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Konflikt E-Book

Armen Avanessian

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Beschreibung

»Eine der wichtigsten Stimmen der linken Theorie« Philosophiemagazin Unsere Welt, wie wir sie kennen, droht zu verschwinden. Doch statt uns aktiv mit den Herausforderungen auseinanderzusetzen, winden wir uns aus ihnen heraus. Armen Avanessian fordert: Wir müssen die Gegenwart aus der Zukunft betrachten. Nur wenn wir heute zu Konflikten bereit sind, wird es ein Morgen geben. Unser Zeitalter ist geprägt von völlig neuen Konfrontationen, die die gesellschaftliche Ordnung bedrohen und uns überfordern. Kaum ein Bereich, der nicht voller Konflikte beschrieben wird: zwischen den Geschlechtern und Generationen, zwischen Zivilisationen und Kulturen – und natürlich sind wir auch mit uns selbst uneins. Gelichzeitig macht sich eine zunehmende Konfliktscheu oder gar Konfliktverdrängung breit. Mehr noch: Schon längst formen die Konflikte der Zukunft die Gegenwart und rasen achronologisch und exponentiell auf uns zu. Armen Avanessian gibt dieser Dynamik erstmals einen wissenschaftlichen Rahmen. Er entwickelt konkrete Anleitungen für einen Umgang mit ihr und nimmt die Zukunft in den Fokus. Denn es braucht den Blick auf das, was kommt, um schon heute zu intervenieren.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Das Buch

Unser Zeitalter ist geprägt von völlig neuen Konfrontationen, die die gesellschaftliche Ordnung bedrohen und uns überfordern. Kaum ein Bereich, der nicht voller Konflikte beschrieben wird: zwischen den Geschlechtern und Generationen, zwischen Nationen, Zivilisationen und Kulturen – und natürlich sind wir auch uneins mit uns selbst. Gleichzeitig macht sich eine zunehmende Konfliktscheu oder gar Konfliktverdrängung breit. Dabei formen längst schon die Konflikte der Zukunft die Gegen-wart und rasen unaufhaltsam auf uns zu: die Digitalisierung unseres Wissens, entgrenzte Kriege, der Klimawandel und neue Formen des planetaren Zusammenlebens. Vor diesem Hintergrund plädiert Armen Avanessian für ein radikales Neuverständnis und eine positive Neubewertung des ebenso inflationär gebrauchten wie wenig verstandenen Phänomens K

Der Autor

Armen Avanessian, geboren 1973 in Wien, ist Philosoph, Literaturwissenschaftler und politischer Theoretiker. Er war Gastprofessor an verschiedenen Kunstakademien und Universitäten, u.a. in Nürnberg, Hamburg, Kopenhagen und Paris. Von 2017 bis 2021 leitete er die beliebte Veranstaltungsreihe »Armen Avanessian & Enemies« im Roten Salon der Berliner Volksbühne. Seit August 2021 ist er Professor für Medientheorie an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen.

Ullstein

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ISBN978-3-8437-2688-7

© 2022 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinUmschlaggestaltung: Rudolf Linn© Lena Reiner / ZUE.Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

Für Marie, Adrian und Julian

Inhalt

Über das Buch und den Autor

Titelseite

Impressum

Widmung

Einleitung – Sag mir, was deine Konflikte sind, und ich sage dir, wer du bist

I. Gegenwart – Alles nur (keine) Konflikte

1. Von Autoimmun- bis Zivilisationskrankheiten: Konfliktbiologie und Konfliktmedizin

2. Bruchlinienkonflikte im Kampf der Kulturen: Soziobiologie und Politologie

3. Die Konfliktscheu des depressiven Subjekts: Soziologie und Psychologie

4. Sozial-digitale Konfliktsymbiose: Medien und Technologie

II. Vergangenheit – Unterwegs zur Konflikttheorie

1. Antinomien der Vernunft: Kants Grundlegung der modernen Subjektivität

2. Dialektik, Identität, Klassenkampf: Hegel zwischen Rechts und Links

3. Dionysos oder der Gekreuzigte: Nietzsches Genealogie der Gegengeschichte

4. Das Ich der Neurose: Freuds Neuerfindung des Menschen als Konfliktwesen

5. Konkurrenz, Kompromiss, Konsens: der »Konflikt« der Soziologie

6. Mediation, Management, externe Entscheidung: Konfliktpragmatik und Recht

7. Kritik und Widerstreit: Die Geburt der Theorie aus dem Geiste des Konflikts

III. Zukunft – Ausweitung der Konfliktzonen

1. Warum wir die Konflikte der Zukunft herstellen müssen: Versuch einer Definition

2. Klima, Drohnen, Cyber: Die Entgrenzung des Kriegs

3. Daten, Algorithmen, künstliche Intelligenz: Wissenskonflikte der Digitalisierung

4. Mikroben, Menschen, Maschinen: Die Herstellung eines planetarischen Subjekts

Dank

Anhang

Bibliographie

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

I. Gegenwart – Alles nur (keine) Konflikte

So wie wir den Begriff im Alltag verwenden, ist es sicher einigermaßen unkontrovers, zu sagen, dass »Konflikte« jeden Bereich (nicht nur) des menschlichen Lebens durchdringen, und zwar sowohl in der Sphäre der sozialen Interaktionen als auch auf einer elementaren biologischen Ebene. Glaubt man den einschlägigen Natur- und Kulturwissenschaftler:innen, stehen etwa unsere egoistischen Gene nicht nur in Konfrontation mit anderen Genen, sondern in einem generellen Widerstreit mit der Kultur – dem, was Humangenetiker einen »Gen-Kultur-Konflikt« nennen.24 Beginnen werden wir diese Bestandsaufnahme der Gegenwart daher mit einem Blick auf die biologischen Prozesse, die unsere Körper sowohl mit ihrer kulturellen Umgebung als auch mit sich selbst unter Spannung setzen können. Obwohl gerade eine Analyse der für alles Lebendige essenziellen (Auto-)Immunvorgänge ein differenziertes Bild vom Verhältnis zwischen Eigenem und Fremdem zeichnen müsste, changieren Biologie und Medizin doch allzu oft zwischen den Extremen, indem sie diese Vorgänge in entweder einseitig harmonisierender oder in bellizistischer Weise deuten.

Solche Beschreibungen von Vorgängen im biologischen Bereich deuten bereits an, dass die Erforschung der Immunologie auch nicht folgenlos für die Sozialwissenschaften geblieben ist. Gerade eine eher kriegsähnliche Auslegung der Autoimmunprozesse hat vor allem konservative Politologen dazu geführt, auch soziale Auseinandersetzungen als ihrer Natur nach »kriegerisch« zu beschreiben, die bellizistische Deutung somit zu naturalisieren. Am Beispiel eines der in den vergangenen Jahrzehnten meistdiskutierten Vertreters einer solchen pessimistischen Anthropologie, dem US-Politologen Samuel P. Huntington, wird uns dies im zweiten Kapitel beschäftigen.

Schon hier wird uns aber auch etwas begegnen, das ein konfliktnaturalisierender Konservatismus gerne seinen politischen Gegner:innen unterstellt, nämlich eine dieser vermeintlichen Allgegenwart von »Konflikten« gegenüberstehende »Konfliktblindheit« oder »Konfliktscheu«. In etwa zur selben Zeit wie Huntington hat der französische Soziologe Alain Ehrenberg Ende des 20. Jahrhunderts den Befund einer allgemeinen Konfliktscheu zur Diagnose einer depressiven Gesellschaft ausgebaut, deren beständiges Vermeiden von Konfrontationen die diesen zugrunde liegenden Konflikte doch nicht zum Verschwinden zu bringen vermag. Diesen Überlegungen wird sich unser drittes Kapitel widmen.

Ehrenberg konnte um die Jahrtausendwende wohl noch nicht erahnen, wie sehr sich seine Analysen in den folgenden zwei Digitalisierungsjahrzehnten plausibilisieren würden. Das Zeitalter der digitalen sozialen Medien hat auf der einen Seite Angebot wie Nachfrage nach Filterblasen enorm gesteigert, die als Safe Spaces fungieren, was auf der anderen Seite freilich vor allem dazu führt, dass sich die Auseinandersetzungen, die doch weiterhin stattfinden, regelmäßig und mit quasi technologischer Notwendigkeit verschärfen und verhärten. Das vierte und letzte Kapitel dieses ersten Teils wird diesem wohl bezeichnendsten Aspekt unserer konfliktunverständigen Gegenwart nachgehen.

Anmerkungen zum Kapitel

24. Vgl. Werner Buselmaier, Der Gen-Kultur-Konflikt, Heidelberg 2016.

1. Von Autoimmun- bis Zivilisationskrankheiten: Konfliktbiologie und Konfliktmedizin

Wo sonst sollte eine Untersuchung der These einer Allgegenwärtigkeit von »Konflikten« beginnen als mit einem Blick auf die elementaren Vorgänge des Lebens überhaupt? Nicht erst in Zeiten von Pandemien deutet schon unsere alltägliche Erfahrung mit uns selbst und unserer eigenen Körperlichkeit darauf hin, dass in der Welt nicht immer alles harmonisch zugehen kann. Zwei unsere moderne Welt besonders prägende Beispiele sind hier einerseits die sogenannten »Zivilisationskrankheiten«, bei denen ein Körper in Spannung mit seinen kulturellen Bedingungen gerät, sowie andererseits Autoimmunerkrankungen, in denen ein Körper gegen sich selbst agiert. So kann nämlich einerseits unsere evolutionäre Disposition quer stehen zu unseren zeitgenössischen Lebensgewohnheiten, andererseits sind es (Auto-)Immunprozesse, mittels derer zuallererst so etwas wie Identität hergestellt, also Fremdes von Eigenem unterschieden wird.

Verschärft tritt das naturgemäß dort auf, wo sich überhaupt erst neues Leben herausbildet. So stehen auch die Vorgänge um Schwangerschaft und Geburt im erweiterten Spannungsfeld der Immunologie. Grund genug, uns zunächst einmal Klarheit über den Begriff der »Immunität« zu verschaffen. Denn während der Begriff aus der Biologie heraus eine Metapher für die Beschreibung sozialer und politischer Verhältnisse liefert, schwankt seine Verwendung innerhalb der Medizin selbst zwischen verschiedenen Paradigmen, grob gesagt einem eher harmonischen und einem nicht selten mit kriegerischer Metaphorik belegten. Dabei wird es am Ende bei der Frage nach der Bedeutung der Autoimmuntoleranz für die Vorstellung von Selbstidentität vor allem darum gehen, diese Grenzen gerade nicht mit voller Schärfe zu ziehen, sondern vielmehr Selbst und Anderes, Eigenes und Fremdes auf produktive Weise ineinanderfließen zu lassen.

Kurzes ABC der Konfliktkrankheiten

Adipositas, Aids, Allergien, Anämie, Anorexie, Bandscheibenvorfälle, Bluthochdruck, Blinddarmentzündung, Bulimie oder neuerdings diverse Coronavirus-Erkrankungen wie SARS, MERS und zuletzt Covid-19 – diese alphabetische Liste an Krankheiten, die allesamt auch als »Zivilisationskrankheiten« identifiziert worden sind, ließe sich noch lange fortsetzen. Was sie alle teilen sollen, ist der Ausdruck einer notwendigen Unvereinbarkeit zwischen unserer evolutionär herausgebildeten genetischen, anatomischen oder biologischen Disposition und unseren modernen Lebens-, Reise- und Konsumgewohnheiten. Die Volkskrankheiten Kurzsichtigkeit oder Rückenschmerzen wären somit nicht einfach das Resultat einer räumlichen Veränderung oder Verengung (von der Steppe in enge Wohn- und Büroräume), sondern auch Symptom gänzlich unvermittelbarer oder konfligierender Zeitlichkeiten. Wir verfügen demnach schlichtweg nicht über eine ausreichend schnelle anatomische Anpassungsfähigkeit, um mit den von uns produzierten gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen auch biologisch Schritt halten zu können. Damit kommt es zu einer Kollision unvereinbarer Temporalitäten. Dem Humangenetiker Werner Buselmaier zufolge tragen wir »archaische Gene in uns, die in Konflikt geraten mit den Erfordernissen« der gegenwärtigen und »zukünftigen Welt«.25 Wir sehen uns mit unserem steinzeitlichen Genom also einer kulturellen Entwicklung ausgesetzt, die eine fundamentale Veränderung unserer Ernährungs-, Arbeits- und sonstigen Lebensgewohnheiten mit sich gebracht und uns von »steinzeitlichen« Lebensverhältnissen weit entfernt hat.

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