermutlich existiert eine Interaktion zwischen genetischen und umweltbedingten Faktoren, bei der verschiedene Gene miteinander interagieren und Umweltfaktoren die Anfälligkeit erhöhen, eine autistische Störung zu entwickeln (Dawson 2008). Dawson (2008) fasst Befunde zusammen, die zeigen, dass autistische Verhaltensweisen nicht im Zusammenhang mit einer stabilen Hirnschädigung stehen, sondern durch dynamische postpartale Veränderungen im Gehirn und somit des Verhaltens charakterisiert sind. Gemäß einem kumulativen Risikomodell senkt eine Anhäufung von frühen Risikofaktoren, die allenfalls durch Umweltfaktoren bedingt sind, die Schwelle zur Entwicklung suboptimaler neuronaler Prozesse.

1.5.1     Neuropsychologische und kognitive Aspekte der Autismus-Spektrum-Störungen

Wissenschaftlich werden neben dem spezifischen kognitiven Profil drei wichtige neuropsychologische Theorien diskutiert, welche die verschiedenen Auffälligkeiten autistischer Menschen erklären sollen: die Theory of Mind, die Theorie der Zentralen Kohärenz beziehungsweise der globalen versus lokalen Informationsverarbeitung und die Theorie der exekutiven Funktionen. Remschmidt et al. (2006) gehen davon aus, dass »autistische Menschen über ein nicht hinreichend integriertes Gehirn verfügen, sodass die einzelnen psychischen Funktionen unzureichend aufeinander abgestimmt und weder entwicklungsangemessen noch situationsangemessen koordiniert sind« (S. 51). Keines der neuropsychologischen Konstrukte kann alle Auffälligkeiten erklären, die für das autistische Spektrum spezifisch sind. Außerdem weisen Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung spezifische Auffälligkeiten bei der Wahrnehmung auf. Das Wissen um die neuropsychologischen Besonderheiten kann Bezugspersonen helfen, die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweise autistischer Menschen besser zu verstehen und einzuordnen (Jenny 2011). Therapeuten sollten sich in ihrer Arbeit mit von ASS-Betroffenen jeweils in Erinnerung rufen, dass eine andere Wahrnehmung der Welt, auch zu einer anderen Interaktion mit der Welt und zu Dissonanzen mit der Wahrnehmung und Deutung durch Nicht-Betroffene führt, wie die konkreten Alltagsbeispiele in Jenny (2011) aufzeigen.

Kognitives Profil

Obgleich der Frühkindliche Autismus häufig mit geistiger Behinderung einhergeht ( Kap. 1.1.1), so variiert die Intelligenz beim Asperger-Syndrom definitionsgemäß zwischen durchschnittlich bis überdurchschnittlich, was auch als Voraussetzung für die guten therapeutischen Fortschritte erachtet wird (Krasny et al. 2003). Verschiedene Studien untersuchen das Leistungsprofil von Menschen mit einem Asperger-Syndrom. Dabei konnte zum Beispiel im Hamburg-Wechsler-Intelligenztest HAWIK-III (Tewes et al. 2000) beobachtet werden, dass Kinder mit Asperger-Syndrom häufig deutlich besser im Verbalteil als im Handlungsteil abschneiden, während sich bei Kindern mit High-Functioning-Autismus genau der umgekehrte Fall zeigt. (Ozonoff et al. 1991a; Lincoln et al. 1995; zit. nach Remschmidt et al. 2006). Die Studie von Ghaziuddin et al. (2004) zeigt aber, dass die meisten Probanden die für ihre Diagnosegruppe typischen Profile aufweisen, manche aber auch ein gemischtes Bild oder sogar das für die andere Diagnosegruppe typische Profil zeigen. Dickerson et al. (2008) haben das Intelligenzprofil von Kindern mit High-Functioning-Autismus oder Asperger-Syndrom für die revidierte Fassung des HAWIK, den HAWIK-IV (Petermann und Petermann 2007) genauer untersucht: Der Index »Wahrnehmungsgebundenes Logisches Denken«, der keine zeitgebundenen motorischen Aufgaben beinhaltet, stellt nun zusammen mit dem Index »Sprachverständnis« die relative Stärke mit statistisch betrachtet überdurchschnittlichen Leistungen dar, während die Indizes »Arbeitsgedächtnis« und »Verarbeitungsgeschwindigkeit« relative Schwächen darstellen und unterdurchschnittlich ausfallen. Früher schnitten die Kinder im Mosaiktest am besten ab, heute stehen neu die Subtests »Matrizen« und »Bildkonzepte« an oberster Stelle der nonverbalen Tests. Ähnlich wie die Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung waren die Kinder mit einer autistischen Störung am schlechtesten beim Subtest »Buchstaben-Zahlen-Folgen«, der eine hohe Leistung des Arbeitsgedächtnisses erfordert.

Theory of Mind

Die Theory of Mind ist die Fähigkeit, sich in die Vorstellungswelt anderer hineinzuversetzen. »Mit dem Begriff ›Theory-of-Mind‹ ist die Fähigkeit gemeint, psychische Zustände (Gefühle und Gedanken) anderen Personen und sich selbst zuzuschreiben, also die Fähigkeit, die eigenen Gedanken, Gefühle, Wünsche, Absichten und Vorstellungen und diejenigen anderer zu erkennen, zu verstehen und vorherzusagen« (Remschmidt et al. 2006, S. 46). Baron-Cohen et al. (1985) sprechen von alltagspsychologischen Konzepten, die es dem Menschen ermöglichen, sich selbst und dem Gegenüber mentale Zustände zuzuschreiben. Sie beziehen sich dabei auf Konzepte aus der Primatenforschung. Der kognitive Verarbeitungsstil, der für das Repräsentieren von mentalen Zuständen verantwortlich ist, wird Mentalisieren (mentalising) genannt (Frith und Happé 1994; Happé 1997). Bei der Diskussion um die Theory of Mind ist zu beachten, dass nicht alle sozialen und kommunikativen Fertigkeiten die Fähigkeit zu Mentalisieren voraussetzen (Frith und Happé 1994). Die Entwicklung der Emotionserkennung stellt einen Teil der Entwicklung der Theory of Mind dar und wird oft gemeinsam mit den Begriffen Mindreading oder Empathizing (Baron-Cohen et al. 2004) genannt.

Das Wissen darüber, dass jede Person Gedanken und Gefühle hat und dass diese sich von denen einer anderen Person oder von deren Realität unterscheiden können, bildet die Grundlage für das Verstehen sozialer Situationen (Colle et al. 2006). Dieses Wissen, das aus der Theory of Mind resultiert, entwickelt sich bei Kindern im Verlauf des vierten Lebensjahres. In diesem Alter verändern sie sich von naiven Idealisten, die ihre Überzeugungen für reale Tatbestände halten, zu jungen Menschen, die wissen, dass ihre Ansichten möglicherweise nicht der Realität entsprechen (Baron-Cohen 2001; Remschmidt et al. 2006). Roeyers und Warreyn (2010) geben einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Theory of Mind und deren Vorläufer Imitation, geteilte Aufmerksamkeit und symbolisches Spiel.

Zahlreiche Studien (z. B. Baron-Cohen et al. 1985; Baron-Cohen 2001) konnten zeigen, dass Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung Defizite in der Entwicklung der Theory of Mind aufweisen (Ozonoff und Miller 1995; Happé 1995), was mit dem Begriff Mind-Blindness (Frith et al. 1994; Happé 1997) umschrieben wird. Während diese Schwäche beim Frühkindlichen Autismus sehr deutlich ist und bereits einfache Stufen der Entwicklung der Theory of Mind betrifft, sind die Beeinträchtigungen beim Asperger-Syndrom und High-Functioning-Autismus subtiler (Baron-Cohen 2001; Beaumont und Sofronoff 2008), stellen eher eine Entwicklungsverzögerung dar und betreffen dann erst die schwierigste Stufe, wie zum Beispiel die Interpretation von nonverbaler Kommunikation oder das Erkennen von Fauxpas-Situationen (z. B. Baron-Cohen 2001; Baron-Cohen et al. 2001; Beaumont und Sofronoff 2008). Viele der Schwierigkeit der Theory of Mind lassen sich bei Menschen mit Asperger-Syndrom kaum in Laborsituationen aufspüren, da sie mit ihrer guten Intelligenz und den verbalen Fähigkeiten vieles kompensieren können und erst in der realen sozialen Situation oder bei anspruchsvollen sozialen Tests auffallen, die Mentalisieren in einem sozialen Kontext erfordern (Baron-Cohen et al. 2001; Klin et al. 2003). Einige Autoren haben Wege gefunden, um verschiedene Aspekte von sozialer Kognition im Rahmen eines Tests zu beobachten, der auch die Schwächen gut begabter Menschen mit Asperger-Syndrom erfasst: Hierzu zählen Klin (2000) mit dem Social Attribution Task (SAT), Kaland (Kaland et al. 2002; Kaland et al. 2008) mit ihren Strange Stories und Stories from Everyday Life, aber auch Heavey et al. (2000) mit dem Awkward Moments Test und Dziobek et al. (2006) mit dem Movie for the Assessment of Social Cognition (MASC) – beide arbeiten mit Filmsequenzen, – sowie Golan et al. (2006a) mit der Cambridge Mindreading Face-Voice Battery (CAM), Baron-Cohen et al. (2001) mit dem Reading the Mind in the Eyes Test und Golan et al. (2006b) mit dem Reading the Mind in the Voice Test – alle drei stützen sich vor allem auf das Erfassen emotionaler Informationen. Zu bedenken ist, dass nicht alle sozialen Kompetenzen Mentalisieren benötigen (Frith et al. 1994; Happé 1997), was Untersuchungen mit sich bewegenden Objekten, denen soziale Intentionen zugeschrieben werden, schön aufzeigen (Castelli et al. 2002): Während sich im PET-Scan keine Unterschiede zwischen Menschen mit Asperger-Syndrom und Kontrollpersonen zeigen, wenn diese auf einem Bildschirm Objekte beobachten, die sich zufällig oder auf ein gemeinsames Ziel hin bewegen (Jagen, Fangen, Kämpfen), schneiden die Kontrollpersonen bedeutend besser ab, wenn sich die Objekte interagierend und scheinbar mit impliziten Absichten bewegen (z. B. Austricksen).

Die Folgen einer fehlenden Theory of Mind oder der mangelnden Fähigkeit der Intersubjektivität (Remschmidt et al. 2006, S. 47) zeigen sich vor allem im sozialen Bereich: Die nonverbalen Hinweisreize eines Menschen, wie Prosodie oder Mimik, werden nicht beachtet, d. h. sie werden nicht verwendet, um Rückschlüsse hinsichtlich dessen Gedanken und Gefühle zu ziehen (Baron-Cohen et al. 2001). Subtilere soziale Vorgänge, wie Stimmungen, Witze oder Sarkasmen, werden nicht verstanden (Poustka et al. 2008). Zudem ist das Verhalten anderer Menschen ohne eine Theory of Mind weder verständlich noch vorhersagbar.

Nach der Übersichtsarbeit von Bruning et al. (2005) finden sich Defizite der Theory of Mind auch bei anderen psychiatrischen Störungsbildern, wie schizophrenen und bipolaren Erkrankungen. Diese entwickeln sich aber erst im Verlauf der Erkrankung und bilden sich nach der Remission wieder zurück. Zudem weisen auch Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung Schwierigkeiten mit der Theory of Mind auf.

Untersuchungen zur Theory of Mind nutzen sehr unterschiedliche Aufgabenstellungen und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen (Bruning et al. 2005). Die Theory of Mind scheint mit dem Mentalisierungssystem zusammenzuhängen, welches als Netzwerk zwischen den Temporalregionen, den Parietalregionen, dem medialen präfrontalen Kortex und der Amygdala fungiert und bei Menschen mit Autismus eine geringere Aktivierung zeigt (Frith 2001; Castelli et al. 2002). Bei Betroffenen wird eine reduzierte funktionelle Verbindung zwischen dem bei Mentalisierungsaufgaben hoch aktiven extrastriatalen Kortex und dem superioren temporalen Sulcus an der Verbindungsstelle zwischen Temporal- und Parietalregion beobachtet (Castelli et al. 2002). Die Autoren schließen auf eine Art Flaschenhals bei der Interaktion zwischen verschiedenen Wahrnehmungsprozessen. Eine besondere Rolle bei der Verarbeitung von Informationen von Gesichtern spielt der Gyrus fusiformis (Schultz et al. 2003). Diese Region scheint auch zusammen mit anderen Regionen (Amygdala, Temporalregionen, medialer präfrontaler Kortex, inferolateraler frontaler Kortex, superiore temporale Sulci) eine Rolle bei der sozialen Attribuierung von wahrgenommenen Situationen zu spielen (Schultz et al. 2003). Menschen mit Autismus zeigen zum Beispiel bei der Verarbeitung von Gesichtern signifikant weniger rechtshemisphärische Aktivierung im Bereich des Gyrus fusiformis als Kontrollpersonen (Bruning et al. 2005). Ferner geben auch Untersuchungen über die Augenbewegungen interessante Hinweise auf die Ursachen der sozialen Defizite: Menschen mit Autismus beobachten zum Beispiel in Gesprächen eher die sich bewegende Mundpartie oder unwesentliche Details und die verbalen Äußerungen, während sich Kontrollpersonen auf die Augenpartie konzentrieren sowie nonverbale Hinweise wie die Blickrichtung verfolgen und dadurch oft Informationen erfassen, noch ehe sie verbalisiert werden, oder solche, die im Gegensatz zum verbalen Inhalt stehen (Klin et al. 2003).

Zentrale Kohärenz und globale versus lokale Informationsverarbeitung

Die Zentrale Kohärenz (Happé und Frith 2006) ist die Fähigkeit, übergreifende (soziale) Muster und den gesamten Kontext zu erfassen. Frith (1989) konzeptualisierte sie als die spontane Tendenz normal entwickelter Menschen, Reize zu einem kohärenten, bedeutsamen Ganzen zu integrieren. Wahrnehmung und Denken werden im Sinne der Gestaltpsychologie und der kognitionspsychologischen Theorie der Feld(un)abhängigkeit durch zentrale Kohärenz bestimmt: Reize (Menschen, Objekte, Situationen, Gefühle) werden immer in Bezug auf ihren Kontext gesehen und zu einer höheren Ordnung im Sinne einer kohärenten Gestalt zusammengefügt.

Bei den Autismus-Spektrum-Störungen ist die Fähigkeit zur zentralen Kohärenz nur schwach ausgeprägt. Dagegen ist die Tendenz sehr stark, Reize isoliert und kontextfrei zu verarbeiten (Frith und Happé 1994; Happé 1997; Müller 2008). Diese Befunde könnten die Resultate aus Untersuchungen mit dem Hamburg-Wechsler-Intelligenztest (Tewes et al. 2000) erklären, wonach Menschen mit Autismus überdurchschnittlich gut im Subtest Mosaike abschnitten (Shah und Frith 1993; Happé 1997) oder bei den sogenannten Embedded Figures (Witkin et al. 1971) einfache Figuren finden, welche im Kontext einer komplexeren Figur lokalisiert werden müssen (Happé 1997; Happé et al. 2006). Zur Lösung dieser Aufgaben ist es von Vorteil, sich auf Details zu konzentrieren und ein Ganzes segmentiert wahrnehmen zu können.

Bei Menschen mit Asperger-Syndrom scheint die Zentrale Kohärenz weniger beeinträchtigt zu sein als beim Frühkindlichen Autismus (Jolliffe und Baron-Cohen 2001; Beaumont et al. 2008). Eine Hypothese besagt, dass diese Beeinträchtigung erst ab einer bestimmten zu verarbeitenden Informationsmenge auftritt (Jolliffe et al. 2001), währende eine andere Hypothese postuliert, es handle sich um keine Schwäche, sondern die Fähigkeit zur Zentralen Kohärenz sei auf einem Kontinuum anzuordnen (local versus global coherence) und durch zwei unterschiedliche, aber gleichwertige Informationsverarbeitungsstile, die globale und die lokale Informationsverarbeitung (local versus global processing), repräsentiert (Happé et al. 2006). Menschen mit Autismus setzen zwar öfters den detailorientierten Verarbeitungsstil ein, können aber bei Aufgaben, die explizit eine ganzheitliche Verarbeitung fordern, in diesen wechseln. Somit geht es möglicherweise weniger um eine Schwäche der globalen Verarbeitung und eher um eine auffallende Stärke der Detailorientierung. Müller (2008) gibt eine Übersicht über verschiedene Aufgaben, bei denen sich dieser Verarbeitungsstil anschaulich zeigt, und diskutiert die Vor- und Nachteile dieser Informationsverarbeitung. Befunde, wonach die Eltern – besonders die Väter – von Menschen mit Autismus ebenfalls signifikant öfter einen Verarbeitungsstil der Local Coherence anwenden, sprechen dafür, dass dieser Stil auch in der nicht klinisch auffälligen Bevölkerung im Sinne eines Broader Autism Phenotype vorhanden ist und durchaus Vorteile mit sich bringt (Happè et al. 2001). Zur Interpretation von sozialen Situationen ist eine ganzheitliche und kontextgebundene Wahrnehmung unentbehrlich (Berger et al. 2003, zit nach Happé et al. 2006). Die Theorie der schwachen zentralen Kohärenz kann einen Teil der sozialen Schwierigkeiten von Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung erklären. Die anatomischen Strukturen hinter der Zentralen Kohärenz sind noch unklar.

Exekutive Funktionen

Bei den exekutiven Funktionen (Pennington und Ozonoff 1996) geht es um das Lösen von Problemen, um die Fähigkeit zu planen und zielgerichtet zu handeln (von Cramon und von Cramon 2000). »Exekutive Funktionen stellen Denkprozesse höherer Ordnung dar, die für die Verhaltensplanung, -steuerung und -kontrolle entscheidend sind. Sie umfassen: Handlungsplanung, Impulskontrolle, Kontrolle der Aufmerksamkeit und der motorischen Funktionen, Widerstand gegen Störungen, die Unterdrückung (Inhibition) drängender, aber den Handlungsablauf störender Reaktionen sowie Zielgerichtetheit, organisierte Suche und Flexibilität in Denken und Handeln (im Sinne von Generierung neuer Lösungsmöglichkeiten)« (Remschmidt et al. 2006, S. 44).

Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung zeigen Defizite in den exekutiven Funktionen (Verté et al. 2006), die auch bei verschiedenen anderen psychischen Erkrankungen auftreten, wie zum Beispiel bei der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, dem Tourette-Syndrom oder Störungen des Sozialverhaltens (Pennington et al. 1996). Es fehlt ihnen an der ausreichenden Inhibition, um zielgerichtet planen zu können und sich nicht ablenken zu lassen. Diese fehlende Inhibition wird auch bei der Kontrolle von Emotionen sichtbar: Menschen mit einem Asperger-Syndrom zeigen beispielsweise oftmals die Tendenz impulsiv und aggressiv zu reagieren, wenn sie wütend sind. Sie scheinen nicht in der Lage zu sein, erst nach alternativen Verhaltensweisen zu suchen, sondern reagieren häufig sofort mit physischer Gewalt, ohne zu überlegen (Sofronoff et al. 2007). Auch Veränderungsängste, die autismus-typischen Spezialinteressen und das fehlende vorausschauende Denken (z. B. Gefahren erkennen) lassen sich durch eine Störung der exekutiven Funktionen erklären (Ozonoff et al. 1991a; Freitag 2009).

Ein immer wieder benutztes Paradigma, um die exekutiven Funktionen zu erfassen, stellt das Testverfahren Turm von London (Tucha und Lange 2004) dar. Bei diesem Test geht es darum, einen aus verschiedenen Bestandteilen bestehenden Turm nachzubauen, wobei jeder Schritt gut geplant werden muss. Verschiedene Studien, unter anderem die von Manjiviona und Prior (1999), konnten die Schwierigkeiten aufzeigen, die Menschen mit einem Asperger-Syndrom mit dieser Aufgabe haben. Das kognitive Profil im Bereich der exekutiven Funktionen unterscheidet sich innerhalb des autistischen Spektrums nur unwesentlich (Verté et al. 2006): Kinder mit Asperger-Syndrom, High-Functioning-Autismus oder einer nicht näher bezeichneten Entwicklungsstörung weisen im Vergleich zu gesunden Kontrollkindern vor allem Schwierigkeiten mit kognitiver Flexibilität, Handlungsplanung, verbaler Flüssigkeit und Inhibition auf. Diese Erkenntnisse aus der neuropsychologischen Forschung legen Auffälligkeiten im Frontallappen nahe (Baron-Cohen 2004).

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit

Wahrnehmung und Aufmerksamkeit sind diejenigen elementaren kognitiven Prozesse, die bei Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen früh und bleibend eingeschränkt sind. Freitag (2009) gibt eine Übersicht über die Befundlage: Bei den Besonderheiten der auditorischen Wahrnehmung erwähnt die Autorin, dass autistische Kleinkinder die mütterliche Stimme nicht präferieren (Klin 1991) und die automatische Hinwendung zu Sprachlauten herabgesetzt ist (Lepisto et al. 2006), während ältere Kinder komplexe Klänge (Gomot et al. 2008) und Prosodie (Ceponiene et al. 2003) schlechter verarbeiten. Des Weiteren ist die visuelle Wahrnehmung von Kindern mit einer Störung aus dem autistischen Spektrum verändert: Die Wahrnehmung von Gesichtern und entsprechenden Gefühlen ist eingeschränkt (Dawson et al. 2005), Gesichter werden ähnlich wie Gegenstände verarbeitet (Hobson et al. 1988; van der Geest et al. 2002), und die Wahrnehmung von Bewegungen bereitet Schwierigkeiten (Freitag et al. 2008). Es finden sich aber auch Stärken bei der Wahrnehmung von Formen und Farben (Dakin und Frith 2005). Bereits Einjährige sind mit Blick und Aufmerksamkeit weniger auf ihre Bezugspersonen bezogen (Osterling et al. 2002). Die bei ein- bis zweijährigen Kindern mit Autismus eingeschränkte geteilte und gemeinsame Aufmerksamkeit, wie auch die damit einhergehenden Verhaltensweisen des Gebens und Zeigens, des Deutens, des Blickkontakts und andere nonverbale Kommunikationsaspekte stehen möglicherweise im Zusammenhang mit den auditorischen und visuellen Wahrnehmungsbesonderheiten (Freitag 2009).

1.6       Interventionen

Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung auf hohem Funktionsniveau benötigen in der Entwicklung ihrer sozio-emotionalen und kommunikativen Fertigkeiten Unterstützung und Hilfe bei der Interaktion mit Gleichaltrigen. Sie erleben trotz ihrer durchschnittlichen Intelligenz ständig Misserfolge aufgrund ihrer Unfähigkeit, soziale Situationen zu verstehen und sich adäquat zu verhalten. Zudem besuchen sie aufgrund ihrer kognitiven Fähigkeiten zumindest in den ersten Schuljahren mehrheitlich und später immer noch häufig eine Regelschule und sind so täglich sozialen Erwartungen ausgesetzt, denen sie oft nicht gerecht werden können. Menschen mit geringerem Funktionsniveau hingegen besuchen meistens Sonderschulen, sind diesem sozialen Druck damit weniger stark ausgesetzt und erleben ihre Andersartigkeit nicht im selben Ausmaß (Rao et al. 2008).